Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines jemenitischen Asylbewerbers gegen Abschiebungsanordnung nach Italien

Aktenzeichen  15 ZB 20.50009

Datum:
11.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20562
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Allein die Berufung auf die “COVID-19-Pandemie” in Italien beinhaltet keine Darlegung, dass ein Asylbewerber dort einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit iSv § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ausgesetzt wäre, die über solche Gefahren hinausgeht, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist. (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Eine sachlich gerechtfertigte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung ist rechtlich zulässig und führt zur Unterbrechung der Überstellungsfrist, lässt aber die Abschiebungsanordnung aber selbst unberührt (BVerwGE 164, 165 = BeckRS 2019, 391). (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 19 K 18.53027 2020-03-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger (jemenitischer Staatsangehöriger) wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 27. November 2018, mit dem im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens (u.a.) sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht München hat mit Urteil vom 2. März 2020 die (u.a.) auf Aufhebung des genannten Bescheids gerichtete Klage abgewiesen. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig und habe sich auch zur Übernahme bereit erklärt. Die Überstellung des Klägers nach Italien sei (während der noch bis 26.5.2020 laufenden Überstellungsfrist) rechtlich und tatsächlich möglich. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil und den dort in Bezug genommenen Gerichtsbescheid vom 3. Dezember 2019 verwiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Es sei zu klären, „ob aufgrund der COVID-19 Pandemie und der Mitteilung des italienischen Innenministeriums, dass derzeit keine Dublin-Überstellungen mehr durchgeführt werden, ein Abschiebungsverbot nach Italien“ im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 13. April 2020 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 78 Abs. 3 AsylG) ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 4; B.v. 14.9.2017 – 11 ZB 17.31124 – juris Rn. 2).
Das klägerische Vorbringen genügt diesen Anforderungen nicht. Soweit sich der Kläger allgemein auf die „COVID-19 Pandemie“ beruft, hat er bereits nicht vorgetragen, weshalb er in Italien einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein soll (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG), die über solche Gefahren hinausgeht, denen die Bevölkerung (in Deutschland ebenso wie in Italien) allgemein ausgesetzt ist. Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, die Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG) sei aufzuheben, weil die Abschiebung nach Italien im Hinblick auf die „Mitteilung des italienischen Innenministeriums, dass derzeit keine Dublin-Überstellungen mehr durchgeführt werden“, tatsächlich nicht möglich sei, ist eine diesbezügliche (vom Kläger im Zulassungsvorbringen nicht konkret formulierte) Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass eine sachlich gerechtfertigte behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung rechtlich zulässig ist, zur Unterbrechung der Überstellungsfrist führt und deshalb die Abschiebungsanordnung selbst unberührt lässt (vgl. BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 23). Das Bundesamt hat dementsprechend im Hinblick auf die „Corona-Krise“ in allen anhängigen Dublin-Verfahren den Klägern gegenüber die Vollziehung der Abschiebungsanordnung (gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO) ausgesetzt (wie auch im vorliegenden Klageverfahren dem Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 9.4.2020 mitgeteilt; vgl. Bl. 74 f. der VG-Akte). Die vom Kläger ohnehin nur sinngemäß angesprochene Rechtsfrage, welche Bedeutung die „Mitteilung des italienischen Innenministeriums, dass derzeit keine Dublin-Überstellungen mehr durchgeführt werden“ auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung hat, stellt sich im Klageverfahren somit nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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