Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen tierschutzrechtliche Anordnungen zur Haltung von Schafen

Aktenzeichen  23 CS 21.1133

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18521
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, § 2

 

Leitsatz

1. Sowohl bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch im Hinblick auf die Einschätzung, ob den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, kommt dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu, sodass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (Anschluss an VGH München BeckRS 2020, 20567).  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ebenfalls die Erforderlichkeit eines Witterungsschutzes für eine tierschutzgerechte Schafhaltung unter den Bedingungen winterlicher Wetterverhältnisse grundsätzlich anerkannt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 21.255 2021-03-25 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. März 2021 (RN 4 S 21.255), deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
I.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2021 hatte das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 2) und unter Androhung von Zwangsgeldern (Ziffern 3. – 5.) in Ziffer 1. mehrere tierschutzrechtliche Anordnungen zur Sicherstellung einer tierschutzgemäßen Schafhaltung (u.a. Erneuerung eines Witterungsschutzes, Sicherstellung einer permanenten und witterungsangepassten Trinkwasserversorgung sowie Zurverfügungstellung witterungsgeschützten und vor Verunreinigung geschützten Raufutters) verfügt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. März 2021 (RN 4 S 21.255) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 30. März 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 12. April 2021 hat der Antragsteller hiergegen Beschwerde erhoben und diese mit Schriftsatz vom 30. April 2021 begründet. Der Antragsteller habe sich für eine weitgehend natürliche und menschenfremde Haltung entschieden, so dass die von ihm gehaltenen Schafe daran seit Jahren gewöhnt seien. Sie würden die laut Bescheid angeblich notwendigen und zwischenzeitlich errichteten Stallungen und Unterstände, die Tränke und Raufutterfütterung daher nicht oder nur im Ausnahmezustand nutzen. Zudem werde auf die Empfehlungen für die Haltung von Schafen und Ziegen der Deutschen Gesellschaft für die Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Fachgruppe der DVG, Teil 1 vom 13. August 2012 (vgl. Tierärztliche Praxis Großtiere, Heft 5/12), sowie auf die Verbandsnachricht „Schafe und Lämmer in der Kälte“ im Heft 1/2021 des Bayerischen Schafhalters verwiesen, wonach Schafe ein anderes Kälteempfinden hätten. Deshalb habe der Antragsgegner – vom Kälteempfinden der Behördenmitarbeiter ausgehend – Anordnungen getroffen, die weder geeignet noch erforderlich und erst recht nicht verhältnismäßig seien. Die Schafe des Antragstellers stünden 365 Tage im Jahr im Freien und seien deshalb gewohnt, von der (gefrorenen) Weide zu fressen, Wasser benötigten sie weder ständig noch bräuchten sie einen Unterstand, da sie an Kälte gewohnt seien. Trotzdem habe der Antragsteller die Forderungen des Antragsgegners erfüllt, um seine Schafe trotz heranrückender Wohnbebauung ohne Zahlung von Zwangsgeldern weiterhin halten zu können.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 hat der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und dies im Einzelnen begründet. Auf die Ausführungen im Schreiben vom 8. Juni 2021 wird insoweit Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie das weitere vom Antragsteller anhängig gemachte Beschwerdeverfahren 23 ZB 21.1131 (RN 4 S 21.265) Bezug genommen.
II.
1. Die in der Beschwerde dargelegten Gründe sind nicht geeignet, die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die in Ziffer 1 ausgesprochenen Anordnungen in Bezug auf die Schafhaltung des Antragstellers finden ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Nach dieser Vorschrift trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2012 – 9 B 11.1216 – juris Rn. 27; B.v. 9.7.2019 – 23 CS 19.1194 – juris Rn. 5).
Diese Voraussetzungen liegen nach den summarischen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren (B.v. 25.3.2021 – RN 4 S 21.255) vor. Die vom Antragsteller dagegen erhobenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend zu den ausführlichen verwaltungsgerichtlichen Feststellungen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO) ist darauf hinzuweisen, dass sowohl bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch im Hinblick auf die Einschätzung, ob den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt, so dass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 23 ZB 20.1254 – juris Rn. 37; B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 13; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a TierSchG Rn. 46).
Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht bzw. das Landratsamt seien zu Unrecht von falschen Annahmen und Voraussetzungen ausgegangen, kann er dadurch die Feststellungen der Amtsveterinärin nicht entkräften. Sein Hinweis auf die Empfehlungen für die Haltung von Schafen und Ziegen der Deutschen Gesellschaft für die Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Fachgruppe der DVG, Teil 1 vom 13. August 2012 (vgl. Tierärztliche Praxis Großtiere, Heft 5/12) und auf die Verbandsnachrichten „Schafe und Lämmer in der Kälte“ (Der Bayerische Schafhalter, Heft 1/2021) verfängt nicht. Vielmehr räumt der Antragsteller selbst ein, dass, wenn man dem Ansatz des Antragsgegners folgen wollte, die von ihm gehaltenen Schafe einer Gefahr/Gefährdung zumindest im Zeitraum Ende Januar/Anfang Februar aufgrund widriger Wetterverhältnisse ausgesetzt gewesen sein könnten. Der Antragsgegner hebt in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2021 hervor, dass auch nach der Empfehlung der DVG ein Witterungsschutz notwendig ist und ausreichend Futterraufen zur Verfügung stehen müssen (vgl. Schreiben vom 8.6.2021, S. 5/6). Auch die vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme des von ihm beauftragten Tierarztes vom 10. Februar 2021 bestätigt die grundsätzliche Erforderlichkeit von witterungsgeschützten Unterständen sowie von witterungsgeschützten Tränken und eines Raufutterangebots (vgl. BA S. 138, Anlagekonvolut 3 zur Klagebegründung vom 16.2.2021). In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ebenfalls die Erforderlichkeit eines Witterungsschutzes für eine tierschutzgerechte Schafhaltung unter den Bedingungen winterlicher Wetterverhältnisse grundsätzlich anerkannt (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2012 – 9 ZB 10.3169 – juris Rn. 5; 11.11.2013 – 9 ZB 12.2564 – juris Rn. 18; Sächsisches OVG, B.v. 14.10.2016 – 3 D 85/16 – juris Rn. 10; OVG Lüneburg, B.v.17.1.2018 – 11 ME 448/17 – juris Rn. 18; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 11.1.2019 – 3 M 421/18 – juris Rn. 28 ff.). Allein die gegenteilige Darstellung des Antragstellers zur Situation vermag die fachliche Einschätzung der Amtstierärztin ebenso wenig zu entkräften, wie die von ihm vorgelegte Fachliteratur und die Stellungnahme des von ihm beauftragten Tierarztes vom 10. Februar 2021, die die Erforderlichkeit eines Witterungsschutzes sowie einer ausreichenden Trinkwasser- und Futterversorgung nicht in Frage stellen. Besondere Einwände gegen die Richtigkeit der tierärztlichen Feststellungen trägt der Antragsteller nicht vor.
Auch soweit der Antragsteller weiter einwendet, er habe zwischenzeitlich einen allen Anforderungen an eine artgerechte Haltung entsprechenden Unterstand errichtet, ausreichend witterungsadäquate Tränken bereitgestellt und auch im Übrigen die von ihm mit Bescheid vom 22. Januar 2021 geforderten Maßnahmen umgesetzt, so dass insoweit kein Verstoß gegen § 2 TierSchG (mehr) vorliege, stellt dies die Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses nicht in Frage (BayVGH, B.v. 1.2.2012 – 9 CS 12.87 – juris Rn. 17), sondern vielmehr das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vgl. VGH Mannheim, B.v. 8.2.2021 – 1 S 3952/20 – BeckRS 2021, 1750 Rn. 18 m.w.N.; Bostedt in: HK-VerwR/Achim Bostedt, 5. Aufl. 2021, VwGO § 80 Rn. 171 u. 187). Im Ergebnis kann dies jedoch ebenso wie die Frage der zwischenzeitlich (teilweisen) Erledigung des angefochtenen Bescheids dahinstehen, da jedenfalls die Einwendungen des Antragstellers, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Im Übrigen tritt die Beschwerde dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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