Verwaltungsrecht

Erfolgreiches Eilbegehren auf Erteilung einer Duldung wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach Iran

Aktenzeichen  B 6 E 17.1014

Datum:
1.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15630
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine Abschiebung ist aus tatsächlichen Gründen unmöglich, wenn ihr tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die es der Ausländerbehörde unmöglich machen, ihrer Abschiebeverpflichtung nachzukommen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Aufenthaltsgesetz sieht eine stillschweigende – „faktische“ – Aussetzung der Abschiebung anstelle der förmlichen Duldung nicht vor. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, …, unter Beschränkung auf die Kosten eines im Bezirk des Verwaltungsgerichts Bayreuth niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.
2. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auszustellen.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, iranischer Staatsangehöriger, reiste am 25.01.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 06.04.2016 einen Asylantrag, den das Bundesamt für … mit Bescheid vom 26.07.2016 vollumfänglich ablehnte, verbunden mit einer Abschiebungsandrohung in die Islamische Republik Iran unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 26.07.2017 ab.
Nach Eintritt der Rechtskraft am 12.09.2017 setzte die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) die Abschiebung des Antragstellers vorübergehend bis zum 26.11.2017 aus und stellte ihm eine entsprechende Duldungsbescheinigung aus.
Mit Schreiben vom 23.11.2017 forderte die ZAB den Antragsteller auf, bis zum 14.12.2017 bei der zuständigen Auslandsvertretung des Iran die Ausstellung eines Reisepasses zu beantragen und die Antragstellung bis zum 15.12.2017 nachzuweisen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29.11.2017 beantragte der Antragsteller bei der ZAB die Verlängerung der Duldung, die bei seiner Vorsprache am 27.11.2017 unterblieben sei. Die mit Schreiben vom 23.11.2017 gesetzten Termine könne er nicht einhalten, weil er bei einer Vorsprache bei seiner Auslandsvertretung eine Erklärung über die Freiwilligkeit der Rückkehr abgeben müsse. Da er nicht bereit sei, eine falsche Erklärung abzugeben, werde er keinen iranischen Pass erhalten.
Mit Bescheid vom 30.11.2017 lehnte die ZAB den Antrag auf Erteilung einer Duldung ab. Ein tatsächliches Abschiebehindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG liege im Falle fortdauernder Passlosigkeit nur vor, wenn nach den Erfahrungen der Ausländerbehörde eine Abschiebung ohne Reisedokumente nicht möglich oder ein Abschiebeversuch gescheitert sei. Der Antragsteller habe geltend gemacht, da er sich berechtigt weigere, gegenüber der Auslandsvertretung des Iran eine Freiwilligkeitserklärung abzugeben, werde er keinen Reisepass erhalten, sodass eine Abschiebung unmöglich sei. Jedoch liege kein tatsächliches Abschiebehindernis vor, wenn das festgestellte Hindernis durch zumutbare Anstrengungen vom Ausländer überwunden werden könne, wie etwa durch die Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es einem iranischen Staatsangehörigen zumutbar, die Freiwilligkeitserklärung vor seiner Heimatbotschaft abzugeben. Gründe, aus denen die Abschiebung des Antragstellers rechtlich unmöglich wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gleiches gelte für eine Duldungserteilung im Ermessenswege aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2017, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben und die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2017 beantragt. Gleichzeitig hat er beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur endgültigen Entscheidung im Klageverfahren eine Duldungsbescheinigung auszustellen sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG wegen Vorliegens tatsächlicher Abschiebungshindernisse. Er besitze weder einen Pass noch ein anderes Rückreisedokument für den Iran, sodass objektive Hindernisse einer Abschiebung vorlägen, da eine Einreise in den Iran nur mit solchen Papieren möglich sei. Die Erteilung einer Duldung diene allein der Regelung eines ansonsten ungeregelten Aufenthalts. Die Gründe der Passlosigkeit spielten keine Rolle. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Tatsache, dass der Antragsteller sich nicht ausweisen könne und ihm bei der Kontrolle durch die Polizei Inhaftierung drohe. Er ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Systematik des Ausländergesetzes grundsätzlich keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt lasse. Die Behörden hätten nur die Möglichkeit, einen ausreisepflichtigen Ausländer entweder abzuschieben oder ihm eine Duldung zu erteilen. Auch das Aufenthaltsgesetz sehe keine Hinnahme eines Aufenthalts außerhalb einer förmlichen Duldung vor, wenn die Ausreise bzw. Abschiebung nicht absehbar sei. Dies sei gegeben, da der Antragsteller weder freiwillig ausreisen werde noch abgeschoben werden könne.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 29.12.2017 beantragt,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte verwiesen.
II.
1. Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann sowie die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Beiordnung seines Rechtsanwaltes beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG als auch einen diesbezüglichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
2.1 Der Antragsteller hat einen Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, über die ihm gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG eine Bescheinigung auszustellen ist. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Zur inhaltsgleichen Regelung des § 55 Abs. 2 Alt. 2 AuslG, wonach einem Ausländer eine Duldung erteilt wird, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, haben Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt:
„§ 55 Abs. 2, 2. Alternative AuslG stellt nach seinem Wortlaut nur darauf ab, ob die Abschiebung des Ausländers aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Weder die Funktion der Duldung noch die gesetzliche Systematik spricht dafür, daß die Erteilung einer Duldung von weiteren Voraussetzungen, insbesondere von Umständen abhängen soll, die in der Sphäre des Ausländers liegen. Auch den Gesetzesmaterialien lassen sich keine entsprechenden Anhaltspunkte entnehmen. Für die Erteilung einer Duldung nach der genannten Bestimmung kommt es mithin nicht darauf an, ob der Ausländer freiwillig ausreisen könnte; maßgeblich ist allein, ob der Abschiebung tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die es der Ausländerbehörde unmöglich machen, ihrer Abschiebeverpflichtung nachzukommen. … Eine stillschweigende Aussetzung der Abschiebung anstelle der nach § 66 Abs. 1 Satz 1 AuslG der Schriftform bedürftigen Duldung kommt mithin nicht in Betracht (vgl. Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 291). Diese Erwägungen sprechen gegen die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, die dazu führt, daß ein Ausländer, der trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht freiwillig ausreist, sich ohne geregelten Status im Bundesgebiet aufhält, obwohl die Ausländerbehörde die Ausreisepflicht wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nicht zwangsweise durchsetzen kann. Die Systematik des Ausländergesetzes läßt grundsätzlich keinen Raum für einen derartig ungeregelten Aufenthalt. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, daß ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb förmlicher Duldung, ohne daß die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor. … Eine Duldung ist grundsätzlich auch dann zu erteilen, wenn die Abschiebung zwar möglich ist, die Ausreisepflicht des Ausländers aber nicht ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann (BTDrucks 11/6321 S. 76 zu § 55). Die Ausländerbehörde hat also nicht nur zu untersuchen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, sondern auch zu prüfen, innerhalb welchen Zeitraums dies möglich ist. Auch wenn dieser Zeitraum ungewiß ist, ist eine Duldung zu erteilen.“ (BVerwG, Urteil vom 25.09.1997 – 1 C 3/97, Rn. 16, 19, 22, juris)
„Für die Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 2, 2. Alternative AuslG kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer es zu vertreten hat, daß er wegen seiner ungeklärten Identität nicht abgeschoben werden kann. Die Vorschrift stellt nach ihrem Wortlaut nur darauf ab, ob die Abschiebung des Ausländers aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Weder die Funktion der Duldung noch die gesetzliche Systematik spricht dafür, daß die Erteilung einer Duldung von weiteren Voraussetzungen, insbesondere von Umständen abhängen soll, die in der Sphäre des Ausländers liegen. Auch den Gesetzesmaterialien lassen sich keine entsprechenden Anhaltspunkte entnehmen. Maßgeblich ist allein, ob der Abschiebung tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, die es der Ausländerbehörde unmöglich machen, ihrer Abschiebeverpflichtung nachzukommen (vgl. hierzu und zum folgenden Urteil vom 25. September 1997 – BVerwG 1 C 3.97 – BVerwGE 105, 232 ). Wie in dem genannten Urteil im einzelnen ausgeführt wird, läßt die Systematik des Ausländergesetzes grundsätzlich keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, daß ein ausreisepflichtiger Ausländer entweder abgeschoben wird oder zumindest eine Duldung erhält. Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb förmlicher Duldung, ohne daß die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor.“ (BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 – 1 C 23/99, Rn. 12 und 13, juris)
„Es entspricht der gesetzgeberischen Konzeption des Ausländergesetzes, einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen entweder unverzüglich abzuschieben oder ihn nach § 55 Abs. 2 AuslG zu dulden. Dabei hat die Ausländerbehörde zu prüfen, ob und gegebenenfalls wann eine Abschiebung des Ausländers durchgeführt und zu welchem Zeitpunkt ein eventuelles Abschiebungshindernis behoben werden kann. Schon dann, wenn sich herausstellt, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung geführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss bleibt, ist – unabhängig von einem Antrag des Ausländers – als „gesetzlich vorgeschriebene förmliche Reaktion auf ein Vollstreckungshindernis“ eine Duldung zu erteilen (vgl. BVerwGE 105, 232 ). Damit verträgt es sich entgegen der Ansicht des Bayerischen Staatsministeriums des Innern nicht, der Ausländerbehörde unter Bezugnahme auf § 57 Abs. 3 AuslG regelmäßig sechs Monate Zeit zu geben, um die Voraussetzungen für eine Abschiebung zu schaffen. Die Systematik des Ausländergesetzes lässt – wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festhält – grundsätzlich keinen Raum für einen derartig ungeregelten Aufenthalt (vgl. BVerwGE 105, 232 ), der den Zeitpunkt der Duldungserteilung – wie der zu Grunde liegende Fall zeigt, in dem die Ausländerbehörden den SechsMonats-Zeitraum sogar überschritten und eine Duldung erst nach fast neun Monaten erteilt haben – ins Belieben der Behörden stellt. Da der Ausländer auch zu dulden ist, wenn er die Entstehung des Hindernisses (z.B. durch Mitführen gefälschter Papiere bei der Einreise) oder dessen nicht rechtzeitige Beseitigung (etwa durch unterlassene Mitwirkung bei der Beschaffung notwendiger Identitätspapiere) zu vertreten hat (vgl. BVerwGE 111, 62 ), ist keine Konstellation vorstellbar, in der der Ausländer nicht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hätte.“ (BVerfG, Kammerbeschluss vom 06.03.2003 – 2 BvR 397/02, Rn. 37 und 38, juris)
Unter Verweis auf diese Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass auch das Aufenthaltsgesetz eine stillschweigende – „faktische“ – Aussetzung der Abschiebung anstelle der förmlichen Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG (zum Schriftformerfordernis siehe § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) nicht vorsieht (BVerwG, Urteil vom 25.03.2014 – 5 C 13/13, Rn. 20, juris). Dementsprechend ist auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
„eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen‚ wenn die Abschiebung zwar möglich ist‚ aber nicht ohne (größere) Verzögerung durchgesetzt werden kann‚ insbesondere der Abschiebetermin noch nicht feststeht (BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 23.99 – juris; U.v. 25.9.1997 – 1 C 3.97 – juris). Die Ausländerbehörde hat insofern nicht nur zu untersuchen‚ ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt erfolgen kann‚ sondern auch innerhalb welchen Zeitraums diese zu erwarten ist. Ist die Abschiebung nicht alsbald möglich‚ der Zeitraum vielmehr ungewiss‚ ist eine Duldung zu erteilen.“ (BayVGH, Beschluss vom 04.01.2016 – 10 C 15.2105, Rn. 22; juris)
Gemessen daran ist die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, weil die Abschiebung in den Iran ohne ein Heimreisedokument aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Auch wenn es dem Antragsteller zuzumuten ist, an der Beschaffung eines Pass(ersatz) papiers mitzuwirken und dabei insbesondere die von der iranischen Auslandsvertretung geforderte „Freiwilligkeitserklärung“ abzugeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.2009 – 1 C 19/08, Rn. 17 f, juris), ist derzeit ungewiss, wann das tatsächliche Abschiebungshindernis wegfallen wird.
2.2 Für die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Ausstellung einer Duldungsbescheinigung besteht auch ein Anordnungsgrund. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Denn ausnahmsweise darf dieses Verbot durchbrochen werden, wenn der Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät käme und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Nachteilen führen würde, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr abwenden oder ausgleichen ließen. In derartigen Fällen ist eine Vorwegnahme der Hauptsache geboten, weil anderenfalls die durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes nicht gewährleistet wäre. In Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller im Falle einer polizeilichen Überprüfung damit rechnen müsste, wenn auch kurzfristig, inhaftiert zu werden, und er im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG keinen Nachweis darüber führen könnte, dass die Abschiebung tatsächlich ausgesetzt ist, ist es für ihn unzumutbar, das Hauptsacheverfahren auf Ausstellung einer Duldungsbescheinigung abzuwarten (Hess. VGH, Beschluss vom 30.03.2006 – 3 TG 556/06, Rn. 5 ff, juris).
3. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsgegner als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, stattgegeben.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (ein Viertel des Auffangstreitwerts).


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