Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Fälligerklärung eines Zwangsgeldes bzgl. Baueinstellung

Aktenzeichen  1 ZB 17.1690

Datum:
16.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27365
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4

 

Leitsatz

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des VG mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG BeckRS 2004, 21684). (Rn. 4 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden, abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 16.5029 2017-06-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich im Wege der Feststellungsklage gegen die Fälligerklärung eines Zwangsgeldes.
Die Beklagte ordnete mit Bescheid vom 3. August 2016 unter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 15.000 Euro die Einstellung der Bauarbeiten für ein Vorhaben des Klägers an. Nach einer Baukontrolle am 29. September 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass an dem Vorhaben weitere Bauarbeiten ausgeführt worden seien und damit das angedrohte Zwangsgeld zur Zahlung fällig geworden sei. Die Klage auf Feststellung, dass das Zwangsgeld nicht fällig geworden ist, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, aus den in den Akten befindlichen Fotografien vom 29. September 2016 ergebe sich, dass ein Handwerker beim Innenausbau tätig gewesen sei. Der Vortrag des Klägers, er habe keinen Handwerker beauftragt, sei unglaubhaft.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), liegen nicht vor oder sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht komme zu dem unzutreffenden Ergebnis, die Fälligkeit der Zwangsgeldandrohung ergebe sich zum einen aus der Fortsetzung der Bauarbeiten am Baugerüst nach Baueinstellung und zum anderen aufgrund von Handwerkerarbeiten, die der Kläger beauftragt habe. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Gerüstarbeiten seien weder schlüssig noch nachvollziehbar. Der Kläger habe darauf verwiesen, dass nur der Bauzustand am 2. August 2016, also vor der Baueinstellung, fotografisch dokumentiert sei, weshalb zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, dass diese Arbeiten vor der Baueinstellung stattgefunden hätten.
Mit dieser Rüge unterstellt der Kläger dem Urteil einen Inhalt, der ihm nicht zu entnehmen ist. Das Verwaltungsgericht hat den Verstoß gegen die Baueinstellung ausschließlich mit der Durchführung der Innenausbaumaßnahmen am 29. September 2016 begründet. Soweit es die Ausführungen des Klägers zum Gerüstbau als unbehelflich bezeichnet hat, hat es zu Recht zum Ausdruck gebracht, dass es für die Entscheidung auf die Gerüstarbeiten nicht ankommt.
Soweit der Kläger vorträgt, die Fälligkeit des Zwangsgeldes sei nicht eingetreten, da die Handwerkerarbeiten am 29. September 2016 durch die in den Akten befindlichen Bilddokumente nicht bewiesen seien und die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Baueinstellung zuwider gehandelt worden sei, wendet er sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Auf die umfangreich ausgeführte Frage der Beweislast kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die zu beweisende Tatsache nicht aufgeklärt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2016 – 2 A 2.16 u.a. – NVwZ 2017, 232; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 108 Rn. 12). Das Verwaltungsgericht ist indes davon ausgegangen, dass der Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung schon durch die in den Akten befindlichen Fotos von Innenausbauarbeiten bewiesen sei. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 1 ZB 14.68 – juris Rn. 5; B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutrifft oder wegen Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft ist, bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung einen bei der Baukontrolle anwesenden Vertreter der Beklagten befragt. Nach dessen Angaben hat der angetroffene Handwerker erklärt, er sei für die Firma des Klägers tätig. Angesichts der Dokumentation durch Fotos in den Behördenakten ist der schlichte Einwand des Klägers, er kenne den Handwerker nicht und der Vortrag im Zulassungsverfahren, es sei nicht der Nachweis erbracht, dass die Bildaufnahmen in den Räumlichkeiten des Klägers stattgefunden hätten, ungeeignet, um Ungereimtheiten der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen. Soweit vorgetragen wird, es sei möglich, dass der Handwerker, trotz einer Anweisung an alle Unternehmer, mit den Bauarbeiten nicht fortzufahren, in das Grundstück eingedrungen sei, fehlt es an der substantiierten Darlegung und Glaubhaftmachung eines solchen Geschehensablaufs.
Mit der Rüge einer unzureichenden Urteilsbegründung macht der Kläger einen Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend. Die unzutreffende Zuordnung des Arguments unter den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist unschädlich (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546; BayVGH, B.v. 20.12.2018 – 1 ZB 18.765 – juris Rn. 6). Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe angegeben werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Ein Begründungsmangel liegt – außer in den Fällen des Fehlens jeglicher Begründung – vor, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2018 – 4 B 33.18 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Die Entscheidungsgründe handeln in knapper Form, folgerichtig und nachvollziehbar die wesentlichen Gesichtspunkte ab, die den Tenor des Urteils tragen. In den Urteilsgründen wird der Verstoß gegen die Baueinstellung aus den Innenausbaumaßnahmen am 29. September 2016 abgeleitet und der Vortrag des Klägers zu den Gerüstarbeiten als nicht entscheidungserheblich behandelt. Das Verwaltungsgericht hat auf die Dokumentation des Verstoßes in der Behördenakte verwiesen und ausgeführt, dass der Vortrag, es sei kein Auftrag für den Innenausbau erteilt worden, unglaubhaft sei. Damit wurden sowohl die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Zwangsgeldes als auch die vorgetragenen und relevanten Einwände des Klägers vollständig abgehandelt.
Soweit der Kläger zur Begründung eines Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorträgt, dass die Rechtssache tatsächlich und rechtlich schwierig sei, da das Verwaltungsgericht die gebotene Aufklärung nicht vollständig unternommen und die Behauptungen des Klägers als unbehelflich und unglaubwürdig abgetan habe, übt er erneut die bereits zur Begründung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorgetragene Kritik, ohne eine tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit des Falles darzulegen. Sofern man die Kritik an der Aufklärung durch das Verwaltungsgericht als Rüge eines Verfahrensmangels in Gestalt der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO versteht, ist ein solcher nicht festzustellen. Das Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts nämlich grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat – ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts – weder eine im Rahmen des Augenscheins mögliche Besichtigung der fotografierten Örtlichkeit beantragt noch einen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285).
Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden, abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.2017 – 8 B 56.16 – juris Rn. 5; B.v. 18.5.1993 – 4 B 65.93 – NVwZ 1993, 305). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht.
Der Kläger hat schon keinen tragenden, abstrakten Rechtssatz des Verwaltungsgerichts herausgearbeitet, mit dem dieses von den genannten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts abweichen soll. Soweit er ausführt, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts zur Beweislast verkannt, war diese Rechtsprechung hier nicht maßgeblich (s.o.).
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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