Verwaltungsrecht

Exmatrikulation nach endgültig nicht bestandener Modulprüfung

Aktenzeichen  7 ZB 15.1279

Datum:
12.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46017
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 II Nr. 1, 2, 5
GG Art. 12 I

 

Leitsatz

1 Die Beschränkung der möglichen Wiederholungen einer Prüfung ist mit der Berufswahlfreiheit vereinbar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die (unerkannte) Prüfungsunfähigkeit ist unverzüglich geltend zu machen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 14.673 2014-12-30 Endurteil VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen seine Exmatrikulation aus dem Studiengang „Lehramt an Haupt-/Mittelschulen“ der O.-F.-Universität B. (Universität) aufgrund der endgültig nicht bestandenen Modulprüfung „Schulpädagogik I“.
Der Kläger nahm am 17. Februar 2014 im dritten Versuch an der Modulprüfung „Schulpädagogik I“ teil, die er erneut und damit endgültig nicht bestand. Nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses beantragte der Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2014 bei der Universität als „Härtefall“ eine erneute Wiederholungsmöglichkeit der Prüfung, weil er seit Anfang des Semesters unter gesundheitlichen Problemen gelitten habe und diese sich während des Semesters „verstärkt bemerkbar gemacht“ hätten. Die Universität lehnte mit Bescheid vom 3. Juni 2014 den „Härtefallantrag“ des Klägers ab und exmatrikulierte mit weiterem Bescheid vom 5. Juni 2014 den Kläger wegen der endgültig nicht bestandenen Modulprüfung aus dem Studiengang. Den Widerspruch des Klägers gegen beide Bescheide wies die Universität mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der Bescheide Bezug genommen.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth hat die auf Aufhebung der genannten Bescheide und Verpflichtung der Beklagten zu 2, dem Kläger eine „Nachprüfung“ für die Modulprüfung „Schulpädagogik I“ zu ermöglichen, gerichtete Klage mit Urteil vom 30. Dezember 2014 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise zudem besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Außerdem beruhe das Urteil auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Verweigerung der Möglichkeit einer erneuten Wiederholung der Prüfung und die Exmatrikulation stellten bereits einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Klägers dar. Auch habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, zur Frage der Prüfungsfähigkeit des Klägers ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen und den Kläger im erstinstanzlichen Verfahren persönlich anzuhören. Ferner habe das Verwaltungsgericht die Prüfungsunterlagen nicht beigezogen und sich nicht mit dem Einwand des Klägers auseinandergesetzt, dass etwa die Hälfte der Aufgaben der streitgegenständlichen Klausur „Multiple-Choice-Aufgaben“ gewesen seien, bei denen nicht nur eine, sondern auch mehrere Antworten zutreffend sein konnten. Das Verwaltungsgericht sei ebenso nicht auf den Einwand des Klägers eingegangen, dass die Prüfungsleistung entgegen dem „Vieraugenprinzip“ nicht von zwei Prüfern bewertet worden sei. Im Übrigen werde die Prüferbewertung der klägerischen Antworten zu einzelnen Fragen beanstandet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten des Klägers vom 13. Juli 2015, 29. Februar 2016 und 29. April 2016 Bezug genommen.
Die Beklagten widersetzen sich dem Begehren des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Möglichkeit zur erneuten Wiederholung der endgültig nicht bestandenen Prüfung. Seine Exmatrikulation aus dem Studiengang ist rechtmäßig. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). In Bezug auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist ergänzend zu bemerken:
a) Die in Prüfungsordnungen normierte Beschränkung von Wiederholungsmöglichkeiten ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie ist durch das allgemeine Interesse an einem zügigen Fortgang und Abschluss der Ausbildung gerechtfertigt und liegt nicht zuletzt auch im Interesse der betroffenen Studierenden, möglichst rasch Klarheit darüber zu gewinnen, ob sie für das Studium geeignet sind oder nicht. Die Prüfungsordnungen können – auch bei berufsrelevanten Prüfungen – aus Gründen des allgemeinen Interesses an einem zügigen Fortgang und Abschluss der Berufsausbildung deshalb ohne Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG sogar vorsehen, dass eine nicht bestandene Prüfung (nur) einmal wiederholt werden darf. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die streitgegenständliche Prüfungsordnung die Möglichkeit von zwei Wiederholungsversuchen der nicht bestandenen streitgegenständlichen Prüfung vorsieht (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 7.10.2013 – 7 ZB 13.1220 – juris Rn. 17 m. w. N.).
b) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine tatsächlich unerkannte Prüfungsunfähigkeit auch noch nach Abschluss der Prüfung geltend gemacht werden kann (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 15.11.2004 – 7 ZB 04.1308 – juris Rn. 10). Zu Recht geht das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung weiter davon aus, dass allerdings die Obliegenheit des Prüflings besteht, die von ihm nicht zu vertretenden und seine Leistungsfähigkeit während der Prüfung erheblich vermindernden Umstände, substantiiert und zeitnah („unverzüglich“) geltend zu machen. Dies gilt insbesondere – wie im Fall des Klägers – für den Prüfling, der an der Prüfung teilnimmt und die Mitteilung des Prüfungsergebnisses abwartet, um anschließend geltend zu machen, während der Prüfung aus Krankheitsgründen (unerkannt) in der Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen zu sein (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 14 f.). Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil schließlich zu Recht ausgeführt, dass sich aus den vom Kläger vorgelegten (ärztlichen) Bescheinigungen und Attesten schon nicht ergibt, dass der Kläger am Prüfungstag prüfungsunfähig gewesen ist und erst recht nicht, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, den Umstand einer etwaigen Prüfungsunfähigkeit erst nach Bekanntwerden des Prüfungsergebnisses zu erkennen. Für das Verwaltungsgericht bestand danach kein Anlass, zu dieser Frage ergänzend ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen oder den Kläger, der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, persönlich anzuhören.
c) Die vom Kläger erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren bzw. erstmals im Zulassungsverfahren vorgetragenen Einwände gegen die Bewertung der Prüfungsleistung sind ebenfalls unbegründet.
Die für die streitgegenständliche Modulprüfung geltende Allgemeine Prüfungsordnung (APO) der Universität sieht ausdrücklich vor, dass schriftliche Prüfungen ganz oder teilweise auch in der Weise abgenommen werden können, dass der Kandidat anzugeben hat, welche der mit den Aufgaben vorgelegten Antworten er für richtig hält (Antwort-Wahl-Verfahren). Die Prüfung kann dabei aus Aufgaben mit nur einer richtigen Antwort aus mehreren Antwortvorschlägen bestehen oder aus Aufgaben mit einer für die Kandidaten unbekannten Anzahl richtiger Antworten aus den jeweiligen Antwortvorschlägen (vgl. § 10a Satz 1 und 2 APO). Die Universität hat im Zulassungsverfahren unter Übermittlung der Prüfungsunterlagen ferner dargelegt, dass die streitgegenständliche Klausur des Klägers – wie in der Prüfungsordnung vorgesehen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 APO) und vom Kläger mittlerweile auch eingeräumt – von zwei Prüfern bewertet worden ist. Hinsichtlich der Einwände des Klägers gegen die Bewertung seiner Antworten zu einzelnen Fragen haben sich im Zulassungsverfahren ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergeben. Die von der Universität hierzu übermittelte Prüfer-Stellungnahme legt ausführlich dar, dass sich die Bewertung der klägerischen Prüfungsleistung im Rahmen des den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraums hält. Anhaltspunkte für Bewertungsfehler sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Rechtssache weist nach alledem weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch beruht das Urteil auf einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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