Verwaltungsrecht

Feuerwehrzufahrt, Verwaltungsgerichte, Ersatzvornahme, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtsmittelbelehrung, Vorläufiger Rechtsschutz, Verhütung von Gefahren, Streitwertfestsetzung, Vollstreckungsvoraussetzungen, Rückschnitt, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Verwaltungsakt, Grundverwaltungsakt, Kostenentscheidung, Behördenakten, Inhaber der tatsächlichen Gewalt, Zwangsgeldandrohung, Kostenrecht, Zweiter Rettungsweg, Prozeßbevollmächtigter

Aktenzeichen  Au 4 K 20.1453

Datum:
27.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2173
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VVB §§ 22 Abs. 1, 24 Abs. 1 S. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Nichterscheinens der Klagepartei verhandelt und entschieden werden. Der Kläger wurde hierauf hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
Die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2020 ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Vollstreckung des Verwaltungsakts durch Ersatzvornahme bewirkt keine Erledigung, so dass der Bescheid weiterhin tauglicher Gegenstand des klägerischen Anfechtungsbegehrens (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist. Denn die Vollstreckung eines Verwaltungsaktes durch Ersatzvornahme führt nicht zu dessen Erledigung, weil von dem Grundverwaltungsakt weiterhin Rechtswirkungen für das Vollstreckungsverfahren ausgehen. Auch die irreversible Vollstreckung steht deshalb dem Eintritt der Bestandskraft des Grundverwaltungsakts nicht entgegen; Einwendungen gegen dessen Rechtmäßigkeit sind dann im Anfechtungsverfahren gegen den Kostenerstattungsbescheid unbeachtlich (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris -Ls- und Rn. 13; Emmenegger in Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 4. Aufl. 2016, § 113 Rn. 94; a. A. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 107; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 113 Rn. 119).
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die in Nr. 1 des Bescheids enthaltene Verpflichtung zum Rückschnitt der auf die Feuerwehrzufahrt hineinragenden Äste auf eine lichte Höhe von 4 m erweist sich ebenso wie die Androhung der Ersatzvornahme (Nr. 2 des Bescheids) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die sachliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den Vollzug der Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB) ergibt sich aus § 23 Abs. 1 VVB. Da es sich bei §§ 22 ff. VVB um verhaltensbezogene und nicht um baurechtliche Vorschriften handelt, werden diese durch die nach § 23 Abs. 1 VVB zuständigen Behörden und nicht durch die Bauaufsicht vollzogen (Frank, Novellierung der Verordnung über die Verhütung von Bränden, Teil 2, KommP BY, 3/2013). Die örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG.
2. Nach § 22 Abs. 1 VVB sind Zu- und Ausgänge, Durchfahrten, Durchgänge, Treppenräume und Verkehrswege, die bei einem Brand als erster oder zweiter Rettungsweg vorgesehen sind, freizuhalten. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 VVB können Gemeinden im Einzelfall weitergehende Anordnungen treffen, die zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz durch Brand erforderlich sind. Dass es sich bei der Feuerwehrzufahrt um einen ersten oder zweiten Rettungsweg im Sinne des § 22 Abs. 1 VVB handelt, wie von der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid zugrunde gelegt, lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung letztlich auch bestätigt. Allerdings kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Verpflichtung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids auf § 22 Abs. 1 VVB stützen konnte, oder ob als Rechtsgrundlage (allein) § 24 Abs. 1 VVB heranzuziehen ist. In Betracht kommt ferner Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG, wonach zur Abwehr u.a. von Gefahren, die Leben oder Gesundheit von Menschen bedrohen, Einzelfallanordnungen getroffen werden können.
Denn die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen. Erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, U. v. 27.1.1982 – 8 C 12.81 – BVerwGE 64, 356; U.v. 19.8.1988 – BVerwG 8 C 29.87 – BVerwGE 80, 96/98; U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 – juris Rn. 16).
So liegt der Fall hier. Der Austausch der Rechtsgrundlage ließe den Tenor der Grundverfügung unberührt. Er erfordert auch keine wesentlich anderen oder zusätzlichen Erwägungen im Rahmen des Ermessens. § 24 Abs. 1 VVB ist ebenfalls auf die Vermeidung und Verhütung von Gefahren durch Brand gerichtet. Ebenso zielt Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG u.a. auf die Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz u.a. durch Brand ab. Mit der angefochtenen Anordnung soll – unabhängig davon, ob sie auf § 24 Abs. 1 Satz 1 VVB oder Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt wird – den vorgenannten Gefahren begegnet werden. Hierauf hat die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid (mit) abgestellt und neben § 22 Abs. 1 VVB in der Begründung auch die Vorschrift des § 24 Abs. 1 VVB herangezogen. Insoweit stimmen auch die wesentlichen Grundlagen für die von der Beklagten vorgenommene Ermessensentscheidung überein.
3. Die Beklagte hat auch das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Sie hat die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Belange angeführt und ist zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass in die Feuerwehrzufahrt hineinragende Äste vom Kläger entfernt werden müssen. Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass andere Bereiche beim Altenheim möglicherweise auch als Feuerwehrzufahrten geeignet sein könnten. Selbst wenn diese als mögliche Feuerwehrzufahrten in Betracht kämen, entbindet dies den Kläger nicht von der Pflicht, die zur Verhütung von Gefahren durch Brand erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Hierzu gehört auch der Rückschnitt des Baumes auf das Maß, damit dieser die Nutzbarkeit einer Feuerwehrzufahrt auf dem Nachbargrundstück nicht hindert oder einschränkt. Da maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzustellen ist, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers auf den Zustand vor 20 Jahren nicht entscheidend an. Die Anordnung ist auch im Übrigen verhältnismäßig; die geforderte lichte Höhe von 4 m ist im Hinblick auf die Maße eines Feuerwehrfahrzeugs (s. hierzu Behördenakte Bl. 1) erforderlich und angemessen. Die Anordnung richtet sich zulässiger Weise gegen den Kläger als Inhaber der tatsächlichen Gewalt, vgl. § 24 Abs. 3 VVB bzw. Art. 9 Abs. 2 LStVG.
Da die Beklagte bei ihrer Beurteilung die Maßstäbe des öffentlichen Rechts zugrunde zu legen hat, haben etwaige zivilrechtliche Probleme zwischen dem Kläger und der Beklagten in Grundstücksangelegenheiten keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Im Hinblick auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (s.o.) berühren die von der Beklagten im Nachgang vorgenommene Maßnahmen die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht.
4. Auch im Übrigen ist die in Nr. 1 des Bescheids ausgesprochene Verpflichtung rechtmäßig.
Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Durch die eindeutige Höhenvorgabe für den Rückschnitt ist klar ersichtlich, was vom Kläger verlangt wird, um der Anordnung Folge zu leisten.
5. Die Androhung der Ersatzvornahme stützt sich auf Art. 32 Satz 2 i.V.m. 36 Abs. 1 VwZVG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Verwaltungszwangs, insbesondere ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG) liegen vor. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben. Insbesondere ließ ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten (Art. 32 Satz 2 VwZVG), da der Kläger im Verlauf des Verwaltungsverfahrens wiederholt und unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, einer etwaigen Verpflichtung zum Rückschnitt keinesfalls Folge leisten zu wollen, selbst wenn die Umsetzung der Maßnahme durch die Beklagte auf deren Kosten erfolge (s. auch Aktenvermerk v. 25.6.2020, Bl. 6 der Behördenakte).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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