Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag eines georgischen Staatsangehörigen auf Aussetzung der Abschiebung wegen offensichtlicher Unbegründetheit des Asylantrags

Aktenzeichen  Au 6 S 16.30662

Datum:
6.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, § 36 Abs. 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c, Abs. 2d

 

Leitsatz

Nach Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG, § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, d.h. wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG BeckRS 9998, 50150). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG BeckRS 2003, 21072). (red. LS Clemens Kurzidem)
Die Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG BeckRS 2001, 22956). (red. LS Clemens Kurzidem)
Ergibt sich aus der Gesamtschau des Vortrags eines Asylbewerbers und der von ihm vorgelegten Unterlagen ein in sich widersprüchliches und gesteigertes Vorbringen, das auch durch Schockfolgen nach der Flucht und eine angeblich defizitäre Anhörung durch das Bundesamt nicht erklärt werden kann, trägt dies die Annahme einer asyl- oder flüchtlingsrechtlichen Verfolgungsgefahr (im vorliegenden Fall in Georgien) nicht. (red. LS Clemens Kurzidem)
Die widersprüchliche Schilderung einer angeblichen Bedrohung und Körperverletzung ist jedenfalls nicht geeignet, die Gefahr eines ernsthaften Schadens iSd § 4 Abs. 1 S. 1 AsylG bei der Rückkehr nach Georgien zu begründen. Unabhängig davon ist hinsichtlich Übergriffen privater Dritter auf die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des georgischen Staates zu verweisen. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Mai 2016, mit dem sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Der 1987 geborene Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger, georgischer Volks- und christlicher Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 23. März 2015 auf dem Luftweg über die Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er einen Asylantrag stellte. Er habe ein für vier Wochen gültiges Visum der Deutschen Botschaft … besessen, da er ein Fahrzeug in … habe kaufen wollen. Seinen Personalausweis habe er bei seiner Einreise in Deutschland abgegeben; seinen Reisepass habe ihm ein Georgier abgenommen (BAMF-Akte Bl. 40). Er habe zuletzt mit seiner Ehefrau und zwei Kindern in … gelebt und in einer Bank gearbeitet. Er habe elf Jahre die Schule besucht und Computertechnik studiert sowie einen Bachelor-Grad erworben.
In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Mai 2015 gab er im Wesentlichen an, er sei kein Mitglied einer Partei oder anderen Organisation, sondern nur Sympathisant der „Nationalen Bewegung“. Diese habe am 21. März 2015 eine Demonstration in … veranstaltet, für die er im Ort … und in anderen Städten Leute auf der Straße angesprochen und mobilisiert sowie selbst an der Kundgebung teilgenommen habe. Zwei Tage später am 23. März 2016 seien zwei Personen zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn vulgär bedroht und aufgefordert, das Land zu verlassen – wenn er das Land nicht verlasse, hätten er und seine Familie Probleme -, woraufhin er noch am selben Tag das Land verlassen habe (BAMF-Akte Bl. 41). Im Fall seiner Rückkehr fürchte er seine Inhaftierung, er habe einen guten Job gehabt und seine Familie, die er nicht verlieren wolle. Die Personen kenne er nicht, vermute aber, es seien Polizisten gewesen, weil es ja mit der Kundgebung zu tun habe und die Polizei da schon aktiv sei. Er vermute, das sei wegen seines Engagements für die Kundgebung gewesen. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, er traue ihr nicht. Auf Nachfrage erklärte er, ausreichend Gelegenheit zur Schilderung seiner Asylgründe und mit dem Dolmetscher keine Verständigungsschwierigkeiten gehabt zu haben (ebenda B. 42 f.).
Der Antragsteller legte mehrere Unterlagen vor, die übersetzt wurden, u. a. eine Geburtsurkunde, ein Bachelor-Zertifikat, Renten- und Veteranenbescheinigungen seines Vaters und eine Bescheinigung über seinen Gesundheitszustand vom 22. März 2015, wonach er am selben Tag ärztlich behandelt und entlassen worden ist (Übersetzung und Kopie des Originals BAMF-Akte Bl. 61 f.) und worin oberflächliche und kleine Wunden an der rechten Hand und am linken Handgelenk attestiert werden.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2016, zugestellt am 13. Mai 2016, lehnte das Bundesamt jeweils den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Nr. 3) und zugleich festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Die Abschiebung nach Georgien wurde angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller in Georgien keine staatliche Verfolgung zu befürchten und auch keine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Er habe lediglich vermutet, bei den Besuchern nach der Kundgebung habe es sich um Polizisten gehandelt; sein überhasteter Aufbruch noch am selben Tag sei daher nicht plausibel. Sympathisanten der „Nationalen Bewegung“ hätten keine Verfolgung zu befürchten, denn diese sei bis Oktober 2012 die Regierungspartei gewesen. Zwar würden hohe Funktionäre wegen Machtmissbrauchs strafrechtlich verfolgt, doch Ermittlungen oder Vorkommnisse gegen einfache Parteimitglieder oder gar bloße Anhänger seien nicht bekannt. Der Antragsteller wolle auch nur einmal angesprochen worden sein; tätliche Misshandlungen habe er nicht berichtet. An die Polizei habe er sich überhaupt nicht gewendet, obgleich die georgische Polizei trotz einzelner Defizite grundsätzlich schutzfähig und schutzwillig sei. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Georgien führten auch nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege; eine schwierige wirtschaftliche Lage sei nicht relevant und der Antragsteller habe sich in einer gesicherten wirtschaftlichen Situation befunden. Auch Abschiebungshindernisse lägen nicht vor, insbesondere habe der Antragsteller auch keine gesundheitlichen Probleme geltend gemacht.
Am 20. Mai 2016 erhob der Antragsteller hiergegen Klage mit dem Antrag,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verpflichten,
1. dem Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie
2. hilfsweise bei dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG den subsidiären Schutzstatus festzustellen und weiter
3. hilfsweise festzustellen, dass in der Person des Antragstellers Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 3 bis Abs. 7 AufenthG vorliegen.
Zugleich beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung ließ er ausführen, aufgrund seiner psychischen Verfassung sowie fehlender Nachfragen während der Anhörung habe der Antragsteller keine Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend vorzutragen, er sei immer noch unter Schock gestanden und nicht in der Lage gewesen, die Ursachen seiner Flucht ausreichend darzulegen. Die Polizei habe ihn noch am Abend der Demonstration zu Hause aufgesucht, bedroht und mit einem Messer angegriffen. Er leide noch unter Albträumen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Falle seiner Rückkehr zu seiner Retraumatisierung führen und sich lebensgefährlich verschlechtern würde.
Der Antragsteller fügte eine eidesstattliche Versicherung bei, wonach das Anhörungsprotokoll teilweise inhaltlich falsch sei und der Dolmetscher ihn nicht richtig verstanden habe. Ihm sei auch nicht alles mehr vorgelesen worden, so dass er es nicht mehr habe nachprüfen können (VG-Akte Bl. 9). Der Vorfall mit den Polizisten habe schon am Abend der Demonstration, also am 21. März 2015 stattgefunden. Drei Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten, hätten ihn zu Hause aufgesucht, ihn und seine Familie bedroht, wenn er nicht mit seinem Engagement aufhören würde. Ein Polizist habe plötzlich ein Messer gezogen und ihn bedroht sowie am linken Arm getroffen. Dann habe er so getan, als wolle er ihm den Ringfinger abschneiden. Dabei sei sein Ehering vom Finger gestreift worden.
Die Antragsgegnerin hat sich noch nicht geäußert.
Die Regierung von … als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die am 30. Mai 2016 vorgelegte Behördenakte.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.
1. Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 36 Abs. 3 des Asylgesetzes (AsylG) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
a) Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nachdem diese Regelung und die damit verbundene Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) die Folgerung aus der qualifizierten Asylablehnung sind, ist Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs grundsätzlich die Prüfung, ob die für eine Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Denn nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies bedeutet, dass die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden darf, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 – DVBl 1996, 729). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 2 BvR 153/02 – InfAuslR 2003, 244).
Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht (§ 29a Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann. Dies ist hier der Fall.
b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung der Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG), der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und der Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) sowie an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Ein Anspruch auf die mit der Klage begehrte Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes besteht für den Antragsteller offensichtlich nicht.
Dem Vortrag des Antragstellers lassen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er bei einer Rückkehr nach Georgien einer asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Die vorgetragene Bedrohung ist in der Gesamtschau des Vortrags des Antragstellers und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht glaubhaft gemacht. Sein Vortrag zeigt sich vielmehr als in sich widersprüchlich und im Vorbringen gesteigert, ohne dass diese Ungereimtheiten mit den erst im Klageverfahren angegebenen Schockfolgen nach der Flucht und Defiziten der Anhörung durch das Bundesamt erklärt wären: So gab der Antragsteller an, seinen Personalausweis habe er bei seiner Einreise in Deutschland abgegeben; seinen Reisepass habe ihm ein Georgier abgenommen (BAMF-Akte Bl. 40). Dies erscheint insoweit unglaubwürdig, als der Antragsteller für die Einreise nach Deutschland – wie von ihm behauptet: auf dem Luftweg – eines Visums bedurfte, das in den Reisepass hinein erteilt wird (vgl. Botschaft der BRD in …, Merkblatt Nr. 8 „Schengenvisum zum Autokauf“, www…diplo.de, Abfrage vom 6.6.2016) und hier auch wurde (BAMF-Akte Bl. 7), ein Personalausweis für die Einreise also nicht genügte. Weshalb er dann seinen Reisepass einem Georgier überlassen habe, statt damit die deutsche Grenzkontrolle zu passieren, bleibt im Dunkeln. Unmittelbar widersprüchlich ist sein Vorbringen zu den Geschehnissen nach der Demonstration am 21. März 2016. Während er vor dem Bundesamt angab, „zwei Tage später am 23. März 2016“ seien „zwei Personen“ zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn vulgär bedroht und aufgefordert, das Land zu verlassen, woraufhin er noch am selben Tag das Land verlassen habe (BAMF-Akte Bl. 41), gab er in seiner Antragsbegründung an, aufgrund seiner psychischen Verfassung sowie fehlender Nachfragen während der Anhörung habe er keine Gelegenheit gehabt, seine Gründe umfassend vorzutragen, er sei immer noch unter Schock gestanden und nicht in der Lage gewesen, die Ursachen seiner Flucht ausreichend darzulegen: Die Polizei habe ihn noch am Abend der Demonstration zu Hause aufgesucht, bedroht und mit einem Messer angegriffen. Seiner eidesstattlichen Versicherung zu Folge habe sich der Vorfall mit den Polizisten schon am Abend der Demonstration, also am 21. März 2015, ereignet (VG-Akte Bl. 9). Drei Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten, hätten ihn zu Hause aufgesucht (ebenda). Dies ist eine diametral andere Schilderung sowohl nach Zeitpunkt (21./23.3.2015), Täterzahl (zwei/drei Männer), Tätereigenschaft („ich denke, dass es Polizisten waren“/„Polizisten in Zivil, die sich aber als Polizisten erklärten“) als auch Bedrohungsqualität, da er nicht schon beim Bundesamt sondern erst im Klageverfahren die Körperverletzung durch das Messer erwähnt hat. Es handelt sich hier um eine in wesentlichen Punkten des Verfolgungsgeschehens widersprüchliche und gesteigerte Schilderung, die bereits nach Aktenlage nicht glaubhaft ist. Gestützt wird dieser Befund noch durch die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung über seinen Gesundheitszustand vom 22. März 2015, wonach er am selben Tag ärztlich behandelt und entlassen worden ist (Übersetzung und Kopie des Originals BAMF-Akte Bl. 61 f.) und worin oberflächliche und kleine Wunden an der rechten Hand und am linken Handgelenk attestiert werden. Wenn sich der Antragsteller am Tag nach der Demonstration noch in Georgien ärztlich behandeln ließ, kann er nicht am Abend des Demonstrationstags ausgereist sein, wie er zuvor behauptet hatte (BAMF-Akte Bl. 41) und können die Verletzungen nicht durch die angeblichen Polizisten zugefügt worden sein, wenn diese erst zwei Tage nach der Demonstration bei ihm erschienen (BAMF-Akte Bl. 41). Ist er hingegen noch am Abend des Demonstrationstags verletzt und erst am Folgetag wegen der oberflächlichen Wunden behandelt worden, kann er nicht überstürzt ausgereist sein, denn er scheute weder die Inanspruchnahme eines öffentlichen Krankenhauses, noch versäumte er, sich dort ein Attest über die Behandlung geben zu lassen. Dass er derart planvoll seine Ausreise durchführte und seine Fluchtgründe noch im Herkunftsstaat zu belegen suchte, spricht gegen die von ihm zur Erklärung für seinen widersprüchlichen Vortrag angeführten Schockfolgen (VG-Akte Bl. 9). Auch seine weitere Erklärung, das Anhörungsprotokoll sei teilweise inhaltlich falsch und der Dolmetscher habe ihn nicht richtig verstanden, ihm sei auch nicht alles mehr vorgelesen worden, so dass er es nicht mehr habe nachprüfen können (VG-Akte Bl. 9), widerspricht zum Einen den konsekutiv aufgebauten präzisen Nachfragen in der Anhörung vor dem Bundesamt (BAMF-Akte Bl. 41 f.) als auch der dokumentierten Nachfrage, ausreichend Gelegenheit zur Schilderung seiner Asylgründe und mit dem Dolmetscher keine Verständigungsschwierigkeiten gehabt zu haben (ebenda B. 42 f.). Angesichts dieser vom Antragsteller nicht plausibel erklärten Widersprüche ist die Ablehnung des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet nicht zu beanstanden. Dass die Ablehnung des Asylantrags – trotz der angeblichen Einreise auf dem Luftweg – auch nicht ausdrücklich angefochten worden und damit nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden ist, sei nur am Rande noch bemerkt. Bereits sachlich sind Asylgründe offensichtlich nicht ersichtlich.
Auch einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG hat der Antragsteller unter Berücksichtigung seines Vorbringens offensichtlich nicht. Allein die widersprüchliche Schilderung der angeblichen Bedrohung und Körperverletzung ist jedenfalls nicht geeignet, die Gefahr eines ernsthaften Schadens i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei der Rückkehr nach Georgien zu begründen. Eine akute konkrete Bedrohung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Unabhängig davon ist hinsichtlich Übergriffen privater Dritter auf die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des georgischen Staates zu verweisen (s.a. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Georgien vom 15.10.2015, S. 5, 7 f., 12). Sollte es sich bei den Drohenden nicht um Polizisten sondern um sonstige Gegner gehandelt haben, wäre auch insofern kein subsidiärer Schutz geboten.
bb) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Gefahr liefe, in Georgien auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nicht. Soweit der Antragsteller angibt, er leide noch unter Albträumen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Falle seiner Rückkehr zu seiner Retraumatisierung führte und sich damit lebensgefährlich verschlechtern würde, ist das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebeverbots weder nach den materiellen Maßstäben des § 60 Abs. 7 AufenthG noch nach den formellen Maßstäben des § 60a Abs. 2c und Abs. 2d AufenthG glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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