Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines türkischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  9 ZB 14.30455

Datum:
26.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7249
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Asylentscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, muss das Vorbringen, mit dem der Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend gemacht wird, zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf bislang nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthalten, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (BayVGH BeckRS 2018, 28784). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör ebenso wenig begründen wie die Behauptung, die richterliche Tatsachenfeststellung sei falsch oder das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt. Insbesondere vermittelt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (BayVGH BeckRS 2019, 3481) (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

M 24 K 13.30487 2014-11-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AylG zu einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 9 ZB 19.30489 – juris Rn. 3; B.v. 11.1.2019 – 14 ZB 18.31863 – juris Rn. 2). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Der Kläger möchte grundsätzlich klären lassen, „ob in der Provinz Sanliurfa von einem internen bewaffneten Konflikt im Sinne des subsidiären Schutzes auszugehen ist, in dem für besonders gefährdete Personen (Mitglied einer kurdischen Familie mit PKK-Vergangenheit) eine individuelle Gefahr für Leib und Leben durch willkürliche Gewalt besteht“. Für den aus der Provinz Sanliurfa in der Türkei stammenden Kläger mit kurdischer Volkszugehörigkeit, für den unstreitig geblieben sei, dass seine Familie in der Vergangenheit wegen der Kollaboration mit der PKK Repressalien ausgesetzt gewesen sei, wirke sich gefahrerhöhend aus, dass er aus Europa in die Türkei zurückkehren würde. Mit diesen Ausführungen ist schon die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht ausreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Gefahr einer Verfolgung des Klägers in der Türkei nicht als hinreichend wahrscheinlich angesehen, weil es seine Angaben zu fluchtauslösenden Übergriffen nicht geglaubt hat. Es ist ohne weitere Erläuterung nicht nachvollziehbar, dass und wie dem im Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen vom Kläger vorgetragenen gewaltsamen Tod des Vaters im Jahr 1999, der angeblich auf dessen Aktivitäten für die PKK zurückzuführen sei, darüber hinaus für eine Verfolgungsgefahr des Klägers noch Bedeutung zukommen kann. Gleiches gilt in Bezug auf angebliche politische Probleme weiterer Familienmitglieder, die der Kläger im Übrigen weder gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch gegenüber dem Verwaltungsgericht näher dargelegt hat.
Hinzu kommt, dass die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht substantiiert dargetan ist. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Herkunftsregion des Klägers verneint. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte eingeführte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten, Presseberichte oder andere Gerichtsentscheidungen oder Erkenntnisse, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dem genügt die bloße Behauptung im Zulassungsantrag nicht, dass mittlerweile eine Eskalation des Konflikts eingetreten sei, ohne durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen auch nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit einer Neubewertung aufzuzeigen. Auch die mit Schriftsatz vom 6. November 2018 vorgelegte Broschüre „Quo vadis, Türkei? Der EU-Beitritt aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen und Minderheiten“, die „Notizen einer Studienreise“ beinhaltet, welche im Mai 2006 stattfand, kann nichts zur Frage einer Konflikteskalation nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens im Jahr 2014 beitragen und wird vom Kläger auch nur in Bezug auf die Folgen einer Wehrdienstentziehung in der Türkei angeführt. Diesbezüglich ist eine konkrete Frage, die grundsätzlicher Klärung bedarf, jedoch nicht innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG aufgeworfen und dargelegt worden (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
2. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 6. November 2018 rügt, das Urteil des EGMR vom 24. Januar 2006 (Az. 39437/98) und der Ermittlungsgrundsatz seien vom Verwaltungsgericht nicht ausreichend beachtet worden, ist der allenfalls in Betracht kommende Zulassungsgrund eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) schon nicht fristgerecht dargelegt worden (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG). Zudem kann mit der – hier auch unsubstantiierten – Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör ebenso wenig begründet werden wie mit der Behauptung, die richterliche Tatsachenfeststellung sei falsch oder das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt; insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass das Gericht von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30163 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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