Verwaltungsrecht

Genehmigung zur Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum – faktischer Vollzug

Aktenzeichen  1 CS 21.1029

Datum:
9.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16382
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1
BauGB § 22
GBO § 53 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

In entsprechender Anwendung von § 80a Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht im Fall des sog. faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 SN 21.1198 2021-03-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, die sich gegen die Genehmigung zur Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung G. …, richtet.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung des Antragstellers über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr vom 15. November 1994, die in § 2 Nr. 1 einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum nach § 22 BauGB vorsieht. Das Landratsamt genehmigte auf Antrag der Beigeladenen unter Ersetzung des Einvernehmens des Antragstellers mit Bescheid vom 19. September 2019 die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum. Über die hiergegen gerichtete Klage des Antragstellers ist noch nicht entschieden.
Am 19. November 2019 wurde die Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG im Grundbuch vollzogen und die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 angelegt. Für die Käufer der Wohnungen wurden Auflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen.
Das Amtsgericht T. … – Grundbuchamt lehnte mit Beschluss vom 18. Februar 2021 die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Teilung ab. Es liege keine Verletzung gesetzlicher Vorschriften vor, da dem Grundbuchamt die Unanfechtbarkeit des Bescheids nicht nachgewiesen werden müsse.
Auf Antrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss festgestellt, dass der gegen die Teilungsgenehmigung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zukommt. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt, da dem Antragsteller kein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zustehe. Der Antragsteller könne nicht beanspruchen, dem Freistaat Bayern die Eintragung der Auflassungen in das Grundbuch zu untersagen. Ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch sei auf die Beseitigung der unmittelbaren Folgen beschränkt. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts liege in der durchgeführten Eintragung der Begründung von Sondereigentum in das Grundbuch. Daher stelle sich die Auflassung nicht als Vollzug des Bescheids dar. Die Anträge auf Verpflichtung des Freistaats Bayern zur Eintragung eines Amtswiderspruchs seien zwar zulässig, aber unbegründet, da das Grundbuchamt entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gehandelt habe.
Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass der Rechtsschutz gegen den faktischen Vollzug nicht allein auf die unmittelbare Folgenbeseitigung beschränkt sei. Das Gericht könne vielmehr auch das Unterbleiben weiterer Vollzugsmaßnahmen nach § 80a Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO anordnen. Das prozessuale Begehren sei hier auf die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Vollzugs gerichtet, so dass ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe. Durch hoheitliches Handeln werde in ein subjektiv-öffentliches Recht der Marktgemeinde auf Beachtung der Fremdenverkehrssatzung eingegriffen, da die schwebend unwirksame Genehmigung nicht vollzogen werden dürfe. Eine Wiederholungsgefahr sei darin zu sehen, dass eine weitere Vertiefung des Rechtsverstoßes mit Vollzug der Auflassung und gutgläubiger Weiterveräußerung erfolgen würde. Ein gutgläubiger Dritterwerb würde die Folgenbeseitigung im Falle des Obsiegens in der Hauptsache vereiteln. Ohne die Möglichkeit zur Eintragung eines Widerspruchs wären kommunale Drittanfechtungsklagen gegen die Ersetzung gemeindlichen Einvernehmens sinnlos, weil es keine Mittel gebe, die Erledigung des konkreten Streitfalles durch faktischen Vollzug zu verhindern.
Antragsgegner und Beigeladene traten der Beschwerde entgegen.
Am 12. Mai 2021 wurden die Erwerber der Wohnung als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
1. Soweit der Antragsteller die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 13. September 2019 erhobenen Klage sowie die Untersagung der Vornahme der Auflassung begehrt, ist die Beschwerde unzulässig.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im angegriffenen Beschluss bereits stattgegeben, so dass es dem Antragsteller an einer Beschwer fehlt.
Durch die zwischenzeitlich erfolgte Eintragung der Auflassung ist für den auf Untersagung der Auflassung gerichteten Antrag das Rechtschutzbedürfnis entfallen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die dargelegten Gründe einen Anspruch des Antragstellers, dem Antragsgegner die Vornahme der Auflassung im Grundbuch zu untersagen, nicht getragen hätten. Der Antragsteller stützt sich hierzu auf § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit einem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch.
In entsprechender Anwendung von § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht im Fall des sog. faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.2012 – 9 VR 2.12 – NVwZ 2012, 570; BayVGH B.v. 27.3.2014 – 8 CS 13.1013 – juris Rn. 31). Die Regelung des § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO hat wie die Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur verfahrensrechtliche Bedeutung. Sie gestattet es in dem auf Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts oder – wie hier – in analoger Anwendung in dem auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Verfahren die Beseitigung etwa schon eingetretener Vollzugsfolgen zu beantragen und gerichtlich auszusprechen. Die materielle Grundlage für einen solchen Anspruch bildet indessen der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. zu § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO: BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 21 CE 18.854 – juris Rn. 55; B.v. 30.7.2018 – 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 – BayVBl 2019, 450; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 176). Dieser Folgenbeseitigungsanspruch kann sich zwar auch auf ein Unterlassen im Hinblick auf weitere Vollzugshandlungen beziehen. Allerdings stellt sich die Eintragung der Auflassung im Grundbuch nicht mehr als Vollzug der angegriffenen Genehmigung dar, da die Vollziehung des angefochtenen Bescheids mit der durchgeführten Eintragung der Begründung des Sondereigentums im Grundbuch abgeschlossen ist und die Eintragung der Auflassung auf hiervon unabhängigen zivilrechtlichen Kaufverträgen beruht. Dass durch einen etwaigen gutgläubigen Erwerb die materiell-rechtlich zu Unrecht erfolgte Teilung perpetuiert werden könnte, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der Antragsteller ist auch nicht rechtlos gestellt, da für ihn die Möglichkeit bestand, das Grundbuchamt vor erfolgter Teilung über die erhobene Klage und die damit einhergehende aufschiebende Wirkung zu unterrichten. Im Übrigen sieht auch die spezialgesetzliche Regelung des § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB für den Fall des völligen Fehlens einer Teilungsgenehmigung nur die Möglichkeit der Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch vor, nicht hingegen einen Anspruch auf die hier geforderten weitergehenden Maßnahmen.
2. Die dargelegten Gründe zeigen keinen Anspruch auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs auf.
Es kann offenbleiben, ob der Antrag vor dem Hintergrund, dass das Grundbuchamt mit Beschluss vom 18. Februar 2021 die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO abgelehnt hat und hiergegen nach § 71 GBO die Beschwerde eröffnet ist, überhaupt zulässig ist. Denn das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtung zur Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO bzw. eines Behördenwiderspruchs nach § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Prüfpflicht des Grundbuchamts nicht auf die Bestandskraft der Genehmigung erstreckt und ein Amtswiderspruch nicht eingetragen werden kann, wenn sich erst aus nachträglich zu den Akten gereichten Urkunden oder bekannt gewordenen Umständen ergibt, dass die der Eintragung zugrunde liegenden Unterlagen fehlerhaft waren. Mit diesen die Entscheidung jeweils tragenden Gründen setzt sich die Beschwerdebegründung, die einen Anspruch aus einem Unterlassungsanspruch abgeleitet sehen will, bereits nicht auseinander und genügt damit nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.


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