Verwaltungsrecht

erledigendes Ereignis bei Aufhebung eines Dublin-Bescheids nach Ablauf der Überstellungsfrist mit Aufhebung des Bescheides hat sich Beklagte nicht freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben, Kostentragung durch den Kläger

Aktenzeichen  AN 17 K 21.50290

Datum:
10.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15847
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
VwVfG § 43 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Regel entspricht es billigem Ermessen, demjenigen Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – ohne die Erledigung im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Als erledigendes Ereignis ist hier die Aufhebung des angefochtenen Dublin-Bescheids durch Schriftsatz der Beklagten vom 4. April 2022 in Folge des Ablaufs der sechsmonatigen Überstellungsfrist, Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO im Erstverfahren anzusehen. Der Ablauf der Überstellungsfrist führt für sich genommen nicht zur Erledigung des Bescheids nach § 43 Abs. 2 VwVfG und ist deshalb nicht zeitlicher Bezugspunkt der summarischen Prüfung des hypothetischen Ausgangs des Rechtsstreits (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 3 ZB 20.50004/50005 – juris Rn. 5; VG Ansbach, B.v. 4.6.2021 – AN 17 K 19.50816; VG Frankfurt/Oder, B.v. 15.12.2017 – 2 K 1092/17.A – juris Rn. 7 ff.; VG Dresden, B.v. 16.5.2019 – 1 K 2225/18.A – juris Rn. 4; a.A. BayVGH, B.v. 30.3.2015 – 21 ZB 15.50026 – juris Rn. 2; B.v. 22.11.2017 – 9 ZB 17.50037 – juris Rn. 3). Dies zugrunde gelegt wären die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, weil diese ohne die Aufhebung unterlegen wäre, da nach Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Beklagte überging und damit die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG und die auf sie aufbauenden Folgeentscheidungen rechtswidrig macht.
Allerdings hat das Gericht bei der Kostenentscheidung neben dem bisherigen Sach- und Streitstand auch andere Gründe zu berücksichtigen, wenn dies nach dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden sachgerecht erscheint. So ist bei der Entscheidung über die Kosten auch zu berücksichtigen, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist; es wird dann regelmäßig billig sein, ihm die Kostenlast aufzubürden (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2007 – 23 N 07.3168 – juris). Die Aufhebung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts ist nur dann als die Erledigung herbeiführendes Ereignis in der Willenssphäre der Beklagten anzusehen, wenn die Behörde trotz im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage erkennbar ihren Rechtsstandpunkt aufgibt und sich durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes in die Rolle der Unterlegenen begibt. Reagiert die Behörde hingegen mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes auf eine Veränderung der Sach- und Rechtslage, beruht das erledigende Ereignis nicht ausschließlich auf dem Willensentschluss der Behörde. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 10. Januar 2022 ausgeführt, dass dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommt. Maßgeblich ist, ob die öffentliche Gewalt von sich aus den angegriffenen Verwaltungsakt beseitigt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.1.2022 – 2 BvR 679/21 – juris Rn. 4).
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Die Beklagte hat sich nicht freiwillig in die Position der Unterlegenen begeben, sondern allein auf den Ablauf der Überstellungsfrist reagiert. Vor Ablauf der Überstellungsfrist hätte die Klage mit großer Wahrscheinlichkeit zudem keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Bescheid vom 5. November 2021, dem die Klägerseite im gerichtlichen Verfahren zudem nichts entgegengesetzt, sondern lediglich auf den bisherigen klägerischen Vortrag verwiesen hat, wäre aller Voraussicht nach rechtmäßig gewesen. Diesbezüglich wird auf die Gründe des Bescheides vom 5. November 2021 verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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