Verwaltungsrecht

Erfolgloses Berufungszulassungsverfahren wegen bauaufsichtlichen Einschreitens gegen gewerbliche Nutzung

Aktenzeichen  9 ZB 18.1744

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1729
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86, § 104 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5

 

Leitsatz

1. Wird ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend gemacht, muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtstreits zulässt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Erörterung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht setzt (nur) voraus, dass das Gericht auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte aufmerksam machen, wobei sich das Gericht bei der Erörterung auf Schwerpunkte beschränken kann und  bei der Antragstellung behilflich sein muss. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 16.2345 2018-06-28 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren von der Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen zu gewerblichen Zwecken, das westlich an ihr Wohngrundstück angrenzt. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23. November 2016 ab. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Kläger hiergegen mit Urteil vom 28. Juni 2018 ab. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, weil keine unzumutbaren Beeinträchtigungen seitens der Kläger geltend gemacht worden seien. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen diese ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und 5 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
a) Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe keinen Augenscheinstermin durchgeführt und damit den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, leiten die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts her. In diesen Fällen wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2019 – 9 ZB 17.1335 – juris Rn. 6 m.w.N.). Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 125.09 – juris Rn. 23 und B.v. 3.6.2014 – 2 B 105.12 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 15.9.2020 – 9 ZB 18.913 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das allein darauf abstellt, das Verwaltungsgericht habe keinen Augenschein durchgeführt, durch den die Beeinträchtigungen der Kläger offensichtlich geworden wären, nicht gerecht.
Im Übrigen verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO greift grundsätzlich nicht, wenn das Verwaltungsgericht den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge oder einer Beweisaufnahme für aufgeklärt hält und von einer (weiteren) Beweiserhebung absieht (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 18). Hier hat die in der mündlichen Verhandlung anwesende Klägerin zu 2 ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2018 keinen Beweisantrag gestellt; nur schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen nicht (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6). Angesichts des umfangreichen klägerischen Vortrags, der über Jahrzehnte dokumentierten Aktenlage der Nachbarstreitigkeiten zwischen den Klägern, der Beklagten sowie der Beigeladenen und der umfangreichen weiteren (verwaltungs-)gerichtlichen Verfahren musste sich dem Verwaltungsgericht auch keine weitere Sachaufklärung aufdrängen. Die Kläger wenden sich über Jahrzehnte fortgesetzt gegen die mit Bescheiden vom 2. Dezember 1991, 8. März 1993 und 27. April 1993 bestandskräftig genehmigte Nutzung des Gebäudes der Beigeladenen, ohne eine hiervon abweichende Nutzung oder gesteigerte Intensität substantiiert darzulegen. Besondere Empfindlichkeiten oder der Gesundheitszustand der Kläger sind bei der Bewertung von Immissionen nicht relevant (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2015 – 9 ZB 12.1377 – juris Rn. 20). Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus darauf abgestellt, dass über die von den Klägern geltend gemachten Lichtimmissionen zivilrechtlich entschieden sei, was im Rahmen der Entscheidung über bauaufsichtliches Einschreiten einen möglichen Ermessensgesichtspunkt darstellen kann (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.1997 – 4 B 204.97 – juris Rn. 2). Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
b) Soweit sich die Kläger darauf berufen, durch das „überdimensionierte“ Architekturbüro der Beigeladenen sei eine gebietsfremde Nutzung entstanden, ergeben sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Abgesehen davon, dass sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen lässt, dass das Gebäude der Beigeladenen und dessen Nutzung nicht dem mit bestandskräftigen Bescheiden vom 2. Dezember 1991, 8. März 1993 und 27. April 1993 genehmigten Bauvorhaben entspricht, wurde mit dieser auch eine Befreiung von der festgesetzten Art der baulichen Nutzung „WA“ des Bebauungsplans Nr. 436 der Beklagten vom 13. Mai 1988 erteilt. Darüber hinaus lässt sich der Nebenbestimmung Nr. 7291 zur bestandskräftigen Baugenehmigung vom 2. Dezember 1991 entnehmen, dass der Betrieb lärmerzeugender Anlagen in der Nachbarschaft den Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet einzuhalten hat. Dies entspricht auch dem Schutzniveau des Grundstücks der Kläger, für das ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt ist. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Nutzung des Nachbargrundstücks ausschließlich im Rahmen des genehmigten Umfangs haben; vielmehr bedarf es für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, dass die von dem rechtswidrigen Bauwerk ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Interesse des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt und hiervon insbesondere auszugehen ist, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2018 – 9 ZB 16.1890 – juris Rn. 6).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 15.442 – juris Rn. 21 m.w.N.) und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v.28.7.2020 – 9 ZB 17.2306 – juris Rn. 16). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das Zulassungsvorbringen legt besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten bereits nicht substantiiert dar, sondern benennt lediglich schlagwortartig einige Aspekte des klägerischen Vortrags, die die Kläger als rechtlich schwierig ansehen. Die entscheidungstragende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der hier zentralen Frage bauaufsichtlichen Einschreitens zugunsten Dritter entspricht allerdings der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2019 – 15 ZB 17.317 – juris Rn. 4, 11; B.v. 7.9.2018 – 9 ZB 16.1890 – juris Rn. 6). Die von den Klägern behauptete gebietsfremde Nutzung, die behaupteten nicht mehr vorhandenen Handlungsflächen für die Feuerwehr sowie die Nutzung eines Fahrradabstellplatzes an der Garagenwand der Beigeladenen machen die Rechtssache im Hinblick auf die Frage der Voraussetzungen bauaufsichtlichen Einschreitens zugunsten Dritter nicht besonders schwierig. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 22).
3. Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 9 ZB 18.2339 – juris Rn. 20). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Das Zulassungsvorbringen formuliert bereits keine konkrete und entscheidungserhebliche Frage, sondern behauptet eine angebliche illegale Nutzungsausweitung durch Wegfall der Wohnnutzung und ausschließlich gewerbliche Nutzung im Gebäude der Beigeladenen. Abgesehen davon, dass dieser Aspekt schon nicht entscheidungserheblich ist, weil das Verwaltungsgericht davon unabhängig eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger abgelehnt hat, zeigt das Zulassungsvorbringen auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung auf. Denn die Frage einer illegalen Nutzungsausweitung bedarf einer Einzelfallbetrachtung des konkreten Sachverhalts. Eine solche von den Klägern behauptete illegale Nutzungsausweitung hat das Verwaltungsgericht aber gerade offen gelassen. Soweit sich die Frage auf die Voraussetzungen bauaufsichtlichen Einschreitens zugunsten Dritter beziehen sollte, ist sie nicht klärungsbedürftig (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2019 – 15 ZB 17.317 – juris Rn. 4, 11; B.v. 7.9.2018 – 9 ZB 16.1890 – juris Rn. 6).
4. Ein Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
a) Die Kläger rügen eine nicht ausreichende Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2018 und machen damit eine Verletzung von § 104 Abs. 1 VwGO geltend. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht trifft dies jedoch nicht zu; der Protokollberichtigungsantrag der Kläger wurde insoweit mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. September 2018 abgelehnt. Anhaltspunkte dafür, dass die Ablehnung des Protokollberichtigungsantrags durch das Verwaltungsgericht an Verfahrensfehlern leidet, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
Im Übrigen setzt die Erörterung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht (nur) voraus, dass das Gericht auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte aufmerksam machen und bei der Antragstellung behilflich sein muss (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019). Die Klägerin zu 2 beanstandet dagegen, dass sich das Verwaltungsgericht nach ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2018, sie wolle zum bisher schriftsätzlich Vorgetragenen keine weiteren Ausführungen und neue Gründe vortragen, nur noch mit der Antragstellung befasst habe. Dass die Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2018 hinreichende Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt; eine unzureichende Gehörsgewährung ist auch sonst nicht ersichtlich. Eine Rechtsberatung seitens des Gerichts kann nicht verlangt werden. Auch kann sich das Verwaltungsgericht bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Schwerpunkte beschränken (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2013 – 9 A 7.13 – juris Rn. 10), was hier angesichts des von den Klägern vorgetragenen Streitstoffes sowie der vier unterschiedlichen Klageanträge im Klageschriftsatz vom 3. Dezember 2016 vom Verwaltungsgericht erfolgt ist. Abgesehen davon, lassen weder die Niederschrift vom 28. Juni 2018 noch die Darlegungen der Kläger erkennen, dass die Klägerin zu 2 die Breite und / oder Tiefe der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung beanstandet oder auf eine weitergehende Erörterung ihres Vorbringens gedrungen hat. Damit ist der von den Klägern geltend gemachte Mangel jedenfalls nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO geheilt (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2020 – 22 ZB 19.1645 – juris Rn. 52).
b) Soweit die Kläger hieraus eine unzulässige Überraschungsentscheidung ableiten, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Eine solche liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – juris Rn. 19 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 ZB 15.2181 – juris Rn. 15). Angesichts des von den Klägern umfangreich vorgebrachten Rechts- und Tatsachenvortrags sowie des geltend gemachten Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten, ist die Frage, welchen Beeinträchtigungen die Kläger ausgesetzt sind und ob hieraus ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten resultiert, nicht überraschend zum Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gemacht worden. Das Verwaltungsgericht hat weder eine Pflicht, vor der Entscheidung auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.2016 – 8 B 31.15 – juris Rn. 9), noch eine Pflicht mitzuteilen, dass der klägerische Vortrag für nicht schlüssig gehalten wird, die Rechtsauffassung der Kläger nicht geteilt wird oder ein Beweisantrag gestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2015 – 10 ZB 14.1631 – juris Rn. 5). Eine Pflicht des Gerichts zu umfassender Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte ergibt sich aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch in der Ausprägung, den er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, nicht (vgl. BVerwG, B.v. 18.06.2021 – 5 B 5.12 – juris Rn. 12).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladene im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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