Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf vorläufige Genehmigung der Erstaufforstung einer Grundstücksteilfläche

Aktenzeichen  W 8 E 19.1727

Datum:
17.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5535
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 93 S. 2, § 123 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 48 ff., Art. 51

 

Leitsatz

Das Vorbringen, es sei Eile geboten, um entsprechende gleiche Wuchsverhältnisse für eine Aufforstung zu erreichen, rechtfertigt keine Vorwegnahme der Hauptsache (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Von dem Verfahren W 8 E 19.1727 wird das Anliegen abgetrennt, soweit es sich auf die Flurnummern 3268 und 3270 der Gemarkung L… bezieht und Herr … … als Bevollmächtigter für Herrn … … auftritt, und unter dem Aktenzeichen W 8 E 20.284 fortgeführt.
II. Im Verfahren W 8 E 19.1727 wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens W 8 E 19.1727 hat der Antragsteller zu tragen.
IV. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: vor der Abtrennung vorläufig auf 654,25 EUR, nach der Abtrennung für das Verfahren W 8 E 19.1727 endgültig auf 10,00 EUR und für das Verfahren W 8 E 20.284 vorläufig auf 644,25 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 erteilte das Amt für … K… (…) dem Antragsteller die Erlaubnis zur Erstaufforstung seines Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L., Stadt K. Mit Förderbescheid vom 24. Oktober 2011 wurde eine beantragte waldbauliche Förderung bewilligt.
Gegen die dem Bescheid vom 18. Oktober 2011 beigegebenen Auflagen Nrn. 2, 4 und 5 erhob der Antragsteller im Verfahren W 5 K 11.916 Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2012 erklärte er nach Abgabe verschiedener Erklärungen der Beklagtenseite das Klageverfahren W 5 K 11.916 für erledigt. Die Vertreter des Beklagten hatten u.a. erklärt, bezüglich Nr. 4 des Bescheides vom 18. Oktober 2011 würden Obstbäume (Wildobstbäume) mit einem Abstand von 4 m geduldet. Die Beklagtenseite stimmte der Erledigterklärung zu. Das Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung eingestellt.
Da in den Abstandsstreifen nicht nur Wildobst eingebracht wurde, wurde der Zuschuss aufgrund fehlender Fertigstellung der Maßnahme und wegen Auflagenverstoßes nicht ausgezahlt. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. Oktober 2013 (W 5 K 13.625) wurde die Klage auf Erteilung der Erlaubnis zur Nachbesserung auf dem Grundstück Fl.Nr. 602 und auf Bewilligung der Förderung für die Nachbesserungsmaßnahme abgelehnt.
Mit Bescheid des … K… vom 10. Februar 2015 wurde der Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2011 aufgehoben. Die daraufhin erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Mai 2016 (W 5 K 15.659) abgewiesen.
Mit Antrag vom 10. August 2019 beantragte der Antragsteller beim … K… die Genehmigung für die Erstaufforstung auf einer Teilfläche von 0,02 ha (angrenzend zur 4 m-Abstandsfläche) des Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L.
Mit Schriftsatz (Telefax) vom 28. Dezember 2019 erhob der Antragsteller am 31. Dezember 2019 Klage und stellte im vorliegenden Verfahren folgenden Antrag: Antrag auf sofortige einstweilige Verfügung.
Zur Begründung für das Verfahren W 8 E 19.1727 wurde vorgebracht, für Fl.Nr. 602 in der Gemarkung L. sei am 10. August 2019 auf Empfehlung des Forstamtes eine Teilgenehmigung für die Erstaufforstung eingereicht worden. Trotz Erinnerung am 7. September 2019 sei keine Reaktion gekommen. Es sei Eile geboten, um entsprechende gleiche Wuchsverhältnisse zu erreichen. Da alles im gesetzlichen Rahmen sei, sei eine sofortige Genehmigung zu erreichen.
Das … K… Außenstelle …, beantragte für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 23. Januar 2020 für das Verfahren W 8 E 19.1727, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf „Erstaufforstung“ vom 10. August 2019 (diese sei mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 bereits genehmigt) beziehe sich auf die festgesetzte, später modifizierte und jetzt rechtskräftige Abstandsfläche und diene nur dem Zweck, diese zum Schutz der Nachbargrundstücke festgelegte Auflage auszuhebeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 19.1726) und den beigezogenen Auszug aus der Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Nach § 93 Satz 2 VwGO kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand verbinden oder trennen sowie anordnen, dass mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.
Bei verständiger Würdigung des Antrags unter Nr. 2 ist insoweit Herr G.T. Antragsteller und Herr R.T. dessen Bevollmächtigter. Herr G.T. hat Herrn R.T. in Bezug auf die Beantragung der Förderung von waldbaulichen Maßnahmen eine Vollmacht erteilt (s. Antrag vom 18. August 2018). Auf dem Antrag „Förderung von waldbaulichen Maßnahmen“ gab der Antragsteller seine Einverständniserklärung ab, dass Herr R.T. den Antrag stellen kann. Trotz der Nennung des Herrn R.T. und nicht des Herrn G.T. als Antragsteller ist angesichts des Vermerks auf dem Antragsformular „Vollmacht siehe unten“ von einer beabsichtigten Bevollmächtigung des Herrn R.T. und nicht etwa von einer Anspruchsabtretung auszugehen. Die Vollmacht gilt im Zweifel auch für den Verwaltungsprozess (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 67 Rn. 48). Nach § 67 Abs. 2 VwGO kann sich ein Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Bevollmächtigter kann auch ein volljähriger Familienangehöriger sein (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO).
Die Trennung der Verfahren ist hier sachgerecht, weil wie eben dargestellt hinter den Anliegen zu 1) und zu 2) unterschiedliche Personen stehen, und zwar der jeweilige Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke (subjektive Klagehäufung), und sich der Antrag jeweils unterschiedlich entwickeln kann. Die Abtrennung erscheint daher im vorliegenden Fall zweckmäßig.
2. Der gegenständliche Antrag auf sofortige einstweilige Verfügung wird bei verständiger Würdigung des Vorbringens als Antrag auf vorläufige Genehmigung der am 10. August 2019 für eine Teilfläche der Flurnummer 602 der Gemarkung L. beantragten Erstaufforstung durch Änderung des (infolge der in der Gerichtsverhandlung am 19. Juli 2012 abgegebenen Erklärung modifizierten) Bescheids des … K… vom 18. Oktober 2011 ausgelegt (§ 88 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO).
Mit Bescheid des … K… vom 18. Oktober 2011 wurde die Erstaufforstung auf dem Grundstück Flurnummer 602 der Gemarkung L. mit Auflagen genehmigt. Eine gegen einzelne Auflagen des Bescheids erhobene Klage im Verfahren W 5 K 11.916 hat der Antragsteller aufgrund verschiedener Modifikationen in der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens vom 19. Juli 2012 für erledigt erklärt. Bezüglich Nr. 4 des Bescheides vom 18. Oktober 2011 würden laut der Erklärung der Vertreter des … Obstbäume (Wildobstbäume) mit einem Abstand von 4 m geduldet. Angesichts der eingetretenen Bestandskraft des Bescheids vom 18. Oktober 2011 handelt es sich hier bei dem zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren um eine auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die teilweise Rücknahme des Verwaltungsaktes gerichtete Bescheidungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 42 Rn. 39; § 70 Rn. 17), und zwar mangels förmlicher Entscheidung über den Antrag durch die Behörde um eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein Antrag nach § 123 VwGO ist begründet, wenn der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht und durch eine entsprechende Anordnung die Hauptsache – im Regelfall – nicht vorweggenommen wird.
Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Bewilligung der angegebenen Maßnahmen im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für einen Erfolg im Hauptsachverfahren spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 13 f.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Mangels einer besonderen Dringlichkeit ist schon kein Anordnungsgrund gegeben. Eine besondere Dringlichkeit hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Das Vorbringen, es sei Eile geboten, um entsprechende gleiche Wuchsverhältnisse zu erreichen, ist insoweit nicht ausreichend. Andere Anhaltspunkte, die ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung unzumutbar erscheinen lassen, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Des Weiteren ist ein Anordnungsanspruch jedenfalls nicht offensichtlich gegeben. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Art. 51 i.V.m. Art. 48 ff. BayVwVfG wurde nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere wurde insoweit keine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage im Vergleich zu der Genehmigung mit (durch die Gerichtsverhandlung vom 19. Juli 2012 modifizierten) Bescheid vom 18. Oktober 2011 geltend gemacht.
Zum jetzigen Zeitpunkt besteht damit nach summarischer Prüfung hinsichtlich der streitgegenständlichen Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 602 der Gemarkung L. kein Anspruch auf Änderung des bestehenden Bescheids.
Nach alledem bleibt der Antrag im vorliegenden Eilverfahren erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Hinsichtlich des Verfahrens W 8 E 19.1727 in Bezug auf das Grundstück Flurnummer 602 der Gemarkung L. war zugunsten des Antragstellers lediglich in Bezug auf die streitgegenständliche Teilfäche von 0,02 ha unter Berücksichtigung des damaligen Fördersatzes von 1000 EUR/ha (s. Schreiben des Antragsgegners vom 12. Februar 2020) ein Streitwert von 20,00 EUR anzusetzen, der mit Blick auf Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs auf 10,00 EUR zu halbieren war.
Im Verfahren W 8 E 20.284 war der Streitwert vorläufig auf 644,25 EUR festzusetzen. Nach dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 12. Februar 2020 ist in Bezug auf die begehrte Bewilligung der Jungwuchspflege auf den Flurnummern 3268 und 3270 der Gemarkung L. von einem Fördersatz in Höhe von insgesamt 954 EUR (400 EUR/ha) auszugehen. Hinsichtlich der begehrten Prämienzahlungen wird zugunsten des Antragstellers jeweils der Prämiensatz in Bezug auf ein Jahr zugrunde gelegt, und zwar 63 EUR in Bezug auf Flurnummer 3268 der Gemarkung L. und 271,50 EUR in Bezug auf Flurnummer 3270 der Gemarkung L. Da die Prämienzahlungen und die Bewilligung der Jungwuchspflege jeweils auch unabhängig voneinander beantragt bzw. untersagt werden könnten und ihnen daher jeweils eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, erscheint es interessengerecht, die jeweiligen Werte zu addieren (Nr. 1.1.1 Streitwertkatalog, § 39 GKG) und angesichts des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs den vollen Streitwert in Höhe von 1.288,50 EUR zu halbieren, so dass letztlich 644,25 EUR vorläufig festzusetzen waren.


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