Verwaltungsrecht

Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für den Abbruch von Gebäuden

Aktenzeichen  9 ZB 21.1538

Datum:
21.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34519
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14
BauGB § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 Nr. 1, § 145 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Beschränkungen der §§ 144, 145 BauGB sind als Bestimmungen des Inhalts und der Schranken des Eigentums iSd Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu beurteilen und die gesetzlich angeordneten Beschränkungen sind Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums iSd Art. 14 Abs. 2 GG. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 21.55 2021-03-23 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren die Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung für den Abbruch von Wohnhaus, Scheune und Nebengebäude auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung G … Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Sanierungssatzung „Altort G …“ des Beklagten vom 10. August 2017. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. August 2018 ab, weil ein Abriss ohne weitere beabsichtigte Nutzung den Zielen und Zwecken der Sanierung widersprechen würde. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 23. März 2021 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der von den Klägern beabsichtigte ersatzlose Abriss den Zielen der Sanierung widerspreche. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen geltend gemachter besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der von den Klägern geplante ersatzlose Abriss der Bestandsgebäude den Zielen der Sanierung widerspreche. Es hat auf Grundlage einer Augenscheinnahme eine ortsbildprägende Funktion der Gebäude angenommen und war der Auffassung, dass die beabsichtigte Erhaltung, Erneuerung und Stärkung des alten Ortskerns durch eine ersatzlose Beseitigung des Hauses samt Scheune erheblich tangiert würde. Indem die Kläger lediglich darauf abstellen, dass vielmehr eine Wiederherstellung der Brandruine einer alten Bäckerei den Sanierungszielen entgegenstehe und der Abbruch Voraussetzung dafür sei, eine anschließende Neugestaltung zur Verwirklichung des Sanierungszwecks realisieren zu können, treten sie den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert entgegen und setzen sich nicht mit den tragenden Entscheidungsgründen auseinander. Ein künftiges Nutzungskonzept haben die Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren konkretisiert und auch mit dem Zulassungsvorbringen nicht dargelegt. Dass die mangels konkreter Nutzung „erst einmal“ beabsichtigte Nutzung des Grundstücks als Parkplatz entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts keinen Grund zur Annahme bietet, dass das Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde (vgl. § 145 Abs. 2 BauGB), zeigt das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht auf.
Soweit die Kläger meinen, eine Baugenehmigung müsse sich zwar „den Sanierungszielen unterwerfen“, solches gelte aber nicht für einen beabsichtigten Abbruch, geht dies im Hinblick auf § 3 der Sanierungssatzung des Beklagten vom 10. August 2017 i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB fehl. Ebensowenig können sich die Kläger auf eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen „temporären Baulücken“ berufen. Das Zulassungsvorbringen zeigt insoweit schon keinen vergleichbaren Sachverhalt auf, weil das Verwaltungsgericht aufgrund des fehlenden Nutzungskonzepts der Kläger – sei es in Form eines städtebaulichen Vertrags oder einer Baugenehmigung – gerade einen ersatzlosen Abriss als Widerspruch zu den Sanierungszielen eingestuft hat. Gleiches gilt für die von den Klägern angeführten Parkplätze, bei denen es sich um öffentliche Parkplätze handelt, die Teil städtebaulicher Maßnahmen waren und die sich mit den Planungsansätzen des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts vom Oktober 2011 – im Gegensatz zu dem von den Klägern „erst einmal“ beabsichtigen Parkplatz in privatem Eigentum – in Einklang bringen lassen.
Das Vorbringen, die Versagung der Abbruchgenehmigung stelle eine unzulässige Enteignung dar, führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Beschränkungen der §§ 144, 145 BauGB als Bestimmungen des Inhalts und der Schranken des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu beurteilen sind und die gesetzlich angeordneten Beschränkungen Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 2 GG sind. Dies ist nicht ernstlich zweifelhaft (vgl. BVerwG, B.v. 7.6.1996 – 4 B 91.96 – juris Rn. 6).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Abgesehen davon, dass sich dem Zulassungsantrag über die bloße Nennung des Zulassungsgrundes hierzu keinerlei Ausführungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten entnehmen lassen und nichts Entscheidungserhebliches über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus vorgetragen wird, lassen sich die sinngemäß enthaltenen Fragen, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, jedenfalls ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht. Die Rechtssache weist keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 – 9 ZB 18.1513 – juris Rn. 12 m.w.N.).
3. Die Rechtssache hat nicht die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 20). Dem wird das Zulassungsvorbringen, das schon keine konkrete Frage formuliert und auch im Übrigen den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO insoweit nicht entspricht, nicht gerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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