Verwaltungsrecht

Haltungs- und Betreuungsverbot von Tieren

Aktenzeichen  9 ZB 18.665

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Den Feststellungen des Amtstierarztes hinsichtlich der Beurteilung, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten sind bzw. ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, kommt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 K 17.1111 2017-11-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen ein Verbot der Haltung und Betreuung von Tieren sowie gegen eine damit verbundene Abgabeverpflichtung aller Tiere.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 untersagte das Landratsamt M… der Klägerin das Halten und Betreuen von Tieren (Nummer 1) und gab ihr auf, innerhalb von 6 Monaten nach Zustellung der Anordnung alle Tiere abzugeben (Nummer 2). Darüber hinaus wurden der Klägerin weitere Verpflichtungen auferlegt, das gewerbsmäßige Handeln mit Wirbeltieren untersagt, die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 des Bescheids angeordnet sowie verschiedene Zwangsmittel angedroht (Nummern 3 – 9). Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage, die sie nach Verlängerung der mit Bescheid vom 16. Februar 2017 gesetzten Abgabefrist bis zum 30. April 2018 auf die Aufhebung des Haltungs- und Betreuungsverbots und der Abgabeverpflichtung beschränkte. Mit Urteil vom 15. November 2017 wies das Verwaltungsgericht München die Klage gegen Nummer 1 und 2 des Bescheids vom 16. Februar 2017 ab. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124,124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Klägerin im September 2016 41 Hunde (26 adulte Hunde, 15 Welpen) und 23 Kaninchen gehalten und dabei wiederholt und grob den Vorschriften des § 2 TierSchG und der Tierschutz-Hundeverordnung – TierSchHuV – zuwider gehandelt habe. Dadurch seien den Tieren erhebliche Schmerzen oder Leiden und Schäden zugefügt worden. Angesichts der Wirkungslosigkeit früherer Hinweise und Bescheide sei eine nachhaltige Verbesserung der Tierhaltung von der Klägerin prognostisch nicht zu erwarten und das vom Beklagten verhängte Tierhaltungs- und –betreuungsverbot nicht ermessensfehlerhaft. Diese Bewertung ist nicht ernstlich zweifelhaft.
a) Soweit die Klägerin vorträgt, die tierärztlichen Untersuchungen nach der Wegnahme hätten „beinahe ausnahmslos keine mehr als nur geringfügigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ der Tiere ergeben, ist das Zulassungsvorbringen nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.
Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts genügte die Tierhaltung der Klägerin zum Zeitpunkt der Kontrolle im September 2016 nicht den Anforderungen des TierSchG und der TierSchHuV. Das Verwaltungsgericht führte hierzu aus, dass der Pflege- und Gesundheitszustand der Hunde nach den Feststellungen der Fachtierärztin für Verhaltenskunde Dr. S… des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die sich der Amtstierarzt des Landratsamts M… zu eigen gemacht hat, „mäßig bis sehr schlecht“ gewesen sei. Es seien reizarme Haltung, schlechter Reinigungszustand, unzureichendes Platzangebot, fehlender Auslauf und unzureichende Beschäftigungsmöglichkeiten sowie Verschmutzungen und deutliche Kratz- und Nagespuren an Wänden und Möbeln auffällig gewesen. Dadurch seien den Hunden aus verhaltenspsychologischer Sicht erhebliche Schmerzen oder Leiden und Schäden zugefügt worden. Auch die Kaninchenhaltung der Klägerin sei erheblich mangelhaft gewesen. Mindestens einigen Tieren sei erhebliches Leiden dadurch zugefügt worden, dass ihnen kein Wasser zur Verfügung stand und gravierende Haltungsmängel vorlagen. Angesichts der bereits in der Vergangenheit festgestellten und beanstandeten Missstände bei der Tierhaltung der Klägerin sei die Prognose nicht zu beanstanden, dass eine nachhaltige dauerhafte Verbesserung der Tierhaltung von der Klägerin nicht zu erwarten sei. Diesen Feststellungen des Amtstierarztes hinsichtlich der Beurteilung, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten sind bzw. ob grobe und wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen, kommt von Gesetzes wegen eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (stRspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 9 ZB 15.2608 – juris Rn. 8). Das unsubstantiierte Zulassungsvorbringen der Klägerin, es hätten sich bei tierärztlichen Untersuchungen nach der Wegnahme beinahe ausnahmslos keine mehr als nur geringfügigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben, ist nicht geeignet, die auf den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts beruhende Prognoseentscheidung in Frage zu stellen.
b) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass sie am 19. September 2016 mit dem später eingeschläferten Welpen einen Tierarzt aufgesucht habe und das Gutachten des Instituts für Tierpathologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) keine Aussagen zu Schmerzen, Leiden oder Schäden des Welpen enthalte, ist ihr Vorbringen ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen. Zum einen kann der erstmalige Tierarztbesuch vom 19. September 2016 Versäumnisse in der Hundepflege vor diesem Termin nicht ungeschehen machen. Zum anderen ändert der Hinweis auf fehlende Aussagen zu Schmerzen, Leiden oder Schäden im Gutachten der LMU nichts daran, dass nach der unter Hinzuziehung einer Fachtierärztin für Verhaltenskunde des LGL erfolgten fachlichen Beurteilung des Amtstierarztes dem später eingeschläferten Welpen wegen unzureichender Betreuung und Versorgung länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden. Diese Beurteilung beruht auf der vom Institut für Tierpathologie der LMU gestellten Diagnose „Hornhautulcus mit mittel- bis hochgradiger eitrig-fibröser Entzündung der vorderen Augenkammer und Linsenluxation, chronisch-interstitielle und Aspirations-Pneumonie, hochgradiger Lungenwurmbefall“, die den Hinweis enthält, dass die Befunde an Thymus und Lunge chronischer Natur seien und für eine länger andauernde und schwere Erkrankung sprechen. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten.
c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht in Bezug auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des angeordneten Tierhaltungsverbots.
Der Einwand der Klägerin, das Landratsamt sei 4,5 Jahre bezüglich der Haltungsbedingungen bei der Klägerin untätig geblieben und müsse deshalb zunächst weniger einschneidende Anordnungen ergreifen, verfängt ebenso wenig wie die Einlassung, weder das Landratsamt, noch das Verwaltungsgericht hätten sich mit „Handlungsalternativen“ befasst. Angesichts der Kontrollen vom 9. März 2012, 28. März 2012, 12. November 2012, 28. Februar 2014, 24. April 2014, der vergeblichen Kontrollversuche vom 27. Mai 2015, 8. September 2015 und vom 6. April 2016 sowie der erlassenen Bescheide kann von einer Untätigkeit des Landratsamts über 4,5 Jahre nicht die Rede sein.
Das Vorbringen, weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht hätten sich mit weniger schwer in die Rechte der Klägerin eingreifenden Handlungsalternativen befasst, trifft nicht zu. Die Begründung zur Anordnung des Tierhalte- und Betreuungsverbots im Bescheid des Landratsamts vom 16. Februar 2017 nimmt Bezug auf die „umfangreiche Vorgeschichte, die erhobenen Tatsachen und die fehlende Einsicht“ der Klägerin, die die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin weiterhin gegen das Tierschutzrecht verstoßen werde. Die Vorgeschichte, die erhobenen Tatsachen und die Umstände, die darauf schließen lassen, dass es der Klägerin an der erforderlichen Einsicht fehlt, werden umfassend in den Bescheidsgründen dargestellt. Auf dieser Grundlage kommt auch das Verwaltungsgericht zu der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung, dass ein milderes Mittel aufgrund der Vielzahl tierschutzrechtlicher Verstöße und der erkennbaren Uneinsichtigkeit der Klägerin nicht in Betracht kommt. Von den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend ist nicht ersichtlich, welche anderen Maßnahmen als das angeordnete Tierhalte- und Betreuungsverbot ernstlich in Betracht kommen könnten, um weitere tierschutzrechtliche Verstöße durch die Klägerin in Zukunft sicher ausschließen zu können. Eine von Seiten der Klägerin genannte Beschränkung durch Festlegung einer Höchstzahl von Hunden wurde bereits in der Vergangenheit angeordnet, ohne dass sich die Klägerin hieran gehalten hätte. Da sowohl die Hundehaltung der Klägerin als auch die Kaninchenhaltung massive Mängel aufwiesen, beschränkt sich die Ungeeignetheit der Klägerin zur Tierhaltung auch nicht lediglich auf eine bestimmte Tierart.
d) Auch die im Zulassungsverfahren geltend gemachten „ideellen Interessen“ der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, weil sie die gewichtigen Gründe des Tierschutzes nicht überwinden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben