Verwaltungsrecht

Es besteht keine infektionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung eines flächendeckenden Alkoholkonsumverbots für den Bereich der gesamten Innenstadt. Ein, Alkoholkonsumverbot kann nur für bestimmte öffentliche Plätze angeordnet werden.

Aktenzeichen  RO 5 S 21.1145

Datum:
25.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20500
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 28
IfSG § 28a
13. BayIfSMV § 26

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen das Alkoholkonsumverbot in den Nrn. 1. und 2. der von der Antragsgegnerin erlassenen Allgemeinverfügung „Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG); Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 im Stadtgebiet Regensburg“ vom 8.6.2021 in der Fassung der Nr. 1.1. der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 22.6.2021 wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen das von der Antragsgegnerin durch Allgemeinverfügung angeordnete Alkoholkonsumverbot in der Innenstadt von Regensburg und in Stadtamhof.
Am 8.6.2021 erließ die Antragsgegnerin eine Allgemeinverfügung, durch die im Stadtbezirk Innenstadt sowie im Stadtbezirk Stadtamhof ein umfassendes Alkoholkonsumverbot festgelegt wurde (https://www.regensburg.de/fm/RBG_INTER1S_VM.a.253.de/r_upload/allgemeinverfuegung-08-06-2021-alkoholkonsumverbot.pdf). Der verfügende Teil der Allgemeinverfügung hat auszugsweise folgenden Inhalt:
1. Im Stadtgebiet Regensburg werden folgende öffentliche Verkehrsflächen der Innenstadt und sonstige öffentliche Orte unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, gemäß § 26 Satz 2 der 13. BayIfSMV (Alkoholkonsumverbot), in der jeweils geltenden Fassung, festgelegt:
– Stadtbezirk … Nördliches Ufer des Donaunordarmes ab der Wehrbrücke bis in Höhe des Unteren Wöhrds -Verlängerung zum Südufer des südlichen Donauarmes – Donausüdufer bis zur Ostgrenze des Villaparks – V. straße – A1.Straße – G1. straße – S. straße bis zur Sternbergunterführung – Bundesbahngelände bis zur Galgenbergbrücke – Kreuzung G2.straße/F.straße – F1.straße bis zur Kumpfmühler Brücke – K. Straße – F2. A2. Allee – Platz … – P.allee – westliche Begrenzung des Herzogparks – Donausüdufer bis zur Staustufe Regensburg – Wehrbrücke bis zum Donaunordarm
– Stadtbezirk … F3. straße ab der Einmündung der Ostabfahrt Pfaffensteiner Brücke bis zur Frankenbrücke – Westufer des Regens bis zur Einmündung in die Donau – Donaunordarm bis zur Spundwand des RMD-Kanals – Verlängerung zum Nordufer der Donau – Nordufer des RMDKanals bis in die Höhe der Einmündung der Ostabfahrt Pfaffensteiner Brücke in die F3.straße – nördliche Verlängerung zur F3.straße.
Öffentliche Verkehrsflächen der Innenstadt und sonstige öffentliche Orte unter freiem Himmel in Bezug auf das Alkoholkonsumverbot in den genannten Stadtbezirken sind hierbei die öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (inklusive Gehwege und Fußgängerzonen) sowie die in den genannten Stadtbezirken liegenden öffentlichen Grün- und Spielanlagen. Die Grün- und Spielanlagen sind im Anlagenverzeichnis der Grünanlagensatzung der Stadt Regensburg vom 25.07.2019 einzeln aufgeführt und im zugehörigen Grünsowie Spielanlagenplan dargestellt.
2. Der genaue räumliche Umgriff der in Ziffer 1 genannten Stadtbezirke ergibt sich aus dem Lageplan zur örtlichen Bestimmung des Geltungsbereichs des Alkoholkonsumverbots, der Anlage und Bestandteil dieser Allgemeinverfügung ist.
Aus dem der Allgemeinverfügung beigefügten Lageplan (https://www.regensburg.de/fm/RBG_INTER1S_VM.a.253.de/r_upload/allgemeinverfuegung-alkoholkonsumverbot-lageplan.pdf) ergibt sich, dass sich das Alkoholverbot flächendeckend in Ost-West-Richtung auf den Bereich von der Donaustaustufe beim Wasserkraftwerk Regensburg bis hin zum L.platz am Unteren Wöhrd (ca. 3 km Luftlinie) erstreckt. In Nord-Süd-Richtung deckt es den Bereich zwischen der F3. straße und der F1. straße (ca. 2 km Luftlinie) ab.
Mit Schreiben vom 10.6.2021, bei Gericht eingegangen am 14.6.2021, erhoben die Kläger Klage gegen das Alkoholkonsumverbot, die unter dem Aktenzeichen RO 5 K 21.1146 geführt wird. Zugleich beantragten sie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Die Antragsteller, die beide in der Innenstadt von Regensburg wohnen, hätten vor Inkrafttreten des Alkoholkonsumverbots gerne in der Innenstadt Alkohol auch außerhalb von Gastronomiebetrieben konsumiert. Dies würden sie auch weiterhin gerne tun. Aufgrund des Alkoholkonsumverbots sei ihnen dies jedoch nunmehr verwehrt.
Der Eilrechtsschutzantrag sei begründet, da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung keine hinreichende Rechtsgrundlage habe. Die Anordnung sei auf § 28a Abs. 1 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt. Diese Vorschrift erlaube aber nur ein Alkoholkonsumverbot auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen. Die Antragsgegnerin habe das von ihr angeordnete Alkoholkonsumverbot jedoch flächendeckend auf den gesamten Bereich der Regensburger Innenstadt erstreckt, was von der genannten Rechtsgrundlage nicht mehr abgedeckt sei.
Darüber hinaus leide die Allgemeinverfügung an Beurteilungsfehlern. Insbesondere habe die Antragsgegnerin nicht bedacht, dass im Geltungsbereich des Alkoholkonsumverbots eine Rekorddichte von gastronomischen Betrieben bestehe, die wieder geöffnet seien und Alkohol an ihre Gäste verkaufen würden. Nach Schankschluss würden sich daher trotz Alkoholkonsumverbots außerhalb der Gastronomie sehr viele alkoholisierte Personen in der Innenstadt aufhalten. Ein Alkoholkonsumverbot bei geöffneter Gastronomie sei daher nicht sinnvoll.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf den Inhalt der Klage- und Antragsbegründung verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 1 und Nr. 2 der Allgemeinverfügung vom 8.2.2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Alkoholkonsumverbot stütze sich auf § 26 der Dreizehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (13. BayIfSMV). Diese Norm lasse auch die Festlegung von weitreichenden räumlichen Verbotszonen zu, wenn eine derartige Festlegung angesichts der örtlichen Gegebenheiten erforderlich sei. Auch bei derartigen Verbotszonen handele es sich um „bestimmte öffentliche Plätze“ im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG. Die Antragsgegnerin habe bei der Festlegung des örtlichen Geltungsbereichs des Alkoholkonsumverbots die aktuellen Entwicklungen der Pandemie, die weiteren Öffnungsschritte und die Erfahrungen der Sicherheitsbehörden zugrundegelegt, was aus der Begründung der Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 ersichtlich sei. Der Kommunale Ordnungsservice (KOS) sei im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens nochmals um entsprechende Stellungnahme gebeten worden. Dieser habe mitgeteilt, dass die letzten Wochen durch eine aggressive Grundstimmung gegenüber den Einsatzkräften des KOS und der Polizei geprägt gewesen seien. Durch die gute Versorgung mit alkoholischen Getränken hätten sich in der Nähe zu Gastronomiebetrieben immer größere Menschenansammlungen gebildet, deren Aggressivität durch Alkoholgenuss erheblich verstärkt worden sei. Diese habe sich zuweilen in massiven Sachbeschädigungen entladen.
Aus den Berichten des KOS sei ersichtlich, dass es im räumlichen Umgriff zu einer Vielzahl von „Feier-Exzessen“ gekommen sei. So hätten am 28.5.2021 ca. 500 Personen die geltende Maskenpflicht, das Alkoholkonsumverbot und Abstände im Bereich Brückenbasar/Stadtamhof/Steinerne Brücke nicht eingehalten. 300 Personen seien am Alten Kornmarkt unter Alkohol- und Drogeneinfluss höchst aggressiv vorgegangen. Am 29.5.2021 sei die B1.straße durch geschätzt 400 Personen komplett blockiert worden. Nach Einschreiten des KOS habe sich die „Party“ mit etwa 200 Personen auf den N.platz verlagert. Auch hier sei viel Alkohol im Spiel gewesen. Es sei zu Flaschenwürfen und Vermüllung gekommen. Am 4.6.2021 seien ca. 500 Personen im Bereich Brückenbasar/Stadtamhof/Steinerne Brücke gewesen und hätten sich nicht an die Maskenpflicht und das Alkoholkonsumverbot gehalten. Abstände seien nicht eingehalten worden. Gegen 23:15 Uhr hätten sich auf dem B2.platz 250 bis 300 Personen und auf dem N.platz 150 bis 200 Personen aufgehalten. Auch hier seien die Coronaregeln nicht eingehalten worden. Am 11.6.2021 – also nach Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung – habe es einen längeren Einsatz in der Roten-Hahnen-Gasse gegeben. Die Feiernden seien von den dort befindlichen Gaststätten mit Alkohol-to-go versorgt worden und hätten diesen direkt vor Ort konsumiert. Um die Eskalation zu entschärfen, sei den Gaststätten der Alkohol-to-go-Verkauf untersagt worden.
Auch die übrigen seitens der Antragsteller vorgetragenen Argumente seien nicht stichhaltig und jedenfalls aufgrund einer Allgemeinverfügung vom 22.6.2021, die eine zeitlichen Beschränkung des Alkoholkonsumverbots enthalte, nicht mehr stichhaltig.
Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Allgemeinverfügung vom 22.6.2021, die am 23.6.2021, 12:00 Uhr in Kraft getreten ist, hat die Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 abgeändert (https://www.regensburg.de/fm/RBG_INTER1S_VM.a.253.de/r_upload/allgemeinverfuegung-alkoholabgabeverbot-22062021.pdf). Die Änderungsverfügung lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Die Allgemeinverfügung der Stadt Regensburg vom 8. Juni 2021 „Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG); Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus Sars-CoV-2 im Stadtgebiet Regensburg“ wird wie folgt geändert:
1.1 An Ziffer 2. wird folgender Satz angefügt:“
Der zeitliche Geltungsbereich des Alkoholkonsumverbots beschränkt sich an den Tagen Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag auf 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr und an den Tagen Freitag, Samstag und Sonntag auf 24.00 Uhr bis 6.00 Uhr.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten im Hauptsachesowie im Eilrechtschutzverfahren Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Der Antrag ist statthaft. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung der Klage durch Bundes- oder Landesgesetz entfällt, ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend entfaltet die Klage keine aufschiebende Wirkung, da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf die §§ 28, 28a IfSG sowie auf die §§ 26 und 27 der 13. BayIfSMV gestützt sind. Derartige Maßnahmen sind nach den §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
b) Die Antragsteller sind auch antragsbefugt. Als Bewohner der Regensburger Altstadt, die beabsichtigen, in der derzeit geltenden Alkoholkonsumverbotszone Alkohol zu konsumieren und die dies vor dem Inkrafttreten des Alkoholkonsumverbots auch bereits getan haben, sind die Antragsteller im Hauptsacheverfahren nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weshalb sie auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes antragsbefugt sind.
c) Den Antragstellern fehlt aufgrund des Erlasses der Allgemeinverfügung vom 22.6.2021, durch die die Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 geändert worden ist, auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere mussten die Antragsteller nicht auch die Änderungsverfügung vom 22.6.2021 anfechten; denn letztere Allgemeinverfügung nimmt nicht generell den Regelungsgehalt der geänderten Allgemeinverfügung in sich auf. Ein konkretes Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung der ursprünglichen Allgemeinverfügung besteht nur dann nicht mehr, wenn die mit der Klage angefochtene Allgemeinverfügung durch eine Änderungsverfügung zurückgenommen oder widerrufen oder in allen ihren Regelungsteilen ersetzt wird, sodass von der ursprünglichen Allgemeinverfügung keine Rechtswirkungen mehr ausgehen (vergleiche dazu: BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 3 C 34/89 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.2021 – 8 C 15/96 – juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn der räumliche Geltungsbereich des Alkoholkonsumverbots wurde nicht verändert. Lediglich in zeitlicher Hinsicht wurde das Alkoholkonsumverbot entschärft. Gerade im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich entfaltet die Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 somit noch Rechtswirkungen, weshalb die Hauptsacheklage insoweit nach wie vor zulässig bleibt, was gleichermaßen auch für den Eilrechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gilt. Deshalb mussten die Antragsteller die Allgemeinverfügung vom 22.6.2021 auch nicht ausdrücklich in ihre Klage einbeziehen; denn die von den Antragstellern angegriffene Regelung ist in der insoweit fortgeltenden Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 enthalten und nicht in der Allgemeinverfügung vom 22.6.2021 aufgegangen (vgl. zur Fortgeltung der Allgemeinverfügung vom 8.6.2021: Nr. 4. der Allgemeinverfügung vom 22.6.2021). Die Änderung vom 22.6.2021 bringt für die Antragsteller zwar insoweit eine Erleichterung, als diese nunmehr von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 6:00 Uhr bis 23:00 Uhr und an Freitagen, Samstagen und Sonntagen in der Zeit von 6:00 Uhr bis 24:00 Uhr im Bereich der Innenstadt und in Stadtamhof Alkohol konsumieren dürfen. Da ihre Klage wie auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch gegen das Alkoholkonsumverbot insgesamt gerichtet ist, sind sie nach wie vor dadurch beschwert, dass das Verbot in der Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr bzw. an Wochenenden zwischen 24:00 Uhr und 6:00 Uhr fortbesteht (vgl. zur weiterhin bestehenden Regelungswirkung eines Erstbescheids im Fall des Erlasses eines Änderungsbescheids: BVerwG, U.v. 17.6.2021 – 8 C 15/96 – juris).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Im Rahmen der Begründetheitsprüfung hat das Gericht eine eigene originäre Entscheidung auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen, bei der die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle spielen.
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird die Hauptsacheklage voraussichtlich erfolgreich sein. Für das seitens der Antragsgegnerin angeordnete flächendeckende Alkoholkonsumverbot besteht keine ausreichende Rechtsgrundlage.
a) Prüfungsgegenstand ist im vorliegenden Fall das Alkoholkonsumverbot der Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 22.6.2021. Bei dem durch Allgemeinverfügung angeordneten Alkoholkonsumverbot handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, weshalb der Inhalt des Verwaltungsakts zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblich ist. Deshalb sind die Änderungen, die die Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 durch die Allgemeinverfügung vom 22.6.2021 erfahren hat, zu berücksichtigen.
b) Für das noch bestehende zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbot besteht keine ausreichende Rechtsgrundlage.
Die Antragsgegnerin hat das Verbot auf die §§ 28, 28a IfSG sowie auf die §§ 26 und 27 der 13. BayIfSMV gestützt. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 IfSG und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere sein ein umfassendes oder auf bestimmte Zeiten beschränktes Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen. Zur Umsetzung dieser Regelung hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gemäß §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1, 28a Nr. 9 IfSG den § 26 der 13. BayIfSMV erlassen. Danach ist der Konsum von Alkohol auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, untersagt (Satz 1). Die konkret betroffenen Örtlichkeiten sind jeweils von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde festzulegen (Satz 2).
Schon aufgrund des Wortlauts der genannten Vorschriften ist ersichtlich, dass ein flächendeckendes Alkoholkonsumverbot nach den bestehenden Ermächtigungsgrundlagen nicht erlassen werden kann. Die Begriffe „bestimmte öffentliche Plätze“ sowie „öffentliche Orte unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten“ zeigen, dass die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde jeweils konkret überprüfen muss, welche Örtlichkeiten in ihrem Zuständigkeitsbereich besonders attraktiv sind, um Partys o. ä. zu feiern. Die Untersagung der Abgabe oder des Konsums von alkoholischen Getränken auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten soll nämlich dazu beitragen, Infektionsrisiken zu verringern, da durch die damit verbundene Kontaktbeschränkung das Übertragungsrisiko gesenkt wird. Zudem wird verhindert, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen an den Verkaufsstellen einfinden und gruppieren (so ausdrücklich die amtliche Begründung zur am 3.11.2020 vorgesehenen Fassung des § 28a Abs. 1 Nr. 12 IfSG „Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten“, BT-Drs. 19/23944, S. 33). Hier wird deutlich, dass ein auf den gesamten Innenstadtbereich ausgedehntes Alkoholkonsumverbot nach den bestehenden Ermächtigungsgrundlagen nicht erlassen werden kann. Vielmehr hat sich die zuständige Kreisverwaltungsbehörde daran zu orientieren, an welchen Orten sich regelmäßig größere Menschenmengen zum Zweck des Alkoholkonsums ansammeln und dort dann den gebotenen Mindestabstand von 1,5 m nicht einhalten. Der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Dies bedeutet, dass sie nach ihrer Ortskenntnis, den Erfahrungen und Recherchen, gegebenenfalls nach Rücksprache oder fachlicher Beratung durch den KOS oder die Polizei ermitteln muss, an welchen konkreten Örtlichkeiten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs es zu infektionsschutzrechtlich gefährlichen Ansammlungen kommen kann oder in der Vergangenheit bereits gekommen ist. In diesem Sinn hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 19.1.2021 (20 NE 21.76 – juris, Rn. 30), mit dem er § 24 Abs. 2 der 11. BayIfSMV, der ein umfassendes Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum enthielt, außer Vollzug gesetzt hat, folgendes ausgeführt:
„Aus der Zusammenschau des Wortlautes der Norm in ihrem semantischen Aufbau, ihrem Sinn und Zweck, infektionsschutzrechtlich gefährliche Ansammlungen zu verhindern, und aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass die nach § 28 Abs. 1 Nr. 9 IfSG zulässigen Alkoholabgabe- und -konsumverbote eine zeitliche und eine örtliche Dimension haben, die getrennt voneinander zu betrachten sind. Dabei legt § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG verbindlich fest, dass Alkoholverbote nur an bestimmten Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen ausgesprochen werden dürfen. Der Begriff „umfassend“ bezieht sich hingegen ausschließlich auf die zeitliche Komponente der Norm, da er unmittelbar mit der Alternative „oder auf bestimmte Zeiten beschränkt“ verknüpft ist und sprachlich in untrennbarem Zusammenhang mit dem „Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen“ steht. Gemeint ist damit, dass der Verordnungsgeber, sofern dies angesichts der örtlichen Gegebenheiten erforderlich ist, den Konsum und/oder die Abgabe von Alkohol auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen ohne zeitliche Beschränkung verbieten kann, nicht hingegen, dass ein zeitlich unbeschränktes Verbot des Alkoholkonsums oder seiner Abgabe im gesamten Geltungsbereich einer auf § 32 Satz 1 IfSG gestützten Verordnung erlassen werden kann.“
Diese Ausführungen, die für ein Alkoholkonsumverbot im gesamten öffentlichen Raum des Freistaats Bayern gelten, lassen sich auf das Gebiet einer kreisfreien Stadt herunterbrechen. Einer Kreisverwaltungsbehörde ist es nicht gestattet, den gesamten Bereich der Innenstadt mit einem Alkoholkonsumverbot zu belegen. Vielmehr ist jeweils konkret zu überprüfen, wo sich die problematischen Örtlichkeiten befinden. Die Antragsgegnerin selbst führt in ihrer Antragserwiderung aus, dass es an bestimmten Örtlichkeiten in der Vergangenheit zu Problemen gekommen ist. So benennt sie etwa ausdrücklich die Bereiche Brückenbasar/Stadtamhof/Steinerne Brücke, N.platz, B2.platz und R.-Gasse. Dort sei es – trotz geltendem Alkoholkonsumverbot – zu größeren alkoholisierten Menschenansammlungen gekommen. Zurecht weisen jedoch die Antragsteller darauf hin, dass sich im weiträumigen Geltungsbereich des Alkoholkonsumverbots auch Örtlichkeiten befinden, bei denen nicht zu erwarten ist, dass es zu derartigen Menschenansammlungen kommen wird, oder an denen es bereits zu derartigen Ansammlungen gekommen ist. Die Antragsteller nennen hier beispielsweise die F3.straße oder den Bereich an der Donau zwischen dem Eisernen Steg und der Staustufe.
Ein flächendeckendes Alkoholverbot lässt sich auch nicht auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG stützen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt dazu in seinem bereits oben erwähnten Beschluss vom 19.1.2021 (20 NE 21.76 – juris, Rn. 31) aus:
„Auch ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG scheidet vorliegend aus, weil die im Katalog der Regelbeispiele genannten Eingriffsbefugnisse für die von ihnen erfassten Lebenssachverhalte bei der Eindämmung der Corona-Pandemie, hier Abgabe und Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum, als gegenüber der Generalklausel speziellere Befugnisse ausgestaltet sind. Sie schließen einen (ergänzenden) Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in ihrem sachlichen Anwendungsbereich aus. Dies gilt umso mehr, je detaillierter ein Lebenssachverhalt durch ein Regelbeispiel ausgestaltet wird (so auch Schünemann, „Generalklausel und Regelbeispiele“, JZ 2005, 271). Anderenfalls liefen die Regelbeispiele des § 28a Abs. 1 IfSG, die in Verbindung mit § 28 Abs. 1 IfSG für grundrechtsrelevante Eingriffsbefugnisse der Verwaltung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage schaffen und die Eingriffsbefugnisse gleichzeitig determinieren sollen, leer.“
Nach alledem besteht für das flächendeckende sich auf den gesamten Bereich der Innenstadt und Stadtamhof erstreckende Alkoholkonsumverbot keine ausreichende infektionsschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage (so im Ergebnis auch: OVG Hamburg, B.v. 12.3.2021 – 5 Bs 33/21, 2 E 195/21 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 1.9.2020 – 20 CS 20.1962 – juris zu einem auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 IfSG gestützten und für das gesamte Stadtgebiet geltenden Alkoholkonsumverbot).
Der Antragsgegnerin mag zwar zuzugestehen sein, dass es beim Erlass örtlich begrenzter Alkoholkonsumverbote zu Verlagerungseffekten kommen mag, da die „Feiernden“ dann auf Plätze ausweichen, die bislang noch nicht stark frequentiert wurden und auf denen kein Konsumverbot besteht, um dort dann Alkohol zu konsumieren. In derartigen Fällen wird der Antragsgegnerin aber nichts anderes übrigbleiben, als ein für bestimmte Örtlichkeiten bestehendes Alkoholkonsumverbot dann auch auf derartige neu entstehende Hotspots auszudehnen.
c) Auf die Frage, ob die Allgemeinverfügung vom 8.6.2021 in der Fassung der Allgemeinverfügung vom 22.6.2021 an weiteren Mängeln leidet, die zu deren Rechtswidrigkeit führen – wie dies von den Antragstellern geltend gemacht wird – kommt es damit nicht mehr an. Eine weitergehende Prüfung erübrigt sich daher. Insoweit ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin den zeitlichen Geltungsbereich des Alkoholkonsumverbots an die Öffnungszeiten der Gastronomiebetriebe angeglichen hat, sodass der von den Antragstellern geltend gemachten Beurteilungsfehler der Nichtberücksichtigung der Öffnung der Gastronomiebetriebe nunmehr jedenfalls nicht mehr bestehen dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG). Die Geltungsdauer der Allgemeinverfügung knüpft an die 13. BayIfSMV an; denn sie gestaltet die Anordnung in § 26 der 13. BayIfSMV aus. Somit wird auch die Allgemeinverfügung obsolet, wenn die 13. BayIfSMV außer Kraft tritt, was nach deren § 29 Satz 1 mit Ablauf des 4.7.2021 der Fall ist. Die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nimmt somit die Hauptsacheentscheidung vorweg, weshalb eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt ist.


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