Verwaltungsrecht

Erfolgloses Eilverfahren eines Staatsangehörigen aus Somalia gegen eine Abschiebungsandrohung wegen vorheriger Gewährung subsidiären Schutzes in der Slowakei

Aktenzeichen  M 11 K 17.37165

Datum:
12.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 36 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
RL 2005/85/EG RL 2005/85/EG Art. 25

 

Leitsatz

1. In der Slowakei drohen weder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. International Schutzberechtigte haben Zugang zum Arbeitsmarkt und sind slowakischen Bürgern grundsätzlich gleichgestellt. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zulässig. Gegen die Entscheidung, den Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist richtigerweise eine Anfechtungsklage statthaft (vgl. VG Ansbach, U. v. 23.02.2016 – AN 3 K 15.50096 – juris Rn.17).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 30. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Ablehnung des Antrags des Klägers als unzulässig unter Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig.
Die Folge der Unzulässigkeit des klägerischen Asylantrags ergibt sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da dem Kläger in der Slowakei subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist.
Dass die Dauer der Zuerkennung laut Schreiben der slowakischen Behörden vom 3. März 2017 nur einen Monat betragen hat, ist hierbei unerheblich.
Das Gericht hat auch keine Zweifel, dass der Kläger freiwillig und in Kenntnis der Bedeutung einen Asylantrag in der Slowakei gestellt hat. Dies folgt bereits daraus, dass der Kläger es vorgezogen hat, zunächst in der Slowakei zu bleiben und in der Unterkunft zu leben. Dass dem Kläger zwangsweise Fingerabdrücke abgenommen wurden ist glaubhaft und kann als wahr unterstellt werden. Auch hieraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger keinen Asylantrag gestellt hat. Die Abnahme der Fingerabdrücke, die wohl entweder mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach Entdeckung der unerlaubten Einreise oder mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach Stellung eines Asylantrags zu tun hat, ist rechtlich von der Asylantragstellung zu trennen. Insbesondere kann das Abgeben von Fingerabrücken als solches nicht als Asylantragstellung gewertet werden. Letzteres setzt vielmehr eine ausdrückliche Willensäußerung dahingehend voraus, die entweder mündlich oder schriftlich erfolgt. In beiden Fällen ist davon auszugehen, dass der Kläger dies in Kenntnis der Bedeutung getan hat. Dass einem Antragsteller internationaler Schutz gewissermaßen aufgezwungen wird, ist unglaubhaft und widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung.
Etwas anderes folgt für den vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge auf Grund der Übergangsregelung in Art. 51 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.20105 – 1 B 41/15 – juris Rn. 11). Diese Entscheidung beruht ausdrücklich auf der Erwägung, dass auf Asylanträge, die vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden sind, die Asylverfahrensrichtlinie noch in ihrer alten Fassung (Richtlinie 2005/85/EG) anzuwenden ist. Anders als in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie n.F.) war nach Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG die Behandlung eines Asylantrags als unzulässig nur in den Fällen möglich, in denen dem Antragsteller der Flüchtlingsstatus in einem anderen Mitgliedsstaat zuerkannt worden ist. Im Gegensatz hierzu ist für Anträge, die – wie vorliegend – nach dem 20. Juli 2015 gestellt wurden, aufgrund von Art. 33 Asylverfahrensrichtlinie n.F. eine Behandlung als unzulässig auch dann möglich, wenn dem Antragsteller nur subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat zuerkannt wurde. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland mit der am 6. August 2016 in Kraft getretenen Neuregelung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG Gebrauch gemacht. Die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist vorliegend auch anzuwenden, da für Entscheidungen im gerichtlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidungsfällung abzustellen ist (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. AsylG).
b) Die Feststellung in Nr. 2, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ist rechtmäßig.
Dem Kläger drohen in der Slowakei weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG.
Aus dem klägerischen Vortrag hinsichtlich der Probleme mit afghanischen Mitbewohnern in der slowakischen Asylbewerberunterkunft kann nicht gefolgert werden, dass er in der Slowakei Folter oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt ist.
Zum einen ist es bereits zweifelhaft, ob der Kläger – sofern er denn wieder in eine Asylbewerberunterkunft käme – tatsächlich wieder in dieselbe Unterkunft käme und ob tatsächlich auch immer noch dieselben Leute dort wohnhaft sind. Dies erscheint vielmehr als bloße entfernte Möglichkeit. Zudem werden anerkannte Flüchtlinge meist nicht mehr in Unterkünften für Asylbewerber untergebracht.
Zum anderen erreichen die vom Kläger geschilderten Vorfälle auch nicht den Schweregrad einer unmenschlichen Behandlung. Bloße Auseinandersetzungen und die Tatsache, dass Mitbewohner Streit suchen, erreichen die Schwelle einer unmenschlichen Behandlung noch nicht.
Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die slowakische Polizei gänzlich unwillig ist, bei derartigen Vorkommnissen gegen nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) wie die afghanischen Mitbewohner einzuschreiten und somit Schutz zu bieten, § 3d Abs. 1 Nr. 1 AsylG.
Auch sind die humanitären Bedingungen in der Slowakei nicht derartig schlecht, dass eine Abschiebung dorthin einer Verletzung des Art. 3 EMRK gleichkommt.
Insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen.
Ergänzend wird ausgeführt:
Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Slowakei – vom 03.03.2017 des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Österreich (BFA) ergibt sich für die Lage der schutzberechtigten Personen das Folgende (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Slowakei – vom 03.03.2017, S. 8 f.):
„International Schutzberechtigte haben in der Slowakei grundsätzlich ein Recht auf Integrationsmaßnahmen. 2015 wurde ein Integrationsprogramm für subsidiär Schutzberechtigte und anerkannte Flüchtlinge gestartet – zunächst als Interimsprojekt bis 2017. Im Fokus des Programms stehen Unterbringung, Arbeit und Bildung (EK o.D.). In der Slowakei gab es 2015 330 Asylanträge, von denen acht Asylstatus und 41 subsidiären Schutz erhielten. Im selben Jahr gab es in der Slowakei 120 Asylberechtigte (internationaler Schutz und Subschutz), die aktiv bei der Integration unterstützt wurden, hauptsächlich durch Vertragspartner des slowakischen Innenministeriums (NGOs), jedoch ohne systemischen Ansatz. Besonderer Wert wurde dabei auf Unterbringung, Sprachkurse für Slowakisch, Arbeitssuche und psychosoziale sowie rechtliche Beratung gelegt. Es gibt auch Zugang zu Jobtrainings. Gerade die Integration in den Arbeitsmarkt wird als einer der wichtigsten Faktoren der Integration betrachtet. Daher gelten alle Inhaber eines Schutzstatus in der Slowakei als „benachteiligte Arbeitnehmer“ und brauchen damit keine Arbeitserlaubnis – sie dürfen sofort mit Erhalt ihres Schutzstatus arbeiten. Dennoch haben sie Probleme Arbeit zu finden und ihre Beschäftigungsrate ist weiter sehr niedrig, was vor allem auf die Sprachbarriere zurückgeführt wird. Es gibt Berichte über subsidiär Schutzberechtigte mit beschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung. Das Innenministerium gibt die Krankenversicherungsdokumente direkt an die Subschutzberechtigten aus, was manchmal zu Verwirrung bei den Gesundheitsdienstleistern führt, die nicht wissen, welche Behandlung durch diese Dokumente abgedeckt ist.“
Aus all dem folgt, dass international Schutzberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt haben und somit slowakischen Bürgern grundsätzlich gleichgestellt sind. Auch besteht sowohl die Möglichkeit, Sprachkurse für slowakisch als auch Jobtrainings in Anspruch zu nehmen. Die grundsätzliche Möglichkeit, die Sprachbarriere zu überwinden und damit höhere Chancen auf das Finden einer Arbeitsstelle zu haben, ist mithin grundsätzlich gegeben. Auch ist die medizinische Versorgung grundsätzlich gewährleistet. Es ist davon auszugehen, dass sich im Einzelfall ohne weiteres aufklären lässt, was durch die erhaltenen Krankenversicherungsdokumente gedeckt ist. Ebenso ist davon auszugehen, dass die Notfallbehandlung sichergestellt ist.
Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas ersichtlich noch vorgetragen.
c) Auch die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche entspricht § 36 Abs. 1 AsylG.
d) Schließlich ist auch Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids rechtmäßig. Über die Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG entscheidet die Behörde gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen. Dieses hat die Behörde im streitgegenständlichen Bescheid erkennbar ausgeübt. Sonstige Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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