Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO

Aktenzeichen  M 5 S7 19.50046

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7642
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 34a Abs. 2
VwGO § 60, § 80 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
ZPO § 294 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Versicherung an Eides statt ist ein untaugliches Mittel zur Glaubhaftmachung von besonderen pathologischen Zuständen (hier: Schockzustand), wenn der Erklärende ein medizinischer Laie ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: „Bundesamt“) vom … November 2018 unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 16. Januar 2019 (M 5 S 19.50002).
Der Antragsteller ist somalischer Staatsangehörigkeit und stellte am … April 2017 einen förmlichen Asylantrag, welchen das Bundesamt mit seit dem … Mai 2017 unanfechtbaren Bescheid negativ beschieden hatte.
Am … September 2018 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte erneut die Durchführung eines Asylverfahrens. Nachdem das Bundesamt am … September 2018 erfolglos ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet und den Antragsteller am … November 2018 zu seinen Asylgründen befragt hatte, lehnte das Bundesamt den erneuten Asylantrag des Antragstellers mit Bescheid vom … November 2018 ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und sprach ein Einreise- und Aufenthaltsverbot befristet auf 24 Monate ab dem Tag der Abschiebung aus (Nr. 4). Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich Postzustellungsurkunde am … Dezember 2018 unter der vom Antragsteller in seiner Befragung angegebenen Adresse I…straße …, … G… zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom … November 2018 erhoben und zugleich beantragt, ihm gegen die Versäumung der Klage- und Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen. Zur Begründung verwies er auf einen schweren Unfall seiner Schwester in F…, die er am … November 2018 umgehend besucht und nicht habe alleine lassen können. Diesen Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 16. Januar 2019 wegen verschuldeter Fristsäumnis unter Hinweis auf mögliche und zumutbare Empfangsvorkehrungen abgelehnt.
Mit Schreiben vom 25. Januar .2019, eingegangen bei Gericht am 26. Januar 2019, hat der Antragsteller sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Gerichts vom 16. Januar 2019 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom … November 2018 anzuordnen.
Ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Rechtsbehelfsfristen. Am … November 2018 habe er erfahren, dass seine im Main-Taunus-Kreis wohnhafte Schwester bei einem Fenstersturz lebensgefährliche Verletzungen erlitten habe. Daher habe er sich sofort auf den Weg zu seiner Schwester gemacht, um ihr beizustehen. Seine Schwester sei jedoch an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben. Nach ihrer Beerdigung sei er am … Dezember 2018 nach G… zurückgefahren und habe dort den angefochtenen Bescheid entdeckt. Aufgrund der schweren Verletzungen seiner Schwester sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Schwester im Raum F… allein zu lassen. Er versichert an Eides statt, dass er seit der Nachricht von dem Unfall seiner Schwester am … November 2018 unter Schock gestanden habe. Diese Erklärung habe er erst jetzt abgeben können, da er bisher keinen guten, kostenfreien Sprachmittler habe finden können. Nach Einschätzung seines Bevollmächtigten leidet der Antragsteller aufgrund des Todes seiner Schwester an posttraumatischen Belastungsstörungen. Zudem habe er durch Schläge der jemanitischen Polizei schwere Kopfverletzungen erlitten. Bedingt durch die Verletzungen von 2011 und durch die erneuten Kopfschläge in Libyen leide er unter massiven Kopfschmerzen.
Die Beklagte hat die Behördenakten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Abänderung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses vom 16 Januar 2019 ist bereits unzulässig und hat daher keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt kein Rechtsmittelverfahren dar, sondern ein gegenüber dem ersten Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbstständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung dieser Entscheidung, sondern die Neuregelung der Vollziehung des Verwaltungsakts für die Zukunft in einem abweichenden Sinn ist. Die Abänderungsbefugnis des Gerichts ist dabei nicht auf stattgebende Entscheidungen beschränkt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 190 ff.).
Ein Antrag auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist nur dann statthaft, wenn der Antragsteller veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorträgt und sich aus diesen Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 – 11 VR 8.98 – NVwZ 1999, 650; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 197). Dies hat Antragsteller vorliegend nicht getan.
Der durch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers mitgeteilte Umstand „Schockzustand“ stellt keinen veränderten bzw. nachträglich eingetretenen Umstand dar und hätte zudem bereits in dem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO geltend gemacht werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller diesen Umstand nicht in dem Zeitraum von seiner ursprünglichen Antragstellung am … Januar 2019 bis zur Fassung des aufzuhebenden Beschlusses am 16. Januar 2019, also innerhalb von zwei Wochen – insbesondere mit Blick auf die im Asylverfahren erhöhten Mitwirkungspflichten – hätte vortragen können. Daran vermag auch der Umstand, dass eine ordnungsgemäße Verständigung zwischen dem Antragsteller und seinem Bevollmächtigten bei der Antragstellung am … Januar 2019 nicht möglich gewesen sein soll, nichts zu ändern. Denn – ausweislich der hiesigen Antragsschrift vom … Januar 2019 – hat der Bevollmächtigte des Antragstellers diesen bereits am … Januar 2019 um schnellstmögliche Stellung eines Dolmetschers gebeten. Es hätte an dem Antragsteller gelegen, dieser Aufforderung in Ausübung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht alsbald nachzukommen. Gleiches gilt für den Vortrag des Antragstellers zu möglicherweise bei ihm bestehenden posttraumatischen Belastungsstörungen sowie massiven Kopfschmerzen. Er hat das verspätete Vorbringen mithin zu vertreten.
Darüber hinaus ist der (verspätet vorgetragene) Umstand „Schockzustand“ auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Zwar ist die Versicherung an Eides statt gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 294 Abs. 2 ZPO grundsätzlich taugliches Mittel zur Glaubhaftmachung. Allerdings handelt es sich bei dem vom Antragsteller zwecks Entschuldigung der Fristsäumnis vorgebrachten Umstand „Schockzustand“ um einen besonderen pathologischen Zustand, zu dessen Diagnostizierung der Antragsteller – als medizinischer Laie und insbesondere als Betroffener der anzustellenden Diagnose – gar nicht fähig ist. Posttraumatischen Belastungsstörung sowie massiven Kopfschmerzen sind schon nicht Gegenstand seiner eidesstattlichen Versicherung – zu deren Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers wiederum wohl kein taugliches Mittel wäre.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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