Verwaltungsrecht

Erfolgloser Zulassungsantrag mangels grundsätzlicher Bedeutung – Kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis

Aktenzeichen  10 ZB 16.444

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48797
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29a, § 61 Abs. 2, § 78 Abs. 3, § 80
RL 2013/33/EU Art. 15

 

Leitsatz

Die Rechtsfrage, ob § 61 Abs. 2 AsylG richtlinienkonform umgesetzt ist oder ob Art. 15 RL 2013/33/EU direkt anzuwenden ist, ist für die Zulassung eines Rechtsmittels nicht entscheidungserheblich, weil das erstinstanzliche Urteil auf den weiteren tragenden Grund gestützt ist, dass der Kläger die Verzögerung der Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz selbst zu vertreten hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 15.3550 2016-01-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, der sich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung aufgrund eines vor dem 31. August 2015 gestellten Asylantrags befindet, seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung des Beklagten weiter, ihm eine Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG zu erteilen.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der im Zulassungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage schon nicht hinreichend dargelegt ist (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) und nicht vorliegt. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (BayVGH, B.v. 25.5.2016 – 20 ZB 15.50046 – juris Rn. 5 m. w. N.). Hieran fehlt es jedoch vorliegend.
Der Kläger bezeichnet als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, „ob die begehrte Beschäftigungserlaubnis aufgrund Art. 15 Richtlinie 2013/33/EU zu erteilen ist“. Dabei geht der Kläger wohl davon aus, dass § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. Nr. 2.1 der Hinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 31. März 2015 (IA2-2081-1-8) bezüglich Beschäftigung und Berufsausbildung von Asylbewerbern und Geduldeten – im Folgenden: IMS – die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten für unbefristete Zeit ausschließt und deshalb Art. 15 Richtlinie 2013/33/EU unzureichend in nationales Recht umgesetzt ist, so dass sich der Anspruch auf Erteilung der entsprechenden Beschäftigungserlaubnis unmittelbar aus Art. 15 RL 2013/33/EU und nicht der nationalen Regelung ergebe.
Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, dass Art. 15 RL 2013/33/EU entsprechend dem Ziel der Richtlinie, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Antragsteller zu fördern (vgl. Nr. 23 der Erwägungsgründe) und dafür Sorge zu tragen, dass der Asylbewerber spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält (Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU), mit § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG ordnungsgemäß umgesetzt wurde und sich die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen des Art. 288 Abs. 3 AEUV hält, der den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel überlässt (vgl. Biervert in Schwarze, EU-Kommentar 3. Aufl. 2012, AEUV, Art. 288 Rn. 25 und 28).
Die Rechtsfrage der unmittelbaren Anwendung des Art. 15 RL 2013/33/EU hat sich demgemäß für das Verwaltungsgericht nicht gestellt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Ausländerbehörden trotz der Weisung im IMS vom 31. März 2015 weiterhin bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis von Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigen, also auch einem Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 29a AsylG, der vor dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt hat, während des Asylverfahrens die Ausübung einer Beschäftigung unter bestimmten Umständen erlaubt werden kann.
Mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts zur richtlinienkonformen Umsetzung des § 61 Abs. 2 AsylG unter Berücksichtigung des IMS vom 31. März 2015 und zur fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU setzt sich der Kläger im Zulassungsverfahren nicht auseinander, sondern formuliert eine Rechtsfrage, die nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war. Damit erfüllt er das Erfordernis, dass er die Entscheidungserheblichkeit der von ihm als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Rechtsfrage darlegen und sich insoweit mit der davon abweichenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen muss, aber nicht.
Selbst wenn man jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts davon ausginge, dass § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG in Verbindung mit der genannten Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr auch Ausländer, die vor dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt haben, dauerhaft vom Arbeitsmarktzugang ausschließen würde, wenn sie aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen, und infolge einer unzureichenden Umsetzung in nationales Recht Art. 15 RL 2013/33/EU unmittelbar anwendbar wäre, stellte sich die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht, weil sie nicht entscheidungserheblich wäre. Denn die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage kann nur dann zur Zulassung der Berufung führen, wenn die Frage, so wie sie mit dem Zulassungsantrag aufgeworfen wird, nach Maßgabe der nicht mit beachtlichen Zulassungsgründen angegriffenen Rechtsansicht und tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich gewesen wäre. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Frage nur auf eine von mehreren, das Urteil selbstständig tragenden Begründungen bezogen ist (GK-AsylVerfG, Stand: Dezember 2015, § 78 Rn. 153 m. w. N.). Wenn das angefochtene Urteil mehrere, selbstständig tragende Begründungen enthält, kann ein Rechtsmittel nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede tragende Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und gegeben ist (BayVGH, B.v. 23.5.2016 – 13a ZB 16.30025 – juris Rn. 4 m. w. N.). Dies hat der Kläger in Bezug auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, er habe die Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst zu vertreten, jedoch nicht getan.
Das Verwaltungsgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sich aus der nationalen Regelung in § 61 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AsylG kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ergebe und dass die entsprechenden Ermessenserwägungen der Ausländerbehörde des Beklagten nicht fehlerhaft seien (s.o.). Zudem hat es jedoch in den Entscheidungsgründen (UA S. 15) ausgeführt, dass der Kläger sich schon deshalb nicht (unmittelbar) auf Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU berufen könne, weil er die Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst zu vertreten habe. Das Unionsrecht mache den Zugang zum Arbeitsmarkt vom kooperativen Verhalten des Asylbewerbers abhängig. Der Zugang des Antragstellers zum Arbeitsmarkt nach Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU steht nämlich nach Unionsrecht unter dem Vorbehalt, dass die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Kläger zur Last gelegt werden kann. Diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger bereits nach der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2014 nach Ungarn hätte abgeschoben werden sollen, um dort sein Asylverfahren durchzuführen. Eine Verpflichtung des Bundesamtes, über den Asylantrag des Klägers erneut zu entscheiden, habe sich nur deshalb ergeben, weil sich der Kläger der Abschiebung entzogen habe und daher die Überstellungsfrist nach Ungarn abgelaufen gewesen sei.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Daher erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Januar 2016 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben