Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Asylbewerbers aus Sierra Leone

Aktenzeichen  9 ZB 19.32755

Datum:
1.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19836
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, § 80, § 83b
AufenthG § 60a Abs. 2c
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben kann dann bestehen, wenn sich eine Erkrankung im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert und der betroffene Ausländer die erforderliche medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann (vgl.  BeckRS 2012, 54740). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Auf die fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden (BVerwG BeckRS 2019, 3604). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Wendet sich ein Asylkläger im Gewand der Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (BeckRS 2019, 15201). (Rn. 6, Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 30 K 17.44011 2019-03-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger, nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 26. März 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird nicht hinreichend dargelegt.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5 ff.). Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2014 – 10 B 50.14 – juris Rn. 23; B.v. 12.9.2014 – 5 PB 8/14 – juris Rn. 2).
Dem Zulassungsvorbringen lässt sich schon kein Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähiger Tatsachensatz entnehmen, den das Verwaltungsgericht abweichend von einem der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten übergeordneten Gerichte aufgestellt haben soll (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 10). Der Kläger behauptet, das angefochtene Urteil weiche vom Maßstab der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064) ab, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben bestehen könnte, wenn sich eine Erkrankung im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert und der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Hiervon geht aber auch das Verwaltungsgericht aus (vgl. UA S. 16 f.), stellt aber sodann darauf ab, dass die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen den Substantiierungsanforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG nicht genügten. Der Kläger wendet sich somit vielmehr gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht und damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung, womit jedoch keiner der in § 78 Abs. 3 AsylG abschließend aufgeführten gesetzlichen Zulassungsgründe dargelegt wird. Auf eine fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 16).
2. Soweit sich dem Zulassungsvorbringen wegen der Frage, „ob der Kläger in seinem Heimatland überhaupt Behandlungsmöglichkeiten hat und, falls dies nicht der Fall ist, sich seine Erkrankung wesentlich verschlimmern könnte“ eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) entnehmen ließe, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen insoweit den Darlegungsanforderungen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 9 ZB 19.32442 – juris Rn. 4) nicht entspricht, ist die Frage hier nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht stellt darauf ab, dass die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen und macht hierzu in seinen Urteilsgründen umfangreiche Ausführungen (UA S. 17 ff.). Hieran ändert auch das mit dem Zulassungsantrag vorgelegte Attest vom 15. Juli 2019 nichts. Der Kläger wendet sich vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 a.a.O. Rn. 7).
3. Soweit mit dem Zulassungsvorbringen eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht werden soll, weil das Verwaltungsgericht den Aspekt, dass der Kläger unter Schlafproblemen und Angststörungen leidet, nicht erkannt und übersehen habe, trifft dies bereits nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat auch hierzu Ausführungen in den Urteilsgründen gemacht (UA S. 21). Mit dem im Zulassungsvorbringen vorgelegten ärztlichen Attest vom 15. Juli 2019 wird nicht aufgezeigt, dass sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der Kläger wendet sich vielmehr im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht, womit jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 9 ZB 19.32442 – juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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