Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  15 ZB 19.32414

Datum:
1.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15185
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Divergenzrüge setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf der behaupteten Abweichung beruht. Hieran fehlt es im Falle einer Mehrfachbegründung der angefochtenen Entscheidung, wenn ein selbstständig tragender Begründungsstrang nicht angegriffen wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 18.30557 2019-05-09 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger – ein georgischer Staatsangehöriger – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 1. März 2018, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt wurde, ihm die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Mit Urteil vom 9. Mai 2019 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die vom Kläger erhobene Klage mit den gestellten Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 1. März 2018 zu verpflichten, ihn als asylberechtigt anzuerkennen und ihm den Flüchtlingsstatus gem. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Der Kläger trägt mit seiner Antragsbegründung vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 weiche „von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung 79, 347 ab“. Dort heiße es, dass die Betroffenen wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in welchem sie sich hinsichtlich der Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs des Asylverfahrensgesetzes befänden, Gründe für die Unzumutbarkeit der Rückkehr lediglich glaubhaft zu machen hätten. Gegen diese Vorgaben habe das erstinstanzliche Urteil verstoßen. Er – der Kläger – habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft und widerspruchsfrei dargelegt, dass er in Telawi Probleme mit dem Sohn des dortigen Kreisverwalters gehabt habe. Sie hätten versucht, ihn dazu zu zwingen, ihre Autos und alle Autos ihrer Bekannten kostenlos zu waschen. Als er dem nicht nachgekommen sei, habe man mit Zwang seine Autowäscherei geschlossen, weshalb er kein Einkommen mehr zur Verfügung gehabt habe. Seine Bäckerei habe er über einen Freund laufen lassen wollen, dies habe aber ebenso wenig funktioniert. Ständig sei er von der Finanzpolizei unter Druck gesetzt sowie seien er und seine Familie nicht in Ruhe gelassen worden. Hintergrund dieser Repressalien der öffentlichen Hand sei wohl, dass er Mitglied der Partei „Vereinte Nationale Bewegung“ gewesen sei. Deshalb habe man ihm unter dem Vorwand des kostenlosen Autowaschens Druck gemacht und schließlich dafür gesorgt, dass er keine Einkommensquelle mehr gehabt habe. Dieser Vortrag sei insgesamt schlüssig und in sich stimmig. Er sei substantiiert genug, um sein Fluchtschicksal begründen zu können. Höhere Anforderungen an einen von ihm zu erbringenden Sachvortrag könnten nicht gestellt werden, dies stehe nicht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn für die Vorfälle außerhalb Deutschlands habe ein Asylbewerber gerade keine Beweise, seine Glaubhaftmachung durch in sich stimmigen und schlüssigen Vortrag müsse ausreichend sein. Insofern sei sein Klageantrag zu Unrecht abgewiesen worden.
Gem. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist die Berufung u.a. auch dann zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Mit der vorher dargestellten Argumentation in der Antragsbegründung hat der Kläger den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Eine Abweichung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13.17 – ZfBR 2018, 376 = juris Rn. 37; BayVGH, B.v. 24.6.2019 – 15 ZB 19.32283 – noch unveröffentlicht; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2019, § 124 Rn. 42; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73 m.w.N.). Eine zulassungsbegründende Divergenz kann auch vorliegen, wenn im angefochtenen Urteil in derselben Tatsachenfrage mit einer verallgemeinerungsfähigen entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellung von einer ebensolchen Tatsachenfeststellung, die in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellt wurde, abgewichen wurde (SächsOVG, B.v. 4.1.2018 – 5 A 578/17.A – juris Rn. 2; Rudisile a.a.O.). Die Zulassungsbegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 24.6.2019 – 15 ZB 19.32283 – noch unveröffentlicht). Die bloße Behauptung einer schlicht fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die die betreffenden Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5; B.v. 26.11.2014 – 10 B 50.14 – juris Rn. 23; B.v. 12.9.2014 – 5 PB 8.14 – juris Rn. 2; B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 16; B.v. 14.5.2019 – 1 B 29/19 – juris Rn. 29; B.v. 22.10.2014 – 8 B 2.14 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 7; B.v. 9.4.2018 – 11 ZB 18.30631 – juris Rn. 3; B.v. 31.7.2018 – 15 ZB 17.30493 – juris Rn. 7; B.v. 7.1.2019 – 15 ZB 18.33244 – juris Rn. 13; SächsOVG, B.v. 4.1.2018 – 5 A 578/17.A – juris Rn. 3).
Der Senat kann es vorliegend dahinstehen lassen, ob der Kläger mit seiner Antragsbegründung im vorgenannten Sinn hinreichend substantiiert einen Widerspruch eines von der Vorinstanz aufgestellten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatzes mit einem solchen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgezeigt hat (in diesem Zusammenhang vgl. OVG NRW, B.v. 18.10.2018 – 4 A 746/18.A – juris; B.v. 9.11.2018 – 4 A 4037/18.A – juris; vgl. auch BVerwG, U.v. 21.6.1988 – 9 C 12.88 – BVerwGE 79, 347 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 22.11.2017 – 11 ZB 17.30768 – juris Rn. 3 ff.; B.v. 17.5.2018 – 20 ZB 18.31049 – juris Rn. 7; B.v. 11.1.2019 – 13a ZB 17.31521 – juris Rn. 4). Es fehlt jedenfalls an der Darlegung, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 auf der behaupteten Abweichung beruht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73; Pietzner/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2019, § 133 Rn. 36). Denn das Verwaltungsgericht hat im Sinne einer kumulativen Mehrfachbegründung (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2010 – 5 B 40.10 – juris Rn. 11; B.v. 21.12.2010 – 5 B 39.10 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 23.10.2017 – 20 ZB 16.30113 – juris Rn. 10, 18; B.v. 16.11.2017 – 20 ZB 17.31538; juris Rn. 2; B.v. 20.12.2018 – 15 ZB 18.32985 – juris Rn. 7; B.v. 8.4.2019 – 8 ZB 18.32811 – juris Rn. 28; B.v. 19.6.2019 – 15 ZB 19.32197 – noch unveröffentlicht) neben dem Umstand, dass es dem Klägervortrag hinsichtlich der geschilderten Probleme mit dem Sohn des Kreisverwalters in Telawi keinen Glauben schenkte – und nur hierauf bezieht sich die Argumentation des Zulassungsantrags hinsichtlich der geltend gemachten Divergenz – ebenso entscheidungstragend darauf abgestellt, dass für den Kläger in Georgien eine interne Schutzalternative besteht, § 3e Abs. 1 AsylG. Hiergegen hat der Kläger aber in seiner Antragsbegründung weder Berufungszulassungsgründe geltend gemacht noch substantiierte Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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