Verwaltungsrecht

Erfolgloses Eilverfahren eines Beamten auf Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung

Aktenzeichen  W 1 E 18.144

Datum:
27.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6594
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 114

 

Leitsatz

1 Das Erfordernis im Eilverfahren eines hohen Grades an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache scheitert im Fall einer begehrten Zulassung eines Beamten zur Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung, wenn die Entscheidung im Ermessen des Dienstherrn bzw. Dienstvorgesetzten liegt und bei einer summarischen Überprüfung keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO erkennbar sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird die Auswahlentscheidung auch anhand der letzten dienstlichen Beurteilung getroffen, ist der Antragsteller mit Einwendungen gegen diese Beurteilung ausgeschlossen, wenn er nicht auch vorträgt, dass er Einwendungen auch gegen diese Beurteilung mit Erfolg vorgetragen hat (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 23.01.2018 – W 1 E 17.1432). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Studienrätin an der Staatlichen Realschule L… Ihr wurde mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 29.03.2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Wirkung vom 29.03.2017 die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Dieses Verbot wurde mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 13.02.2018 aufgehoben, wobei gleichzeitig der Einsatz an einer anderen staatlichen Realschule durch Abordnung bzw. Versetzung in Aussicht genommen wurde.
Am 30.01.2018 beantragte die Antragstellerin beim Leiter der Staatlichen Realschule L… die Genehmigung für eine Fortbildungsveranstaltung bei der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen (ALB) mit dem Titel „Hilfe! Ich übernehme/leite eine Chemiesammlung“. Mit Schreiben vom 02.02.2018 teilte der Leiter der Staatlichen Realschule L… der Antragstellerin mit, dass bereits eine andere Lehrkraft für diese Veranstaltung angemeldet gewesen sei, die auch neu mit der Leitung der Chemiesammlung der Realschule beauftragt sei. Eine Teilnahme der Antragstellerin komme daher nicht in Betracht.
Bereits zuvor hatte die Antragstellerin die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung für Führungskräfte (Vorqualifikation) beantragt, was mit Schreiben des Leiters der staatlichen Realschule L… vom 30.11.2017 mit der Begründung abgelehnt wurde, Führungskräfte-Fortbildungen würden sich in erster Linie an Lehrkräfte richten, welche bereits eine Führungsfunktion inne hätten oder eine solche alsbald erwerben sollten und hierfür geeignet seien. Die Beurteilung der Antragstellerin enthalte keine Verwendungseignung für Führungsfunktionen. Auch im Übrigen sei unter Würdigung der Gesamtsituation keine entsprechende Eignung erkennbar. Eine Genehmigung für die beantragten Fortbildungen der Führungskräfte-Vorqualifikation sei daher nicht möglich.
Am 07.02.2018 hat die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der beiden Fortbildungsveranstaltungen beantragt. Seit September 2017 seien vom Schulleiter insgesamt 14 führungsvorqualifizierende wie auch fachliche Fortbildungsbewerbungen wiederholt und regelmäßig abgelehnt oder nicht bearbeitet worden. Auch sei der Antrag auf Erstellung einer Anlassbeurteilung im September 2016 und Februar 2017 vom Schulleiter abgelehnt worden, obwohl zu diesem Zeitpunkt Bewerbungen um eine Führungsposition vorgelegen hätten. Die fehlende Verwendungseignung hätte aber in einer Anlassbeurteilung dargestellt werden müssen und nicht anhand der letzten periodischen Beurteilung von 2014 beurteilt werden dürfen. Eine Eilbedürftigkeit sei gegeben, da der erneute Einsatz im Schuldienst anstehe. Ihr sei zuletzt ohne jegliche Vorbereitung zum Schuljahr 2015/16 die Aufgabe einer Chemiesammlungsleitung übertragen worden. Die Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen plane in naher Zukunft keine weiteren Fortbildungen dieser Art. Die Genehmigung der Fortbildung sei daher für ihren erneuten Einsatz im Schuldienst essenziell. Zudem habe sie sich aktuell um eine Führungsposition beworben (2. Realschulkonrektorin an der Staatlichen Realschule E…*). Voraussetzung für die Bewerbung sei ein Portfolio mit einer Mindestanzahl an Teilnahmebestätigungen von Fortbildungen der Führungsvorqualifikationsreihe. Aufgrund des Verhaltens ihres Dienstvorgesetzten sei es ihr nicht möglich, ihr Portfolio für zukünftige Bewerbungen zu vervollständigen. Die Teilnahme an den aufgeführten Veranstaltungen seien von Vorteil für den Dienstherrn und ohne Unterrichtsausfall möglich.
Aus einer dem Antrag beigelegten Übersicht ergibt sich, dass die Antragstellerin im Jahr 2017 an insgesamt 8 Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen hat.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen der Akademie für Lehrerfortbildungen und Personalführung Dillingen „Führungskräfte-Vorqualifikation: Schulleitung als Herausforderung“ und „Hilfe! Ich übernehme/leite eine Chemiesammlung!“ zu ermöglichen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Es fehle bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Nachteile, die der Antragstellerin bei Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache drohen würden bzw. ein Abwarten unzumutbar erscheinen ließen, würden nicht hinreichend konkret vorgetragen. Allein der Hinweis auf die allgemeine Fortbildungspflicht für Lehrkräfte an bayerischen Schulen vermöge die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit des Vorgehens nicht zu begründen. Auch unter Berücksichtigung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Lehrerbildungsgesetz (BayLBG) bestünde kein Anrecht der einzelnen Lehrkraft an Teilnahme an bestimmten Lehrgängen. Die Möglichkeit der Teilnahme an einer konkreten Fortbildungsveranstaltung sei abhängig von den individuellen Eignungsvoraussetzungen der Lehrkraft, die vornehmlich anhand der dienstlichen Beurteilung erkennbar seien sowie von organisatorischen Gegebenheiten. Der Schulleiter habe im Rahmen der Ermessensausübung die Stärken und Schwächen sowie die Funktion einer Lehrkraft zu berücksichtigen. Die Ablehnung der Zulassung zur gewünschten Fortbildung Führungskräfte-Vorqualifikation beruhe maßgebend auf der Zielsetzung der Fortbildungsveranstaltung und der Eignung der Antragstellerin. Es erscheine sach- und ermessensgerecht, die Führungseignung der Bewerberin in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Auch für die Fortbildungsbewerbung betreffend die Leitung einer Chemiesammlung sei vom Schulleiter auf die Zulassung einer anderen, neu mit der Leitung der Chemiesammlung beauftragten Lehrkraft verwiesen worden. Insoweit habe sich in die Antragstellerin zeitlich nachfolgend angemeldet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die begehrte einstweilige Anordnung geeignet und notwendig ist, um die genannten Rechtsfolgen zu vermeiden bzw. zu erreichen. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht dabei grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen ist es, eine Regelung zu treffen, die rechtlich und oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt insbesondere dann vor, wenn die Entscheidung und ihre Folgen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nach der Hauptsacheentscheidung nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme, dem Antragsteller irreparable Nachteile drohen, existenzielle Belange des Antragstellers betroffen sind, etwa der Antragsteller infolge unterbliebener Leistungen Not leidet und zuvor alles unternommen hat, um sein Rechtsschutzziel zu erreichen (vergleiche zu allem: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Rn. 13 ff. zu § 123).
Vorliegend scheitert der Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, da nicht ersichtlich ist, dass die von der Antragstellerin begehrte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig wäre und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. Insbesondere drohen der Antragstellerin keine irreparablen Nachteile.
Das Erfordernis eines hohen Grades an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache scheitert vorliegend daran, dass die Zulassung eines Beamten zur Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung im Ermessen des Dienstherrn bzw. Dienstvorgesetzten liegt und vorliegend bei einer summarischen Überprüfung keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO erkennbar sind. So hat der Antragsgegner vorgetragen, die Möglichkeit der Teilnahme an einer konkreten Fortbildungsveranstaltung sei abhängig von den individuellen Eignungsvoraussetzungen der Lehrkraft, die vornehmlich anhand der dienstlichen Beurteilung, insbesondere der Verwendungseignung erkennbar seien sowie von organisatorischen Gegebenheiten. Die Entscheidung treffe der jeweilige Dienstvorgesetzte, also der Schulleiter. Der Schulleiter habe im Rahmen der Ermessensausübung die Stärken und Schwächen sowie die Funktion einer Lehrkraft zu berücksichtigen. Hiergegen lässt sich nichts erinnern. Die vom Antragsgegner hier aufgezeigten Kriterien für die Ermessensausübung berücksichtigen sowohl die allgemeinen schulischen Erfordernisse als auch die individuellen Gegebenheiten des einzelnen Beamten. Es liegt auf der Hand, dass die Teilnahmemöglichkeiten an Fortbildungsveranstaltungen limitiert sind und deshalb unter Umständen auch Auswahlentscheidungen zu treffen sind. Es ist nicht erkennbar, dass der Schulleiter vorliegend hierbei von falschen Voraussetzungen ausgegangen oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hätte, zumal die Antragstellerin im Jahr 2017 an insgesamt 8 Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen hat.
Es ist insbesondere nachvollziehbar, dass für die Fortbildungsveranstaltung „Hilfe! Ich übernehme/leite eine Chemiesammlung!“ eine Lehrkraft ausgewählt wurde, die seit Beginn des Schuljahres 2017/18 in der Schule neu mit der Leitung der Chemiesammlung beauftragt wurde. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Antragstellerin insoweit einen dringenderen aktuellen Fortbildungsbedarf hat als die von der Schule bereits angemeldete Kollegin. Ein Anordnungsanspruch ist daher insoweit nicht glaubhaft gemacht.
In Bezug auf die Fortbildungsveranstaltung „Führungskräfte-Vorqualifikation: Schulleitung als Herausforderung“ ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner insoweit maßgeblich auf die in der aktuellen Beurteilung festgestellte Verwendungseignung abstellt. Hierbei kann der Antragsgegner auf die zum 31.12.2014 erteilte letzte periodische Beurteilung der Antragstellerin abstellen. Es ist von der Antragstellerin nicht vorgetragen, dass sie gegen diese Beurteilung mit Erfolg Einwendungen vorgetragen hat, so dass sie mit solchen Einwendungen nunmehr auch ausgeschlossen ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 23.01.2018 – W 1 E 17.1432). Ein Anspruch auf eine Anlassbeurteilung gemäß 4.5 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7.09.2011 Az.: II.5-5 P 4010.2-6.60 919, geändert durch Bekanntmachung vom 15.07.2015) besteht offensichtlich nicht zur Vorbereitung der Entscheidung über die Frage, ob eine Fortbildungsveranstaltung besucht werden darf oder nicht. Es kann daher zumindest im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben, ob die Teilnahme an der von der Antragstellerin ausgewählten Fortbildungsveranstaltung Voraussetzung für eine Bewerbung um eine Führungsposition ist, da jedenfalls die durch Beurteilung festgestellte Eignung der Antragstellerin für Führungspositionen derzeit nicht feststellbar ist.
Da die Antragstellerin mithin für die Teilnahme an den beiden fraglichen Fortbildungsveranstaltungen keinen Anordnungsanspruch geltend machen konnte, spricht kein hoher Grad für einen Erfolg der Rechtsverfolgung in der Hauptsache. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin irreparable Nachteile drohen, so dass der Erlass der begehrten Anordnung aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten wäre. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass die Antragstellerin von ihrem Dienstvorgesetzten durch die Nichtzulassung zu den beiden fraglichen Veranstaltungen gemobbt würde, wie sie dies vorträgt. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht daher einer einstweiligen Anordnung entgegen.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GKG.


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