Verwaltungsrecht

Erloschenes Aufenthaltsrecht eines türkischen Staatsangehörigen nach mehrjährigem Türkeiaufenthalt

Aktenzeichen  B 4 E 16.898

Datum:
1.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV AEUV Art. 20 Abs. 1, Abs. 2, Art. 21 Abs. 1, Art. 267
ARB 1/80 ARB 1/80 Art. 7, Art. 13
ARB ARB 2/76 Art. 7
AufenthG AufenthG § 4, § 5, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 1, § 51, § 54, § 59, § 60a Abs. 2 S. 1
AufenthV AufenthV § 31 Abs. 3 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123, § 154

 

Leitsatz

1 Die Sicherung des Lebensunterhalts eines Ausländers setzt voraus, dass eine Prognose unter Berücksichtigung seiner bisherigen Erwerbsbiografie ergibt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt zu erwarten war, dass er seinen Lebensunterhalt einschließlich des Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mitteln dauerhaft wird sichern können (VGH München BeckRS 2013, 54576). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Privilegierung nach § 51 Abs. 2 S. 1 AufenthG ist nicht die Wiedereinreise, sondern der Eintritt der Erlöschensvoraussetzungen des Aufenthaltstitels, da Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verlangen, dass sich jederzeit eindeutig feststellen lässt, ob der Ausländer noch über einen Aufenthaltstitel verfügt und damit trotz Verlegung seines Lebensmittelpunkts ins Ausland beliebig häufig wieder ein- und ausreisen darf. (Rn. 36) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erlischt unter anderem dann, wenn der türkische Staatsangehörige das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat, was sich maßgeblich danach bestimmt, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat. Dies ist umso eher der Fall, je länger er sich im Ausland aufhält; ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet liegt (BVerwGE 151, 377 = BeckRS 2015, 44470). (Rn. 42) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Stehen nach § 59 Abs. 3 S. 1 AufenthG Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht und liegt kein Fall des § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG vor, ist neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung auch ein Antrag nach § 123 VwGO auf einstweilige Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Duldung des Ausländers nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG statthaft.  (VG Bayreuth BeckRS 2017, 113138) (Rn. 47) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Liegt bei einem Ausländer ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG vor,  muss darüber hinaus für dessen Berücksichtigung ohne vernünftigen Zweifel feststehen, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, weiterhin besteht, weil ansonsten das Ausweisungsinteresse nicht mehr erheblich ist. (Rn. 58) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Die Anwendung der stand-still-Regeln des Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80 zur Begründung einer Freistellung von der Visumpflicht setzen einen ordnungsgemäßen Aufenthalt des Assoziationsberechtigten im Aufnahmestaat voraus, der aber nur dann vorliegt, wenn der türkische Staatsangehörige die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet hat, sodass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (BVerwG BeckRS 2015, 41164). (Rn. 61) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die ihm gegenüber verfügte Abschiebungsandrohung und im Wege einer einstweiligen Anordnung die Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Klage.
Der Antragsteller wurde am …1983 in … geboren und lebte bis zur Volljährigkeit im Haushalt seiner Eltern. Er besitzt die türkische Staatsangehörigkeit und verfügt über einen bis 2020 gültigen türkischen Reisepass.
Am 25.03.1997 erhielt er erstmals eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem Ausländergesetz, die anschließend wiederholt verlängert wurde. Am 14.11.2002 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die seit 01.01.2005 kraft Gesetzes als Niederlassungserlaubnis fortgalt.
Mit seinem 1999 nachgeholten Hauptschulabschluss begann der Antragsteller eine Lehre als Maler und Lackierer, die er wegen der Insolvenz des Ausbildungsbetriebes abbrechen musste. Anschließend nahm er bis 31.03.2002 an einer ABM-Maßnahme teil und arbeitete dann bis 2003 in einer Plastikfabrik.
Am 13.04.2002 wurde er Vater einer deutschen Tochter, A. F., für die er wie für seinen am 03.09.2005 geborenen deutschen Sohn E. F. das gemeinsame Sorgerecht hat. Am 18.09.2006 kam seine deutsche Tochter N. E. F. zur Welt, für die er kein Sorgerecht hat.
Der Antragsteller, der von 2003 bis Ende 2006, abgesehen von einer sechsmonatigen Beschäftigung, arbeitslos gewesen war, zog Anfang 2007 nach München und arbeitete dort zunächst als Transportarbeiter und Papiersortierer, dann als Kaufhausdetektiv und schließlich bis Ende 2009 als Fitnesstrainer.
Am 16.07.2008 verurteilte ihn das Landgericht … wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung (Az. …). Das Schwurgericht ahndete damit einen Vorfall am 16.12.2006. Der Antragsteller trat einer auf dem Boden liegenden jungen Frau in den Rücken und musste sich die gezielten Tritte seines Mitangeklagten gegen den Kopf des Opfers als Mittäter zurechnen lassen. Nach weiteren Verurteilungen zu Geldstrafen durch die Amtsgerichte München und Aachen 2009 und 2010 verhängte das Amtsgericht … am 23.02.2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, begangen am 25.07.2010 mit Gewalt, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Dieses Urteil wurde nicht rechtskräftig.
Am 06.03.2011 verzog der Antragsteller, der seit Juli 2010 durchgehend Leistungen nach dem SGB II bezogen hatte, von … … … aus in die Türkei, ohne sich zuvor mit der Ausländerbehörde wegen dieses Auslandsaufenthalts in Verbindung zu setzen. In der Türkei leistete er vom 20.02.2012 bis 20.05.2013 seinen Wehrdienst ab, arbeitete dann ab 18.10.2014 an der Rezeption eines Hotels und heiratete die türkische Staatsangehörige B. E., von der er inzwischen in Scheidung lebt. Im Jahr 2014 wurde er Vater eines weiteren (türkischen) Kindes.
Auf Nachfrage teilte ihm der Antragsgegner am 28.04.2015 mit, sein Aufenthaltstitel sei erloschen, so dass er nur mit Visum ins Bundesgebiet einreisen dürfe. Am 13.01.2016 beantragte der Antragsteller beim Deutschen Generalkonsulat in … ein Schengen-Visum für einen Besuchsaufenthalt vom 01.02.2016 bis 14.03.2016. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.02.2016 lehnte die Auslandsvertretung die Erteilung ab.
Am 04.03.2016 reiste der Antragsteller ohne Visum ins Bundesgebiet ein. Ein deswegen eingeleitetes Strafverfahren wurde inzwischen gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Seit seiner Einreise lebt er nicht mehr mit der Mutter seiner deutschen Kinder, sondern mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Nach einer Stellungnahme des Jugendamtes des Landkreises … vom 11.10.2016 hat er regelmäßig Kontakt zu seinen deutschen Kindern, die bei seiner früheren Lebensgefährtin leben.
Am 22.08.2016 beantragte er eine (unbefristete) Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 18.10.2016 setzte das Landgericht … den Rechtsfolgenausspruch im Urteil des Amtsgerichts … vom 23.02.2011 auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung herab. Die Strafaussetzung zur Bewährung erfolgte aufgrund einer günstigen Sozialprognose (2 Ns 1113 Js 8175/10).
Mit Bescheid vom 17.11.2016, der seinem früheren Verfahrensbevollmächtigten am 24.11.2016 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, lehnte das Landratsamt … den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zustellung des Bescheides zu verlassen. Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht Bayreuth die aufschiebende Wirkung der Klage anordne, beginne die Frist mit der Bekanntgabe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (Ziffer 2). Sollte er innerhalb der gesetzten Frist die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen haben, werde die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreise dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziffer 3).
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei nicht (mehr) im Besitz eines für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitels, weil seine Niederlassungserlaubnis erloschen sei. Auch sein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (im Folgenden ARB 1/80) bestehe nicht mehr. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werde abgelehnt, weil ein Ausweisungsinteresse vorliege und der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei. Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.
Mit Telefax vom 16.12.2016, eingegangen am 19.12.2016, hat der Antragsteller Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt festzustellen, dass er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sowie eines Aufenthaltsrechts gemäß Art. 7 ARB 1/80 sei.
Hilfsweise hat er beantragt, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (Az. B 4 K 16.899).
Ebenfalls mit am 19.12.2016 eingegangenem Telefax hat der Antragsteller zunächst gemäß § 123 VwGO beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, im Hinblick auf das bestehende Aufenthaltsrecht bzw. supranationale Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 ARB 1/80 die Ausreisepflicht für den Antragsteller bis zur Entscheidung über die Hauptsache auszusetzen und dem Antragsgegner zu untersagen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Antragsteller unter Fristsetzung zur Ausreise aufzufordern.
Nach einem richterlichen Hinweis vom 02.02.2017 bat der Antragstellerbevollmächtigte, den Antrag in einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO umzudeuten.
Zur Begründung macht er geltend, die Niederlassungserlaubnis sei nicht erloschen und das supranationale Aufenthaltsrecht bestehe weiterhin. In jedem Fall habe der Antragsgegner dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu erteilen und dürfe ihn insbesondere nicht darauf verweisen, das Visumverfahren nachzuholen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass seine deutschen Kinder als Unionsbürger ein Recht darauf hätten, dass sich ihr Vater bei ihnen in Deutschland aufhalte.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass die Niederlassungserlaubnis auch unter Berücksichtigung der für diesen Aufenthaltstitel geltenden Privilegierungen erloschen sei. Das Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe nicht mehr. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug könne der Antragsteller nicht beanspruchen, weil er gegen die Visumpflicht verstoßen habe und vom Visumerfordernis nicht abgesehen werden könne. Die ablehnende Entscheidung stehe auch im Einklang mit dem Unionsrecht, weil die deutschen Kinder des Antragstellers nicht beanspruchen könnten, dass sich der Antragsteller zusammen mit ihnen in Deutschland aufhalte.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Die Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und gemäß § 123 VwGO haben keinen Erfolg.
1.1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Abschiebungsandrohung, die gemäß Art. 21 a VwZVG sofort vollziehbar ist, anordnen, wenn bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Betroffenen, vom Vollzug der behördlichen Verfügung vorerst verschont zu bleiben, das Interesse des Betroffenen überwiegt. Dabei ist auch auf die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs abzustellen, soweit diese sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung überschauen lassen.
Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung verspricht die Klage gegen die Androhung der Abschiebung keine Aussicht auf Erfolg.
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist für die freiwillige Ausreise anzudrohen.
1.1.1 Grundvoraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung ist das Vorliegen der gesetzlichen Ausreisepflicht. Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 nicht oder nicht mehr besteht.
Der Antragsteller ist ausreisepflichtig, weil er keine Niederlassungserlaubnis mehr besitzt und sein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB nicht mehr besteht.
1.1.1.1 Die Niederlassungserlaubnis des Antragstellers ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG erloschen.
1.1.1.1.1 Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist. Das ist dann der Fall, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind alle objektiven Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers – insbesondere auf seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland – nicht allein ankommen kann (BVerwG, U. v. 11.12.2012 – 1 C 15/11 – NVwZ-RR 2013, 338/338 Rn.13).
Nach diesen Maßstäben ist der Antragsteller aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist. Zwar beteuert er, er habe sich niemals in der Türkei endgültig niederlassen wollen. Darauf allein kommt es jedoch nicht an. Vielmehr hat er sich in der Türkei fast fünf Jahre aufgehalten und dort zunächst seinen Wehrdienst abgeleistet, dann eine Stelle als Rezeptionist in einem Hotel angetreten, eine Türkin geheiratet und ist Vater geworden. Auch wenn er den Kontakt zu seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen und deutschen Kindern über elektronische Medien aufrechterhalten hat, hat er damit seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt der Aufenthaltstitel auch dann, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist.
Der Antragsteller ist am 06.03.2011 ausgereist, ohne dass die Ausländerbehörde eine längere als die gesetzliche Halbjahresfrist bestimmt hatte, und ist erst am 04.03.2016 wieder eingereist. Damit ist auch der Erlöschensgrund der nicht rechtzeitigen Rückkehr erfüllt.
1.1.1.1.2 Gegenüber diesen Erlöschensgründen kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf die in § 51 Abs. 2 und 3 AufenthG normierten Privilegierungen berufen.
Gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 54 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder Abs. 2 Nr. 5 bis 7 AufenthG besteht.
Die Sicherung des Lebensunterhaltes setzt voraus, dass eine Prognose unter Berücksichtigung der bisherigen Erwerbsbiografie des Antragstellers ergibt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt zu erwarten war, dass er seinen Lebensunterhalt einschließlich des Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mitteln dauerhaft wird sichern können (BayVGH, B. v. 11.07.2013 – 10 ZB 13.457 – juris Rn. 8). Maßgeblicher Zeitpunkt ist nicht die Wiedereinreise, sondern der Eintritt der Erlöschensvoraussetzungen. Rechtsklarheit und Rechtssicherheit verlangen, dass sich jederzeit eindeutig feststellen lässt, ob der Ausländer noch über einen Aufenthaltstitel verfügt und damit trotz Verlegung seines Lebensmittelpunkts ins Ausland beliebig häufig wieder ein- und ausreisen darf. Würde deshalb bei der Privilegierungsvorschrift auf den späteren, zunächst regelmäßig zeitlich noch gar nicht absehbaren Zeitpunkt der Wiedereinreise abgestellt, könnte zum Zeitpunkt der Verwirklichung der in § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG geregelten Erlöschenstatbestände noch keine sichere Aussage gemacht werden, ob der Aufenthaltstitel bis zum späteren, ungewissen Zeitpunkt fortbesteht oder nicht ( BayVGH, U. v. 05.04.2016 – 10 B 16.165 – juris Rn. 31f.).
Der Erlöschenstatbestand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG war hier mit der Ausreise des Antragstellers am 06.03.2011 erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt bezog er seit Juli 2010 Sozialleistungen und hatte keine konkrete Aussicht auf eine dauerhafte Erwerbstätigkeit. Da er keine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, bei mehreren Arbeitgebern in verschiedenen Branchen tätig und wiederholt arbeitslos gewesen war, sprach auch seine bisherige Erwerbsbiografie nicht dafür, dass er seinen Lebensunterhalt dauerhaft aus eigenen Mitteln würde bestreiten können.
Gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erlischt die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht.
Da der Antragsteller nicht mit einer Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm diese Privilegierung nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu Gute. Die Vorschrift ist auch, anders als der Antragsteller geltend macht, nicht analog auf Inhaber von Niederlassungserlaubnissen anzuwenden, die die Personensorge für deutsche Kinder besitzen und ausüben. Dazu fehlt es an einer planwidrigen Gesetzeslücke, weil der Gesetzgeber, dem es frei gestanden hätte, auch diesen Personenkreis zu privilegieren, ausdrücklich nur eine Ausnahme für deutschverheiratete Ausländer vorgesehen hat.
Schließlich greift auch die in § 51 Abs. 3 AufenthG vorgesehene Privilegierung nicht ein, weil der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten seit der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder eingereist ist.
1.1.1.2 Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers nach Art. 7 ARB 1/80 ist ebenfalls erloschen.
Ein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erlischt unter anderem dann, wenn der türkische Staatsangehörige das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Dafür kommt es maßgeblich darauf an, ob er seinen Lebensmittelpunkt aus Deutschland wegverlagert hat. Je länger er sich im Ausland aufhält, umso eher ist dies der Fall. Ab einem Auslandsaufenthalt von ungefähr einem Jahr müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sein Lebensmittelpunkt noch im Bundesgebiet ist (BVerwG, U. v. 25.03.2015 – 1 C 19.14 – BVerwGE 151, 377/385 = .InfAuslR 2015, 273/275, insb. Rn. 14, 18, 22).
Der Antragsteller hat – zwischen den Beteiligten unstreitig – als Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erworben. Dann hielt er sich jedoch vom 06.03.2011 bis 04.03.2016 in der Türkei auf und hat dadurch dieses Recht verloren. In dieser Zeit hat er dort seinen Wehrdienst geleistet, an einer Hotelrezeption gearbeitet, eine türkische Staatsangehörige geheiratet und wurde Vater eines türkischen Kindes. Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass sein Lebensmittelpunkt dennoch weiterhin im Bundesgebiet war, hat er demgegenüber nicht vorgetragen. Insbesondere reicht dafür im Hinblick auf seinen nahezu fünfjährigen Aufenthalt im Ausland nicht aus, dass er den Kontakt zu seinen in Deutschland lebenden Verwandten und zu seinen Kindern über Telefon und elektronische Medien gehalten hat.
1.1.2 Auch im Übrigen begegnet die Abschiebungsandrohung keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere kann die Regelung des Beginns der gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG nach Tagen bestimmten Ausreisefrist (Ziffer 2 Satz 2 des Bescheides vom 17.11.2016) nur so verstanden werden, dass die Frist, wenn das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat, dann aber die Klage abweist, mit der Entscheidung im Hauptsachverfahren zu laufen beginnt.
1.1.3 Da nach alledem die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung voraussichtlich keinen Erfolg hat, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
1.2. Der Antrag, die Antragsgegnerin gemäß § 123 VwGO im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Antragsteller zu ergreifen, ist zulässig, aber unbegründet.
1.2.1 Da gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Vorliegen von Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht sowie kein Fall des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG vorliegt (insbesondere hält sich der Antragsteller, wie dargelegt, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf), ist neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung auch ein Antrag nach § 123 VwGO auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Duldung des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft.
1.2.2 Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist jedoch ebenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, bis zur Entscheidung über die unter dem Aktenzeichen B 4 K 16.899 geführte Klage nicht abgeschoben zu werden. Insbesondere ist seine Abschiebung nicht deshalb gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1
AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ohne ihre Aussetzung die effektive Verfolgung und Geltendmachung eines Anspruchs des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausgeschlossen wäre.
1.2.2.1 Zwar spricht nach summarischer Prüfung vieles dafür, dass die speziellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu Deutschen vorliegen.
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
Der Antragsteller hat die Personensorge für seine beiden älteren deutschen Kinder inne. Nach summarischer Prüfung übt er die Personensorge aus und pflegt nicht lediglich Umgangskontakte mit seinen Kindern, auch wenn er mit ihnen und der Kindsmutter nicht mehr in familiärer Lebensgemeinschaft zusammenlebt.
Nach der Stellungnahme des Jugendamtes des Landratsamtes … vom 11.10.2016 steht er seit seiner Wiedereinreise im März nicht nur im Einvernehmen mit der ebenfalls sorgeberechtigten Mutter ein- bis zweimal pro Woche in Kontakt mit seinen Kindern, sondern er hat auch ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut, weiß über ihre schulische Entwicklung Bescheid und nimmt an ihrer Entwicklung teil. Zudem leistet er seit Oktober 2016 für seine Kinder einen monatlichen Unterhalt von insgesamt 150,00 EUR.
1.2.2.2 Es liegen jedoch nicht alle allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor. Zwar besteht kein Ausweisungsinteresse, der Antragsteller ist aber nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist, und von der Einhaltung der Visumvorschriften kann nicht abgesehen werden.
1.2.2.2.1 Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse vorliegt.
Der Antragsteller erfüllt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG den Tatbestand eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses, weil er wegen gefährlicher Körperverletzung (LG …, Urteil v. 16.09.2008) und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (LG …, Urteil v. 18.10.2016), begangen jeweils mit Gewalt, rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Darüber hinaus muss jedoch ohne vernünftigen Zweifel feststehen, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, weiterhin besteht, weil ansonsten das Ausweisungsinteresse nicht mehr erheblich ist (BayVGH, B. v. 29.08.2016 – 10 AS 16.1602 – juris Rn. 22). Ob vom Aufenthalt des Antragstellers weiterhin eine Gefahr ausgeht, erscheint zweifelhaft. Sie wurde maßgeblich mit seinen Straftaten, die er am 16.12.2006 und am 25.07.2010 beging, und den daraus resultierenden Verurteilungen begründet. Seit seiner Wiedereinreise im März 2016 hat der Antragsteller nach den Feststellungen des Landgerichts … und des Jugendamtes des Landkreises … Verantwortung für seine hier lebenden Kinder übernommen, pflegt regelmäßig Umgang mit ihnen, leistet Unterhaltszahlungen und verfügt über stabile soziale Bindungen zu seiner Herkunftsfamilie (vgl. LG …, U. v. 18.10.2016, S. 5). Deshalb steht nicht zweifelfrei fest, dass von dem Antragsteller weiter eine Gefahr ausgeht, sodass ein Ausweisungsinteresse wohl nicht mehr vorliegt.
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist.
Der Antragsteller war bei seiner Einreise im März 2016 in das Bundesgebiet nicht im Besitz des für einen türkischen Staatsangehörigen gemäß §§ 4, 6 Abs. 3 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 VO(EG) Nr. 539/2001 vom 15.03.2001 i. V. m. Anhang I erforderlichen nationalen Visums.
Von der Visumpflicht war der Antragsteller auch nicht nach den Stillhalte-Regelungen des Assoziationsrechts EWG-Türkei befreit. Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80 setzen einen ordnungsgemäßen Aufenthalt im Aufnahmestaat voraus. Ein ordnungsgemäßer Aufenthalt liegt aber nur dann vor, wenn der türkische Staatsangehörige die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet hat, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (BVerwG, U. v. 10.12.2014 – 1 C 15/14 – InfAuslR 2015, 135/136 Rn. 14). Der Antragsteller ist jedoch gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt eingereist, weil er den nach § 4 AufenthG für eine Einreise erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besessen hat, ohne dass es darauf ankäme, ob er sich dessen bewusst war oder nicht (BVerwG, U. v. 25.03.2015 – 1 C 19/14 – BVerwGE 151, 377/385f. = InfAuslR 2015, 273/275 Rn. 25), und verfügt über keine Aufenthaltserlaubnis. Damit hält sich der Antragsteller nicht ordnungsgemäß im Bundesgebiet auf und kann sich nicht auf die Standstill-Regelungen berufen.
Von einer bestehenden Visumpflicht des Antragstellers, der sich im Wege des Familiennachzugs zur Ausübung der Personensorge für seine beiden deutschen Kinder im Bundesgebiet aufhalten will, ist auch im Hinblick auf das die Visumpflicht türkischer Staatsangehöriger betreffende anhängige Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV (BVerwG, B. v. 26.01.2017 – 1 C 1.16 – abrufbar unter bverwg.de Pressemitteilungen 1/2017) auszugehen. Denn Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens ist die hier nicht streitgegenständliche Frage, ob der nationale Gesetzgeber durch die Stand-Still-Regelungen gehindert war, eine Visumpflicht beim Ehegattennachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer einzuführen.
1.2.2.2.2. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG kann davon abgesehen werden, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind.
Zwar hat der Antragsteller nach summarischer Prüfung einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, weil er alle speziellen und die erforderlichen Regelvoraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 Nrn. 1a, 2 und 4 AufenthG erfüllt.
Jedoch hat der Antragsteller lediglich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung über das Absehen trifft. Eine solche Ermessensentscheidung hat die Ausländerbehörde, die davon ausgeht, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt, nicht getroffen. Deshalb steht dem Antragsteller jedoch kein vorläufig zu sichernder Anspruch darauf zu, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ergriffen werden, bis die Ausländerbehörde ihr Ermessen ausgeübt hat. Vielmehr ist dann ausnahmsweise auch im Rahmen des § 123 VwGO eine Interessenabwägung vorzunehmen (BayVGH, B. v. 22.07.2014 – 10 CS 14.1534, 10 C 14.1535 – juris Rn. 9).
Sie fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Sein privates Interesse an einem nicht durch ein Visumverfahren unterbrochenen Aufenthalt muss hinter dem öffentlichen Interesse, das Visumverfahren einzuhalten, zurückstehen. Als beachtlicher öffentlicher Belang ist dabei einzustellen, dass die Einhaltung des Visumverfahrens zwar kein Selbstzweck sein, jedoch auch bei Vorliegen eines Anspruchs die Regel bleiben soll. Darüber hinaus ist die Ausländerbehörde gehalten, bei anderen Ausländern generalpräventiv dem Eindruck entgegenzuwirken, man könne durch eine Einreise ohne Visum trotz vorheriger Ablehnung eines Schengen-Visums und der amtlichen Auskunft, dass ein Visum erforderlich sei, vollendete Tatsachen schaffen und seinen Aufenthalt trotz dieses rechtswidrigen Verhalten im Bundesgebiet begründen (OVG Nds, B. v. 11.07.2007 – 10 ME 130/07 – juris Rn.9 f.).
Demgegenüber wiegen die privaten Interessen des Antragstellers nicht so schwer. Der Antragsteller hat vor seiner Wiedereinreise fast fünf Jahre in der Türkei gelebt und konnte erst seit seiner Wiedereinreise vor knapp einem Jahr den Kontakt zu seinen Kindern festigen. Auch der Schutz der Familie und des Privat- und Familienlebens nach Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK drängt die einwanderungspolitischen Belange, die hinter dem Erfordernis des Visumverfahrens als Instrument zur Steuerung der Zuwanderung stehen, nur zurück, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden kann (BayVGH, B. v. 22.07.2014 – 10 CS 14.1534, 10 C 14.1535 – juris Rn.10). Dies ist bei den Kindern des Antragstellers nicht der Fall. Zudem ist für ein Visumverfahren zur Familienzusammenführung beim Generalkonsulat in … mit einer Wartezeit von ca. drei Monaten zu rechnen, die der Antragsteller noch verkürzen kann, wenn er vollständige Unterlagen vorlegt und sich um eine Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AufenthV bemüht. Diese kurze Trennungszeit ist sowohl dem Antragsteller, der nur über einen Arbeitsplatz bei einer Leiharbeitsfirma verfügt und auch die mehrjährige Trennung insbesondere mittels der elektronischen Medien überbrücken konnte, als auch seinen vierzehn, elf und zehn Jahre alten Kindern zuzumuten.
1.2.2.2.3. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG kann weiter von der Visumpflicht abgesehen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls die Nachholung des Visumverfahrens unzumutbar ist.
Derartige Umstände liegen nicht vor. Insbesondere ist es nicht Ziel der Regelung, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, die bewusste Umgehung der Visumvorschriften durch den Antragsteller, der von der Ausländerbehörde als der zuständigen Stelle auf die Visumpflicht hingewiesen worden war und die Ablehnung seines Schengen-Visums in Händen hatte und dennoch einreiste, mit einem Verzicht auf das vom Ausland aus durchzuführende Visumverfahren zu honorieren.
1.2.2.3 Die ablehnende Entscheidung steht schließlich im Einklang mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 a, Art. 21 Abs. 1 AEUV.
Nach diesen Vorschriften haben Unionsbürger, wie die Kinder des Antragstellers, das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, frei zu bewegen und aufzuhalten. Sind minderjährige Unionsbürger rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv von einem Drittstaatsangehörigen so abhängig, so darf durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen nicht bewirkt werden, dass sie sich rechtlich oder faktisch gezwungen sehen, das Unionsgebiet zu verlassen (BVerwG, U. v. 30.07.2013 – 1 C 15/12 – 1 C 15/12 – BVerwGE 147, 278/289f Rn.31).
Mit der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Durchführung eines Visumverfahrens werden die Kinder des Antragstellers nicht gezwungen, auf ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu verzichten, Denn sie leben mit ihrer deutschen sorgeberechtigten Mutter im Bundesgebiet und sind vom Antragsteller nicht derart abhängig, dass sie ihm (auf Dauer) in die Türkei folgen müssten.
Damit ist auch der Antrag gemäß § 123 VwGO abzulehnen.
2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 VwGO die Kosten des Verfahrens. Bei der Bemessung des Streitwertes ist zu berücksichtigen, dass es dem Antragsteller allein darauf ankommt, vorläufig im Bundesgebiet bleiben zu dürfen, so dass der hälftige Regelstreitwert anzusetzen ist (§ 63, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG).


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