Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylantrag – Herkunftsland Nigeria

Aktenzeichen  W 1 K 20.31090

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34838
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 51
AsylG § 71, § 77 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden, § 102 Abs. 2 VwGO. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angegriffene Bescheid vom 20.08.2020 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Darüber hinaus hat er auch keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Hinsichtlich des Antrages betreffend die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes vom 20.08.2020 ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71 AsylG beruhende Unzulässigkeitsentscheidung ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein Asylantrag ist nach vorgenannten Normen im Falle eines Folgeantrages nach § 71 AsylG unzulässig, wenn ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Gemäß § 71 Abs. 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG vorliegen. Dies setzt voraus, dass sich entweder die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder aber Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). All diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben mit der Folge der Unzulässigkeit des Asylfolgeantrages.
Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheids vom 20. August 2020 verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Die in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides getroffene Unzulässigkeitsentscheidung erweist sich als rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen nicht vor. Der Kläger hat vorliegend bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen. Dies gilt auch, soweit er die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG begehrt, obwohl der Kläger sein erstes Asylverfahren bereits vor dem 1. Dezember 2013 und damit vor Schaffung und Inkrafttreten des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zur Umsetzung der RL 2011/95/EU durchlaufen hat und die inhaltlich im Wesentlichen identischen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG nach der nunmehr geltenden Rechtslage damals in der Sache noch unter der Vorschrift eines Abschiebungsverbots nach § 60 AufenthG in der damals (vom 28.08.2007 bis 30.11.2013) geltenden, alten Fassung vom 19. August 2007 (a.F.) geprüft wurden. Denn dies ändert jedoch jedenfalls dann, wenn wie beim Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 AufenthG a.F. in seinem ersten Asylverfahren verneint wurde, nichts daran, dass ein dann nach Inkrafttreten des § 4 AsylG am 1. Dezember 2013 auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes, weiteres Schutzbegehren dennoch als Folgeantrag zu behandeln ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine positive Entscheidung über § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gleichzusetzen (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 1 C 16/14 -, juris, Rn. 15; BayVGH, Urteil vom 13.12.2016 – 20 B 15.30049 -, juris, Rn. 27) und hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Asylantragsteller, für den im Erstverfahren vor dem 01.12.2013 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt wurde, zur Erlangung des subsidiären Schutzstatus einen weiteren Asylantrag stellen kann, ohne dass dieser insoweit dem Regime des § 71 AsylG unterworfen wäre (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 – 1 C 16/14 -, juris, Rn. 23). Tragende Erwägung dieser Entscheidungen waren jedoch die unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Folgen bei Feststellung eines Abschiebungsverbotes und bei Gewährung subsidiären Schutzes. Asylantragstellern, bei welchen ein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, wird auf diesem Wege die Möglichkeit gegeben, darüber hinaus den Schutzstatus nach § 4 AsylG zu erlangen, um die zusätzlichen aufenthaltsrechtlichen Vorteile ausschöpfen zu können. Dies trifft jedoch auf Asylantragsteller, in deren vor dem 1. Dezember 2013 durchgeführtem Asylverfahren negativ über die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 AufenthG entschieden wurde, nicht zu, da für sie keine Notwendigkeit und keine Möglichkeit besteht, zur Ausschöpfung zusätzlicher aufenthaltsrechtlicher Folgen ihren Schutzstatus „auszubauen“. Vielmehr ergibt sich nach Sinn und Zweck des § 71 AsylG, doppelte sachliche Prüfungen bereits geprüfter, unveränderter Sachverhalte zu vermeiden, dass in diesen Fällen und deshalb auch vorliegend beim Kläger auch bei einem auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG gerichteten Schutzbegehren von einer Folgeantragskonstellation auszugehen ist (a.A VG Cottbus, Urteil vom 08.02.2017 – 1 K 273/11.A -, juris, Rn. 51). Denn in der Sache wurde, wenn auch im Hinblick auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 AufenthG a.F., insoweit über ein entsprechendes Schutzbegehren bereits einmal entschieden (vgl. den bestandskräftig gewonnenen Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2010, Seite 11), sodass für eine erneute Prüfung – wenn und weil darüber im ersten Verfahren schon einmal negativ entschieden wurde, sodass im Hinblick auf aufenthaltsrechtliche Folgen eine „Anreicherung“ eines Abschiebungsverbots zu subsidiärem Schutz nicht in Betracht kommt – Anlass nur unter den sich aus § 71 AsylG ergebenden Voraussetzungen besteht (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 04. November 2019 – RN 12 K 17.33130 -, Rn. 27, juris).
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bedarf es für ein Wiederaufgreifen eines Verfahrens einer glaubhaften und substantiierten Darlegung einer geänderten Sachlage, welche die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung bietet (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2019 – 2 BvR 1600/19 – juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall; vielmehr ist eine günstigere Entscheidung hier ausgeschlossen.
1. Der Kläger hat hinsichtlich einer individuellen Verfolgung im Rückkehrfalle erläutert, dass er 2010 zur Finanzierung seiner Reise das Grundstück der Familie verkauft habe, ohne dies – wie erforderlich – mit der Familie des Vaters abzusprechen. Daher werde er nun im Rückkehrfalle getötet, da er mit leeren Händen dastehe. Dieser Vortrag kann dem Kläger bereits deshalb nicht abgenommen werden, da er in erheblicher Weise oberflächlich, vage und unsubstantiiert geblieben ist. Auch ergibt sich die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens für den erkennenden Einzelrichter daraus, dass der Kläger diesen Ansatzpunkt in seinem schriftlichen Asylantrag vom 08.06.2020 mit keinem Wort erwähnt hat, obwohl sich aus diesem später benannten Aspekt eine unmittelbare Lebensgefahr für den Kläger ergeben soll. Nach Überzeugung des Gerichts wäre vielmehr zwingend davon auszugehen, dass der Kläger derartig bedeutsames Vorbringen, wenn es denn den Tatsachen entsprechen würde, konsistent während des gesamten Verfahrens vorträgt, insbesondere auch bereits in dem das Folgeverfahren einleitenden Schreiben. Desweiteren ergibt sich die mangelnde Glaubhaftigkeit der klägerischen Ausführungen auch daraus, dass der Kläger im Asylerstverfahren angegeben hat, dass er für seine Reise nach Deutschland nichts habe bezahlen müssen, da ihm ein Kirchenmitglied der Methodistenkirche geholfen habe (vgl. Befragung bei der Regierung von Oberbayern am 08.06.2010 sowie 29.07.2010), während er nunmehr bei Gericht erklärt hat, dass er das Grundstück verkauft habe, um seine Reise im Jahre 2010 zu bezahlen. Mit keinem Wort hat der Kläger im Rahmen seiner Bundesamtsanhörung im Asylerstverfahren erwähnt, dass er ohne Absprache Haus und Grundstück verkauft habe und ihm deshalb im Heimatland eine Verfolgung drohe. Diese erheblich widersprüchliche Darlegung führt dazu, dass das Gericht dem Kläger nicht abnimmt, dass es vor der Ausreise des Klägers aus Nigeria zu absprachewidrigen Handlungen gekommen ist, die ihn nunmehr der Gefahr der Verfolgung aussetzen würden. Vor diesem Hintergrund ist das nunmehrige pauschale Vorbringen einer Verfolgungsgefahr durch die Familie des Vaters weder substantiiert noch glaubhaft und stellt daher keine geänderte Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar.
Überdies wäre der Folgeantrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG auch nur dann zulässig, wenn der Kläger ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Nachdem der Kläger im April 2010 ausgereist ist und er zu diesem Zeitpunkt die absprachewidrige Handlung bereits begangen haben will, ist nichts dafür ersichtlich, dass er ohne grobes Verschulden außerstande gewesen wäre, die hieraus angeblich resultierende Verfolgung durch die Familie des Vaters am 9. Juni 2010 bei seiner Befragung beim Bundesamt anzugeben oder aber zumindest im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg am 13. Juli 2012. Dort hat der Kläger jedoch seine Klage bis auf die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes zurücknehmen lassen, was wiederum darauf schließen lässt, dass der Kläger selbst nicht davon ausgeht, bei einer Rückkehr ins Heimatland verfolgt zu werden, insbesondere auch nicht durch die Familie seines Vaters. Ohne dass es noch entscheidungserheblich hierauf ankäme, ist bei der geschilderten Sachlage darüber hinaus auch die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht eingehalten worden, die mit dem Tage beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
2. Soweit der Kläger darüber hinaus auf die verschlechterte Sicherheitslage im Herkunftsland hingewiesen hat und insoweit insbesondere auf die Organisation Boko Haram, so ist auch dieses Vorbringen in höchstem Maße oberflächlich und pauschal geblieben. Ein allgemein gehaltener Vortrag, die Sicherheits- und Versorgungslage habe sich erheblich verschlechtert, genügt grundsätzlich nicht zu der erforderlichen substantiierten Darlegung der Änderung der Sachlage (vgl. BeckOK, AuslR, § 71 Rn. 18.2). Es muss aufgrund der veränderten Umstände zudem eine abweichende Bewertung des Begehrens auf Zuerkennung internationalen Schutzes zumindest möglich erscheinen, was vorliegend auf Basis der aktuellen Erkenntnismittellage jedoch nicht der Fall ist. Soweit der Kläger explizit Boko Haram erwähnt hat, so bestehen diesbezüglich Sicherheitsprobleme alleine im Nordosten des Landes (vgl. etwa Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Nigeria vom 16.01.2020, S. 9; ACCORD, Nigeria: Sicherheitslage, S. 4 ff.), aus dem der Kläger jedoch nicht stammt, sondern aus dem Bundesstaat Ogun, wo er auch geboren sei. Die im früheren Asylverfahren angegebene Herkunft aus dem Bundesstaat Plateau wurde dem Kläger im Asylerstverfahren bestandskräftig nicht geglaubt. Diesbezüglich ist auch kein neuer Vortrag erfolgt, sodass das Gericht keinen Grund hat, an den damaligen Feststellungen im Asylerstverfahren zu zweifeln. Im Übrigen wäre aber auch der Bundesstaat Plateau nicht zum von den Umtrieben der Boko Haram betroffenen Nordosten des Landes zu rechnen. Nach Überzeugung des Gerichts ist den vorliegenden Erkenntnismitteln zudem nicht zu entnehmen, dass die angesprochene Bedrohungslage durch Terrorismus und Gewalt in Nigeria landesweit gleichermaßen herrscht. Vielmehr gibt es regionale und örtliche Unterschiede und infolgedessen zahlreiche Landesteile und Städte in Nigeria, in denen sich der Kläger gefahrlos niederlassen kann (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Nigeria vom 16.01.2020, S. 16; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 20.05.2020, S. 52).
3. Soweit der Kläger überdies erklärt hat, dass Rückkehrer aus Europa oft gekidnappt würden und Lösegeld gefordert werde, wobei es auch immer wieder vorkomme, dass die Entführten ermordet würden, so ist auch dieses Vorbringen außerordentlich unsubstantiiert geblieben und kann bereits deshalb nicht zum begründeten Ansatzpunkt einer geänderten Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gemacht werden. Entsprechende Hinweise lassen sich auch den dem Verfahren zugrunde gelegten Erkenntnismitteln nicht entnehmen (vgl. etwa Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.01.2020; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 20.05.2020). Selbst wenn es jedoch im Einzelfall zu solchen Vorkommnissen als Ausfluss der allgemeinen Kriminalität kommen sollte, so bestünde angesichts der erwähnten Erkenntnismittellage hierfür jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, welche für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG erforderlich wäre; hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft würde es zusätzlich bereits am Vorliegen eines Verfolgungsgrundes nach § 3b AsylG mangeln.
4. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich bei ihm bestehender gesundheitlicher Beschwerden und Erkrankungen ist hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 3, 4 AsylG nicht von Relevanz. Die entsprechenden Darlegungen sind vielmehr allein im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten zu berücksichtigen, die der Kläger hilfsweise geltend gemacht hat. Dasselbe gilt für die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Nigeria.
Nachdem der Kläger auch keine neuen Beweismittel vorgelegt hat, § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, ist der Hauptantrag auf Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung nach alledem nicht begründet.
II.
1. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Auf den angefochtenen Bescheid wird insoweit verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG. Im Übrigen ist Nachfolgendes auszuführen:
Zunächst führt die in Nigeria herrschende Sicherheitslage nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes. Es ist nach Überzeugung des Gerichts den vorliegenden Erkenntnismitteln zumindest nicht zu entnehmen, dass die Bedrohungslage durch Terrorismus und Gewalt in Nigeria landesweit gleichermaßen herrscht. Vielmehr gibt es regionale und örtliche Unterschiede und infolgedessen zahlreiche Landesteile und Städte in Nigeria, in denen sich der Kläger gefahrlos niederlassen kann. Denn nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über die Lage in Nigeria sowie einschlägiger Rechtsprechung besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Lands auszuweichen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 16. Januar 2020, Stand: September 2019 (im Folgenden: Lagebericht Nigeria), S. 16). Dem Kläger ist es möglich und zumutbar, sich an einem anderen Ort in Nigeria aufzuhalten. Er kann sich beispielsweise in eine der zahlreichen Großstädte, insbesondere Abuja oder in den christlich geprägten Südwesten des Lands, nach Lagos oder Ibadan, begeben. Der Kläger genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, sodass er seinen Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn er nicht von sich aus Kontakt zu etwaigen Verfolgern aufnimmt, ist es unwahrscheinlich, dass er außerhalb seiner Heimatregion aufgefunden wird, zumal Nigeria inzwischen annähernd 200 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 Quadratkilometern aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Daher ist eine landesweite Verfolgung nicht zu erwarten, erst recht nicht von Privatpersonen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (im Folgenden: BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 53 ff.).
Für den Kläger besteht auch keine Sicherheitsgefahr in Nigeria aufgrund einer individuellen Verfolgung. Insoweit, insbesondere im Hinblick auf die vorgetragene Bedrohung durch die Familie des Vaters, wird auf die obigen Ausführungen unter I. vollumfänglich verwiesen.
Auch die allgemeine Versorgungslage in Nigeria führt im Falle des Klägers nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK.
Zwar können bei entsprechenden Rahmenbedingungen auch schlechte humanitäre Verhältnisse eine entsprechende Gefahrenlage begründen. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (ausführlich: VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris m.w.N.). Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch diejenige des Bundesverwaltungsgerichts (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 und 11449/07 – NVwZ 2012, 681 und BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167) machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, wenn die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3; vgl. auch BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein wird, sich seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums zu erwirtschaften, zumal er vor Gericht angegeben hat, im Heimatland Berufserfahrungen als Landwirt und Fahrer gesammelt zu haben. Der Kläger könnte neben einer Tätigkeit in der Landwirtschaft in einer der zahlreichen Großstädte in Nigeria eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, wie er es nach eigenen Angaben auch vor seiner Ausreise getan hat. Es gibt in Nigeria zahlreiche Tätigkeiten, für deren Aufnahme kaum eigene Mittel erforderlich sind und die keiner besonderen Aus- oder Vorbildung bedürfen, da sie im Wege der Berufspraxis erlernt werden können (vgl. etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Nigeria, S. 58 f.). Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann. Er hat berufliche Erfahrungen gesammelt und ist mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich der Kläger seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann (VG München, B.v. 13.12.2019 – M 12 S 19.34141 – juris; ebenso schon VG Würzburg, B.v. 20.12.2019 – W 10 S 19.32023; B.v. 18.3.2020 – W 8 S 20.30345; B.v. 14.2.2020 – W 8 S 20.30220 – juris).
Darüber hinaus liegen dem Gericht Erkenntnisse über internationale Bemühungen vor, in Nigeria Zentren für Rückkehrer und Migrationsberatungszentren weiter auszubauen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, S. 23; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Nigeria, S. 64). Überdies steht es dem Kläger frei, seine finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen oder sich an karitative Einrichtungen vor Ort zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können nigerianische ausreisewillige Personen etwa Leistungen aus dem REAG-Programm, dem GARP-Programm, dem Reintegrationsprogramm ERRIN sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ erhalten (https://www.returningfromgermany.de/de/countries/nigeria; http:// www. lfar.bayern.de/assets/stmi/lfar/bayerische_richtlinie_zur_förderung_der_freiwilligen_rückkehr_-_bayerisches_rückkehrprogramm_-_vom_ 30.08.2019. pdf). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Nigeria freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Dass der Kläger in Nigeria in eine existenzgefährdende Lage geraten könnte, ist überdies auch vor dem Hintergrund nicht anzunehmen, dass er bei Gericht angegeben hat, in Nigeria noch über drei eigene Kinder in der Großstadt Lagos zu verfügen, die dort verheiratet seien und ihre eigenen Geschäfte machten. Wie es im Kulturkreis des Klägers üblich ist, könnte er dort unterkommen und erforderlichenfalls weitere Unterstützungsleistungen erhalten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich dies vorliegend anders darstellen würde. Dass der Kläger angeblich zuletzt vor fünf Jahren mit seinen Kindern Kontakt gehabt habe, erscheint aufgrund der Pauschalität dieser Angabe und ohne dass hierfür spezifische Gründe genannt wurden, asyltaktisch motiviert und daher nicht glaubhaft. Jedenfalls könnte der Kontakt bei lebensnaher Betrachtung sicherlich auch problemlos wiederaufgenommen werden. Den familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung und es kann mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 12.4.2019, S. 46 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Dies ist beim Kläger wie erwähnt nicht der Fall. Zudem besteht jedoch auch für den Kläger grundsätzlich die realistische Möglichkeit in einer der Großstädte Nigerias einer Erwerbstätigkeit nachzugehen ohne familiäre Unterstützung.
Letztlich ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bei einer Abschiebung nach Nigeria in einer Art. 3 EMRK verletzenden besonderen Ausnahmesituation befände, wenn auch bei der Reintegration möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
Der Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts bei seiner Rückkehr nach Nigeria auch erwerbsfähig, sodass er seinen notwendigen Lebensunterhalt, auch unter Berücksichtigung seiner beruflichen Vorerfahrungen, s.o., selbst erwirtschaften kann. Seine Erwerbsfähigkeit ist insbesondere nicht durch die von ihm vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen in relevanter Weise eingeschränkt oder gar aufgehoben. Gemäß dem vorgelegten vorläufigen Arztbrief der Missio-Klinik vom 05.08.2020 wurden dem Kläger eine chronische, niedrig replikative Hepatitis B ohne derzeitige Indikation zur antivirale Therapie, Unterschenkelödeme beidseits, Diabetes mellitus Typ II, ein signifikanter Vitamin D Mangel und ein Verdacht auf Glaukom (nach anamnestischen Angaben) diagnostiziert sowie als Vorerkrankungen eine arterielle Hypertonie, die aktuell nicht zu therapieren sei. Als aktuelle Medikation wurde insoweit festgehalten: Metformin 1000mg 1-0-1 bei Diabetes mellitus, Dorzolamid AL Augentropfen zweimal täglich, Monopost AT sowie Ibuprofen 600mg bei Schulterschmerzen (wohl Fraktur nach Fahrradunfall vor ca. 6 Monaten), wobei diesbezüglich eine radiologische Untersuchung vom 30. Juli 2020 ausdrücklich keinen Hinweis auf eine Fraktur oder Dislokation ergeben hat. Außer gewissen subakromialen Anbauten bestehe ein unauffälliger Befund.
Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung zu gesundheitlichen Beschwerden erklärt, dass er ein großes Problem mit seinem Herzen, mit Diabetes, mit den Augen und mit seinen Füßen habe. Bei der Erkrankung gebe es Hochs und Tiefs; sie sei als chronisch zu bezeichnen. Seit er in Deutschland sei, gehe es ihm jedoch gesundheitlich immer besser aufgrund der hiesigen Gesundheitsversorgung. Auf die Frage, wie sich die gesundheitlichen Probleme auswirkten, erläuterte der Kläger, dass er gegen seinen Diabetes ein Medikament erhalte, welches dafür sorge, dass die Erkrankung nicht schlechter werde. Mit seinem Herzen sei aktuell alles in Ordnung. Hinsichtlich seiner Beine habe er seinerzeit beim Laufen das Gefühl gehabt, dass er gar keine Beine habe. Das Problem bestehe nunmehr jedoch nur noch ca. einmal im Monat. Für seine Augen verwende er täglich zwei Medikamente in Tropfenform. Für alle genannten Beschwerden gehe er alle drei Monate einmal zur ärztlichen Kontrolle. Zuletzt habe der Arzt ihm für seine Beine Kompressionsstrümpfe verschrieben.
Zusammenfassend lässt sich vor diesem Hintergrund feststellen, dass der Kläger zwar an einer chronischen Hepatitis B sowie an einer arteriellen Hypertonie leidet, diese Erkrankungen jedoch sowohl nach ärztlicher Feststellung als auch im Hinblick auf die Angaben des Klägers im entscheidungserheblichen Zeitpunkt keiner Behandlung bedürfen und auch keine Einschränkungen bewirken. Gleiches gilt für den von der Missio-Klinik erwähnten Vitamin-D-Mangel. Hinsichtlich der Probleme mit den Augen hat der Kläger erklärt, dass er in Deutschland zweimal am rechten Auge operiert worden sei. Es sehe auf diesem Auge gleichwohl nur verschwommen, mit dem linken Auge habe er jedoch keine Probleme. Eine Diagnose hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts diesbezüglich nicht nennen können. Gemäß dem ärztlichen Attest vom 5. August 2020 besteht der Verdacht auf ein Glaukom, dies jedoch nur aufgrund der Eigenangaben des Klägers. Demgegenüber lassen sich akute bzw. erhebliche Einschränkungen der Sehfähigkeit weder den ärztlichen Unterlagen noch den Angaben des Klägers entnehmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Probleme ausschließlich mit dem rechten Auge bestünden. Hinsichtlich der vom Kläger benannten „Probleme mit den Füßen/Beinen“ wurden ärztlicherseits Unterschenkelödeme beidseits diagnostiziert. Auswirkungen hieraus habe der Kläger derzeit nur noch ca. einmal im Monat. Hinsichtlich des Diabetes mellitus Typ II hat der Kläger zu den Auswirkungen lediglich geäußert, dass er aktuell ein Medikament erhalte, das er täglich einnehme, damit die Erkrankung nicht schlimmer werde; weitere Einschränkungen wurden insoweit nicht benannt. In der Gesamtschau ist das Gericht davon überzeugt, dass die sich aus den Erkrankungen des Klägers ergebenden geringen gesundheitlichen Einschränkungen nicht zu einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führen. Er ist vielmehr in ausreichender Weise seh- und bewegungsunfähig sowie belastbar. Diese Einschätzung wird maßgeblich auch dadurch gestützt, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, dass er in Deutschland habe arbeiten wollen, jedoch sein Antrag auf Arbeitserlaubnis abgelehnt worden sei. Er sei bereit, alles zu machen; er könne Reinigungsarbeiten, aber auch Lager- oder Trägerarbeiten ausführen; dies sei alles kein Problem. Hieraus ergibt sich in eindeutiger Weise, dass der Kläger selbst davon ausgeht, dass er in ausreichender Weise leistungsfähig ist, um seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Auch auf die Frage nach der Wiederaufnahme seiner früheren Tätigkeit in Nigeria hat er nur pauschal dargelegt, dass das Problem sein Auge sei, was vor dem zuvor dargestellten Hintergrund jedoch nicht nachvollziehbar ist, insbesondere da insoweit auch keine bestätigenden ärztlichen Aussagen vorliegen. Darüber hinaus hat er lediglich auf die schwierige Arbeitsmarktlage in Nigeria verwiesen.
Auch das Alter des Klägers als solches steht der Annahme der Erwerbsfähigkeit nicht entgegen, zumal er auch das Rentenalter in Nigeria, das bei 65 Jahren liegt(https://www.finanzen.net/top_ranking/top_ranking_ detail.asp?inRanking=1743& inPos=9), noch nicht erreicht hat. Insoweit kann daher letztlich auch dahinstehen, ob der Kläger aktuell 55 alt ist, wie er im Asylerstverfahren durchgängig angegeben hat, oder aber 60 Jahre, wie er nun abweichend im Asylfolgeverfahren behauptet und hierfür einen nigerianischen Pass vorgelegt hat, welcher jedoch nicht auf den im Asylfolgeverfahren verwendeten Namen des Klägers ausgestellt ist, den dieser während des gesamten Verfahrens im Übrigen auch nicht moniert hat.
Darüber hinaus ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger, insbesondere auch zur Erhaltung seiner Erwerbsfähigkeit, zwingend auf die von ihm täglich eingenommenen Medikamente Metformmin bezüglich des Diabetes mellitus sowie Dorzolamid und Monopost bezüglich des Problems mit den Augen angewiesen ist. Entsprechende ärztliche Unterlagen hat der Kläger in diesem Zusammenhang nicht vorgelegt, § 60 Abs. 7 Satz 2, § 60a Abs. 2c AufenthG. Das Medikament Metformin reduziert den Blutzuckerspiegel und führt zu einer verbesserten Glukoseverwertung in den peripheren Geweben (https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Metformin_21943). Ein Weglassen des Medikaments würde die Erwerbsfähigkeit nach Überzeugung des Gerichts grundsätzlich nicht infrage stellen. Vielmehr würde das Fehlen einer konsequenten Diabetestherapie ggf. zu diabetesüblichen Komplikationen wie Netzhautveränderungen, diabetischem Fuß sowie der Gefahr von kardiovaskulären Erkrankungen führen (so Dr. A. in einem im Asylerstverfahren vorgelegten Attest vom 21.06.2012). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger unbehandelt in einem überschaubaren Zeitraum seine Erwerbsfähigkeit einbüßen würde, ist hingegen nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan; es mangelt insoweit auch an der diesbezüglichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die Medikamente Monopost und Dorzolamid senken jeweils den Augeninnendruck, um auf Dauer Schäden am Auge abzuwenden (https://www.apotheken-umschau.de/ Medikamente/Beipackzettel/MONOPOST-50-Mikrogrammml-Augentr.in-Einzeldosen-10987289.html; https://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/ Beipackzettel/DORZOLAMID-ratiopharm-20-mgml-Augentropfen-2200737.html). Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass sich aus dem Weglassen der Medikation eine Erwerbsunfähigkeit ergeben würde. Die Weiterentwicklung einer etwaigen Erhöhung des Augeninnendrucks und daraus ggf. entstehender Komplikationen ist vielmehr nicht hinreichend absehbar; jedenfalls ist nicht dargetan, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unbehandelt in überschaubarem Zeitrahmen seine Sehfähigkeit verlieren würde. Die dem Kläger nach seinen Angaben nunmehr verschriebenen Kompressionsstrümpfe stellen ebenfalls keine zwingende Therapie dar, was das Gericht bereits daraus ableitet, dass der Kläger offensichtlich in letzter Zeit ein derartiges Hilfsmittel gar nicht verwendet hat, ohne dass es hierdurch zu erheblichen Schwierigkeiten oder Einschränkungen gekommen wäre (vgl. oben). Die vom Kläger erwähnten quartalsweisen Arztbesuche dienen nach eigenen Angaben lediglich der allgemeinen Kontrolle und nicht etwa einer Akutbehandlung, sodass auch diese nicht als zwingende Behandlung zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit einzustufen sind.
Selbst wenn man Vorstehendes jedoch anders sehen wollte und man die erwähnten Medikamente sowie Hilfsmittel als zwingend notwendig, insbesondere auch zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit, ansehen wollte, so wären diese in Nigeria erhältlich. Die Behandlungsmöglichkeiten wären dem Kläger individuell auch nicht etwa aus finanziellen Gründen verschlossen. Wie bereits im Asylerstverfahren im dortigen Urteil vom 13. Juli 2012, Seite 9 (Au 7 K 12.30047) angegeben, ist Diabetes mellitus in Nigeria behandelbar. Auf die dortigen Ausführungen und vorgelegten Unterlagen wird verwiesen. Auch nach aktuellen Erkenntnismitteln ist Diabetes in öffentlichen Krankenhäusern im Herkunftsland des Klägers behandelbar, zumindest in den größeren städtischen Gebieten. Metformin ist in Nigeria aktuell zu beziehen (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note, Nigeria: Medical and healthcare issues, January 2020, S. 12 f., 29). Das Medikament ist auch aus finanziellen Gründen für die meisten Menschen zugänglich (MedCOI, BDA-20170425_NG-6516, 25.04.2017, S. 79). Auch das Medikament Dorzolamid ist in Nigeria erhältlich (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note, Nigeria: Medical and healthcare issues, January 2020, S. 26). Ob dies bei Monopost der Fall ist, bedarf keiner weiteren Aufklärung, da dieses Medikament und Dorzolamid in gleicher Weise wirken und den Augeninnendruck herabsetzen sollen. Schließlich sind auch Kompressionsstrümpfe in Nigeria erhältlich (vgl. etwa: https://www.every-medical.com.ng/product/compression-stockings-in-nigeria/). Der Kläger könnte die für die Medikamente und Hilfsmittel anfallenden Kosten, die in Nigeria grundsätzlich selbst aufzubringen sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Nigeria, 16.01.2020, S. 22 f.), durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit finanzieren, zu der er nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch in der Lage ist (vgl. oben). Überdies verfügt der Kläger – wie bereits ausgeführt – auch noch über familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria. Der Kläger kann insoweit auf seine drei in Lagos lebenden Kinder verwiesen werden, die dort ihre eigenen Geschäfte machten, und von denen er mangels anderer Hinweise realistischerweise auch Unterstützung erwarten kann.
An vorstehender Beurteilung ändert desweiteren auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts.
Laut den allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Nigeria im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 67.838 (Deutschland 1.084.743) bestätigte Corona-Fälle; davon sind 63.430 Personen genesen; außerdem gibt es 1.176 (Deutschland 17.123) Todesfälle (Stand: 02.12.2020; siehe etwa Nigeria Centre for Disease Control https://covid19.ncdc.gov.ng/ oder https://www.worldometers.info/coronavirus/country/nigeria/ sowie Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 6/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 9.7.2020, S. 1 ff., 11 ff.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 10 und S. 14 ff.), wobei Nigeria eine zunehmend realistischere Verlaufskurve der Zahl der an der Pandemie Erkrankten aufweist, auch wenn bei den Angaben die Dunkelziffer nach wie vor hoch sein und die Zahl der an dem Virus Infizierten bzw. Gestorbenen deutlich höher liegen mag (vgl. Spiegel vom 26.6.2020, https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronavirus-in-nigeria-viele-infizierte-und-tote-koennten-nicht-registriert-sein-a-376a1144-607a-4503-9632 236168d397da). Jedoch bleibt der nigerianische Staat nicht tatenlos, wobei in den einzelnen Bundesstaaten je nach Infektionslage z.T. unterschiedliche Maßnahmen getroffen wurden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 6/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 23.3.2020, S. 2). Die landesweite nächtliche Ausgangssperre gilt nach wie vor, auch wenn sie seit dem 4. September 2020 nur noch von 0:00 bis 4:00 Uhr gilt. Beschäftigte in systemrelevanten Sektoren und aus dem Ausland Einreisende sind von der nächtlichen Ausgangssperre ausgenommen. Ebenso gilt weiterhin die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum. Geschäfte, Banken, Märkte, Hotels und Unternehmen sind unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen geöffnet. Freizeitparks, Fitnessstudios und Kinos dürfen bei halber Kapazität öffnen, Restaurants dürfen wieder im Außenbereich bewirten. Bars und Nachtclubs bleiben weiterhin geschlossen. Menschenansammlungen mit nun mehr als 50 Personen bleiben grundsätzlich untersagt. Einzelne Bundesstaaten haben Bewegungsbeschränkungen und Auflagen innerhalb der Bundesgrenzen verhängt. Der Inlandsflugverkehr wurde am 8. Juli 2020 eingeschränkt wiederaufgenommen. Am 5. September 2020 wurden die Flughäfen Abuja und Lagos wieder für den regulären internationalen Flugverkehr geöffnet, auch wenn nicht alle Fluggesellschaften eine Genehmigung erhalten haben, Flüge nach und aus Nigeria durchzuführen. Die nigerianischen Landesgrenzen sind dagegen für den Personenverkehr weiterhin geschlossen, für die Seehäfen gelten restriktive Sonderregelungen. Bei der Einreise sind Vorgaben etwa zu negativen Tests bzw. Quarantäne zu beachten (vgl. Auswärtiges Amt, Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 18.11.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/ laender/nigeria-node/ nigeriasicherheit/205788; Bundesamt, Länderinformation COVID-19-Pandemie, S. 28 f.; BFA, Kurzinformation zu COVID-19 vom 10.6.2020, S. 1 ff., 7 ff.). Der Transport von Gütern und Fahrten zum Zwecke der Erbringung von Dienstleistungen über die Grenzen der Bundesstaaten ist nunmehr unbeschränkt erlaubt. Zudem wurden die Beschränkungen beim Reisen zwischen den Bundesstaaten aufgehoben (Science vom 14.07.2020, https://www.sciencemag.org/news/2020/07/it-s-tricky-thing-covid-19-cases-haven-t-soared-nigeria-could-change)
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert hat (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 23.11.2020, S. 5 f.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 15; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 9.7.2020, S. 1 ff, 11 ff.; auch Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-diewirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896. html), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurde ein Notfallfonds für das „Nigeria Centre for Disease Control“ eingerichtet, ebenso wie Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern, insbesondere unter Berücksichtigung der ärmsten und vulnerablen Personen; außerdem wurden Nahrungsmittel und Saatgut verteilt. Insbesondere Geschäfte, Banken, Märkte, Hotels und Unternehmen dürfen tagsüber mit Auflagen wieder öffnen. Bei der Lebensmittelversorgung ist es zu keinen überdurchschnittlichen Engpässen gekommen, auch wenn in manchen Bereichen ein erheblicher Preisanstieg verzeichnet wurde. Darüber hinaus sind internationale Organisationen und internationale NGO´s auch in Nigeria mit Unterstützung und Hilfsmaßnahmen zur Eindämmung und Abfederung der Pandemie aktiv (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 6/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und 8 f. sowie vom 9.7.2020, S. 11 ff.; https://reliefweb.int/report/nigeria/nigeria-humanitarian-fund-allocation-covid-19-and-humanitarian-response, vom 16.6.2020; https://www.theafricare-port.com/26444/coronavirus-recession-in-nigeria-likely-despite-measures-in-place/, vom 20.4.2020; AllAfrica vom 3.7.2020, https:// allafrica.com/stories/202007030189.html; TheConversation vom 21.6.2020, https://theconversation.com/nigerias-post-covid-19-recovery-plan-has-some-merit-but-it-misses-the-mark-140974). Darüber hinaus hat der internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (https://www.imf.org/en/News/Articles/2020/04/28/pr20191-nigeria-imf-executive-board-approves-emergency-support-to-address-covid-19, vom 28.4.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen auch dem Kläger wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 ff und 8 f.; vom 9.7.2020, S. 5 f., 11 ff.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html; AllAfrica vom 16.7.2020, https://allafrica.com/stories/202007160781.html). In der 2. Jahreshälfte 2020 ist bereits ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,2% erwartet (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria vom 23.11.2020, S. 5 f.).
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der Covid-19-Pandemie in Nigeria in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede und dem unterschiedlichen Vorgehen der einzelnen Bundesstaaten bestehen weiterhin ausreichende Möglichkeiten, sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften, so dass eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar ist. Bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung kommt es zudem zu keinem Mangel, der über das übliche Maß hinausgehen würde (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 9.7.2020, S. 13). So wie Restriktionsmaßnahmen zurückgenommen werden, werden die Möglichkeiten für die tägliche Arbeit voraussichtlich ansteigen und den Zugang auch zu Non-Food-Artikeln verbessern (FEWS-NET, Nigeria Food Security Outlook Update, August 2020).
Nach alledem es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staates und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt sicherzustellen (ebenso VG Würzburg, B.v. 1.7.2020 – W 8 S 20.30762; VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris).
Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
2. Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch diesbezüglich nimmt das Gericht auf den angegriffenen Bescheid vom 20.08.2020 Bezug, § 77 Abs. 2 AsylG. Darüber hinaus ist Folgendes auszuführen:
Die vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Dass dem Kläger derartige Gefahren drohen, ist weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Insoweit wird zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen unter II.1. zur gesundheitlichen Situation des Klägers verwiesen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich die Diabeteserkrankung, die Erkrankung am Auge sowie die diagnostizierten Unterschenkelödeme alsbald nach einer Rückkehr nach Nigeria wesentlich verschlechtern und dort zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben des Klägers führen würden. Ebenso sind die genannten Beschwerden in Nigeria – wie beschrieben – behandelbar. Es wird nach § 60 Abs. 7 Satz 2, § 60a Abs. 2c AufenthG vielmehr vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Es ist Sache des Ausländers, eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen. Ein solches Attest hat der Kläger nicht vorgelegt. Das oben genannte Schreiben der Missio-Klinik vom 05.08.2020 erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 ff. AufenthG. Insbesondere ergibt sich daraus nichts zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben werden. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, aber nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136). Im Übrigen kann für das Nichtbestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg im Asylerstverfahren vom 13.07.2012 (Au 7 K 12.30047) vollumfänglich verwiesen werden, § 77 Abs. 2 AsylG. Denn auch der dortigen Entscheidung lag bereits das Bestehen einer Mehrfacherkrankung durch arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Lymphödeme der unteren Extremitäten sowie eine Augenerkrankung zugrunde. An dieser Situation hat sich bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt im hiesigen Verfahren grundsätzlich nichts geändert. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung explizit ausgeführt, dass es ihm gesundheitlich, seit er in Deutschland sei, immer besser gehe. Schließlich bestanden nach Angaben des Klägers zumindest die Ödembeschwerden sowie die Erkrankung am Auge bereits im Heimatland, wo der Kläger trotz dieser Beschwerden in der Lage war, zu leben sowie seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
Im Übrigen ist der Kläger gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des – zugegebener Maßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 56 ff. und S. 59 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) auszuschöpfen. Gegebenenfalls kann er auch auf private Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen sowie auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgreifen, so dass er nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch Medikamente besorgen könnte. Abgesehen davon könnten dem Kläger bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Abweichendes ergibt sich auch bezüglich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht mit Blick auf die Covid-19-Pandemie.
Zunächst ist insoweit festzustellen, dass der Kläger mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht mit dem neuartigen SARS-CoV-2 („Coronavirus“) infiziert ist bzw. nicht an der hierdurch hervorgerufenen Erkrankung COVID-19 leidet.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind jedoch Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellt die derzeitige Corona-Pandemie (auch) in Nigeria allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Gefahr, dass der Kläger sich in Nigeria mit dem SARS-COV-2-Virus infiziert und einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf erleidet, beziehungsweise auf die dort zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Virus bestehenden Einschränkungen des Wirtschaftslebens und die daraus resultierende Versorgungslage kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1, 6 AufenthG, wie ausgeführt, nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem Antragsteller trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 – juris).
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist vorliegend für den Kläger im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Zwar handelt es sich bei dem Kläger nicht um einen jungen Mann, der überdies entsprechend vorstehender Ausführungen auch über Vorerkrankungen verfügt, bei welchen schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet wurden (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; jsessinid=C2F368A7CDFDF3931FC30694E33C70D6.internet081#doc13776792bodyText15). Allerdings besteht nach Überzeugung des Gerichts gleichwohl nicht die für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger alsbald nach seiner Rückkehr nach Nigeria an Covid-19 erkranken und die Erkrankung bei ihm dann auch einen schwerwiegenden Verlauf nehmen würde. Denn auch bei Patienten mit Vorerkrankungen bilden schwerwiegende Krankheitsfolgen keinesfalls den Regelfall (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; jsessinid=C2F368A7CDFDF3931FC30694E33C70D6.internet081#doc13776792bodyText12). Diese Einschätzung gilt insbesondere unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen, dem Umstand, dass die Fallzahlen in Nigeria nach der ersten Erkrankungswelle merklich zurückgegangen sind und das Land auch insgesamt weniger Todesfälle aufweist (vgl. Tagesschau, Kommt Afrika glimpflich da…, 20.08.2020; AllAfrica, Nigeria: Weekly Review – Nigerias New Covid-19 Cases Reduce for Fourth Consecutive Week Despite Increased Testing, 16.08.2020). Nach alledem besteht in Nigeria für den Kläger derzeit entsprechend dem oben dargestellten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung mit Covid-19 und erst recht nicht für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf der Erkrankung. Er muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 14 f.; vgl. zu Malaria OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 25.5.2020, S. 56 ff. und 51 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) verweisen lassen.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus auch in Nigeria nicht in allen Landesteilen gleich hoch ist. Vielmehr gibt es erhebliche regionale Unterschiede (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 6/2020, S. 27 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 5 f und 8 sowie vom 23.3.2020, S. 2; New York Times vom 17.5.2020, https://www.nytimes.com/2020/05/17/world/africa/coronavirus-kano-nigeria-hotspot.html) beim Risiko, angesteckt zu werden. Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske, die Einhaltung von Hygieneregeln oder die – möglichst weitgehende – Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Gegebenenfalls kann der Kläger auch auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, sodass er nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Gesichtsmasken versorgen könnte. Abgesehen davon könnten dem Kläger bei Bedarf auch Medikamente, Desinfektionsmittel oder Gesichtsmasken für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 83b AsylG abzuweisen.


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