Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Stilllegung von Teilen einer Abfallbehandlungs- und Abfallrecyclinganlage

Aktenzeichen  22 CE 16.2618

Datum:
29.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG BImSchG § 16 Abs. 1, § 20 Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 123

 

Leitsatz

Die Anordnung der Stilllegung einer ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung betriebenen Anlage ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde keinen begründeten Anlass für die Annahme hat, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben wird, materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen und sei nur formell illegal. Diesbezügliche Zweifel gehen zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 7 E 16.1964 2016-12-22 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 500.000 € festgesetzt.

Gründe

I. 1. Die Antragstellerin betreibt in der Gemeinde A. eine Abfallbehandlungs- und Abfallrecyclinganlage. Mit dem für sofort vollziehbar erklärten und zwangsgeldbewehrten Bescheid vom 26. Mai 2015 gab das Landratsamt Passau der Antragstellerin auf, mehrere Hallen und sonstige Bestandteile der Gesamtanlage in A. spätestens ab dem 19. Juni 2015 stillzulegen; das Landratsamt unterschied hierbei zwischen Hallen und Anlagen, die ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung errichtet worden seien und ohne eine solche Genehmigung betrieben würden (Nr. 1 des Bescheidtenors), und anderen Objekten, die derart abweichend von der für sie erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betrieben würden, dass eine wesentliche Änderung vorliege (Nr. 2 des Bescheidtenors). Nach Erlass des Bescheids vom 26. Mai 2015 ergingen diesbezüglich Änderungsbescheide (vom 28.5.2015, 17.6.2015), mehrere Fälligstellungen von Zwangsgeldern und erneute Androhungen von Zwangsgeldern sowie mit Bescheid vom 22. Juni 2016 auch die Androhung unmittelbaren Zwangs (im Wesentlichen durch Unterbrechung der Stromversorgung und Versiegelung von Bereichen der Anlage); gegen diese Androhung ist noch eine Anfechtungsklage der Antragstellerin anhängig. Über die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die Stilllegungsanordnung vom 26. Mai 2015 wurde noch nicht entschieden; ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage blieb indes ebenso erfolglos (Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg, B. v. 26.6.2015 – RN 7 S 15.912 -; BayVGH, B. v. 14.9.2015 – 22 CS 15.1509 -) wie ein diesbezüglicher Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO (VG Regensburg, B. v. 26.6.2016 – RN 7 S 16.1148). Unter dem 7. März 2016 beantragte die Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die wesentliche Änderung ihrer Anlage; diesen Genehmigungsantrag lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 20. September 2016 bestandskräftig ab. Nach einer gemeinsamen Besprechung zwischen den Beteiligten im September 2016 schlossen die Antragstellerin und das Landratsamt eine (mit Unterschriften vom 18. bzw. 21.11.2016 versehene) schriftliche Vereinbarung, derzufolge die von der Stilllegungsanordnung betroffenen Anlagenteile der Antragstellerin in zwei Stufen stillgelegt werden sollten (ein erster Teil bis zum 14.10.2016, der Rest bis spätestens 31.12.2016).
2. Am 19. Dezember 2016 begehrte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, den Antragsgegner durch „einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verpflichten, die Betriebsstilllegung … in der Gemeinde A. zu unterlassen“. Sie machte geltend, der zu sichernde Anordnungsanspruch gehe dahin, dass das Landratsamt – wie sie mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 beantragt habe – verpflichtet sei, ihr die Weiterführung ihres Unternehmens auf der Grundlage der bestehenden Verwaltungsakte bzw. im Weg der Erweiterung der Stilllegungsvereinbarung vom „20. Oktober 2016“ (gemeint ist: vom 18. bzw. 21.11.2016 – nachfolgend: „Stilllegungsvereinbarung“) mittels Bescheid zu erlauben; die Antragstellerin könne außerdem eine positive Entscheidung über den von ihr gemäß Art. 21 BayVwZVG beantragten Vollstreckungsschutz beanspruchen. Ein Anordnungsgrund bestehe, weil sich das Landratsamt ausdrücklich weigere, weitere rechtsverbindliche Regelungen zugunsten der Antragstellerin zu treffen. Diese werde in wenigen Monaten einen prüffähigen Antrag für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorlegen können, welcher die Genehmigungsfähigkeit der Anlage insgesamt widerspiegele. Insofern sei eine neue Sachlage eingetreten; das Interesse der Antragstellerin am weiteren Betrieb ihrer Anlage bis zur erwarteten Erteilung der Genehmigung überwiege das entgegenstehende öffentliche Interesse oder Interessen Dritter.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2016 abgelehnt und hierzu ausgeführt, er sei bereits nicht statthaft. Streitgegenständlich sei der Vollzug der Stilllegungsanordnung vom 26. Mai 2015, gegen die in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage vorgegangen werde; die Anfechtungsklage sei auch der richtige Rechtsbehelf gegen die gesonderte Zwangsmittelandrohung vom 22. Juni 2016. Vorläufigen Rechtsschutz könne die Antragstellerin, die veränderte Umstände geltend mache, somit nur mit Anträgen nach § 80 Abs. 5 und § 80 Abs. 7 VwGO erlangen, die gegenüber dem Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig seien, solange – wie dies auch vorliegend der Fall sei – wegen der anhängigen Klagen weder die Stilllegungsanordnung vom 26. Mai 2015 noch die Androhung unmittelbaren Zwangs vom 22. Juni 2016 bestandskräftig sei. Unabhängig davon habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Unterlassen der Betriebseinstellung über den 31. Dezember 2016 hinaus nicht glaubhaft gemacht.
3. Mit der von ihr eingelegten Beschwerde beantragt die Antragstellerin,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2016 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsstilllegung ihres Betriebs in der Gemeinde A. zu unterlassen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II. Über die zulässige Beschwerde konnte ohne Anhörung des Antragsgegners entschieden werden, da die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, eine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht rechtfertigt.
1. Die Antragstellerin beanstandet die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach ihr vorläufiger Rechtsschutzantrag sich auf ein in der Hauptsache ausschließlich mit einer Anfechtungsklage zu verfolgendes Ziel richte, somit nur die Herbeiführung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage bezwecken könne, wogegen der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unstatthaft sei (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 3 Nr. 1 Buchst. a, S. 4). Sie meint, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts greife der durch § 123 Abs. 5 VwGO angeordnete Vorrang eines auf die Herbeiführung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 80 Abs. 7 VwGO hier nicht ein, weil die zwischen ihr und dem Antragsgegner streitige Hauptsache, auf die sich ihr Antrag nach § 123 VwGO beziehe, nicht die Stilllegungsanordnung sei, sondern die von ihr mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 beim Landratsamt vergeblich beantragte, mittels Bescheid zu verfügende „Rücknahme“ der Stilllegungsanordnung; auf eine solche „Rücknahme“ habe sie einen Anspruch. In Betracht komme auch ein Anspruch der Antragstellerin darauf in Betracht, dass die Stilllegungsvereinbarung in Anwendung der in ihr enthaltenen Öffnungsklausel ergänzt werde; eine solche Ergänzung der Vereinbarung erfolge mittels Bescheid, weil die Stilllegungsvereinbarung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei und als solcher einen Verwaltungsakt ersetze. Damit kann die Antragstellerin nicht durchdringen.
1.1. Es trifft zwar zu, dass ihr am 19. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht gestellter vorläufiger Rechtsschutzantrag unter Berücksichtigung der Antragsbegründung den Erlass eines – inhaltlich nicht näher beschriebenen – Bescheids zum Ziel hatte (während der Wortlaut des Antrags auf ein behördliches Unterlassen gerichtet war). Der Sache nach ging und geht es der Antragstellerin allerdings ausschließlich darum, die mit Ablauf des 31. Dezember 2016 drohende Vollstreckung der noch nicht bestandskräftigen Betriebsstilllegung abzuwenden, die das Landratsamt nach Aktenlage unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Abstellen der Stromversorgung für die Recyclinganlage und der Versiegelung einzelner Bereiche der Anlage vorzunehmen gedenkt. Aus der Beschwerde der Antragstellerin ergibt sich nicht, inwiefern die begehrte behördliche Entscheidung, auf welche die Antragstellerin ihren Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezogen wissen möchte, einen über die Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen hinausgehenden Inhalt haben könnte. Dies gilt für eine von der Antragstellerin beanspruchte „Rücknahme“ (oder einen – mutmaßlich gemeinten – Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG) der Stilllegungsanordnung und erst recht für die beanspruchte Ergänzung der Stilllegungsvereinbarung, bezüglich derer die Beschwerdebegründung gänzlich offen lässt, welche der zahlreichen detaillierten Einzelregelungen der Vereinbarung nach Auffassung der Antragstellerin in welcher Weise geändert oder ergänzt werden sollte. Zumindest fehlt es diesbezüglich an einem hinreichend konkreten Vortrag und an einer Glaubhaftmachung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen derartiger Ansprüche (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hilfsweise als unbegründet angesehen, und dies mit einer im Beschwerdeverfahren nicht zu beanstandenden Begründung. Die Zulässigkeitsfrage kann daher letztlich offen bleiben.
1.2. Soweit die Antragstellerin sich darüber beschwert, dass das Verwaltungsgericht § 88 Halbsatz 2 VwGO (Möglichkeit der Umdeutung von Anträgen, keine Bindung an die Fassung der Anträge) und § 86 Abs. 3 VwGO (Hinwirken auf sachdienliche Anträge) missachtet habe (Schriftsatz vom 27.12.2016, Nr. 1 Buchst. a und b), vermag das Beschwerdevorbringen eine Änderung des angegriffenen Beschlusses vom 22. Dezember 2016 schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil das Verwaltungsgericht in einem weiteren Schritt geprüft hat, ob das Rechtsschutzbegehren als ein solches nach § 80 Abs. 5 bzw. 7 VwGO Erfolg hätte. Es hat dies ebenfalls mit einer im Beschwerdeverfahren nicht zu beanstandenden Begründung verneint. Die Frage fehlender Umdeutung oder mangelnder Hinweise ist daher nicht entscheidungserheblich.
2. Es kann also dahinstehen, ob der beim Verwaltungsgericht gestellte vorläufige Rechtsschutzantrag und/oder der nunmehr im Beschwerdeverfahren verfolgte Antrag auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage oder auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung eines materiell-rechtlichen Anspruchs der Antragstellerin gerichtet ist. Dahinstehen kann ferner, ob als eigentliches Rechtsschutzziel ein Antrag nach § 80 Abs. 5 und 7 VwGO erkennbar war (ggf. auch nur unter Anwendung von § 88 Halbsatz 2 VwGO) oder ob der beim Verwaltungsgericht eingelegte, eindeutig als Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezeichnete Rechtsbehelf hätte umgedeutet werden können.
Denn im Kern stützt die Antragstellerin ihr Begehren auf dieselben Gründe; sie macht in jedem Fall geltend, der Antragsgegner müsse die beabsichtigte zwangsweise Betriebsstilllegung unterlassen, weil sich die Sachlage entscheidungserheblich zugunsten der Antragstellerin geändert habe. Dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin kann dies aber nicht entnommen werden.
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen (Beschlussabdruck, S. 12 Nr. 2), dass für einen Anspruch auf „Unterlassen der Betriebseinstellung“ über den 31. Dezember 2016 hinaus eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich ist. Das Gericht hat – in Beachtung von § 88 VwGO – erwogen, ob eine einstweilige Anordnung zu dem Zweck ergehen könnte, der Antragstellerin vorläufig den Weiterbetrieb der (jedenfalls) formell illegalen Abfallanlage zu ermöglichen, weil die verfügte (zwangsweise) Betriebsstilllegung durch nachträgliche Umstände rechtswidrig geworden sein könnte, zusätzlich dieselben Umstände zu einer evidenten Genehmigungsfähigkeit des Betriebs geführt haben und (weiter zusätzlich) deshalb eine „Ermessenreduzierung auf Null“ gegeben sein könnte. Das Verwaltungsgericht hat umfassend dargelegt, dass eine Veränderung der Sachlage mit derart weitreichenden günstigen Folgen für die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden und nicht ersichtlich ist; auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Beschlussabdruck S. 12 unten bis S. 17 oben) nimmt der Verwaltungsgerichtshof Bezug.
Das Beschwerdevorbringen vermag der Begründung des Verwaltungsgerichts nicht die Grundlage zu entziehen.
3.1. Dies gilt für ihren Einwand, das Gericht gehe in der Sachverhaltsdarstellung selber von einer zumindest teilweisen Genehmigung aus, das behördliche Verlangen nach einem Antrag gemäß § 16 BImSchG weise gleichfalls auf einen schon genehmigten Bestand hin und die gegenüber dem Landratsamt gestellten Anträge vom 9. Dezember 2016 bezögen sich auf diesen Bestand (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 6, Nr. 2 Buchst. a). Der Einwand verkennt Zweierlei: Nämlich dass (a) ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Betrieb nur so lange legal bleibt, als die baulichen und konstruktiven Anlagenteile und ihre Verwendung (der „Betrieb“) nicht infolge einer wesentlichen Änderung den von der Genehmigung gezogenen Rahmen verlassen, und dass (b) sich die Stilllegungsanordnung gerade und ausschließlich auf die infolge einer solchen wesentlichen Änderung genehmigungsbedürftig gewordenen Anlagenteile und Betriebsweisen bezieht. Ersteres (a) räumt die Antragstellerin selber ein, wenn sie formuliert, ihre Anträge (vom 9.12.2016) hätten sich auf den genehmigten Bestand bezogen und von der Behörde den Erlass weiterer „Verwaltungsakte, die den Weiterbetrieb begründen könnten“, begehrt, weil neue Tatsachen zur Genehmigungsfähigkeit vorgebracht worden seien.
3.2. Die Antragstellerin stellt ausdrücklich den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, das den geltend gemachten Anspruch auf ein „Unterlassen der Betriebsstillegung“ am Maßstab des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gemessen hat (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 6, Nr. 2 Buchst. b). Sie meint indes, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liege bei ihr ein atypischer Fall vor, der ein ausnahmsweises Absehen von der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG regelmäßig gebotenen Stilllegung der formell illegalen Anlage rechtfertige oder sogar (bei „Ermessensreduzierung auf Null“) gebiete. Bei der Beurteilung des Regel-/Ausnahmeverhältnisses wie bei der gebotenen Ermessensausübung seien dem Landratsamt Fehler unterlaufen, dies habe das Verwaltungsgericht verkannt. Damit kann die Antragstellerin nicht durchdringen.
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend die Anforderungen referiert, die das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 15.12.1989 – 7 C 35.87 – BVerwGE 84, 220) für derartige Fallgestaltungen aufgestellt hat (Beschlussabdruck, S. 13 oben); der Verwaltungsgerichtshof nimmt hierauf Bezug. Die Antragstellerin reklamiert zum Beleg für ihre gegenteilige Ansicht zwar dieselbe Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, kann mit ihren Ausführungen aber nicht überzeugen. Die bei der Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG von der Behörde zu verlangenden Erwägungen hat das Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil (vom 15.12.1989, a. a. O., Rn. 29 und 30) dargelegt und im Leitsatz Nr. 5 zusammengefasst, wonach die Anordnung der Stilllegung einer ohne die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung betriebenen Anlage nicht ermessensfehlerhaft ist, wenn die Behörde keinen begründeten Anlass für die Annahme hat, die Anlage entspreche so, wie sie betrieben wird, materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen und sei nur formell illegal, wobei Zweifel hieran zulasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage gehen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich grundlegend von dem im genannten Urteil (vom 15.12.1989, a. a. O., Rn. 30) geschilderten Sachverhalt, dass die Behörde zwar Anlass zur Annahme hat, eine ohne Genehmigung betriebene Anlage entspreche tatsächlich materiell den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen, ihr jedoch zur Verifizierung dieser Annahme und zur Erteilung der nötigen Genehmigung noch die erforderlichen Unterlagen fehlen, die sie deshalb vom Betreiber zunächst anfordern muss, bevor sie zum einschneidenderen Mittel der Betriebsstilllegung greifen darf. Vorliegend nämlich haben sich – wie sich den Akten entnehmen lässt und dem Verwaltungsgerichtshof auch aus dem Verfahren 22 CS 15.1509 (B. v. 14.9.2015) bekannt ist – die Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit der Anlage seit Jahren trotz vielfältiger Prüfungen nicht ausräumen lassen und im Gegenteil zu Zweifeln daran verdichtet, ob die Antragstellerin in der Lage oder auch nur willens ist, die zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit des Anlagenbetriebs erforderlichen Schritte zu unternehmen und taugliche, die Genehmigungsfähigkeit zweifelsfrei nachweisende Unterlagen vorzulegen; schließlich hat das Landratsamt die im März 2016 mit den dazugehörenden Unterlagen beantragte Änderungsgenehmigung mit Bescheid vom 20. September 2016 bestandskräftig abgelehnt. Die erheblichen Unterschiede des vorliegenden Falls gegenüber dem vom Bundesverwaltungsgericht (U. v. 15.12.1989, a. a. O., Rn. 29 und 30) thematisierten Sachverhalt verkennt auch die Antragstellerin nicht (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 7 unten). Sie wirken sich – anders als die Antragstellerin meint – zulasten der Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin hat zwar offenbar mit wieder neuen, dem Landratsamt vorgelegten Unterlagen und schriftsätzlichem Vortrag versucht, die bestehenden Zweifel an der materiellen Genehmigungsfähigkeit auszuräumen (Schriftsätze vom 9.12.2016 ans Landratsamt und vom 19.12.2016 ans Gericht). Es ist ihr indes nicht gelungen. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Würdigung der neu vorgetragenen Umstände umfassend befasst (Beschlussabdruck S. 13 unten bis S. 16), hierbei die ausführliche Stellungnahme des Landratsamts zu sechs einzelnen Problembereichen referiert und zusammenfassend gefolgert, dass an der Genehmigungsfähigkeit der Anlage weiterhin Zweifel bestünden und von einer evidenten Genehmigungsfähigkeit nicht im Ansatz ausgegangen werden könne, wobei sich dies für einen Teilbereich (tieffrequenter Lärm) sogar aus dem von der Antragstellerin selbst vorgelegten schalltechnischen Gutachten vom Dezember 2016 ergebe, demzufolge etwaige tieffrequente Geräusche mangels erforderlicher Messungen noch nicht sachgerecht hätten beurteilt werden könnten (Beschlussabdruck, S. 16 Mitte). Mit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Antragstellerin nicht substantiiert auseinander. Sie behauptet lediglich lapidar, die Behörde verweigere sich einer Auseinandersetzung und fachlichen Prüfung der neuen Unterlagen (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 9), und sie – die Antragstellerin – könne, wenn das Gericht ihr Zeit hierfür einräume, „in wenigen Wochen einen entsprechenden Antrag, der die neu eingereichten Unterlagen wertet, einreichen“ (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 10). Dies reicht angesichts der Vorgeschichte des jetzigen Rechtsstreits und gegenüber der dezidierten Stellungnahme des Landratsamts (Beschlussabdruck S. 13 bis S. 16) nicht aus, um die zulasten des Anlagenbetreibers gehenden Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit der Anlage auszuräumen oder zumindest in einem solchen Ausmaß zu verringern, dass – ausnahmsweise – von der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG regelmäßig gebotenen Betriebsstilllegung abgesehen werden könnte und demzufolge eine Ermessensentscheidung zu treffen wäre.
3.3. Dem Verwaltungsgericht kann – entgegen der Ansicht der Antragstellerin (Schriftsatz vom 27.12.2016, S. 10 oben) – auch nicht vorgeworfen werden, es hätte bei der Entscheidung über die beantragte einstweilige Anordnung berücksichtigen müssen, dass in der Hauptsache ein Verbescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 VwGO in Betracht komme. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Betriebsstilllegung oder eine Erklärung der Behörde, dass die Verwaltungsvollstreckung unzulässig sei, sind – wie ausgeführt – nicht glaubhaft gemacht.
3.4. Nicht zu folgen ist der Antragstellerin, soweit sie einen atypischen Fall darin sieht, dass die Betriebsstilllegung dramatische Folgen, nämlich den Verlust von Arbeitsplätzen und die Insolvenz des Unternehmens, haben werde (Schriftsatz vom 27.12.2016, Nr. 2 Buchst. b, S. 7 unten). Inwieweit derartige Umstände bei einer Ermessensentscheidung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine Bedeutung haben (was das Verwaltungsgericht verkannt haben soll), kann dahinstehen. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass sich der Sachverhalt (die zu erwartenden Stilllegungsfolgen) insofern entscheidungserheblich geändert hat.
4. Im Übrigen kann angesichts der vom Landratsamt in seiner Antragserwiderung gegenüber dem Verwaltungsgericht aufgezeigten, von der Antragstellerin nicht substantiiert entkräfteten Bedenken gegen den Anlagenbetrieb (sie betreffen u.U. den Brandschutz, den Arbeitsschutz und Lärm) auch nicht ansatzweise davon die Rede sein, dass die bei einem Weiterbetrieb gefährdeten Schutzgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit bei einer Interessenabwägung zurücktreten müssten hinter das Interesse der Antragstellerin an einer Fortsetzung des formell illegalen und hinsichtlich der materiellen Genehmigungsfähigkeit zumindest weiterhin zweifelhaften Anlagenbetriebs.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Verwaltungsgerichtshof folgt hierbei dem Verwaltungsgericht, da die Antragstellerin dessen Streitwertfestsetzung nicht beanstandet hat und aufgrund der Eilbedürftigkeit der Beschwerdeentscheidung der Frage des angemessenen Streitwerts nicht näher nachgegangen werden kann.


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