Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis eines Reichsbürgers

Aktenzeichen  24 ZB 18.2413

Datum:
13.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14635
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Die Gerichte brauchen sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 17.387 2018-10-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 18. Oktober 2018 abgewiesen. Sämtliche im angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017 getroffenen Verfügungen seien rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Seine von der Beklagten vorgetragenen Verhaltensweisen begründeten überdies die konkrete Befürchtung, dass er aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine hinreichende Gewähr für einen jederzeit verantwortungsvollen Umgang mit Waffen biete. In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob sich der Kläger selbst der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zurechne. Maßgeblich sei allein, dass sein Verhalten gegenüber staatlichen und kommunalen Behörden wiederholt ein Muster aufweise, das unter deren (der Reichsbürgerbewegung, Anm.) gegen den Staat gerichteten Ideologie bekannt geworden sei und gefördert werde. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs besäßen Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Ein solches verbindliches Hinwenden zu dieser Ideologie dränge sich beim Kläger auf.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, an der Richtigkeit des streitgegenständlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Die Angelegenheit habe grundsätzliche Bedeutung und es werde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und von Verfahrensgrundrechten gerügt.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt und hält eine Ablehnung des gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung für rechtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i. S. v. § 124 Abs. 2 VwGO in verständlicher Form geltend gemacht werden, sind sie entweder nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt oder liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2017, mit dem u.a. die waffenrechtliche Erlaubnis (Kleiner Waffenschein) des Klägers widerrufen wurde, ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Soweit der Kläger geltend macht, es sei nicht ersichtlich, wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem angegriffenen Bescheid zu dem Ergebnis komme, dass es sich bei dem Kläger um einen „Reichsbürger“ handele, in den Urteilsgründen fänden sich keinerlei Anhaltspunkte, welche seiner Äußerungen das Verwaltungsgericht als „reichsbürgertypisch“ bewertet habe, verhilft dies seinem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Denn mit diesem Vortrag blendet der Kläger aus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil ausdrücklich gem. § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die „überzeugend dargelegten Begründungen im angefochtenen Widerrufsbescheid“ nimmt (UA S. 6) und außerdem auf die „ebenso überzeugende Begründung“ des vom Kläger selbst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirkten Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2017 (Az 21 CS 17.1300) verweist.
So heißt es beispielsweise in dem angefochtenen Bescheid, der Kläger habe in einem Schreiben an die Stadt F. das Ordnungswidrigkeitengesetz sowie die Zivil- und die Strafprozessordnung für ungültig erklärt, weil diese Gesetze in seinen Augen keinen Geltungsbereich hätten. Er setze Begriffe wie Bundesrepublik Deutschland, Stadt, Behörde etc. konsequent in Anführungszeichen. Er habe unter anderem behauptet, die Bundesrepublik Deutschland befinde sich noch im Status des besetzten Gebiets der Alliierten des Zweiten Weltkriegs und der Stadt F. beim Versuch einer Vollstreckung den bewussten Akt der Plünderung in einem besetzten Gebiet vorgeworfen. Das Grundgesetz sei durch den Fremdherrscher James Baker aufgehoben worden. Ein Staat ohne rechtliches Fundament habe aufgehört als Staat zu existieren. Seiner Meinung nach sei der BRD der staatliche Auftrag, Recht zu sprechen, entzogen worden. Der Internationale Gerichtshof habe festgestellt, dass die BRD kein effektiver Rechtsstaat mehr sei. Zudem habe er die Stadt F. aufgefordert, ihm zu bestätigen, dass sowohl Amt wie auch Amtsträger staatlich anerkannt seien, die BRD ein souveräner Staat sei und die gültigen Gesetze eingehalten würden.
Ausweislich der Gründe des erwähnten Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2017 (dort S. 7) hat sich der Antragsteller die Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht und vertritt unmissverständlich deren Thesen als eigene Überzeugung. Dies bringe er ausführlich und nachhaltig in den aktenkundigen Schreiben an die Stadt F. zum Ausdruck. So lehne er darin die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland insgesamt ab, negiere sowohl die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als auch die Geltung des Grundgesetzes und gebe zu erkennen, dass er Amtsträgern ihre hoheitlichen Befugnisse abspreche. Ebenso fehle seiner Auffassung nach deutschen Gerichten die Rechtsstaatlichkeit, Behörden hätten keine Grundlage in der verfassungsmäßigen Ordnung und deren Vertreter handelten als Privatpersonen. Mit der Begründung, eine Vollstreckung in Deutschland sei nach der Haager Landkriegsordnung Plünderung, habe er dem Sachbearbeiter einer Vollstreckungsmaßnahme mit Strafanzeige gedroht. Einem anderen Sachbearbeiter habe er in einschüchternder Weise wegen dessen „Berufung auf ungültige Rechtsnormen“ in Aussicht gestellt, pro Fall mindestens 10.000 EUR zu berechnen.
Vor diesem Hintergrund unterliegt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch im Ergebnis keinen ernstlichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Richtigkeit.
2. Weitere Zulassungsgründe hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. zum Ganzen: Eyermann VwGO 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 35 ff). Hier formuliert der Kläger bereits keine einschlägige Rechts- oder Tatsachenfrage, die in einem Berufungsverfahren geklärt werden könnte oder müsste.
Mit seinen Ausführungen zeigt der Kläger auch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305). Die Gerichte brauchen sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11 m.w.N.).
Gemessen daran ist ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargetan. Der Kläger selbst hat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. Mai 2018 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich damit der nun eingeforderten Gelegenheit begeben, dem Gericht seine persönliche Sicht der Dinge nochmals darzulegen.
Welche weiteren „Verfahrensgrundrechte“ der Kläger darüber hinaus verletzt sieht, lässt sein Zulassungsvorbringen nicht erkennen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nr. 50.2, 50.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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