Verwaltungsrecht

Festsetzung der Dringlichkeit für eine Sozialwohnung

Aktenzeichen  M 12 K 15.5505

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

1 Die Heranziehung einer Punktetabelle zur Vorentscheidung über den Grad der sozialen Dringlichkeit für eine Sozialwohnung ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (ebenso VGH München BeckRS 1999, 26710). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Überbelegungstatbestand, der eine höhere Dringlichkeit rechtfertigen würde, ist nicht gegeben, wenn die Überbelegungssituation nicht dauerhaft fortbesteht und die Personen, die in der Wohnung zusammen wohnen, auch nicht als Mehrpersonenhaushalt für eine gemeinsame Sozialwohnung registriert werden wollen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bevor ein Antragsteller nicht alle Möglichkeiten zur Reduzierung seiner Mietbelastung ausgeschöpft hat, kann er nicht aus wirtschaftlichen Gründen für eine Sozialwohnung vorgemerkt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

II.
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2016 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter Aufhebung der Nr. 4 des Bescheids vom 30. November 2015 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, eine höhere Dringlichkeit festzusetzen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14.04.1999 – 24 S 99.110). Nach der Punktetabelle können im Fall einer ausreichenden Unterbringung des Antragstellers 15 Grundpunkte vergeben werden.
Hiervon ausgehend begegnet die von der Beklagten vorgenommene Dringlichkeitseinstufung des vom Kläger vorgetragenen Lebenssachverhalts mit 15 Grundpunkten keinen rechtlichen Bedenken. Ausweislich des im Verfahren Az.: M 12 K 14.5446 vorgelegten Wohnungsmietvertrags vom … Dezember 2004 steht dem Kläger in der derzeit von ihm bewohnten Mietwohnung ein kombinierter Wohn- und Schlafraum mit Küche zur Verfügung. Aufgrund des großen Mangels an preisgünstigen Wohnungen im Ballungsraum München ist bei der Wohnraumzumessung ein restriktiver Maßstab anzuwenden. Gemessen hieran ist der Kläger als Einpersonenhaushalt in seiner jetzigen Wohnung flächenmäßig ausreichend untergebracht.
Trotz des Umstandes, dass der Kläger seinen Bruder in seiner Wohnung mitaufgenommen hat, ist auch ein Überbelegungstatbestand nicht gegeben. Nach Sinn und Zweck der Vergabe von Überbelegungspunkten scheidet eine Zuerkennung solcher Punkte aus, wenn die Überbelegungssituation nicht dauerhaft fortbesteht und die Personen, die in der Wohnung zusammen wohnen, auch nicht als Mehrpersonenhaushalt für eine gemeinsame Sozialwohnung registriert werden wollen. Denn mit der Vergabe von Überbelegungspunkten wird gerade dem Umstand Rechnung getragen, dass Haushaltsangehörige, die auf Dauer zusammen leben möchten, derzeit in einer zu kleinen Wohnung untergebracht sind. Vorliegend haben der Kläger und sein Bruder jedoch jeweils eigene Vormerkanträge gestellt und möchten nicht in einer gemeinsamen Sozialwohnung leben. Der Bruder des Klägers wurde mit 96 Punkten als Wohnungsloser registriert. Da nur der Kläger Vertragspartei des Wohnungsmietvertrages ist, hat er es darüber hinaus auch selbst in der Hand, die Überbelegungssituation jederzeit wieder zu beenden.
Weiterhin kann dem Antrag des Klägers auch keine Dringlichkeit aus wirtschaftlichen Gründen beigemessen werden. Es ist zu berücksichtigen, dass angesichts des großen Mangels an Sozialwohnungen der Erhalt der bisherigen Wohnung grundsätzlich der Vermittlung einer geförderten Wohnung vorgeht. Der Kläger muss sich daher im Rahmen der gebotenen Selbsthilfe darauf verweisen lassen, zum Erhalt seiner bisherigen Wohnung erst einen Antrag auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz zu stellen. Bevor er nicht alle Möglichkeiten zur Reduzierung seiner Mietbelastung ausgeschöpft hat, kann er daher nicht aus wirtschaftlichen Gründen für eine Sozialwohnung vorgemerkt werden. Ein Nachweis über einen Wohngeld-Bescheid wurde durch den Kläger nicht erbracht. Zudem fehlen Nachweise über die Zusammensetzung der Bruttomiete. Laut des im Verfahren Az.: M 12 K 14.5446 vorgelegten Wohnungsmietvertrags vom … Dezember 2004 beträgt die Bruttomiete 470,- €, im Antrag selbst wurden 590,- € angegeben.
Da der Kläger keiner der in Art. 5 Satz 3 BayWoBindG genannten Personengruppen angehört, die vorrangig zu berücksichtigten sind, besteht auch kein Anspruch auf die Zuerkennung von Vorrangpunkten.
Nach der aktuellen Punktetabelle stehen dem Kläger 28% der Grundpunkte für die 14 Jahre Hauptwohnsitzzeit in München, d. h. fünf Anwesenheitspunkte, zu. Die Festsetzung der Anwesenheitspunkte im Bescheid von 25. August 2016 ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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