Verwaltungsrecht

Erläuterung von Einzelmerkmalen dienstlicher Beurteilung

Aktenzeichen  W 1 K 16.238

Datum:
15.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG BayLlbG Art. 59 I 5
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 ,Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 5 LlbG sind Erläuterungen bei den Einzelmerkmalen einer dienstlichen Beurteilung vorzunehmen, deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat. Verschlechtert sich ein Beamter in vielen Einzelmerkmalen um mehrere Punkte, ohne dass hierzu entsprechende Erläuterungen angebracht werden, ist die Beurteilung rechtswidrig. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Dienstliche Beurteilung des Klägers vom 24. August 2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 31. Mai 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut periodisch zu beurteilen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 24. August 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist unter Aufhebung der Beurteilung deshalb verpflichtet, den Kläger für den Beurteilungszeitraum vom 1. September 2009 bis 31. Mai 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut periodisch zu beurteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 VwGO analog).
Das Gericht kann wesentliche Teilfragen und Rechtsprobleme, wie sie zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden sind, dahinstehen lassen, da es für eine Entscheidung hierauf nicht ankommt. Dies gilt zum einen für das in der Bayerischen Finanzverwaltung und so auch im vorliegenden Fall generell praktizierte Beurteilungsverfahren. Dieses Verfahren ist seitens des erkennenden Gerichtes bereits als nicht Rechtens erachtet worden (vgl. z. B. VG Würzburg, B.v. 29.07.2014 – W 1 E 14.491 – juris), diese Rechtsauffassung ist aber seitens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt worden (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2015 – 3 CE 15.1606 – juris). Dahin stehen kann des Weiteren die Frage, ob ein Verfahrensfehler darin zu erblicken ist, dass die unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers nicht in der gehörigen Form am Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung beteiligt worden sind und es darüber hinaus auch an der etwa gebotenen zusätzlichen Beteiligung des früheren Finanzamtsvorstehers und früheren Beurteilers gefehlt hat, nachdem dieser für den weitaus überwiegenden Teil des hier maßgeblichen Beurteilungszeitraumes noch im Amt gewesen ist. Nicht weiter einzugehen ist schließlich auch auf den Vortrag der Klägerseite, dass das Arbeitsfeld und der Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit des Klägers im Beurteilungszeitraum nicht erkannt worden seien und es deshalb an der notwendigen tatsächlichen Grundlage für eine Beurteilung gefehlt habe.
Diese Punkte sind für eine Entscheidung deshalb nicht erheblich, weil die dienstliche Beurteilung unabhängig davon die gesetzlichen Anforderungen in Art. 59 Abs. 1 Satz 5 LlbG außer Acht lässt. Der Gesetzgeber schreibt dort u. a. vor, dass verbale Hinweise und Erläuterungen bei den Einzelmerkmalen vorzunehmen sind, deren Bewertung sich gegenüber der letzten periodischen Beurteilung wesentlich verschlechtert hat oder bei denen sich die Bewertung auf bestimmte Vorkommnisse gründet. Dieses formale Erfordernis kann aus Sicht des Gerichtes nur den Sinn und Zweck haben, die Bewertung als solche zu plausibilisieren und damit auch für den Betroffenen nachvollziehbar zu machen. Eine solche wesentliche Verschlechterung wird angenommen, wenn die Punktezahl um wenigstens eine Punktegruppe unter der Bewertung in der letzten periodischen Beurteilung liegt und ihr damit – unter Zugrundelegung der Orientierungshilfe – eine andere verbale Bedeutung zukommt (so Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern , Art. 59 LlbG Anm. 21). Dies ist vorliegend bei verschiedenen Einzelmerkmalen und hierauf aufbauend auch für das Gesamturteil der Fall. Nach den einschlägigen allgemeinen Beurteilungsrichtlinien (VV-BeamtR – Abschnitt 3 Dienstliche Beurteilung – Nr. 3.2.2) gilt sowohl bei der Beurteilung 2009 als auch bei der Beurteilung 2012 für die Punktegruppe von 7 bis 9 Punkten die Umschreibung, dass die Erfüllung des einzelnen Merkmals in jeder Hinsicht den Anforderungen genügt oder diese übersteigt; demgegenüber gilt für die Punktegruppe von 11 bis 14 Punkten, dass das einzelne Merkmal erheblich über den Anforderungen liegt oder besonders gut erfüllt wird. Vor diesem Hintergrund finden sich beim Vergleich der Beurteilungen 2009 und 2012 verschiedene derartige „wesentliche Verschlechterungen“ in den Einzelmerkmalen. Dies gilt z. B. für die zur Quantität der fachlichen Leistung vergebene Bewertung von 8 Punkten, während der Kläger in der vorangegangenen Beurteilung 2009 hier noch 11 Punkte erhalten hat; noch stärker ausgeprägt ist der Leistungsabfall im Punktwert hinsichtlich der Serviceorientierung, insbesondere gegenüber dem Bürger, wo der Kläger von 12 auf 8 Punkte herabgewertet worden ist, ebenso dann bei der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten von 11/12 Punkten auf nunmehr 8 Punkte. Auffällig ist des Weiteren, dass bei der Einsatzbereitschaft ein Abfall von 11 auf 7 Punkte, bei der geistigen Beweglichkeit ein Abfall von 11 auf 8 Punkte und beim Führungspotential von 10 auf 7 Punkte vorliegen soll, ebenso bei der mündlichen Ausdrucksfähigkeit von 11 auf 8 Punkte und beim zielorientierten Verhandlungsgeschick von 10 auf 7 Punkte.
Den von Gesetzes wegen bestehenden Anforderungen wird die vorliegend streitige dienstliche Beurteilung an keiner Stelle gerecht, da jedwede Erläuterung bei den einschlägigen Einzelmerkmalen fehlt. Trotz des gerichtlichen Hinweises im Anschreiben des Gerichtes vom 18. Februar 2016 ist insoweit im gerichtlichen Verfahren auch keine Nachbesserung im Sinne einer Heilung erfolgt. Für das Gericht sind auch keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen, die die gebotenen Hinweise und Erläuterungen für den vorliegenden Einzelfall entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes als entbehrlich erscheinen lassen. Der Beklagte hat sich nur dahingehend eingelassen, dass die damit dokumentierte wesentliche Verschlechterung sich nicht auf bestimmte Vorkommnisse gründet, hat aber keinerlei Gründe dafür genannt, wie sich die Verschlechterung im Übrigen erklären soll.
Soweit im vorstehendem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass erstmals für die Beurteilung 2012 und damit für den hier streitigen Beurteilungszeitraum ein so genannter Orientierungsschnitt von 11 Punkten eingeführt worden ist, vermag dies an der dargestellten rechtlichen Bewertung nichts zu ändern. Unabhängig davon, dass das Gericht nicht davon ausgehen kann, dass – mangels sonstiger Anhaltspunkte – mit der Einführung des Orientierungsschnittes gleicher Maßen auch die Veränderung des „Beurteilungsmaßstabes“ hat einher gehen können, wie er durch Art. 58 LlbG festgelegt wird, wird dies des Weiteren nicht belegt durch die bei den Beurteilungen 2009 und 2012 erreichten durchschnittlichen Punktwerte. Diese hat der Beklagte 2009 mit 10,91 (bayernweit) und 11,19 (Finanzamt …) angegeben und für 2012 mit 10,99 (bayernweit) und 11,00 (Finanzamt …), was allenfalls eine marginale Veränderung nahe legt.
Zusammenfassend ist die Beurteilung des Klägers damit als rechtswidrig anzusehen. Der Kläger hat Anspruch auf eine erneute Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.


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