Verwaltungsrecht

Folgeantrag wegen Konversion zum Christentum im Iran

Aktenzeichen  B 2 K 16.31112

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142294
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 31 Abs. 3 S. 1, § 71 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 49

 

Leitsatz

1. Wird der Folgeantrag nach § 71 Abs. 1 AsylG auf eine Konversion zum Christentum gestützt und eine solche schon im Erstverfahren vorgetragen, kann ein Wiederaufgreifensgrund nur dann gegeben sein, wenn die Zuwendung des Klägers zum christlichen Glauben in der Zwischenzeit eine andere Qualität angenommen hat und der Kläger diesen „Qualitätssprung“ innerhalb der 3-Monatsfrist des § 51 Abs. 1 VwVfG geltend gemacht hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetreten Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen, wie auch erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder sogar eine Gefahr für Leib oder Leben wegen seiner Religionsausübung drohen. Eine solche Gefahr besteht jedoch nur, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Ziffer 1 des Bescheides vom 09.08.2016 und auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
Die Beklagte hat den Folgeantrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zu Recht abgelehnt. Ein weiteres Asylverfahren ist gem. § 71 Abs. 1 AsylG nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, wenn also Wiederaufgreifensgründe vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Gem. § 77 Abs. 2 AsylG wird zur Begründung zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstige Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2). Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt gem. § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Der Kläger stützt seinen Folgeantrag auf seine Konversion zum Christentum. Diese hat er auch bereits im Erstverfahren vorgetragen. Ein Wiederaufgreifensgrund kann deshalb vorliegend nur dann gegeben sein, wenn die Zuwendung des Klägers zum christlichen Glauben in der Zwischenzeit eine andere Qualität angenommen hat und der Kläger diesen „Qualitätssprung“ innerhalb der 3-Monatsfrist des § 51 Abs. 1 VwVfG geltend gemacht hat. Der Kläger war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Asylerstantrag christlich getauft. In der mündlichen Verhandlung im Verfahren B 3 K 14.30337 hatte er angegeben, durch seine Hinwendung zum christlichen Glauben innere Ruhe erhalten zu haben. Nach dem Bibelstudium seien für ihn alle Fragen beantwortet gewesen. Sein Ziel sei es, das er das, was er von Jesus erfahren habe auch an andere Menschen mitteilen wolle. Er nehme jeden Samstag an einer Bibelstunde und jeden Sonntag am Gottesdienst teil. Zu den seit der letzten Entscheidung eingetretenen Änderungen befragt, gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 an, dass er sich weiterentwickelt und inzwischen viel mehr Kontakte und Aktivitäten habe. Sein Bevollmächtigter verwies hierzu auf eine Verstärkung seiner Aktivitäten insbesondere für die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde in … Konkret gab der Kläger auf Nachfrage an, dass er als Übersetzer für die Kirche arbeite und auch an Kursen teilnehme. Er helfe den neu Angekommenen in der Gemeinde und stehe für diese als Kontaktperson zur Verfügung. Hierin erkennt das Gericht jedoch keinen Qualitätssprung gegenüber den im Erstverfahren vorgetragenen Aktivitäten. Auch hier hatte der Kläger bereits ausgeführt an Bibelkreisen teilzunehmen und besonderen Wert auf die Weitergabe des christlichen Glaubens zu legen. Deshalb kann auch in der Übernahme der Patenschaften, für die der Kläger Urkunden vorgelegt hatte keine besondere neue Qualität seines Glaubens erkannt werden. Der Kläger hat keine besondere Beziehung zu den Täuflingen dargestellt. Er habe diese im Jahr 2015 bei einem Besuch in … anlässlich des iranischen Neujahrsfestes kennengelernt und sie eingeladen, sich Christus anzuschließen. Auch die Vielzahl von Menschen, die nach Angaben des Klägers schon aufgrund dessen Zutuns dem christlichen Glauben zugeführt wurden, kann das Gericht nicht als Qualitätssprung in seinem eigenen Glauben erkennen. Es ist gerichtsbekannt, dass sich viele iranische Staatsangehörige derzeit christlich taufen lassen. Hierzu werden inzwischen spezielle muttersprachliche Taufkurse angeboten. Eine tatsächliche, innere Zuwendung zum Christentum ist hierbei jedoch häufig nicht gegeben. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er habe auch selbst Kurse besuchen wollen, um Pastor zu werden kann das Gericht bereits keinen ernsthaften Willen hierzu erkennen. Der Kläger konnte weder angeben, wo man Theologie studieren könne, noch was die Voraussetzungen für die Zulassung zum Theologiestudium seien. Hierzu führte er lediglich aus: der Glaube an Jesus und ein gesicherter Aufenthaltsstatus. Um einen Studienplatz hätten sich Freunde für ihn bemüht. Er habe jedoch keine Arbeitserlaubnis und auch keine „Studienerlaubnis“. Selbst wenn der Kläger ein Theologiestudium ernsthaft erwogen hätte, so hat er dies jedoch jedenfalls nicht innerhalb der 3-Monatsfrist des § 51 Abs. 1 VwVfG geltend gemacht, da seine Bemühungen um den Studienplatz nach eigenen Angaben bereits 1 ½ Jahre zurücklagen. Auch aus dem vom Kläger zur Begründung seines Folgeantrags vorgelegten Schreibens „Im Namen der Heiligen Herrlichkeit“ ergibt sich für das Gericht kein Qualitätswechsel im Glauben des Klägers. Hierin stellt der Kläger zunächst (wie auch schon im Erstverfahren) dar, wie es zu seiner Taufe kam und dass er bei Jesus Christus Ruhe gefunden habe. Anschließend folgen einige Seiten fast wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Inhalten und Lehrmeinungen aus Islam, Juden- und Christentum. Der Kläger zeigt hierdurch zwar, dass er sich kritisch mit Lehrmeinungen des Islam auseinandersetzt, aus dem Schreiben ergibt sich jedoch für das Gericht keine Steigerung in der Qualität seines Glaubens, da der Kläger auch im Erstverfahren bereits vorgetragen hatte, dass er das Christentum mit dem Islam vergleiche. Auch aus seinem Bemühen um andere Asylbewerber und Ausländer in seiner Gemeinde und dem Umfeld seiner Unterkunft kann das Gericht keine Qualitätsänderung in seinem christlichen Glauben erkennen. Auch aus der Teilnahme an einem Glaubenskurs lässt sich eine solche nicht schließen, da der Kläger auch schon im Erstverfahren den Bibelunterricht besuchte.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 29.09.2014 hinsichtlich der Feststellungen zu §§ 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist bei der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II, S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Betracht käme hier vorliegend die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung aufgrund der Konversion zum Christentum. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Falle seiner Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Auch hier käme eine solche Gefahr für den Kläger nur aufgrund der Konversion zum christlichen Glauben in Betracht. Insofern bestehen jedoch bereits keine Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (s.o.).
Die Beklagte hat zu Recht auch ein Wiederaufgreifen nach Ermessensgesichtspunkten gem. §§ 51 Abs. 5, 49 VwVfG abgelehnt. Ermessensfehler sind diesbezüglich nicht ersichtlich, eine Ermessensreduzierung auf Null, die einen Anspruch auf Wiederaufgreifen begründen würde, ist nicht gegeben. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen. Die Konversion des Klägers zum Christentum wurde bereits im Erstverfahren umfangreich behandelt. Zwar ist nach der Auskunftslage die Situation von Konvertiten im Iran als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Bl. 4, 16 und vom 8.12.2016, Bl. 10). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetreten Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen, wie auch erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder sogar eine Gefahr für Leib oder Leben wegen seiner Religionsausübung drohen. Eine solche Gefahr besteht jedoch nur, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird. Bereits im Erstverfahren konnte die zuständige Einzelrichterin nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass die Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben auf einer ernsthaften Gewissensentscheidung, also auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit identitätsprägenden festen Überzeugungen beruht. Dieser Eindruck konnte auch aufgrund des jetzigen Verfahrens nicht gewonnen werden. Eine Änderung der Qualität des christlichen Glaubens des Klägers konnte das Gericht nicht feststellen (s.o.) Vielmehr bestätigte sich der Eindruck, dass der Kläger seinen Missionierungswillen aus asyltaktischen Gründen betont. So führte er in der mündlichen Verhandlung beispielsweise aus, dass er seinen Glauben bei einer Rückkehr in den Iran keinesfalls verstecken werde und sich auch in der Öffentlichkeit dazu bekennen werde Christ zu sein, ohne sich dabei ernsthaft mit den Verhältnissen in seinem Heimatland auseinanderzusetzen. Auch das umfangreiche missionarische Wirken des Klägers in Deutschland, das dieser auch bereits im Erstverfahren angekündigt hatte, spricht aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen dem Kennenlernen der jeweiligen Personen und der Übernahme eines Patenamtes für diese aus Sicht des Gerichtes nicht für eine innerliche Auseinandersetzung des Klägers mit der Bedeutung dieses Amtes. Das Gericht ist daher weiterhin nicht davon überzeugt, dass der Kläger seinen christlichen Glauben bei einer Rückkehr in den Iran ausleben wird oder sich gezwungen sehen würde, aufgrund der ihm drohenden Repressionen auf die Glaubensausübung zu verzichten. Dem Kläger droht daher aufgrund seiner Konversion weder die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung noch eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von nationalen Abschiebungsverboten besteht daher nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben