Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag gegen Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  10 CE 19.811

Datum:
13.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13692
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1, § 146
AufenthG § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 60a Abs. 2
GG Art. 6

 

Leitsatz

1 Ein Ausländer kann sich nicht auf die Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen berufen, wenn er im Besitz von Dokumenten ist, mit denen ein  EU-Laissez-Passer ausgestellt werden kann. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein asylrechtlicher Duldungsanspruch eines Ausländers, der zur Trennung der Familie führt, ist nicht begründet, wenn die vorgetragene Trennung nur von vorübergehender Dauer ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 E 19.389 2019-04-02 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von der Durchführung der Abschiebung abzusehen und ihm eine Duldung zu erteilen, weiter.
Der am … 2003 geborene Antragsteller reiste am 1. Oktober 2014 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern aus dem Kosovo in das Bundesgebiet ein. Ein Asylantrag blieb erfolglos. Die Familie ist seit dem 20. Februar 2017 ausreisepflichtig. Am 24. September 2018 und 16. Oktober 2018 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG. Die Anträge wurden mit Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2018 abgelehnt. Hiergegen erhob der Antragsteller am 8. Januar 2019 Klage, über die noch nicht entschieden ist.
Den am 18. März 2019 beim Verwaltungsgericht Augsburg gestellten Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von der Durchführung der Abschiebung abzusehen und ihm eine Duldung zu erteilen, lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 2. April 2019 ab. Die Abschiebung sei nicht wegen des Fehlens von Heimreisedokumenten tatsächlich unmöglich. Sie sei auch nicht wegen der Erkrankung des Vaters rechtlich unmöglich. Der Vater sei vollziehbar ausreisepflichtig und halte sich nicht berechtigterweise im Bundesgebiet auf. Die freiwillige Ausreise des Vaters sei diesem auch zumutbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vater reiseunfähig sei und daher nicht freiwillig oder auch im Wege einer Abschiebung in das Kosovo zur Herstellung der Familieneinheit zurückkehren könnte. Nach § 60 Abs. 2c Satz 1 AufenthG werde im Hinblick auf eine Abschiebung gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft mache. Im vorliegenden Fall bestünden keine Anhaltspunkte für eine allgemeine Reiseunfähigkeit des Vaters. Der Vater sei wegen der eingeschränkten Lungenfunktion lediglich flugreiseunfähig. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb dem Vater nicht eine freiwillige Ausreise oder auch die Abschiebung auf dem Landweg in das Kosovo zumutbar sein sollte, gegebenenfalls unter Mitführung des erforderlichen Inhalationsgerätes und/oder im Wege eines Krankentransports. Schließlich sei dem Vater auch im Jahr 2014 eine mehrtägige Reise auf dem Landweg in die Bundesrepublik möglich gewesen. Die Abschiebung des Antragstellers sei auch nicht aufgrund der Entbindung seiner Mutter am 3. April 2017 rechtlich unmöglich. Er habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, da er nur im Besitz einer verfahrensbezogenen Duldung gewesen sei.
Zur Begründung der Beschwerde bringt der Antragsteller vor, aus der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführung ergebe sich, dass ein EU-Laissez-Passer nur für die Ausreise über den Luftweg verwendet werden könne. Der Luftweg sei für den Vater des Klägers ausgeschlossen. Solange das EU-Laissez-Passer nicht vorliege, sei die Abschiebung weiterhin unmöglich. Ebenso sei die Abschiebung des jüngsten Sohnes der Familie derzeit unmöglich, weil dieser die kosovarische Staatsangehörigkeit noch nicht erworben habe. Die Prüfung der Reiseunfähigkeit des Vaters sei noch nicht abgeschlossen, sodass der Kläger weiterhin Anspruch auf Erteilung einer Duldung habe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG. Er erfülle die nach dieser Bestimmung erforderliche Aufenthaltszeit von vier Jahren. Die Familie des Antragstellers habe die Geburtsurkunden bei der Ausländerbehörde abgegeben. Damit sei aber die Abschiebung noch nicht möglich. Vielmehr sei die Beantragung eines EU-Laissez-Passer notwendig. Dies habe die Ausländerbehörde nicht gemacht. Der Antragsteller habe somit ununterbrochen materielle Duldungsgründe vorweisen können. Auch widerspreche die Auslegung des Verwaltungsgerichts, wonach für die Erfüllung des Vierjahreszeitraumes gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ununterbrochen materielle Duldungsgründe vorgelegen haben müssten, der Intention des Gesetzgebers und verstoße gegen den Vorrang des Kindeswohls gemäß Art. 3 Kinderrechtskonvention.
Im Beschwerdeverfahren legte der Antragsteller ein ärztliches Attest vom 23. April 2019 vor. Danach besteht beim Vater des Antragstellers eine massive Beeinträchtigung der Lungenfunktion mit einer leichtgradigen respiratorischen Insuffizienz. Der Patient sei mit der Behandlung mit Ultibro subjektiv relativ stabil, es seien aktuell keine besonderen Maßnahmen erforderlich. Die Sauerstofftherapie solle konsequent zu Hause weitergeführt werden. Größere Reisen, insbesondere Flugreisen, seien nicht zumutbar. Eine dauernde Versorgung mit Sauerstoff müsse sichergestellt sein.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe insbesondere zu Recht die Voraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint. Entgegen der Ansicht des Antragstellers sei die Abschiebung seit der Abgabe der Geburtsurkunden, spätestens seit dem 20. März 2017 tatsächlich möglich, da seit diesem Zeitpunkt die erforderlichen Heimreisedokumente vorgelegen haben. Die Ausstellung eines EU-Laissez-Passer sei nicht zu beantragen. Vielmehr könne das Laissez-Passer durch den Antragsgegner selbst jederzeit ausgestellt werden. Auch für den jüngsten Bruder des Antragstellers liege eine internationale Geburtsurkunde vor, welche als Nachweis für die kosovarische Staatsangehörigkeit ausreiche und den Antragsgegner zur Ausstellung eines Laissez-Passer berechtigte. Eine etwaige Flugreiseunfähigkeit des Vaters des Antragstellers verhindere nicht die Abschiebung des Antragstellers. Er könne mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern rechtlich wie tatsächlich abgeschoben werden. Die Familie sei explizit über eine mögliche Trennung der Familie belehrt worden. Dem Vater sei durchaus eine freiwillige Ausreise zumutbar, sodass im Falle eine Abschiebung der restlichen Familie die Familientrennung zeitlich begrenzt sei. Das Abstellen auf einen materiellen Duldungsanspruch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG stelle keine unzulässige einschränkende Auslegung dar. Es lasse sich schon aus dem Wortlaut ableiten, dass es auf einen materiellen Duldungsanspruch ankomme, während der Gesetzgeber in anderen Vorschriften den Besitz einer Duldungsbescheinigung genügen lasse.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. April 2019 hat keinen Erfolg, weil der Sachvortrag im Beschwerdeverfahren insoweit weder eine Abänderung noch eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigt, wobei sich die Prüfung auf die dargelegten Gründe zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf Aussetzung der Abschiebung bzw. auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG nicht in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht hat.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Abschiebung nicht aus tatsächlichen Gründen (§ 60a Abs. 2 AufenthG) unmöglich, weil es an einem Heimreisedokument fehlen würde. Dem Antragsgegner liegen die Geburtsurkunde und ein Reisepass des Antragstellers vor, sodass er jederzeit das für eine Luftabschiebung ausreichende EU-Laissez-Passer ausstellen kann. Einer Antragstellung bei der kosovarischen Botschaft bedarf es hierfür nicht. Ein EU-Laissez-Passer kann bereits ausgestellt werden, wenn Nachweise über die kosovarische Staatsangehörigkeit vorliegen (Information des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen, Blatt 13 der VG-Akte). Dies gilt auch für das jüngste Kind der Familie, da die Geburtsurkunde als Nachweis für die kosovarische Staatsangehörigkeit ausreicht. Ein materieller Duldungsgrund wegen fehlender Heimreisepapiere bestand also für den Antragsteller und seine Familie ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Geburtsurkunden nicht mehr.
Ein Duldungsanspruch für den Antragsteller ergibt sich auch nicht aus der Erkrankung seines Vaters und dessen geltend gemachter (Flug-)Reiseunfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Trennung der Familie aus § 60a Abs. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 6 GG. Der Antragsgegner beabsichtigt offensichtlich, den Antragsteller zusammen mit seiner Mutter und den weiteren Geschwistern auf dem Luftweg in sein Heimatland abzuschieben. Der Vater soll demgegenüber entweder freiwillig (auf dem Landweg) zurückkehren oder später abgeschoben werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris) gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen. Dies gilt in gleicher Weise für die Aufenthaltsbeendigung. Der Vater des Antragstellers hält sich jedoch nicht berechtigt im Bundesgebiet auf, weil er ebenso wie der Antragsteller und die restliche Familie vollziehbar ausreisepflichtig ist. Es ist daher sowohl dem Antragsteller als auch seinem Vater zumutbar, die familiäre Lebensgemeinschaft im Heimatland fortzuführen. Die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers und der restlichen Familie ohne den Vater führt auch nicht zu einem „Auseinanderreißen“ der Familie über einen längeren Zeitraum, der dem Schutzgedanken des Art. 6 GG zuwiderlaufen würde. Die geplante Abschiebung trennt die Familie nur für eine überschaubare Zeit, bis der Vater des Antragstellers entweder freiwillig in den Kosovo zurückkehrt oder dorthin auf dem Landweg abgeschoben wird. Die Erkrankung des Vaters bedingt keine dauerhafte Reiseunfähigkeit. Die vorgelegten Atteste belegen nicht nachvollziehbar, dass der Vater durch seine Erkrankung (dauerhaft) gehindert wäre, die Bundesrepublik zu verlassen und in sein Heimatland zurückzukehren. Eine Reise- oder Transportunfähigkeit führt nur dann zu einem Abschiebungsverbot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn die Abschiebung den Abbruch einer lebenswichtigen medizinischen Behandlung zur Folge hätte oder der Ausländer aus gesundheitlichen Gründen transportunfähig ist. Eine Reiseunfähigkeit setzt somit voraus, dass sich der Gesundheitszustand unmittelbar durch die Abschiebung bzw. Ausreise voraussichtlich wesentlich verschlechtern würde (BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.11.2018, § 60a Rn. 13). Werden ärztliche Äußerungen vorgelegt, sind diese zum Nachweis einer Reiseunfähigkeit nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben und die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation ergeben (§ 60a Abs. 2c AufenthG; Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60a Rn. 29). Diesen Anforderungen genügen die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen für den Vater des Antragstellers nicht. Hieraus ergibt sich insbesondere nicht, weshalb der Vater nicht flugreisetauglich ist und eine dauernde Versorgung mit Sauerstoff sichergestellt sein muss. Offensichtlich reicht eine Inhalationsbehandlung mit Ultibro einmal pro Tag aus, um einen stabilen Zustand sicherzustellen (Bescheinigung vom 23. April 2019). Aus dem Attest wird vor allem nicht deutlich, ob der Sauerstoff lediglich für die Sauerstofftherapie erforderlich ist und ob diese gegebenenfalls für die Dauer der Reise ohne lebensbedrohliche Folgen unterbrochen werden könnte und lediglich für den Notfall sichergestellt sein müsste. Gegebenenfalls müsste die Abschiebung bzw. Ausreise unter entsprechenden Bedingungen gestaltet werden. Bis der Antragsgegner geklärt hat, ob der Vater des Antragstellers freiwillig auf dem Landweg ausreist oder auf dem Land- oder Luftweg gegebenenfalls unter medizinischer Begleitung abgeschoben wird, steht dem Antragsteller kein Duldungsanspruch aus Art. 6 GG zu, weil die Trennung vom Vater nur für einen vorübergehenden Zeitraum erfolgt und im Heimatland die familiäre Lebensgemeinschaft wieder fortgeführt werden kann.
Auch hat der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG hat, der im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig gesichert werden müsste, weil ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller bereits die Tatbestandsvoraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt, weil er sich nicht seit vier Jahren geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält. Bei den dem Antragsteller ab dem 4. April 2017 erteilten Duldungen handelte es sich um sog. verfahrensbezogene Duldungen, weil der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war, Klage erhoben hat, die keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 AsylG) und sein Aufenthalt für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens geduldet wurde. Die Abschiebung des Antragstellers (und seiner Familie) war aber tatsächlich möglich, weil der Antragsgegner bereits aufgrund der am 21. März 2017 vorgelegten Geburtsurkunde ein EU-Laissez-Passer hätte ausstellen können. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur dann erfüllt ist, wenn der Betreffende einen materiellen Duldungsgrund für sich in Anspruch nehmen kann (BayVGH, B.v. 23.4.2018 – 19 CE 18.851 – juris Rn. 25; OVG NW, B.v. 17.8.2016 -18 B 696/16 – juris; NdsOVG, B.v. 28.5.2018 – 8 ME 31/18 – juris Rn. 4 m.w.N.), also eine verfahrensbezogene Duldung nicht ausreicht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern ein solches Verständnis der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen sollte. Das in der Beschwerdebegründung angeführte Zitat aus der Bundestagsdrucksache (BT-Drs. 18/4097 S. 42) bezieht sich auf die Verkürzung der Aufenthaltsdauer von ursprünglich sechs Jahren auf nunmehr vier Jahre in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und den Wegfall der Fristenregelung, sagt aber nichts darüber aus, ob der Gesetzgeber auch einen faktischen Aufenthalt, wenn kein materieller Duldungsgrund vorgelegen hat, ausreichen lassen wollte. Dagegen spricht, dass über den Weg der Verfahrensduldung auch Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind und abgeschoben werden könnten, eine Aufenthaltserlaubnis erlangen könnten, wenn sie bestimmte Integrationsleistungen erbracht haben. Motiv des Gesetzgebers war aber langjährig Geduldeten eine gesicherte Aufenthaltsperspektive zu ermöglichen und „Kettenduldungen“ wirksamer zu begegnen (Göbel-Zimmermann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 25a Rn. 1). Werden nur verfahrensbezogene Duldungen erteilt und besteht kein materieller Duldungsgrund, soll aber gerade keine gesicherte Aufenthaltsperspektive eröffnet werden, da die Duldung nur für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens erteilt wird. Ein Verstoß gegen Art. 3 Kinderrechtskonvention liegt in der Forderung nach dem Vorliegen eines materiellen Duldungsgrunds schon deshalb nicht, weil diese Vorschrift keine subjektiven Rechte für den Einzelnen vermittelt (NdsOVG, B.v. 2.12.2012 – 8 LA 209/11 – juris Rn. 16, 31).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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