Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung im Verfahren gegen die Sicherstellung eines E-Bikes

Aktenzeichen  10 ZB 17.2241

Datum:
6.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13753
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1006 Abs. 1 S. 1
PAG 1990 Art. 25 Nr. 2
PAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein Berufungszulassungsantrag genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung, wenn die Antragsbegründung von unzutreffenden Annahmen ausgeht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass keinerlei Kaufbelege vorgelegt und keine nachvollziehbaren Angaben zum Erwerb des fraglichen Gegenstandes gemacht werden, ist zu den Indizien zu rechnen, die die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegen können. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 15 K 16.01837 2017-06-27 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.300,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen die polizeiliche Sicherstellung eines E-Bikes auf der Grundlage von Art. 25 Nr. 2 PAG (i.d.F.v. 14.9.1990 – a.F.; jetzt Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG i.d.F.v. 18.5.2018) durch Bescheid vom 17. August 2016 weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
1. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).
Der Kläger wendet sich zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung dagegen, dass das Verwaltungsgericht im Tatbestand seines Urteils dargelegt habe, dass der Kläger von Zeugen dabei beobachtet worden sei, wie er versucht habe, einen versperrten Fahrradanhänger zu entwenden und „nach dem Diebstahlsversuch“ von Tatort geflüchtet sei. Es habe damit ohne Durchführung einer Beweisaufnahme einen bestrittenen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Insoweit trifft allerdings nur zu, dass der Kläger – lediglich – im Rahmen von Ermittlungen wegen eines gegen ihn bestehenden Verdachts des Versuchs des Diebstahls eines Fahrradanhängers mit dem später sichergestellten E-Bike angetroffen worden war und erst am 18. Oktober 2018 vom Amtsgericht deswegen (rechtskräftig) zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seiner Feststellung, dass die Sicherstellung des E-Bikes gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG (a.F.) rechtmäßig gewesen sei, keineswegs den „Diebstahlsversuch“ als feststehende Tatsache zugrunde gelegt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass die Polizei zum Zeitpunkt der Sicherstellung davon ausgehen durfte, dass das E-Bike nicht im Eigentum des Klägers steht. Die polizeiliche Sicherstellung sei nach Freigabe des E-Bikes „in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des versuchten Diebstahls eines Fahrradanhängers“ erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt seien der Polizei die Aussagen des Klägers in diesem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und der in diesem Verfahren vernommenen Zeugen bekannt gewesen. Auf dieser Grundlage habe die Polizei zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen dürfen, dass die Angaben des Klägers über die Herkunft des E-Bikes unglaubwürdig seien und dieses deshalb im Interesse des wahren Eigentümers oder rechtmäßigen Besitzers sicherzustellen sei (UA S. 6-7).
Bei der Begründung seiner Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Sicherstellung auch weiterhin vorliegen, erwähnt das Verwaltungsgericht den „Diebstahlsversuch“ an dem Fahrradanhänger gar nicht. Es führt vielmehr aus, für die Einschätzung, dass der Kläger nicht selbst Eigentümer oder rechtmäßiger Besitzer des sichergestellten E-Bikes sei, spreche maßgeblich der Umstand, dass er weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren nähere Angaben über den Erwerb des E-Bikes habe machen können. Er habe auch keine Kaufbelege oder ähnliches vorlegen können; außerdem habe er das E-Bike vollständig mit schwarzer Folie überzogen. Nicht einmal in der mündlichen Verhandlung habe er nähere Angaben über den Erwerb des E-Bikes gemacht. Die gesetzliche Vermutung des § 1006 BGB sei damit widerlegt; mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit erscheine es wahrscheinlicher, dass das E-Bike im Eigentum eines – hier unbekannten – Dritten stehe als im Eigentum des Klägers (UA S. 7-8).
Somit war die Frage, ob bezüglich des Fahrradanhängers ein „Diebstahlsversuch“ vorlag oder nur ein diesbezüglicher Verdacht, für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerheblich; Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich daraus nicht.
2. Der Kläger hat auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist eine bestimmte ober- oder höchstrichterlich noch ungeklärte Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren, ferner die Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Frage im Berufungsverfahren aufzuzeigen sowie anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Es ist dabei in Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur darzulegen, in welchem Sinne und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist, dass das angefochtene Urteil auf der falschen Beantwortung der Frage beruht und warum es folglich erforderlich ist, dass sich das Oberverwaltungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetze (Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2019, § 124a Rn. 76 m.w.N.).
a) Die Frage, „ob es einem Verwaltungsgericht ernstlich zukommen kann, den Kläger entscheidungstragend als feststehenden Täter eines angeblichen schweren ‚Diebstahlsversuches‘ zu brandmarken, wenn der Kläger diesen Vorwurf doch mit Nachdruck bestreitet, eine Verurteilung (erst [recht] eine rechtskräftige) nicht vorliegt und zudem keinerlei Beweisaufnahme hierzu erfolgt ist“, ist schon nicht entscheidungserheblich, da sie von unzutreffenden Annahmen ausgeht. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger nicht „gebrandmarkt“, und der „Diebstahlsversuch“ war – wie soeben ausgeführt – für die Entscheidung nicht erheblich, geschweige denn „entscheidungstragend“.
b) Ebenso wird die Frage, „ob die bloße Absenz schriftlicher Erwerbsbelege in Kombination mit klägerischer Auskunftsunwilligkeit bereits die Anwendung des Art. 25 Nr. 2 PAG eröffnet“, den differenzierten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu der Feststellung, dass der Kläger nicht Eigentümer oder berechtigter Besitzes des E-Bikes ist (UA S. 6-8), nicht gerecht. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass der Umstand, dass keinerlei Kaufbelege vorgelegt und keine nachvollziehbaren Angaben zum Erwerb des fraglichen Gegenstandes gemacht werden, durchaus zu den Indizien zu rechnen ist, die die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegen können (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 C 18.2522 – juris Rn. 22).
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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