Verwaltungsrecht

Erfolgloser Nichtzulassungsantrag gegen Betriebsuntersagung einer Pflegeeinrichtung

Aktenzeichen  12 ZB 18.2087

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14575
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PfleWoqG Art. 3, Art. 13, Art. 15
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Wenn eine stationäre Einrichtung die Qualitätsstandards des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt und der zuständigen Behörde damit im Rahmen der Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG keinen Ermessensspielraum eröffnet, unterliegt die Verfügung einer Betriebsuntersagung gleichwohl dem verfassungsrechtlich fundierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (hier: kein milderes Mittel bei bereits gut zweieinhalb Jahren Beratung und Anordnungen). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 15 K 17.1335 2018-07-26 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Zulassungsantrag seine gegen die mit Bescheid vom 11. Juli 2017 verfügte Betriebsuntersagung des Pflegeheims L. gerichtete Anfechtungsklage weiter.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit streitgegenständlichem Urteil vom 26. Juli 2018 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei materiell rechtmäßig. Nach Art. 15 Abs. 1 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) habe die zuständige Behörde den Betrieb einer stationären Einrichtung zu untersagen, wenn die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt seien und Anordnungen nicht ausreichten. Der Behörde obliege damit eine gebundene Entscheidung, Ermessenserwägungen seien nicht anzustellen. Anknüpfungspunkt der Betriebsuntersagung bilde von den Qualitätsanforderungen des Art. 3 PfleWoqG insbesondere Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 PfleWoqG, wonach der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung eine angemessene Qualität der Betreuung, Pflege und Verpflegung der Bewohner der Einrichtung sicherzustellen haben. Angesichts des Rechtscharakters der Betriebsuntersagung als Maßnahme der Gefahrenabwehr zum Schutz der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner müssten Mängel bei der Einhaltung der Qualitätsstandards des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die tatsachengestützte Prognose einer zukünftigen Rechtsgutsgefährdung der Heimbewohner erlauben. Da es sich bei Leben und körperlicher Unversehrtheit um gewichtige Rechtsgüter der Heimbewohner handelt, bedürfe es nach den sicherheitsrechtlichen Grundsätzen für die Annahme einer zukünftigen Gefährdung nur eines geringen Wahrscheinlichkeitsgrades. Sei bereits eine konkrete Gefährdung von Leben und körperlicher Gesundheit eingetreten, erhöhe dies das Gewicht, mit dem ein Qualitätsmangel im Rahmen der Gefährdungsprognose zu berücksichtigen sei.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs lägen die Voraussetzungen einer Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG bei der vom Kläger betriebenen Einrichtung in S. vor. Die in den Behördenakten enthaltenen Prüfberichte der Fachstelle der Beklagten (FQA) sowie des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) belegten über einen mehrjährigen Zeitraum zum Teil erhebliche und wiederholte Verstöße gegen die Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG in Form von Pflegemängeln, Hygienemängeln und Mängeln in der baulichen Ausstattung der Einrichtung. Als besonders gravierend sei es anzusehen, dass es bei der Kontrolle der Einrichtung am 19. Mai 2017 laut den übereinstimmenden Berichten der FQA und des MDK Bayern bei drei Bewohnern zu einer unsachgemäßen Essenseingabe gekommen sei, was die Gefahr einer Aspirationspneumonie durch das Verschlucken der Nahrung hervorgerufen habe. Drei weitere Fälle der unsachgemäßen Essenseingabe aus den Jahren 2014 bis 2016 liste der Schlussbericht der Kriminalpolizeiinspektion S. vom 11. April 2017 im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger auf. Weiter ergebe sich aus dem aktuellen Prüfbericht des MDK Bayern, dass es bei dem Transfer von Bewohnern zu Verletzungen in Form von Hämatomen gekommen sei, bzw. dass derartige Verletzungen durch die Transfers entstehen könnten. Bei einem weiteren Bewohner sei ein unsachgemäßer Umgang mit chronischen Wunden festgestellt worden. Bei einem Dekubitus Grad 1 am linken großen Zeh seien Maßnahmen zur lokalen Druckentlastung nicht umgesetzt worden, sodass die Gefahr einer Ausweitung der Gewebeschädigung zu einer offenen Wunde und deren Ausbreitung in die Tiefe bestanden habe.
Weiter seien in der Einrichtung des Klägers eklatante Hygienemängel festgestellt worden. Neben dem aktuellen Bericht des MDK Bayern komme auch das Staatliche Gesundheitsamt im Landkreis R. anlässlich einer Prüfung nach § 36 des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) zu insgesamt 15 Einzelmängeln und ziehe hieraus den Schluss auf erhebliche Mängel in der Organisation und Umsetzung hygienischer Regeln, was eine Gefährdung der Gesundheit der Heimbewohner durch Krankheitserreger beinhalte.
Schließlich weise die Einrichtung des Klägers auch bauliche Mängel auf. So neige die Aufzugstür beim Betreten des Aufzugs dazu, den Benutzer einzuklemmen. Überdies fehle im Speisesaal eine geeignete Notrufanlage.
Die aufgezeigten Mängel, die den Kernbereich des pflegerischen Handelns beträfen, ließen den Schluss zu, dass es auch in Zukunft zu einer Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Bewohner der klägerischen Einrichtung kommen werde.
Auch die weitere Voraussetzung für eine Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG, nämlich dass Anordnungen zur Behebung der Qualitätsmängel nicht ausreichen, liege vor. So seien in der Vergangenheit bereits Bescheide erlassen worden, die darauf abgezielt hätten, die zahlreichen in der Einrichtung festgestellten Mängel zu beseitigen. Exemplarisch sei dabei auf den verfügten Aufnahmestopp sowie auf den Bescheid der AOK Bayern vom 24. März 2017 verwiesen, in dem dem Kläger zahlreiche Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Einrichtung auferlegt worden seien. Diesen Verpflichtungen sei er jedoch nicht, wie gefordert, nachgekommen. Es sei daher nicht zu erwarten, dass sich die Situation in der Einrichtung des Klägers durch den Erlass weiterer Anordnungen bessern werde, zumal sich der Kläger auch durch das polizeiliche Ermittlungsverfahren in keiner Weise habe beeindrucken lassen. Diesbezüglich führe der Einwand des Klägers, dass er in der Gesamtschau habe davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte sich nach ihrer bislang geübten Verwaltungspraxis auf eine Beratung des Klägers und auf den Erlass weiterer Anordnungen bzw. sofortiger Anordnungen beschränken werde, nicht zu einem rechtlich relevanten Vertrauensschutz. Vielmehr beruhe die Systematik des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes gerade auf einem gestuften Behördenvorgehen bis hin zu einer Betriebsuntersagung, zum anderen habe die Beklagte die im Streit stehenden Zustände im Pflegeheim des Klägers weder faktisch noch tatsächlich geduldet. Im Gegenteil habe die Beklagte aufgrund der Erfolglosigkeit der bisherigen Beratungen und Anordnungen im Interesse des Schutzes der Bewohner des Pflegeheims zeitnah die zwingend vorzunehmende Betriebsuntersagung ausgesprochen. Vertrauensschutz habe der Kläger weder aufgrund einer bestimmten Verwaltungspraxis noch aufgrund informalen Verwaltungshandelns erlangen können. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG seien somit aufgrund der genannten zahlreichen und zum Teil gravierenden Mängel erfüllt. Die Beklagte musste daher ohne weitere Ermessenserwägungen eine Betriebsuntersagung aussprechen.
2. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung lässt der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen. Soweit der Klägerbevollmächtigte in der Zulassungsbegründung allein vorträgt, dass die nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG verfügte Betriebsuntersagung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht genüge, kann er damit die Zulassung der Berufung nicht bewirken, da es insoweit bereits an der hinreichenden Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mangelt.
2.1 Nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG hat die zuständige Behörde den Betrieb einer stationären Einrichtung zu untersagen, wenn die Anforderungen des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt sind und Anordnungen nicht ausreichen. Für die in diesem Rahmen anzustellende Prognose, ob in der betroffenen Einrichtung zukünftig die Qualitätsanforderungen des Art. 3 PfleWoqG eingehalten werden, dürfen dabei grundsätzlich in der Vergangenheit liegende, nachhaltige und schwerwiegende Verstöße gegen heimrechtliche Vorschriften, insbesondere wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – BeckRS 2019, 12 Rn. 49; B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – BeckRS 2017, 114434 Rn. 45 ff.). Erforderlich ist weiter eine tatsachengestützte Gefahrenprognose dahingehend, dass festgestellte Mängel bei der Einhaltung der Qualitätsstandards mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine künftige Gefährdung der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner zulassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – BeckRS 2019, 12 Rn. 50; B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – BeckRS 2017, 114434 Rn. 45 m.w.N.). Mit Blick auf eine beabsichtigte Betriebsuntersagung ist es daher erforderlich, die zur Grundlage gemachten Mängel auf ihr jeweiliges Gefahrenpotential zu untersuchen, wobei eine qualitative und nicht lediglich quantitative Betrachtung anzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – BeckRS 2017, 114434 Rn. 46). Einzelne Pflege- und Dokumentationsmängel, die ersichtlich auf einem punktuellen, individuellen Fehlverhalten beruhen, können eine Betriebsuntersagung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten regelmäßig nicht tragen (BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – BeckRS 2017, 114434 Rn. 47).
Wenn die betroffene Einrichtung die Qualitätsstandards des Art. 3 PfleWoqG nicht erfüllt und der zuständigen Behörde damit im Rahmen der Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG keinen Ermessensspielraum eröffnet, unterliegt die Verfügung einer Betriebsuntersagung gleichwohl dem verfassungsrechtlich fundierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – BeckRS 2017, 114434 Rn. 47). Die zu treffende Maßnahme darf daher nicht über das zur Verfolgung ihres Zwecks notwendige Maß hinausgehen und nicht weiter reichen, als der mit ihr intendierte Schutzzweck ein Einschreiten der Behörde zwingend erfordert. Demzufolge kann eine Betriebsuntersagung stets nur das letzte Mittel – ultima ratio – sein (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – BeckRS 2019, 12 Rn. 51 ff., ferner BayVGH, B.v. 10.1.2008 – 12 CS 07.3433 – BeckRS 2008, 27374 Rn. 51; B.v. 22.11.2010 – 12 CS 10.2243 – BeckRS 2010, 36873 Rn. 43; B.v. 29.9.2011 – 12 CS 11.2022 – BeckRS 2011, 33931 Rn. 73). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist namentlich dann verletzt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das weniger belastend ist (vgl. Huster/Rux in BeckOK GG, Stand 1.12.2019, Art. 20 Rn. 192 ff., insb. 196) und die Grundrechte der Betroffenen nicht oder doch deutlich weniger fühlbar einschränkt. Als solche Maßnahmen kommen nach der Systematik des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes Anordnungen nach Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG, wie beispielsweise die Verhängung eines Aufnahmestopps, Beschäftigungsverbote nach Art. 14 Abs. 1 PfleWoqG, die Einsetzung einer externen kommissarischen Leitung nach Art. 14 Abs. 2 PfleWoqG und die Anordnung einer Teiluntersagung (schrittweise Reduzierung der Belegung) in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – BeckRS 2019, 12 Rn. 51).
2.2 Dass die vorstehend dargelegten Voraussetzungen einer Betriebsuntersagung im Fall der Einrichtung des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht vorliegen, zeigt der Klägerbevollmächtigte in der Zulassungsbegründung nicht ansatzweise nachvollziehbar auf, sodass es an der für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mangelt.
2.2.1 Dies gilt zunächst, soweit er vorträgt, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei nicht geprüft worden, ob mildere Mittel wie Anordnungen anstelle der Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG in Betracht kämen. Der angefochtene Bescheid vom 11. Juli 2017 würde unter Ziffer II 2 c die Verhältnismäßigkeit lediglich unsubstantiiert behandeln. Dies trifft indes der Sache nach nicht zu. Nach überaus ausführlicher Darstellung der einzelnen Prüfungen der Einrichtung des Klägers durch die FQA, den MDK und das Gesundheitsamt R. (Im Rahmen einer Prüfung nach dem Infektionsschutzgesetz) und Darlegung der dabei jeweils getroffenen Anordnungen einschließlich deren nicht erfolgter Umsetzung durch den Kläger führt die Beklagte unter Ziffer II 2. c Folgendes aus:
„Die Betriebsuntersagung ist geeignet, die festgestellte Gefährdung der Bewohner nachhaltig zu unterbinden. Die Untersagung ist ferner erforderlich, weil nach der erfolglosen Durchsetzung der Auflagen der Anordnungsbescheide vom 5.12.2014 sowie vom 13.4.2017 dafür kein milderes Mittel gleicher Eignung mehr zur Verfügung steht, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass u.a. aufgrund der eng miteinander verwobenen familiären Strukturen in der Einrichtung letztlich von Trägerseite Mittel und Wege gefunden werden, behördliche Anweisungen zu umgehen bzw. nur ‚halbherzig‘ und ohne objektiv erkennbaren Effekt umzusetzen. Diese Einschätzung basiert auf den protokollierten Mängelfeststellungen der vergangenen Jahre und wird grundsätzlich auch von den Prüfdiensten der Kostenträger geteilt. Die jüngst durch die AOK-C. ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrags mit der Einrichtung zum 31.8.2017 bestätigt diese Annahme auf beeindruckende Weise.“
Bereits zuvor (sub II 2. b, S. 20 des Bescheids vom 11.7.2017) behandelt die Beklagte die Verhältnismäßigkeit der Betriebsuntersagung wie folgt:
„Eine Anwendung ‚milderer Mittel‘, wie etwa der Erlass entsprechender weiterer Anordnungen, würde in diesem Fall nur dazu führen, dass die Bewohner in nicht hinnehmbarer Weise weiterhin konkreten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt wären, ohne dass eine Besserung der Situation von Trägerseite zu erwarten wäre. Zudem muss ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass weitere Anordnungen noch als ‚ausreichend‘ i.S.d. Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG bewertet werden können. Der Träger wird bereits seit mindestens Dezember 2014 in immer wiederkehrender Weise mittels Beratung, aber auch Anordnungen angehalten, sein Qualitätsniveau in der Pflege zu verbessern und den Vorgaben des Art. 3 PfleWoqG anzupassen. Wesentliche Verbesserungen haben sich seither jedoch nicht ergeben. Im Gegenteil eskalierte die Mangelsituation ab September 2016 in einer Weise, welche konkrete Gefahren für die Bewohner entstehen ließen. Dies zeigte u.a. der Fall des wegen Aspirationspneumonie ins Krankenhaus eingelieferten Bewohners. Die Behauptung des Trägers, dass weitere Anordnungen als ‚milderes Mittel‘ ausreichend seien, um die Defizite im Haus zu beheben, lässt hierbei außer Acht, dass es grundsätzlich der Träger ist, welcher nach Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG die Qualität im Haus sicherzustellen hat und dies nicht davon abhängig sein kann, ob eine Behörde mit Zwangsmitteln gegen den Träger vorgeht und etwa Anordnungen erlässt.“
Weshalb es angesichts dessen an der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Betriebsuntersagung fehlen soll, zeigt der Klägerbevollmächtigte in der Zulassungsbegründung nicht substantiiert auf.“
2.2.2 Soweit der Klägerbevollmächtigte weiter vorträgt, dass der Kläger am 31. Mai 2017 mit einer „Schulung aller Expertenstandards für alle Pflegekräfte“ als „Auftakt einer internen, wöchentlichen Mitarbeiterschulung mit dem Ziel, die geforderten Standards durch Schulung und Wiederholung in der gesamten Belegschaft zu erreichen“, begonnen und die Beklagte dies im Rahmen der Betriebsuntersagung nicht berücksichtigt bzw. für „fachlich unsinnig“ gehalten habe, zeigt er nicht auf, inwieweit die eingeleiteten Fortbildungsmaßnahmen die tatsachengestützte Prognose einer zukünftigen Gefährdung von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Heimbewohner die Grundlage entziehen soll. Dies wäre jedoch angesichts des Umstands, dass in der Vergangenheit trotz entsprechender Anordnungen keine Verbesserung der Pflegequalität im Sinne von Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG erfolgte, erforderlich gewesen. Weiter legt der Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang auch nicht dar, weshalb die Annahme der Beklagten im Bescheid vom 11. Juli 2017 (Seite 22 des Abdrucks), dass die Schulung „aller Expertenstandards“ am 31. Mai 2017 für alle Pflegekräfte „fachlich unsinnig“ sei, da die Mängel bei der Anwendung der Expertenstandards seit mindestens 2013 angemahnt worden seien, eine sachgerechte Umsetzung nicht erfolgt sei und alle Fachkräfte in der Lage sein müssten, eine Pflegeplanung zu erstellen, die durch die Pflegedienstleitung überprüft werden könne, nicht zutreffe. Angesichts der in Rede stehenden Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner muss sich die Beklagte vielmehr nicht auf in ihrem Erfolg unklare und erst angesichts der drohenden Heimschließung ergriffene „Maßnahmen“ des Klägers verlassen. Angesichts der bei der Essensgabe zutage getretenen Gefährdungssituationen braucht die Beklagte auch nicht abzuwarten, ob die Anordnung vom 13. April 2017 „Wirksamkeit“ entfaltet hat.“
2.2.3. Auch im Übrigen legt der Klägerbevollmächtigte nicht dar, mit welchen gegenüber der Betriebsuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 PfleWoqG milderen Mitteln die angesichts der in der mündlichen Verhandlung zugestandenen Missstände in der Einrichtung des Klägers hätte begegnet werden können.
Soweit er in diesem Zusammenhang erneut auf den Erlass von „Anordnungen“ durch die Beklagte verweist, bleibt dieses Vorbringen unbestimmt und unsubstantiiert. Es wird nicht ersichtlich, welche konkreten Anordnungen möglich gewesen sein sollen, um die Qualitätsmängel, die sowohl die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid wie auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung konkret bezeichnet haben, zu begegnen. Darüber hinaus setzt sich der Kläger auch mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen „gestuften Maßnahmesystem“ des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes nicht auseinander.
Fehl geht schließlich der Hinweis des Klägerbevollmächtigten auf die Verhängung von Zwangsgeldern als „mildere Mittel“ gegenüber einer Betriebsuntersagung. Er verkennt dabei, dass es sich bei der Androhung bzw. Fälligstellung von Zwangsgeldern nicht um bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigende Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Rahmen des Heimrechts, sondern vielmehr um Mittel des Verwaltungszwangs zur Durchsetzung von heimrechtlichen Anordnungen handelt. Die Fälligstellung eines Zwangsgeldes setzt ihrerseits voraus, dass der Pflichtige einer bestimmten Anordnung gerade nicht nachgekommen ist. Mithin würde eine Fälligstellung von Zwangsgeldern gerade indizieren, dass heimrechtliche Anordnungen vom Kläger nicht befolgt worden sind, demzufolge die Anordnungen als solche auch nicht ausreichen, festgestellte Qualitätsmängel in der Einrichtung zu beseitigen. Der Verweis auf „Zwangsgelder“ als „mildere Mittel“ erweist sich daher als unbehelflich.
Da es dem Kläger im Rahmen seines Zulassungsvorbringens mithin nicht gelungen ist, die Unverhältnismäßigkeit der Betriebsuntersagung im Bescheid vom 11. Juli 2017 nachvollziehbar und substantiiert darzulegen, scheidet die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aus.
3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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