Verwaltungsrecht

Erfolgloses vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  Au 1 S 21.612

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16389
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 S. 1, § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VwGO § 60 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Einschätzung, die Begründung eines Bescheids sei derart an den Haaren herbeigezogen, dass dagegen trotz der angefügten Rechtsbehelfsbelehrung nicht vorgegangen werden müsse, stellt keinen Hinderungsgrund für die Einhaltung einer gesetzlichen Frist iSd § 60 Abs. 1 VwGO dar. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übermittlung der Fotografie eines Ablehnungsbescheids mit Abschiebungsandrohung ohne die angefügte Rechtsbehelfsbelehrung an einen Bevollmächtigten im Scheidungsverfahren stellt keine Wahrnehmung der eigenen ausländerrechtlichen Angelegenheiten mit der gebotenen Sorgfalt dar. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein anhängiges Scheidungsverfahren manifestiert nach außen deutlich, dass kein beiderseitiges Interesse der Eheleute mehr an der Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger der Republik Mauritius. Er wendet sich gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller heiratete am 23. August 2018 in Port Louis (Republik Mauritius) eine deutsche Staatsangehörige und reiste am 13. April 2019 mit einem Visum zum Ehegattennachzug in das Bundesgebiet ein. Am 4. Juli 2019 erteilte ihm die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt … zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine bis zum 3. Juni 2020 befristete Aufenthaltserlaubnis, deren Verlängerung der Antragsteller mit Formblattantrag vom 28. April 2020 beantragte.
Am 1. Juli 2020 meldete er sich mit Hauptwohnsitz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin an. Auf entsprechende Anfrage teilte die Ehefrau des Antragstellers mit E-Mail vom 11. November 2020 mit, seit dem 15. März 2020 von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Er sei bereits am 3. Oktober 2019 für vier Monate in sein Heimatland zurückgekehrt und habe ab Mitte Februar lediglich für drei Wochen bei ihr gewohnt. Im Anhang der E-Mail befand sich eine Erklärung der Ehefrau über das dauernde Getrenntleben seit dem 15. März 2020.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag vom 28. April 2020 auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1.), setzte dem Antragsteller eine Ausreisefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheids (Ziff. 2.) und drohte die Abschiebung nach Mauritius an (Ziff. 3.). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise oder der Abschiebung erließ sie ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das auf zwei Jahre befristet wurde (Ziff. 4). Da die Ehe nicht mehr geführt werde, habe der Antragsteller keinen Anspruch mehr auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Ein eigenständiges eheunabhängiges Aufenthaltsrecht scheitere an der nicht erfüllten dreijährigen Ehebestandszeit. Für das Vorliegen einer besonderen Härte lägen keine Anhaltspunkte vor. Gegen einen Ausländer, der abgeschoben worden sei, sei ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Die Befristung auf zwei Jahre sei unter Abwägung aller für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände angemessen, da er keinerlei schützenswerte Bindungen mehr in Deutschland habe. Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 28. Januar 2021 zugestellt.
Mit Telefax vom 3. März 2021 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid einlegen. Die Antragsgegnerin forderte mit Telefax vom 5. März 2021 eine Vollmacht an und wies den Bevollmächtigten des Antragstellers darauf hin, dass der Bescheid seit dem 2. März 2021 bestandskräftig sei und keine Widerspruchsmöglichkeit bestehe. Daraufhin wurde eine auf den 5. März 2021 datierte Vollmacht zur Vertretung in ausländerrechtlichen Angelegenheiten vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 15. März 2021 ließ der Antragsteller Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 1 K 21.611). Gleichzeitig begehrt er Eilrechtsschutz. Es werde zunächst Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antragsteller sei ohne Verschulden verhindert gewesen, die gesetzliche Widerspruchsfrist einzuhalten. Er befinde sich im Scheidungsverfahren und verfüge über ausreichende Deutschkenntnisse. Als er die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids gelesen habe, sei für ihn klar gewesen, dass diese an den Haaren herbeigezogen sei. Er sei deshalb nicht davon ausgegangen, dass ein Rechtsmittel dagegen eingelegt werden müsse. So werde als Grundlage des Bescheids genannt, dass die Ehefrau angegeben habe, sich am 15. März 2020 getrennt zu haben. Noch im Scheidungsverfahren habe sie eine Trennung im Herbst 2019 vorgebracht. Tatsächlich hätten die beiden Eheleute auch noch bis Oktober 2020 regelmäßig Kontakt gehabt. Der Antragsteller habe eine Fotografie der Seiten 1 bis 5 des Bescheids erst Tage später an seinen Bevollmächtigten weitergeleitet. Die Rechtsbehelfsbelehrung:habe er nicht übermittelt. Aus diesem Grund habe die als äußerst zuverlässig und pflichtbewusst bekannte Mitarbeiterin der Kanzlei fahrlässig unterlassen, die geltende Monatsfrist zu notieren. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich die für den Antragsteller angelegte Akte seines Bevollmächtigten lediglich auf die Regelung der Scheidung und weitere Familienangelegenheiten beschränkt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers habe den Bescheid erst zur Kenntnis genommen, als er im Rahmen des Scheidungsverfahrens die Akte zur Hand genommen habe. Noch am selben Tag, dem 3. März 2021, sei Widerspruch erhoben worden. Dieser sei als verfristet zurückgewiesen und der Antragsteller auf den Klageweg verwiesen worden. In der Sache entsprächen die dem Bescheid zugrunde gelegten Umstände nicht der Wahrheit. Zwar sei aktuell das Scheidungsverfahren vor dem OLG … anhängig. Jedoch bestehe über den Trennungszeitpunkt Streit. Durch mannigfaltige Chatverläufe könne nachgewiesen werden, dass die Eheleute im Zeitraum von Juli 2020 bis Oktober 2020 regelmäßig miteinander kommuniziert hätten. Es hätten auch regelmäßige Treffen stattgefunden. Noch Anfang Oktober 2020 habe die Ehefrau eine gemeinsame Wohnung in … geplant, was dokumentiert sei. Der Bescheid sei rechtswidrig. Es bestehe nach wie vor eine eheliche Lebensgemeinschaft. Solange die Ehe nicht geschieden und die Lebensgemeinschaft nicht endgültig zerrüttet sei, sei die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Ein Ermessensspielraum bestehe nicht. Eine Verlängerung müsse erfolgen, da nicht ausgeschlossen sei, dass die eheliche Gemeinschaft trotz des laufenden Scheidungsverfahrens wiederhergestellt werden könne. Die eheliche Gemeinschaft unterliege dem grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Eine Trennung der Ehegatten liege nicht vor. Vielmehr habe die Ehefrau mehrfach gegenüber dem Antragsteller beteuert, sie wolle, dass alles wieder wie früher sei. Der Bescheid beruhe ausschließlich auf Behauptungen der Ehefrau, die nachweislich nicht der Wahrheit entsprächen.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag. Mit Schreiben vom 22. März 2021 legte sie die Behördenakten vor und verwies auf die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides, die am 2. März 2021 eingetreten sei.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist einerseits die kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) sofort vollziehbare Ablehnung des mit Formblattantrag vom 28. April 2020 gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers (Ziffer 1 des Bescheids vom 27.1.2021). Der Antrag richtet sich weiter gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheids vom 27.1.2021), die als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung von Gesetzes wegen ebenso sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21 a VwZVG).
2. Der Antrag ist unzulässig, da der angefochtene Bescheid bereits bestandskräftig geworden ist und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt.
a) Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO muss eine Verpflichtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, mit dem der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist, erhoben werden. Dasselbe gilt für die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot. In der dem streitgegenständlichen Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:wurde ordnungsgemäß auf die Monatsfrist für die Klage hingewiesen. Dies erfolgte auch in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache, da er nach eigenem Vorbringen über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.
Ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid dem Antragsteller am 28. Januar 2021 zugestellt. Damit hat gem. § 173 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB die einmonatige Klagefrist am 29. Januar 2021 zu laufen begonnen und endete gem. § 173 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 1. März 2021. Die mit Schriftsatz vom 15. März 2021 erhobene Klage ist damit verfristet.
b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. Voraussetzung für eine solche Wiedereinsetzung ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach dem Vorbringen im Klageschriftsatz ging der Antragsteller trotz der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:davon aus, dass ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden müsse. Er übersandte den Bescheid ohne die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:seinem zum damaligen Zeitpunkt mit dem Scheidungsverfahren befassten Rechtsanwalt, trägt jedoch nicht vor, diesen rechtzeitig mit der Klageerhebung beauftragt zu haben. Die schriftliche Vollmacht zur Wahrnehmung der ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Antragstellers datiert vom 5. März 2021 und wurde damit erst nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids ausgestellt.
aa) Zunächst ist auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers kein Hinde rungsgrund ersichtlich, weshalb er die notwendigen rechtlichen Schritte nicht einleiten konnte. Die Fehleinschätzung, die Begründung des Bescheids sei derart an den Haaren herbeigezogen, dass dagegen trotz der angefügten Rechtsbehelfsbelehrung:nicht vorgegangen werden müsse, ist als Hinderungsgrund weder nachvollziehbar noch ausreichend. Nach eigenem Vorbringen verfügt der Antragsteller über ausreichende Deutschkenntnisse. Es ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass er erfassen konnte, dass der Bescheid trotz der nach seiner Auffassung fehlerhaften Begründung wirksam wird, wenn nicht Klage erhoben wird.
bb) Daneben ist auch ein Verschulden des Antragstellers anzunehmen. Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten war (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 60 Rn. 9). Der Antragsteller hat nach dem Vortrag in der Klageschrift lediglich eine Fotografie des Bescheids ohne die angefügte Rechtsbehelfsbelehrung:seinem Bevollmächtigten im Scheidungsverfahren übersandt. Ein gezieltes Herantreten des Antragstellers an seinen Bevollmächtigten zur anwaltlichen Beratung und ggf. Klageerhebung ist weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich. Vielmehr ging er davon aus, keine Klage erheben zu müssen. Damit hat sich der Antragsteller in unzureichender Weise um die Einlegung von Rechtsmitteln gekümmert und seine ausländerrechtlichen Angelegenheiten nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen, was ihm als Verschulden zurechenbar ist. Auf ein Verschulden seines Bevollmächtigten und dessen Mitarbeiterin kommt es damit nicht an.
3. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Anordnung der aufschie benden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
a) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene originäre Entschei dung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessen abwägung vorliegend zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die diesbezüglich in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos sein. Überwiegende Interessen des Antragstellers, die gleichwohl eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar.
aa) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt wird. Für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht das bloße formalrechtliche Bestehen der Ehe als solches. Dieses allein kann keine aufenthaltsrechtlichen Wirkungen entfalten. Entscheidend ist vielmehr, dass die Eheleute eine eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich führen wollen. Damit kommt es für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, die aufenthaltsrechtlichen Schutz nach Art. 6 GG genießt, auf den nachweisbar betätigten Willen beider Eheleute an, ein gemeinsames Leben zu führen (BVerwG, B.v. 22.5.2013 – 1 B 25/12 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 18.1.2017 – 10 CS 16.2308 – BeckRS 2017, 101012 Rn. 4, ähnlich auch VGH Kassel, B.v. 9.8.2014 – 9 TG 1179/04 – BeckRS 2004, 24632). Von einer dauernden Trennung ist bereits dann auszugehen, wenn der Wille auch nur eines Ehepartners besteht, die eheliche Gemeinschaft dauerhaft zu beenden und sich dieser Wille durch Erklärungen nach außen manifestiert (BayVGH, U.v. 12.12.2007 – 24 B 06.2381 – juris Rn. 31).
bb) Nach alledem ist es zunächst unerheblich, dass die Ehe des Antragstellers mit seiner Ehefrau formal noch besteht. Eine fehlende rechtskräftige Ehescheidung bzw. auch nur ein fehlender Scheidungsantrag sind in Bezug auf die aufenthaltsrechtliche Frage des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht relevant. Angesichts des gegenwärtig beim OLG … anhängigen Scheidungsverfahrens hat sich nach außen deutlich manifestiert, dass kein beiderseitiges Interesse der Eheleute mehr an der Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht.
Daneben kann dahingestellt bleiben, ob die Eheleute noch bis Oktober 2020 regelmäßig miteinander kommunizierten, sich trafen und gemeinsame Ausflüge unternahmen. Denn maßgeblich ist, ob gegenwärtig noch eine eheliche Lebensgemeinschaft gelebt wird. Anhaltspunkte hierfür trägt der Antragsteller nicht vor und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Ehefrau des Antragstellers bereits einen Antrag auf Ehescheidung gestellt, dem das Familiengericht … mit Beschluss vom 30. November 2020 nachgekommen ist. Ausweislich der vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Beschwerdeschrift vom 28. Januar 2021 an das Oberlandesgericht … ist zwischen den Eheleuten im Wesentlichen streitig, ob eine Trennung bereits vor dem 21. Oktober 2020 stattgefunden hat. Ein Getrenntleben nach diesem Zeitpunkt ist unstreitig. Auch im Antragschriftsatz vom 15. März 2021 trägt der Antragsteller nicht vor, gegenwärtig tatsächlich die Ehe mit seiner Ehefrau zu führen. Er schließt lediglich die Möglichkeit einer Versöhnung der Eheleute nicht aus, was jedoch für die Annahme des Bestehens einer unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallenden ehelichen Lebensgemeinschaft nicht genügt.
cc) Auch ein selbstständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht, da die eheliche Lebensgemeinschaft nicht seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Da der Antragsteller erst am 13. April 2019 eingereist ist, kann diese Voraussetzung unabhängig vom genauen Zeitpunkt der Trennung der Eheleute nicht erfüllt sein. Das Vorliegen einer besonderen Härte, die gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Abweichen von der Voraussetzung des dreijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft ermöglichen würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen wurde eine solche eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis bisher nicht bei der Antragsgegnerin beantragt.
c) Im Rahmen der Interessenabwägung ist den öffentlichen Interessen an einer Auf enthaltsbeendigung der Vorrang einzuräumen vor den privaten Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Der Antragsteller hält sich erst seit ca. zwei Jahren im Bundesgebiet auf und hat den Großteil seines Lebens in seinem Heimatland verbracht. Es ist ihm zumutbar, nach dem Scheitern seiner Ehe dorthin zurückzukehren.
4. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt dem §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 8.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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