Verwaltungsrecht

Gerichtliche Überprüfung einer fachplanerischen Abwägungsentscheidung (Verlegung einer Straße)

Aktenzeichen  8 ZB 15.2161

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105386
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 3 Abs. 1 Nr. 1, Art. 36 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen anstelle der Planfeststellungsbehörde ersatzweise zu planen oder sich hierbei gar von Erwägungen einer besseren Planung leiten zu lassen; Aufgabe des Gerichts ist es vielmehr zu prüfen, ob rechtsfehlerfrei geplant wurde.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der der Planfeststellungsbehörde durch den Gesetzgeber eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 14.774 2015-06-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Schwaben vom 14. April 2014 für die Verlegung der Staats Straße 2020 (St 2020) im Bereich H … (Landkreis U …). Der Kläger, ein Flug-Modell-Club, ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 138 der Gemarkung G … (Modell-Flugplatz), das für das planfestgestellte Vorhaben teilweise in Anspruch genommen werden soll.
Mit Urteil vom 22. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage des Klägers abgewiesen. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der Zulassungsantrag ist zulässig. Namentlich wurde der Antrag auf Zulassung fristgerecht gestellt, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO. Insoweit haben die Klägervertreter auf gerichtliche Nachfrage hin unter Vorlage eines entsprechenden Belegs klargestellt, dass ihnen das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht, wie ursprünglich angegeben, am 19. August 2015, sondern am 24. August 2015 zugegangen ist. Der Antrag auf Zulassung der Berufung vom 21. September 2015 erfolgte mithin fristgerecht.
2. Der Zulassungsantrag ist jedoch unbegründet. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund wurde nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B.v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2).
2.2 Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
2.2.1 Dies gilt zunächst für die erstgerichtliche Überprüfung der im Rahmen der Planfeststellung für die Verlegung einer Staats Straße (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG) auf der Grundlage von Art. 36 Abs. 1 BayStrWG getroffenen fachplanerischen Abwägungsentscheidung, namentlich hinsichtlich der seitens der Planfeststellungsbehörde vollzogenen Trassenwahl.
Aufgabe der Planfeststellungsbehörde ist es hierbei, sich ein wertendes Gesamturteil über in Betracht kommende Planungsalternativen zu bilden und dabei entsprechend dem Wesen der Planung einen Belang einem anderen vorzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2009 – 7 B 45/08 – NVwZ 2009, 521 Rn. 31 m.w.N.). Hinsichtlich des anzuwendenden gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, durch eigene Ermittlungen anstelle der Planfeststellungsbehörde ersatzweise zu planen oder sich hierbei gar von Erwägungen einer besseren Planung leiten zu lassen. Aufgabe des Gerichts ist es vielmehr zu prüfen, ob rechtsfehlerfrei geplant wurde (vgl. nur BVerwG, U.v. 19.5.1998 – 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1/10).
Gemessen an diesen Grundsätzen ergeben sich auf der Grundlage des klägerischen Vortrags keine durchgreifenden Defizite der erstgerichtlichen Prüfung, ob die Planfeststellungsbehörde vorliegend rechtsfehlerfrei geplant, namentlich die Variantenprüfung ordnungsgemäß durchgeführt hat (vgl. hierzu Urteilsumdruck, S. 20 – 27, insbesondere S. 23 f.). Insoweit weist das Verwaltungsgericht zu Recht auf die von ihm für hinreichend erachteten Darlegungen zur Variantenwahl im Planfeststellungsbeschluss hin und setzt sich mit dem behördlichen Vorgehen ausführlich und nachvollziehbar auseinander. Dies gilt auch hinsichtlich der verworfenen „Variante 5“, die maßgebliche Planungsziele (namentlich hinsichtlich der Verknüpfung von Staats Straße 2020 und Bundesautobahn A 96 sowie der verkehrlichen Entlastung mehrerer Ortsdurchfahrten) verfehlt.
2.2.2 Für den Senat ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht die hinreichende Berücksichtigung der privaten Belange des Klägers durch die Planfeststellungsbehörde defizitär überprüft hätte. Insoweit setzt sich das Erstgericht ohne Rechtsfehler ausführlich mit der privaten Betroffenheit des Klägers einschließlich seiner Existenzgefährdung und der diesbezüglich getroffenen Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde auseinander (vgl. hierzu Urteilsumdruck, S. 24 ff.). Auch der verfahrensgegenständliche Planfeststellungsbeschluss würdigt die individuellen Belange des Klägers nicht in unzulässig knapper Art und Weise und übergeht insbesondere die Existenzgefährdung des Klägers nicht (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 69 und S. 91 ff.). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang als Vergleichsmaßstab angesprochene, quantitativ umfangreichere Auseinandersetzung des Planfeststellungsbeschlusses mit Fragen des Naturschutzes ist der besonderen Komplexität des Rechts des Naturschutzes geschuldet und lässt keinerlei Rückschlüsse auf eine Geringschätzung oder gar Missachtung von Interessen des Klägers zu. Auch hinsichtlich der Würdigung der dem Kläger (nur) widerruflich erteilten Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle sind Rechtsfehler nicht zu erkennen (vgl. Urteilsumdruck, S. 25 f.).
Insgesamt sieht der Senat auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens keine Anhaltspunkte dafür, dass die der Freizeitgestaltung dienenden Belange des Klägers von der Planfeststellungsbehörde nicht in der gebotenen ernsthaften Art und Weise in die zu treffendende fachplanerische Abwägungsentscheidung einbezogen worden wären. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass das Gebot gerechter Abwägung nicht verletzt wird, wenn sich die zuständige Behörde in der Kollision zwischen verschiedenen widerstreitenden Belangen für die Bevorzugung einzelner Belange und damit notwendig für die Zurückstellung anderer Belange – vorliegend auch klägerischer Belange – entscheidet. Die hierin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr gerade ein wesentliches Element der der Planfeststellungsbehörde durch den Gesetzgeber eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.2011 – 4 A 4001/10 – NVwZ 2012, 432 Rn. 45).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichterstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Ziff. 34.2.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zweifel an der Höhe der Festsetzung des Streitwerts seitens des Erstgerichts haben die Beteiligten im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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