Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Gehörsverletzung

Aktenzeichen  9 ZB 18.32859

Datum:
27.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6106
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Auch im Asylverfahren setzt die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten (Anschluss an BVerfG BeckRS 2001, 22422). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist ein verfahrensfehlerhaft nicht eingeführtes Erkenntnismittel der Prozesspartei nicht ohne Weiteres zugänglich, so muss sie es innerhalb der Rechtsmittelfrist bei Gericht anfordern, es überprüfen und zur Begründung eines Gehörsverstoßes dann im Einzelnen darlegen, was sie zu den darin enthaltenen Feststellungen ausgeführt hätte (Anschluss an BVerwG BeckRS 2005, 26566). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 18.30024 2018-09-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Der Kläger macht geltend, die Verletzung rechtlichen Gehörs resultiere sowohl aus dem Verfahrensablauf als auch aus der Ablehnung eines Beweisantrags. Das Verwaltungsgericht habe den am 26. September 2018 in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Einholung einer ergänzenden Auskunft des Auswärtigen Amtes mit der Begründung abgelehnt, dass das Auswärtige Amt in seiner Auskunft angeführt habe, dass es die Registernummer in dem entsprechenden Register nicht gebe und dass die „Anträge“ (gemeint: Einträge) im Formular im Vergleich mit anderen Formularen desselben Jahres und derselben Polizeistation Abweichungen aufweisen würden. Die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Auskunft des Auswärtigen Amtes (vom 23. Juli 2018) sei jedoch entweder nicht existent oder jedenfalls nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden, während mit der ursprünglichen Ladung vom 27. Juli 2018 die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 2018 an den Kläger gesandt worden sei. In dieser sei lediglich die Rede davon, dass das vorgelegte Dokument nicht echt sei, es gebe zwar den Eintrag in dem entsprechenden Register, dieser betreffe jedoch eine andere Person. Hierauf habe sich auch der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2018 bezogen, mit dem ergänzend habe aufgeklärt werden sollen, ob der Name des Freundes, der mit dem Kläger verhaftet worden sei, in dem entsprechenden Register betreffend das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Uganda Police enthalten sei.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Verwertung von Tatsachen und Beweisergebnissen setzt deshalb voraus, dass diese von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht oder sonst in das Verfahren eingeführt worden sind und dass sich die Beteiligten hierzu äußern konnten. Dies gilt auch für die im Asylverfahren verwendeten Erkenntnisse (vgl. etwa BVerfG, B.v. 18.7.2001 – 2 BvR 982/00 – juris Rn. 15 ff.).
1. Entgegen dem Zulassungsvorbringen liegt ein Gehörsverstoß nicht deshalb vor, weil das Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2018 nicht existent oder nicht ordnungsgemäß eingeführt worden wäre.
Das Verwaltungsgericht hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2018 eine Erkenntnismittelliste zum Land Uganda, Stand 7. Juni 2018, zugesandt und außerdem weitere Unterlagen, die sich auch in der Verwaltungsgerichtsakte befinden, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, nämlich: „Auskünfte Auswärtiges Amt vom 23.07.2018 (betr. Vorliegendes Verfahren) und vom 02.07.2018“. Hierzu hat es, wie auch in Bezug auf die Erkenntnismittelliste, darauf hingewiesen, dass die Unterlagen bei Gericht eingesehen werden können. Es hat also auch das Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2018, das aus dem Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. April 2018 resultiert, in einer Weise bezeichnet und in das Verfahren eingeführt, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglichte, es zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihm zu äußern, selbst wenn das betreffende Schreiben dem Klägerbevollmächtigten – anders als anscheinend die Auskunft vom 2. Juli 2018 – nicht in Kopie übersandt worden sein sollte. Der Klägerbevollmächtigte hat in der Folge nicht darum gebeten, das Schreiben vom 23. Juli 2018 einsehen und hierzu Stellung nehmen zu können. Hierzu hätte für den Kläger sogar noch in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit bestanden, nachdem sein Beweisantrag abgelehnt worden war und das Verwaltungsgericht sich zur Begründung u.a. auf die Angaben des Auswärtigen Amtes im Schreiben vom 23. Juli 2018 stützte. Die Rüge eines Verfahrensmangels ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 20.12.2011 – 7 B 43.11 – juris Rn. 26 m.w.N).
Darüber hinaus genügt die von der Beschwerde erhobene Gehörsrüge auch nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen. Eine Gehörsrüge erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre. Ist ein verfahrensfehlerhaft nicht eingeführtes Erkenntnismittel der Prozesspartei nicht ohne weiteres zugänglich, so muss sie es innerhalb der Beschwerdefrist bei Gericht anfordern, es überprüfen und dann im Einzelnen darlegen, was sie zu den darin enthaltenen Feststellungen ausgeführt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 13.3.1993 – 2 BvR 1988/92 – juris Rn 15; BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 1 B 161/04 – juris Rn. 3) Der Kläger führt diesbezüglich jedoch nur an, das Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2018 existiere entweder nicht oder sei nicht in das Verfahren eingeführt worden. Deshalb sei der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
2. Das Zulassungsvorbringen, ein Gehörsverstoß resultiere auch aus der Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2018 gestellten Beweisantrags, geht demnach ebenfalls fehl.
Das verfassungsrechtlich verankerte Gehörsgebot schützt einen Verfahrensbeteiligten nicht vor jeder nach seiner Meinung sachlich unrichtigen Ablehnung eines von ihm in einer mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, sondern nur dann, wenn die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – Rn. 10 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die im Verfahren des Klägers eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Juli 2018 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und durfte sich somit bei der Begründung der Ablehnung des Beweisantrags als unerheblich auch auf sie stützen. Der außerdem von ihm eingeführten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 2018 an das Bundesamt, die der Kläger seinem ergänzenden Aufklärungsbegehren zugrunde legt, musste es in Bezug auf die Frage der Echtheit des vom Kläger vorgelegten Dokuments dagegen keine Bedeutung beimessen. Wie zumindest am Geschäftszeichen des Bundesamts ersichtlich, betrifft die an das Bundesamt gerichtete Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 2018 nicht das Verfahren des Klägers. Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung des Beweisantrags zudem nachvollziehbar mit Widersprüchlichkeiten im Vortrag des Klägers begründet, weshalb auch ein unzulässiges Ausforschungsbegehren vorliege.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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