Verwaltungsrecht

Herkunftsland Tansania, alleinstehende junge Mutter, Ablehnung als offensichtlich unbegründet, Niederlegung, Abgabe der schriftlichen Mitteilung, Evidenzverdikt nicht gegeben, Täuschung über die Staatsangehörigkeit, Widerruf der Falschangaben im Gerichtsverfahren, Pflicht zum Durchentscheiden, Verfolgung durch Ehemann und dessen Familie vorgetragen, Gefahr der Genitalverstümmelung vorgetragen, inländische Fluchtalternative, Corona-/SARS-CoV2-/COVID-19-Pandemie, kein Abschiebungsverbot, unionsrechtswidriger Gleichlauf von Ausreise- und Rechtsbehelfsfrist

Aktenzeichen  W 10 K 19.31993

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9360
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 2
AsylG § 36
AsylG § 74 Abs. 1 Halbs. 2
VwZG § 3 Abs. 2 S. 1
ZPO § 181 Abs. 1
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2018 (Geschäftszeichen … )wird in den Ziffern 5 und 6 aufgehoben.     
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte durch die Einzelrichterin entscheiden, nachdem dieser das Verfahren durch Beschluss der Kammer zur Entscheidung übertragen worden ist, § 76 Abs. 1 AsylG. Über die Klage war im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, da die Klägerin innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, § 78 Abs. 7 AsylG i.V.m. § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Die zulässige Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden durfte, ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids vom 29. Januar 2018 sowie in der Folge das Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer 6 des Bescheids sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit war der streitgegenständliche Bescheid aufzuheben. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die begehrten Entscheidungen des Bundesamts zu ihren Gunsten hat und der Bescheid daher insoweit rechtmäßig ist. Allerdings kommt lediglich eine Ablehnung als einfach unbegründet, nicht jedoch als offensichtlich unbegründet in Betracht. Die Ablehnung der Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist bereits unanfechtbar geworden.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die einwöchige Klagefrist gewahrt.
1. Gemäß § 74 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG beträgt die Klagefrist eine Woche ab der Bekanntgabe. Die Bekanntgabe musste vorliegend gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG durch Zustellung erfolgen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das zuzustellende Schriftstück niedergelegt werden, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO oder § 180 ZPO nicht ausführbar ist.
Die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 29. Januar 2018 an die Klägerin durch Niederlegung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 181 Abs. 1 ZPO am 2. Februar 2018 ist nicht wirksam erfolgt. Denn die Niederlegung wurde der Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO entsprechenden Weise mitgeteilt. Nach dieser Bestimmung ist über die Niederlegung eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften. Vorliegend hat der Postbedienstete die Mitteilung weder an die Tür der Räumlichkeiten der Klägerin angeheftet noch unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben. Ausweislich der Postzustellungsurkunde hat er die Mitteilung vielmehr in den Gemeinschaftsbriefkasten eingelegt (vgl. Bl. 153 d.A.). Dieses Vorgehen genügt den Anforderungen des § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht.
Denn unabhängig davon, inwiefern dies der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise entspricht, fehlt es am Umstand des „Abgebens“ im Sinne des § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Aus der Formulierung „abzugeben“ – die an den Normalfall der Übermittlung durch Überbringen der Sendung in das Haus des Empfängers anknüpft und im Gegensatz zur Selbstabholung steht – ist zu folgern, dass der Gesetzgeber die zulässigen Arten der Übermittlung auf solche im Wohnhaus des Adressaten einschränkt. Dies wird durch die in § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO erwähnte besondere Übermittlungsart des Anheftens an der Wohnungstür bestätigt, die gleichfalls einen engen räumlichen Bezug zur Wohnung des Adressaten aufweist. Daraus folgt, dass die Hinterlegung der Mitteilung über eine Niederlegung, die einen solchen Zusammenhang mit der Wohnung nicht aufweist, nicht mehr durch § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO gedeckt ist.
Damit entspricht das Einlegen der Mitteilung in den Gemeinschaftsbriefkasten der Einrichtung, die die Bewohner dann vom Posteingang informiert bzw. die Post verteilt, nicht den Anforderungen an ein „Abgeben“ im Sinne von § 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO, da die Mitteilung nicht in den Einflussbereich des Asylbewerbers verbracht wird, da kein Zugriff auf den Briefkasten bzw. seinen Inhalt für die Asylbewerber besteht. Dies entspricht auch nicht dem Sinn der Vorschriften über die Ersatzzustellung, wonach dem Empfänger möglichst bald und zuverlässig Kenntnis von der Niederlegung zu geben ist (vgl. zum Ganzen VG München, G.v. 29.8.2019 – M 19 K 17.30257 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 3.5.2017 – M 25 S 17.35579 – juris Rn. 29; VG Minden, B.v. 20.3.2015 – 10 L 117/15.A – juris Rn. 19 ff. unter Verweis auf OVG NW, B.v. 31.10.2013 – 14 A 2096/11 – juris Rn. 14 ff. m.w.N.; Siebert in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 181 Rn. 5).
Dieser Zustellungsmangel wurde allerdings gemäß § 8 VwZG geheilt. Nach dieser Vorschrift gilt ein Bescheid, dessen formgerechte Zustellung sich – wie hier – nicht nachweisen lässt, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem er dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dies war nach dem klägerischen Vortrag am 5. Februar 2018 der Fall, da der Klägerin der streitgegenständliche Bescheid an diesem Tag ausgehändigt wurde.
Legt man dies zugrunde, begann die einwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG am 6. Februar 2018, 0:00 Uhr, zu laufen und endete am 12. Februar 2018, 24:00 Uhr (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 f. BGB). Damit wurde die Klage fristgerecht erhoben.
2. Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzinteresse für ihre Klage auf Gewährung der begehrten Entscheidungen zu ihren Gunsten, da sie insoweit einen Anspruch auf eine Sachentscheidung hat.
Das Bundesamt hat zwar selbst nicht geprüft, ob der Klägerin ein Anspruch auf die begehrten Entscheidungen im Hinblick auf ihr tatsächliches Herkunftsland Tansania (vgl. hierzu die Ausführungen unter II.1) hat. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt im ablehnenden Bescheid insbesondere weder die Abschiebung in diesen Staat angedroht noch eine Feststellung über das Nichtbestehen von Abschiebungsverboten hinsichtlich dieses Staats getroffen. Das Gericht hat die Sache jedoch in den Grenzen der §§ 86 Abs. 1, 88 VwGO „spruchreif“ zu machen, also in der Sache durchzuentscheiden. Eine bloße Aufhebung des angegriffenen Ablehnungsbescheids und Zurückverweisung an das Bundesamt würde zudem dem Rechtsschutzbegehren der Klägerin nicht in vollem Umfang gerecht, das auf eine positive Sachentscheidung und damit auf eine Verpflichtung des Bundesamts gerichtet ist (BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C 13.07 – EZAR NF 69 Nr. 2 Rn. 4 f.; U.v. 8.2.2005 – 1 C 29.03 – NVwZ 2005, 1087, 1088 f.; VG Würzburg, U.v. 21.4.2016 – W 1 K 14.3095 – juris Rn. 20 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 10.2.1998 – 9 C 28.97 – juris; VGH BW, U.v. 19.6.2012 – A 2 S 1355/11 – juris Rn. 30; VG Bayreuth, U.v. 27.11.2008 – B 5 K 08.30028 – juris Rn. 26).
Im Hinblick darauf, dass es sich bei Tansania um das tatsächliche Herkunftsland der Klägerin handelt, liegt in Bezug auf die Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG auch kein Fall eines vorbeugenden Rechtsschutzes bzw. eines Rechtsschutzes „auf Vorrat“ vor. Denn der Asylsuchende hat Anspruch auf die Feststellung eines derartigen Abschiebungsverbots jedenfalls hinsichtlich der Staaten, für die das Bundesamt verpflichtet ist, eine solche Feststellung zu treffen, für die es eine ihm nachteilige Feststellung bereits getroffen hat oder in die abgeschoben zu werden er aus berechtigtem Anlass sonst befürchten muss. Inzwischen steht fest, dass die Klägerin aus Tansania kommt. Hinsichtlich des Herkunftsstaats des Asylbewerbers ist das Bundesamt aber regelmäßig zur Prüfung und Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet. Korrespondierend mit der gesetzlichen Verpflichtung des Bundesamts hat der Asylbewerber einen materiell-rechtlichen Anspruch (BVerwG, U.v. 2.8.2007 – 10 C 13.07 – EZAR NF 69 Nr. 2 Rn. 4 f.).
II.
Die Klage ist nur teilweise begründet. Der Prüfung ist Tansania als tatsächlicher Herkunftsstaat der Klägerin zugrunde zu legen, vgl. obige Ausführungen.
1. Der Asylantrag ist entgegen der Einschätzung des Bundesamts – aufgrund des früheren Vortrags der Klägerin – nicht offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG, sondern (einfach) unbegründet.
Die gesetzlich angeordnete Sanktion eines im Katalog des § 30 Abs. 3 AsylG genannten Fehlverhaltens besteht – anders als in den Fällen des § 30 Abs. 2 AsylG – nicht in der Ablehnung des Asylantrags, sondern in der Herabstufung eines (einfach) unbegründeten zum offensichtlich unbegründeten Asylantrag (vgl. Heusch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand: 1.10.2020, AsylG § 30 Rn. 30 m.w.N.). Voraussetzung für die qualifizierte Ablehnung ist damit zunächst, dass ein unbegründeter Asylantrag vorliegt. Dies ist bei der Klägerin, wie noch auszuführen sein wird, der Fall. Unter dieser Voraussetzung darf der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn die bzw. der Asylbewerber/in über ihre/seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Insoweit hat die Klägerin ihren früheren Vortrag, mit welchem sie ihre tansanische Staatsangehörigkeit verschleiert und eine somalische Staatsangehörigkeit angegeben hatte, ausdrücklich widerrufen. Damit hat sie im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) nicht mehr über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht, weshalb das auf § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG gestützte Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts im maßgeblichen Zeitpunkt nicht (mehr) zu halten ist. Der Auffassung, wonach es für die Täuschung auf den Zeitpunkt der (letzten) Anhörung im Asylverfahren ankommen soll, mit der Konsequenz, dass eine spätere Korrektur im gerichtlichen Verfahren unerheblich und der Asylantrag dennoch nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet zu behandeln wäre (vgl. Heusch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand: 1.10.2020, AsylG § 30 Rn. 41 m.w.N.), vermag sich die erkennende Einzelrichterin nicht anzuschließen. Zum einen widerspräche dies schon dem in § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass nicht nur für die der asylgerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legende Sachlage, sondern auch für die Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bzw. der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Denn der mit einer Asylklage befasste Tatsachenrichter hat die Entscheidung des Bundesamts in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht in vollem Umfang nachzuprüfen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO) und erforderlichenfalls den entscheidungsrelevanten Sachverhalt, wozu grundsätzlich auch die Staatsangehörigkeit als verfolgungsrelevante Tatsache gehört (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AsylG § 30 Rn. 13), gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO selbst weiter aufzuklären. Nur auf diese Weise lässt sich auch der Umstand erklären, dass eine Identitäts- bzw. Staatsangehörigkeitstäuschung (erst) im asylgerichtlichen Verfahren ebenfalls zu einer qualifizierten Ablehnung als offensichtlich unbegründet führt, weil das Asylgerichtsverfahren ein Teil des Asylverfahrens ist (so zutreffend Bergmann a.a.O.). Zum anderen gebietet der verfassungsrechtliche Grundsatz des fairen Verfahrens eine eigenständige, unvoreingenommene Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts durch das Gericht, weshalb ein ausdrücklicher (glaubhafter) Widerruf der vormaligen unwahren Angaben zu berücksichtigen ist. Dem stünde eine Präklusion des nunmehrigen Vorbringens wegen vorheriger Falschangaben entgegen, weil sie ohne Berücksichtigung des neuen Vortrags zu einer qualifizierten Ablehnung mit den damit verbundenen Rechtsfolgen führte.
Das Gericht ist aufgrund der nunmehrigen Angaben der Klägerin zu ihrer Person, welche mit den in den Visaanträgen gemachten Angaben übereinstimmen, sowie nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung mit der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls zuletzt nicht (mehr) über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hat, sondern tatsächlich tansanische Staatsangehörige ist.
Das Sprachgutachten vom 26. September 2017, in dem festgehalten wird, dass die durchgeführte Analyse eine geographische Zuordnung der Klägerin mit Sicherheit auf die Herkunftsregion Kenia ermögliche, erscheint zwar in sich durchaus schlüssig, geht jedoch – im Hinblick darauf, dass es damals darum ging, ob die Klägerin aus Somalia kommt – auf die mittlerweile zu klärende Frage, ob die Klägerin aus Tansania statt aus Kenia stammt, nicht ein. Vor diesem Hintergrund ist die getroffene Aussage, dass die Klägerin mit Sicherheit aus Kenia komme, vorliegend nur bedingt tragfähig, zumal im Gutachten selbst darauf hingewiesen wird, dass dieses nur im Rahmen der Gesamtschau im Asylverfahren Berücksichtigung finden sollte. Hierbei ist insbesondere einzustellen, dass das Gutachten letztlich den einzigen konkreten Anhaltspunkt dafür darstellt, dass die Klägerin aus Kenia stammen könnte. Die übrigen Umstände sprechen dagegen dafür, dass Tansania ihr Heimatland ist. Das Gericht geht daher in der Gesamtschau davon aus, dass die Klägerin entsprechend ihres nunmehrigen Vortrags tatsächlich tansanische Staatsangehörige ist und daher jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hat.
Bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt gab es Hinweise darauf, dass die Klägerin aus Tansania kommen könnte. So verwendete sie einzelne tansanische Begriffe, zum Beispiel für Wassermelone, was ausweislich des Vermerks vom 5. Juli 2017 Anlass für die Sprach- und Textanalyse war. Darüber hinaus ist die Klägerin von Tansania aus nach Europa gereist und berichtet in ihrer Anhörung wesentlich ausführlicher von ihren (angeblichen) Erlebnissen in Tansania als von denen in Kenia. Auch wenn diese Schilderungen – wie die Klägerin selbst eingeräumt hat – frei erfunden waren, so wird hieran doch eine tiefere Verbundenheit mit diesem Land deutlich. Es erscheint zudem fernliegend, dass die Klägerin ihre Verfolgungsgeschichte zu diesem Zeitpunkt bereits in der Weise „gestuft“ ausgestaltet hat, dass sie für den Fall, dass sie mit ihrem Vortrag, somalische Staatsangehörige zu sein, keinen Erfolg haben würde, auf die tansanische Staatsangehörigkeit zurückgreifen könnte, um Kenia als ihr Heimatland zu verheimlichen. Auch die tansanischen Dokumente sprechen eher für eine entsprechende Staatsangehörigkeit, auch wenn sie für sich genommen keinen stichhaltigen Beweis darstellen, da jedenfalls bei älteren tansanischen Reisepässen nicht auszuschließen ist, dass diese ohne persönliche Vorsprache und mit leicht zu fälschenden Unterlagen beantragt werden konnten (vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte an das Bundesamt vom 30.12.2019, GZ.: 508-516.80/50299 sowie 508-516.80/51541). Vor diesem Hintergrund ist auch der Umstand, dass durch die italienische Botschaft die Echtheit des tansanischen Reisepasses nicht in Zweifel gezogen wurde, zwar ein Indiz, jedoch kein zweifelsfreier Beleg für die tansanische Staatsangehörigkeit der Klägerin. Schließlich sprechen auch die Schilderungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Ergebnis für eine tansanische Staatsangehörigkeit. Insbesondere schilderte sie ihre verschiedenen Aufenthaltsorte in Tansania recht lebendig. Auch die Angabe, dass die Familie ihres Ehemanns als Massai in der Region Arusha gelebt hätten, deckt sich mit den Erkenntnissen des Gerichts (vgl. etwa https://de.wikipedia.org/wiki/Arusha_(Region)).
Zwar sind die vorgenannten Aspekte jeweils für sich genommen für die zweifelsfreie Bestimmung der Staatsangehörigkeit der Klägerin nicht ausreichend, insgesamt ergibt sich jedoch ein stimmiges und schlüssiges Bild, sodass die Einzelrichterin keinen Anlass hat, an der tansanischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu zweifeln.
2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
a) Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065, S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Lands (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Dem Ausländer muss eine Verfolgungshandlung drohen, die mit einem anerkannten Verfolgungsgrund (§ 3b AsylG) eine Verknüpfung bildet, § 3a Abs. 3 AsylG. Als Verfolgungshandlungen gelten gemäß § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die für eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG relevanten Merkmale (Verfolgungsgründe) sind in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Nach § 3c AsylG kann eine Verfolgung sowohl von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2) (interner Schutz bzw. innerstaatliche Fluchtalternative).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb des Heimatlands befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der dem Maßstab des „real risk“, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei der Prüfung des Art. 3 EMRK anwendet, entspricht (vgl. EGMR, U.v. 28.2.2008 – 37201/06, NVwZ 2008, 1330 Rn. 125 ff.; U.v. 23.2.2012 – 27765/09, NVwZ 2012, 809 Rn. 114). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Furcht des Ausländers begründet, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 3.11.2016 – A 9 S 303/15 – juris Rn. 32 ff.; NdsOVG, U.v. 21.9.2015 – 9 LB 20/14 – juris Rn. 30).
Wurde der betroffene Ausländer bereits verfolgt oder hat er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten bzw. war er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht und weisen diese Handlungen und Bedrohungen eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund auf, greift zu dessen Gunsten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL, wonach die Vorverfolgung bzw. Vorschädigung einen ernsthaften Hinweis darstellt, dass sich die Handlungen und Bedrohungen im Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17 – juris Rn. 15). Die Vorschrift privilegiert den betroffenen Ausländer durch eine widerlegliche Vermutung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, wenn stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholung sprechen. Durch Art. 4 Abs. 4 QRL wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte davon befreit, stichhaltige Gründe dafür vorzubringen, dass sich die Bedrohungen erneut realisieren, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
Dem Ausländer obliegt gleichwohl die Pflicht, seine Gründe für die Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen, was bedeutet, dass ein in sich stimmiger Sachverhalt geschildert werden muss, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung ergibt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht. Dies beinhaltet auch, dass der Ausländer die in seine Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse, die geeignet sind, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wiedergeben muss (vgl. § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO; OVG NW, U.v. 2.7.2013 – 8 A 2632/06.A – juris Rn. 59 f. mit Verweis auf BVerwG, B.v. vom 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris Rn. 3 f.; B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – juris Rn. 8; B.v. 3.8.1990 – 9 B 45.90 – juris Rn. 2).
Der Asylsuchende muss dem Gericht glaubhaft machen, weshalb ihm in seinem Herkunftsland die Verfolgung droht. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – m.w.N.).
b) Unter Berücksichtigung vorgenannter Voraussetzungen und Maßstäbe sind die Voraussetzungen des § 3 AsylG bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Klägerin auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft gemacht hat, sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlands zu befinden. Zudem kann sie zumutbaren internen Schutz im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch nehmen.
aa) Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten Verfolgung durch ihren Mann und seine Familie. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, sie sei vor ihnen geflüchtet, weil sie verlangt hätten, dass sie sich beschneiden lasse.
Eine drohende Zwangsbeschneidung stellt zwar grundsätzlich eine an das Geschlecht anknüpfende politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar, weil die zwangsweise Verstümmelung der Genitalien gerade darauf gerichtet ist, die sich weigernde Frau in ihrer politischen Überzeugung zu treffen, indem sie den Traditionen unterworfen wird und unter Missachtung des Selbstbestimmungsrechts zu verstümmelten Objekten gemacht wird (vgl. VG Würzburg, U.v. 21.12.2018 – W 10 K 18.31682 – juris Rn. 31 m.w.N.). Der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann entsprechend dem Wortlaut des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG a.E. auch dann vorliegen, wenn die Verfolgungshandlung alleine an das Geschlecht anknüpft.
Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass weibliche Genitalverstümmelung in Tansania weit verbreitet ist. Auch wenn die Beschneidung von Mädchen seit 1998 als Menschenrechtsverletzung anerkannt und unter Strafe gestellt ist, sind heutzutage 10 bis 15% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren von FGM (Female Genital Mutilation, weibliche Genitalverstümmelung) betroffen. Die Zahlen sind rückläufig, allerdings sind die Anteile in einigen Regionen um ein Vielfaches höher, da die weibliche Beschneidung nur von bestimmten Ethnien praktiziert wird. Die Gegenden mit der höchsten Rate sind Manyara, Dodoma, Arusha, Mara und Singida. Grundsätzlich wird FGM während der Kindheit bis zum frühen Jugendalter praktiziert. Es wird aber von Tendenzen berichtet, dass Betroffene auch nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zur FGM gezwungen werden, auch wenn sie dem entgehen konnten, solange sie jünger waren (vgl. Deutsche Gesellschaft für I. Z2. GmbH (GIZ), Länderinformationsportal, Tansania: Geschichte & Staat, Stand: November 2020, https://www…de/tansania/geschichte-staat/; United State Department of State (USDOS), Tanzania 2019 Human Rights Report vom 11.3.2020, S. 31; Terres de Femmes, Genitalverstümmelung in der Vereinigten Republik Tansania vom Dezember 2019; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Tansania vom 28.2.2017 (Länderinformationsblatt Tansania), S. 12; Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren, April 2010, S. 50 f.).
Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung selbst nicht geltend gemacht, dass sie nach wie vor eine Genitalverstümmelung durch ihren Mann bzw. dessen Familie befürchte. Auf Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Tansania befürchte, erklärte die Klägerin vielmehr, sie habe viel Angst vor ihrem Ehemann. Sie habe ihm sein Geld weggenommen. Auch hier in Deutschland habe sie Angst vor ihm. Sie wisse nicht, was er machen würde, wenn er sie finden würde. Auf Nachfrage, was sie genau von ihrem Mann befürchte, erläuterte die Klägerin, er könne sie sogar töten. Sie habe ihm viel Geld weggenommen und auch seine Tochter mitgenommen. Sie wisse, wie die Massai seien. Sie könnten sie einfach töten. Dieser Vortrag ist jedoch zu vage und oberflächlich, um eine begründete Furcht vor Verfolgung plausibel zu machen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin erklärte, seit ihrer Flucht 2017 keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann und seiner Familie gehabt zu haben. Auch sonst gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie überhaupt versucht hätten, sie zu finden, etwa über ihre Freundin H …, die in Arusha in der Nachbarschaft gelebt und auch nach ihrem Umzug nach Daressalam immer wieder dort zu Besuch war. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass der Mann der Klägerin und seine Familie überhaupt noch ein Interesse an der Klägerin haben könnten. Unabhängig davon knüpft das Vorbringen der Klägerin, sie habe große Angst vor ihrem Mann und seiner Familie, weil sie ihm viel Geld weggenommen und seine Tochter mitgenommen habe, nicht an ein Merkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG an. Es handelt sich hierbei vielmehr um rein private Verfolgungen, die keinen flüchtlingsrelevanten Bezug zu einem anerkannten Verfolgungsgrund aufweist.
bb) Jedenfalls ist nach Ansicht des Gerichts keine landesweit bestehende Gefahr anzunehmen, so dass die Klägerin auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) zu verweisen wäre, § 3e AsylG. Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls in den größeren Städten oder auch anderen Landesteilen Tansanias eine den genannten Anforderungen genügende Ausweichmöglichkeit vorfinden wird. Die Bewegungsfreiheit ist landesweit garantiert, sodass einem Umzug bzw. einer Niederlassung in einem anderen Landesteil keine rechtlichen oder bürokratischen Hindernisse entgegenstehen (vgl. USDOS, Tanzania 2019 Human Rights Report vom 11.3.2020, S. 19; BFA, Länderinformationsblatt Tansania, S. 18 m.w.N.). Tansania ist mit einer Fläche von 945.000 km² gut zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und hat über 56 Millionen Einwohner. Darüber hinaus hat das Volk der Massai – von dessen Mitgliedern der Klägerin nach ihrem Vortrag Verfolgung droht – nur einen Bevölkerungsanteil von einem Prozent (vgl. GIZ, Länderinformationsportal, Tansania: Überblick, Stand: November 2020, https://www.liportal.de/tansania/ueberblick/). In diesem Zusammenhang erscheint es bereits fraglich, wie es dem Mann der Klägerin bzw. seiner Familie möglich sein sollte, von einer Rückkehr der Klägerin überhaupt zu erfahren, geschweige denn sie landesweit zu finden.
Es ist der Klägerin zudem möglich und zumutbar, sich bei einer Rückkehr nach Tansania mit ihrer Tochter anderswo niederzulassen und dort ein neues Leben aufzubauen. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 soll dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Ausdrücklich offengelassen wurde, welche wirtschaftlichen und sozialen Standards darüber hinausgehend erfüllt sein müssen. Allerdings spricht einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 der RL 2011/95/EU (Anerkennungs- bzw. QualifikationsRL) zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslands – oberhalb der Schwelle des Existenzminimums – auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AsylG § 3e Rn. 3). Nach diesem Maßstab kann von der Klägerin vernünftigerweise erwartet werden, sich in einer anderen, für sie sicheren Region ihres Herkunftslands niederzulassen, weil sie dort zur Überzeugung des Gerichts eine Situation vorfinden würde, welche ihr die Möglichkeit bieten würde, sich eine (wenngleich bescheidene) Existenzgrundlage zu schaffen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Klägerin (mit ihrer Tochter) die Rückkehr in eine wirtschaftlich schwierige Situation zugemutet wird, welche ihr einige Anstrengungen abverlangen wird. Davor schützt jedoch das Flüchtlingsrecht nicht.
Tansania ist einer der politisch beständigsten und friedlichsten Staaten in Afrika südlich der Sahara und wirkt stabilisierend in einer Region, die durch zahlreiche Konflikte geprägt war und ist, auch wenn die unsichere Lage in Somalia und Kenia ebenfalls Einfluss auf die Sicherheitslage in Tansania genommen hat. Das Land hat beachtliche Fortschritte in Bezug auf die makroökonomische Stabilisierung über die letzten beiden Dekaden erzielt und ist einer der dynamischsten Wachstumsmärkte in der Region Subsahara-Afrika geworden. Dennoch gehört es weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Wachstumsraten liegen seit Jahren über 5%, im vergangenen Jahrzehnt lagen sie bei 6 bis 7% jährlich. Auch wenn die Erfolge durch das hohe Bevölkerungswachstum von circa 3,1% relativiert werden und es nach wie vor große Herausforderungen gibt, zeigen die statistischen Grunddaten, dass sich Tansania auf einem guten Weg befindet. Das Pro-Kopf-Einkommen ist deutlich gestiegen und liegt mittlerweile bei etwa 1.233 USD. Die offizielle Arbeitslosigkeit wird mit circa 13% angegeben, dürfe aber tatsächlich deutlich darüber liegen. Mehr als 70% der Bevölkerung leben und arbeiten im ländlichen Raum. Die Landwirtschaft wird noch lange einen großen Anteil am Bruttoinlandsprodukt halten. Sie dient vier Fünfteln der Bevölkerung zur eigenen Subsistenz bzw. ist deren wichtigste Einnahmequelle. Amtliche Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte des Volkseinkommens im informellen Sektor, etwa von fliegenden Händlern und Straßenküchen erwirtschaftet wird. Dabei soll der Ausbau des Mikrofinanzwesens auch dem informellen Sektor neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Der Tourismus ist einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige des Landes, wobei die weltweite COVID-19-Pandemie auch in Tansania für einen erheblichen Rückgang der Touristenzahlen gesorgt hat. Im Infrastrukturbereich konnte in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung der Wasserversorgung im ländlichen Bereich festgestellt werden. Eine positive Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung zieht nicht nur die Weltbank, auch wenn Tansania mehrere der „entwicklungspolitischen Jahrtausendziele“ (Millennium Development Goals) bis 2015 verfehlt hat. Eine allzu pessimistische Einstufung der Lebensverhältnisse in Tansania gegenüber anderen afrikanischen Ländern ist aber kaum gerechtfertigt (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Tansania, https://www.bmz.de/de/laender/tansania, Abruf: 9.4.2021; Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), WFP Tanzania Country Brief vom Januar 2021, https://reliefweb.int/report/united-republic-tanzania/wfp-tanzania-country-brief-january-2021; GIZ, Länderinformationsportal, Tansania: Überblick a.a.O.; Tansania: Geschichte & Staat a.a.O.; Tansania: Wirtschaft & Entwicklung, Stand: November 2020, https://www.liportal.de/tansania/wirtschaft-entwicklung/; Tansania: Gesellschaft, Stand: November 2020, https://www.liportal.de/tansania/gesellschaft/; BFA, Länderinformationsblatt Tansania, S. 7). Des Weiteren ist Tansania eines der Länder, welche keinen Lockdown verhängt haben, weshalb die mit solchen Schutzmaßnahmen verbundenen negativen wirtschaftlichen, sozialen oder gar politischen Folgen wie u.a. Arbeitsplatzverlust, welche dazu führen könnten, dass es der Klägerin unmöglich wäre, das Existenzminimum für sich und ihre Tochter zu erwirtschaften, ausbleiben. Dies gilt umso mehr, als die Ernährungssicherheit weitgehend gewährleistet ist (vgl. Germany Trade & Invest (GTAI), Neue Präsidentin sorgt für Optimismus in der Wirtschaft vom 24.3.2021, https://www…de/ gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/wirtschaftsausblick/tansania/-neue-praesidentin-sorgt-fuer-optimismus-in-der-wirtschaft-604258, Abruf: 9.4.2021; OCHA, WFP Tanzania Country Brief vom Januar 2021, a.a.O.; BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation – Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 9.7.2020, S. 6 ff.). Die Klägerin hat auch nicht substantiiert vorgebracht, dass und inwieweit ihr persönlich aufgrund der Pandemie zum jetzigen Zeitpunkt eine konkrete Gefahr mit beachtlicher bzw. hoher Wahrscheinlichkeit drohen könnte. Reisebeschränkungen bestehen innerhalb Tansanias ebenfalls nicht (vgl. BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation a.a.O., S. 9 f.), weshalb die Klägerin nicht gezwungen ist, in dem jeweiligen Ankunftsort zu bleiben, sondern eine für sie gegebenenfalls günstigere Region ihres Herkunftslands aufsuchen kann. Auch wegen des bislang ausgebliebenen Lockdowns konnte Tansania 2020 wohl eine Rezession vermeiden und erreichte immerhin ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von rund 4,2%. Für 2021 werden 4,6% erwartet (vgl. GTAI, Neue Präsidentin sorgt für Optimismus in der Wirtschaft, a.a.O., Abruf: 9.4.2021; GIZ, Länderinformationsportal, Tansania: Wirtschaft & Entwicklung a.a.O.). Darüber hinaus hat Tansania verschiedene fiskalische Maßnahmen im Hinblick auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ergriffen und wird von internationalen Geldgebern unterstützt, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf lokale Unternehmen und Haushalte aufgrund der COVID-19-Pandemie zu reduzieren (vgl. Internationaler Währungsfonds (IWF), Policy Responses to COVID-19, Tansania, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#T, Abruf: 9.4.2021; IWF, COVID 19 – Emergency Financing and Debt Relief, Tansania, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/COVID-Lending-Tracker#AFR, Abruf: 9.4.2021; GTAI, Kurzinformation – Reaktion auf COVID-19 – Stärkung des Sozialwesens und der Wirtschaft vom 2.12.2020, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/entwicklungsprojekte/tansania/reaktion-auf-covid-19-staerkung-des-sozialwesens-und-der-wirtschaft-584880, Abruf: 9.4.2021). Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen und Statistiken zur Entwicklung des Pandemiegeschehens in Tansania. Die Pandemieentwicklung verläuft in Afrika aber allgemein, wie dem Gericht aus anderen Asylverfahren von Asylbewerbern aus verschiedenen afrikanischen Ländern bekannt ist, anders als etwa in Westeuropa (vgl. BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation a.a.O., S. 1 ff.). Aufgrund der deutlich jüngeren Bevölkerung, aber auch der höheren Dunkelziffer fallen die Zahlen der Todesopfer bzw. – sofern statistisch erfasst – der Personen, welche einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung erleiden, an der Gesamtbevölkerung gemessen deutlich geringer aus. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Entwicklung in Tansania signifikant anders darstellen könnte als in anderen afrikanischen Ländern, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung ausgegangen werden kann. Für den Eintritt einer maßgeblichen Verschlechterung der humanitären Verhältnisse fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Gegebenenfalls können die Klägerin und ihre Tochter auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, sodass sie nicht völlig mittellos wären und sich in Tansania etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Gesichtsmasken versorgen könnten. Zudem könnten der Klägerin und ihrer Tochter bei Bedarf diese Dinge für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht auch in Anbetracht der persönlichen Situation der Klägerin davon überzeugt, dass diese unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten die Möglichkeit haben wird, sich und ihrer Tochter eine Existenzgrundlage aufzubauen und so jedenfalls ihre elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin in Tansania immerhin eine siebenjährige Schulbildung genossen. Zudem kann sie vom Vater ihrer Tochter, der die Vaterschaft für sie anerkannt hat und zudem nachgewiesenermaßen ihr biologischer Vater ist, Unterhalt verlangen, selbst wenn er nicht mit ihnen nach Tansania zurückkehren würde. Es ist somit nicht ersichtlich, dass es der Klägerin nicht möglich sein wird, Fuß zu fassen und den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter zu erwirtschaften, auch wenn sie nicht auf ein familiäres Netzwerk in Tansania zurückgreifen könnte. Erforderlich und ausreichend ist insoweit zudem, dass die Klägerin durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem notwendigen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47). Durch ihre in Europa gesammelten Erfahrungen befindet sich die Klägerin zudem in einer vergleichsweise guten Position, da sie und ihre Tochter von diesen auch zukünftig in ihrem Heimatland, mit dessen Sprache und Gepflogenheiten die Klägerin vertraut ist, profitieren können.
Darüber hinaus ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass die Klägerin in Tansania mit ihrer Freundin H … eine Anlaufstelle hat, auf deren Unterstützung und Hilfe sie in Notsituationen bzw. zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten zählen kann. Die Freundin hat wiederholt eindrücklich unter Beweis gestellt, dass sie bereit ist, der Klägerin in jeder Lebenslage eine Stütze und Hilfe zu sein. So hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie mit H … stets über ihre Probleme gesprochen habe und diese ihr die Hilfe ihres Onkels für die Ausreise vermittelt habe. Darüber hinaus zieht H … seit der Ausreise der Klägerin 2017 deren ältere Tochter groß und hat die Geburtsurkunde für die Klägerin besorgt, als diese sie von Deutschland aus darum gebeten hat. Im Hinblick auf diesen letzten Punkt ist die Einzelrichterin zudem davon überzeugt, dass es der Klägerin erneut gelingen wird, mit H … Kontakt aufzunehmen.
Überdies steht es der Klägerin frei, ihre finanzielle Situation in Tansania aus eigener Kraft zu verbessern und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten und erste Anfangsschwierigkeiten gut überbrücken zu können. So können tansanische ausreisewillige Personen etwa Leistungen aus dem REAG-Programm, dem GARP-Programm, sowie dem „Bayerischen Rückkehrprogramm“ erhalten (https://www.returningfromgermany.de/de/countries/tanzania/; https://www.stmi.bayern.de/assets/stmi/lfar/bayerische_richtlinie_zur_f%C3%B6rderung_der_freiwilligen_r%C3%BCckkehr_-_bayerisches_r%C3%BCckkehrprogramm_-_vom_30.08.2019.pdf). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es der Klägerin möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Tansania freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Weder die Vollstreckung oder die Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen vorliegend in Betracht. Für die erkennende Einzelrichterin bestehen nach dem Vorgesagten überdies keine Zweifel daran, dass der Klägerin in Tansania keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht. Weiterhin muss sie sich wie dargestellt auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG.
4. Der Klägerin steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
§ 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse ergeben. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen werden. Insbesondere genügt nach der Rechtsprechung des EGMR der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht auszugleichen (EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 44). Etwas anderes gilt nur in außergewöhnlichen Ausnahmefällen. Ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, liegt beispielsweise dann vor, wenn die Versorgungslage im Herkunftsland völlig unzureichend ist (vgl. EGMR, a.a.O. Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952).
Die wirtschaftlichen Bedingungen in Tansania begründen für sich genommen kein Abschiebungsverbot. Wie bereits ausgeführt, wird die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts im Fall ihrer Rückkehr nach Tansania – trotz der derzeitigen Corona-Krise – in der Lage sein, zumindest die Existenz für sich und ihre Tochter sicherzustellen. Ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG kommt daher nicht in Betracht.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei ist unerheblich, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird, die Regelung stellt alleine auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324). Es gilt der Gefahrenmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr voraus, die den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betrifft. Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet allerdings dann aus, wenn die Gefahr eine Vielzahl von Personen im Herkunftsland in gleicher Weise betrifft, so z.B. allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit Hungersnöten oder Naturkatastrophen, § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Diese allgemeinen Gefahren sind stattdessen bei Aussetzungsanordnungen durch die obersten Landesbehörden nach § 60 Abs. 7 Satz 5 i.V.m. § 60a Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigen. Gleichwohl kann ein Ausländer nach der Rechtsprechung des BVerwG im Hinblick auf die im Herkunftsland herrschenden Existenzbedingungen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz beanspruchen, wenn er im Fall der Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG, dem betroffenen Ausländer im Wege verfassungskonformer Auslegung Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09, NVwZ 2011, 48 Rn. 14 f.). Wann sich allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot verdichten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Es muss sich aber jedenfalls um Gefahren handeln, die nach Art, Ausmaß und Intensität von erheblichem Gewicht sind. Dies ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 ff. m.w.N.; BayVGH. U.v. 17.2.2009 – 9 B 08.30225 – juris m.w.N.; für den Fall einer schlechten Lebensmittelversorgung, die den Betroffenen im Fall der Rückkehr nach seiner speziellen Lebenssituation in die konkrete Gefahr des Hungertods bringen würde: vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 -; BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 -; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 -; BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 -; BayVGH, U.v. 16.1.2014 – 13a B 13.30025 -, alle juris). Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen.
Wie ausgeführt, vermag allein die wirtschaftliche Lage in Tansania kein generelles Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen, da es sich hierbei um eine allgemeine Gefahr handelt, die einen Großteil der tansanischen Bevölkerung betrifft, mit der Folge, dass grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG eingreift. Gleiches gilt für die derzeitige COVID-19-Pandemie. Ausgehend von den oben dargestellten Maßstäben kann alleine in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Extremgefahr für Leib, Leben oder Freiheit angenommen werden, welche die allgemeine Gefahr zu einem Abschiebungsverbot verdichtet.
Im Fall der Klägerin kann eine derartige Extremgefahr nicht prognostiziert werden. Auch insoweit gilt, wie bereits ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass es ihr möglich sein wird, die Lebensgrundlage für sich und ihre Tochter – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie -zu sichern. Es gibt auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr für die Klägerin, sich in Tansania mit SARS-CoV-2 zu infizieren, nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ist, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, sie werde in erheblicher Weise ein Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage.
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist für die Klägerin im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Die 1985 geborene Klägerin ohne erkennbare relevante Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19-Erkrankung (vgl. Robert Koch-Institut, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html, Stand: 29.10.2020). Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die Klägerin angehört. Sie muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen wie etwa HIV/AIDS oder Malaria auch, im Bedarfsfall auf die Möglichkeiten des tansanischen Gesundheitssystems verweisen lassen, auch wenn dieses Defizite aufweisen und nicht dem europäischen Standard entsprechen mag (vgl. GIZ, Länderinformationsportal, Tansania: Gesellschaft a.a.O.; BFA, Länderinformationsblatt Tansania, S. 20). Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren. Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Tansania. Diese betreffen jedoch tansanische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass sich die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der COVID-19-Pandemie in Tansania so verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in einer solch speziellen Lebenssituation befindet, dass sie im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde.
5. Die Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids (Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weshalb sie aufzuheben ist.
a) Die Festsetzung der Ausreisefrist von einer Woche, beginnend mit der Bekanntgabe, welche mit der Asylablehnung als (offensichtlich) unbegründet verbunden ist, ist rechtswidrig.
Sie entspricht zwar den bundesrechtlichen Regelungen in §§ 34 Abs. 1 Satz 2, 36 Abs. 1 AsylG. Die Ausreisefristsetzung ist jedoch mit den unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Wie der EuGH entschieden hat, steht die Verbindung der ablehnenden Entscheidung über einen Asylantrag mit einer Rückkehrentscheidung in Gestalt einer Abschiebungsandrohung – wie hier – nur dann mit Art. 6 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 im Einklang, wenn gewährleistet ist, dass der Ausländer ein Bleiberecht bis zur Entscheidung über den maßgeblichen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags hat und dieser Rechtsbehelf seine volle Wirksamkeit entfaltet (EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – juris; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris; U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris). Da alle Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den maßgeblichen Rechtsbehelf ausgesetzt werden müssen, darf insbesondere die in Art. 7 Rückführungsrichtlinie vorgesehene Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen, solange der betroffene Ausländer ein Bleiberecht hat (EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – juris Rn. 61 f.; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris Rn. 16 und 1 C 19.19 – juris Rn. 25). Abweichend von dem in Art. 46 Abs. 5 der RL 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 (Asylverfahrensrichtlinie n.F.) garantierten Bleiberecht bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens regelt Art. 46 Abs. 6 Asylverfahrensrichtlinie für den Fall der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie die Befugnis des nationalen Gerichts, entweder auf Antrag des Antragstellers – wie im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO – oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Bleiberecht des Antragstellers zu beenden und wenn in diesen Fällen das Bleiberecht bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris Rn. 27). Letzteres trifft für die sofort vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund der Asylablehnung als offensichtlich unbegründet zu, weil hier nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG die aufschiebende Wirkung der Klage ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 46 Abs. 8 Asylverfahrensrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten dem Antragsteller, bis zur Entscheidung über das Bleiberecht im Verfahren nach Art. 46 Abs. 6 Asylverfahrensrichtlinie im jeweiligen Hoheitsgebiet zu verbleiben. Das bedeutet, dass nach der unionsrechtlichen Vorgabe im Fall einer Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet während des Laufs der Antragsfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG für den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. im Fall der rechtzeitigen Antragstellung bis zum ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ein vorläufiges Bleiberecht bestehen muss. Ausreisefrist und Rechtsbehelfsfrist dürfen somit nicht parallel laufen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris Rn. 28, 37). Für den Fall der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch das Verwaltungsgericht sieht hingegen § 37 Abs. 2 AsylG vor, dass die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens endet, sodass insoweit ein unionsrechtskonformer Rechtszustand besteht (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris Rn. 30).
b) Eine Ausreisefrist, die – wie für den Fall der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet in § 36 Abs. 1 AsylG geregelt – bereits mit der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids des Bundesamts beginnt, und die als Bestandteil der Abschiebungsandrohung mit der Asylablehnung in einem Bescheid verbunden ist, gewährleistet mithin die unionsrechtlich geforderten Verfahrens-, Schutz- und Teilhaberechte nicht in vollem Umfang (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris Rn. 28 ff., insb. 37). Zwar hindert ein rechtzeitig gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG nach § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG den Vollzug der angedrohten Abschiebung (Vollzugshemmung), nicht aber deren Vollziehbarkeit (BVerwG a.a.O., Rn. 39). § 59 Abs. 1 Satz 6 und 7 AufenthG ist nicht entsprechend anwendbar (BVerwG a.a.O.). Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 36 Abs. 3 AsylG nicht unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden kann, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eine auf die Dauer des Eilverfahrens begrenzte Aussetzung aller Rechtswirkungen der Abschiebungsandrohung bewirkt (BVerwG a.a.O., Rn. 43 ff.). Das Bundesamt kann jedoch nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO die Vollziehung einer Abschiebungsandrohung aussetzen, um dem Regelgebot des § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG, ablehnende Asylentscheidung und Abschiebungsandrohung zu verbinden, Folge zu leisten und zugleich den unionsrechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Rechtsschutz zu entsprechen (BVerwG a.a.O., Rn. 54 ff.).
c) Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall aufgrund der Festsetzung einer Ausreisefrist von einer Woche, beginnend mit der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids, das vorläufige Bleiberecht gemäß Art. 46 Abs. 6 Asylverfahrensrichtlinie mit dem Ablauf der Antragsfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG endete. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung wurde nicht gemäß § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt. Mithin trat die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung mit dem Ablauf der Ausreisefrist ein. Damit hätte die Abschiebung durchgeführt werden können, bevor das Gericht über den fristgerecht gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden hatte, weshalb ein wirksamer Rechtsbehelf nicht gewährleistet war. Da die Wochenfrist nicht durch die rechtzeitige Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO unterbrochen wird (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – juris Rn. 37), begann sie mangels einer entsprechenden Ersatzregelung im Bescheid auch nicht mit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts über den Eilantrag von Neuem zu laufen. Damit ist die Abschiebungsandrohung aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weshalb sie aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
6. In der Folge ist auch die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 und 3 Satz 1 AufenthG unter Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deshalb ist auch diese Maßnahme aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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