Verwaltungsrecht

Hochschulprofessor, Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand, Ruhestandsversetzung, Anspruch auf Wiederernennung, Rechtsschutzbedürfnis, Klagebefugnis, unzulässige Rechtsausübung, Folgenbeseitigungsanspruch, Verletzung der Fürsorgepflicht, (unzulässige) Fortsetzungsfeststellungsklage nach Hauptsacheerledigung

Aktenzeichen  3 ZB 20.1902

Datum:
6.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41349
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3
BeamtStG § 8 Abs. 4
BeamtStG § 23 Abs. 1 Nr. 5
BayBG Art. 63 Abs. 2 S. 1, 71 Abs. 1 S. 2
BeamtStG § 45
BayHSchPG Art. 3 Abs. 1 und 3, 10 Abs. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 K 19.2836 2020-06-23 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 97.029,55 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1952 geborene Kläger stand bis zu seiner Ruhestandsversetzung als Universitätsprofessor (Besoldungsgruppe W 3 Stufe 3) in Diensten des Beklagten. Er war zuletzt Inhaber des Lehrstuhls für … … … der … … (Universität).
Auf entsprechende Anträge des Klägers (v. 20.12.2016, 12.3.2018 und 26.1.2019) wurde sein Eintritt in den Ruhestand über die reguläre Altersgrenze (1.4.2018) dreimal für jeweils ein Jahr verlängert (zuletzt bis zum Ablauf des 31.3.2021).
Seinen weiteren Antrag vom 29. April 2019 auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand um ein weiteres Jahr lehnte die Universität mit Bescheid vom 13. Mai 2019 unter Hinweis auf den Wortlaut von Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG ab. Dagegen erhob der Kläger am 12. Juni 2019 Verpflichtungsklage und beantragte (sinngemäß) zunächst, den Bescheid vom 13. Mai 2019 aufzuheben (I.), den Beklagten zu verurteilen, dem Antrag des Klägers vom 29. April 2019 stattzugeben (II.) und hilfsweise für den Fall der Abweisung des Klageantrags zu II. den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag vom 29. April 2019 unter Außerachtlassung des Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG neu zu entscheiden (III.).
Um den Ruf der University of E… annehmen zu können und sicherzustellen, dass sein Lehrstuhl an der Universität während der Klärung der Frage eines weiteren Aufschiebens des Eintritts in den Ruhestand nicht anderweitig besetzt wird, stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub, der von der Universität abgelehnt wurde (Schr. v. 6.8.2019). Daraufhin beantragte der Kläger am 8. August 2019 seine Versetzung in den Ruhestand. Diese erfolgte mit Wirkung zum 1. September 2019 gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG. Seit diesem Zeitpunkt ist der Kläger als Professor an der University of E… tätig.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 bat das Verwaltungsgericht den Kläger, eine prozessbeendende Erklärung aufgrund seiner Ruhestandsversetzung abzugeben. Am 13. November 2019 erweiterte der Kläger daraufhin seine Klage und beantragte zusätzlich, hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu II. oder III., den Beklagten zu verurteilen, den Kläger wieder in das aktive Beamtenverhältnis zu berufen und ihn auf seiner bisherigen Position als Hochschullehrer und Inhaber des Lehrstuhls für P. an der Universität zu beschäftigen (IV.) sowie hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge I. bis III., festzustellen, dass der Bescheid vom 13. Mai 2019 rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (V.).
In der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2020 erklärten die Beteiligten übereinstimmend die ursprünglich angekündigten Klageanträge zu I. und zu II. in der Hauptsache für erledigt. Die Klagepartei beantragte zuletzt, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger wieder in das aktive Beamtenverhältnis zu berufen und ihn auf seiner bisherigen Position als Hochschullehrer und Inhaber des Lehrstuhls für P. an der Universität zu beschäftigen (I. – ehemals Hilfsantrag IV.), hilfsweise für das Obsiegen des Antrags zu I. den Beklagten zu verpflichten, über den noch zu stellenden Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes über den 31. März 2021 hinaus um ein weiteres Jahr unter Außerachtlassung des Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG neu zu entscheiden (II. – ehemals Hilfsantrag III.) und hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge I. und II., festzustellen, dass der Bescheid vom 13. Mai 2019 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (III. – ehemals Hilfsantrag V.).
Mit streitgegenständlichem Urteil stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, und wies die Klage im Übrigen ab.
Mit dem dagegen erhobenen Zulassungsantrag vom 14. August 2020 verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Zulassung der Berufung war abzulehnen, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) – vorliegt.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist hier nicht der Fall.
Das angefochtene Urteil ist unabhängig von den von dem Kläger dargelegten Zweifeln im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedenfalls im Ergebnis richtig. Der der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch in einem – hier vorliegenden – Verfahren auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll unabhängig davon, dass insoweit eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift fehlt, aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird (BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 15 ZB 17.1003 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn ein Urteil zu Unrecht mit der Unzulässigkeit der Klage begründet worden ist und ohne weiteres erkennbar ist, dass der mit der möglicherweise zulässigen Klage geltend gemachte Anspruch nicht besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2013 – 3 ZB 09.1436 – juris Rn. 3; B.v. 25.8.1998 – 22 ZB 98.1960 – juris Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, Rn. 7a zu § 124 m.w.N.; a.A. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Rn. 12 zu § 124). So verhält es sich hier. Das angefochtene Urteil ist (jedenfalls) im Ergebnis richtig.
Eine Reaktivierung von Beamten, die auf eigenen Antrag in den Ruhestand wegen Erreichen der Altersgrenze getreten sind, ist anders als bei Beamten, die einstweilig in Ruhestand oder wegen Dienstunfähigkeit in Ruhestand versetzt worden sind (Art. 65, 68 ff. BayBG), gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. UA Rn. 30).
Der geltend gemachte Anspruch, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger wieder in das aktive Beamtenverhältnis zu berufen und ihn auf seiner bisherigen Position als Hochschullehrer und Inhaber des Lehrstuhls für P. an der Universität zu beschäftigen, ergibt sich weder aus einem Folgenbeseitigungsanspruch (a.) oder einer Verletzung der Fürsorgepflicht (b.) noch aus dem Recht auf Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes (c.). Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird insoweit verwiesen (vgl. UA Rn. 31 bis 35).
Mit seinen dagegen erhobenen Einwendungen dringt der Kläger nicht durch.
a. Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert (BVerwG, U.v. 19.2.2015 – 1 C 13.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 8.4.2011 – 20 ZB 11.322 – juris; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 113 Rn. 91). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
(1.) Die Beschränkung der Verlängerungsmöglichkeit auf höchstens drei Jahre nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG stellt zwar eine (unmittelbare) Ungleichbehandlung aufgrund des Lebensalters i.S. von § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG und Art. 2 Abs. 2 a) i.V.m. Art. 1 der RL 2000/78/EG dar. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch keine unzulässige Diskriminierung, weil sie nach § 10 AGG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt ist (vgl. EuGH, U.v. 21.7.2011 – Fuchs, C-159/10 und C-160/10 – juris Rn. 58 f.; U.v. 18.11.2010 – Georgiev, C-250/09 und C-268/09 – Slg 2010, I-11869-11910 – juris Rn. 57; BVerwG, B.v. 21.12.2011 – 2 B 94.11 – juris Rn. 7). Denn nach Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie – wie hier – objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Legitime Ziele können insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung sein. So wurden als legitime Ziele anerkannt die Förderung von Einstellungen und Beförderungen jüngerer Personen, die Zusammenarbeit von Beschäftigten verschiedener Generationen, eine ausgewogene Altersstruktur, die Optimierung der Personalplanung sowie die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten um die Dienstfähigkeit durch eine unwiderlegliche Vermutung der Dienstunfähigkeit bei Erreichen der Altersgrenze (EuGH, U.v. 21.7.2011 – Fuchs, C-159/10 und C-160/10 – juris Rn. 49 f.). Neben diesen politischen, sozialen und demographischen Erwägungen können auch Haushaltserwägungen berücksichtigt werden, sofern dabei insbesondere das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters beachtet wird (EuGH, U.v. 21.7.2011 a.a.O. juris Rn. 73 f.).
Die Regelungen über die Altersgrenze und die Beschränkung der Verlängerungsmöglichkeit auf höchstens drei Jahre in Art. 62 und 63 BayBG verfolgen diese legitimen Ziele. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2010 – 3 CE 10.928 – juris Rn. 31; B.v. 9.8.2010 – 3 CE 10.927 – juris Rn. 42 ff.) gilt auch bei der Berufsgruppe der Professoren und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Wissenschaftsbetriebs der für die Beamten als legitimes Ziel gerechtfertigte Grund, dass durch die Altersgrenze ältere, hochqualifizierte Beamte (Professoren) ihre Erfahrungen an jüngere Kollegen weitergeben und damit im Interesse der Allgemeinheit für eine gleichbleibend hohe Qualität der Professorenschaft sorgen. Andererseits kann die erfahrungsgemäß aufgrund des Alters nachlassende Leistungsfähigkeit durch leistungsfähigere jüngere Kollegen kompensiert werden. Außerdem entsteht durch das planbare und kontinuierliche Freiwerden von Professorenstellen ein zusätzlicher Anreiz für nachrückende Beschäftigte, sich verstärkt zu engagieren, wodurch die Motivation im öffentlichen Dienst insgesamt verbessert werden kann. Der Überalterung entgegen zu wirken und Zukunftschancen Jüngerer zu fördern, sind damit zulässige Ziele, die der Gesetzgeber einer Regelaltersgrenze zugrunde legen kann. Dem steht nicht die Altersstruktur der Professorenschaft entgegen. Es steht im Ermessen des Gesetzgebers, ob er solchen Problemen mit einer Flexibilisierung der Altersgrenze begegnet, jedenfalls kann daraus nicht auf eine Altersdiskriminierung geschlossen werden.
Mit seiner Zulassungsbegründung vermag der Kläger insoweit keine ernstlichen Zweifel zu begründen. Das erstinstanzliche Urteil enthält insofern keine „unklare Zielbestimmung“. Das Verwaltungsgericht stellt vielmehr in Randnummer 51 die nach Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannten rechtmäßigen Ziele dar, bevor es in Randnummer 54 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats auf die legitimen Ziele bei der Berufsgruppe der Professoren näher eingeht. Es setzt sich zudem ausführlich mit dem klägerischen Vortrag auseinander (UA Rn. 58 ff.), es gäbe keinen sachlichen Grund für die Verlängerungsmöglichkeit auf drei Jahre, weil über das Tatbestandsmerkmal des dienstlichen Interesses die Ziele der allgemeinen Regelaltersgrenze über eine Einzelfallprüfung erreicht würden. Es besteht keine – wie der Kläger meint – Vorrangigkeit der vom Gesetzgeber festgeschriebene Individualprüfung des dienstlichen Interesses nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG. Hierfür ergeben sich weder aus dem Wortlaut oder der Systematik der Vorschrift noch aus den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber hat vielmehr unabhängig davon, ob ein dienstliches Interesse vorliegt oder nicht, die Verlängerungsmöglichkeit auf höchstens insgesamt drei Jahre beschränkt. Ob der Kläger im Verhältnis zum internationalen Vergleich schlechter gestellt werde, ist unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht von Bedeutung, da sich der Gleichheitssatz immer nur an denselben Normgeber richten kann.
(2.) Damit kann dahinstehen, ob dem geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch die vom Kläger selbst ausdrücklich beantragte Ruhestandsversetzung als „überholendes“ Ereignis entgegensteht, sodass nicht von einem andauernden (rechtswidrigen) Zustand ausgegangen werden kann.
b. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung nach Versetzung in den Ruhestand kann auch nicht aus einer Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG) abgeleitet werden. Eine schuldhafte Pflichtverletzung ist nach dem oben Gesagten nicht ersichtlich. Ein berechtigter Anspruch des Klägers (auf Weiterbeschäftigung), den der Beklagte zu erfüllen verpflichtet wäre, besteht nicht. Damit kann dahinstehen, ob der Kläger durch seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung in unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingegriffen und eine weitere Ursache gesetzt hat, die den „Schaden“ erst endgültig herbeiführte (BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – NJW 2001, 1878)
c. Schließlich folgt auch aus Art. 19 Abs. 4 GG kein Anspruch auf Wiederernennung und Weiterbeschäftigung. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob sich in besonderen Ausnahmefällen der Rechtsschutzvereitelung aus § 63 Abs. 2 Satz 1 BayBG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ein Anspruch auf erneute Einstellung – unter Hinausschieben der Altersgrenze – ergeben kann (vgl. VGH BW, B.v. 26.2.2018 – 4 S 484/18 – juris Rn. 3). Denn eine Beeinträchtigung des Klägers im Hinblick auf die Erlangung effektiven Rechtsschutzes ist vorliegend nicht ersichtlich. Der Kläger war nicht allein aufgrund des Verhaltens des Dienstherrn daran gehindert, noch vor Eintritt des Ruhestands gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen. Die Ruhestandsversetzung erfolgte auf Antrag des Klägers. Ein Verhalten des Dienstherrn, das die Durchsetzung des Anspruchs auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand vereitelt hätte, liegt unstreitig nicht vor (davon ausgehend auch die Zulassungsbegründung v. 16.9.2020 S. 14).
Der Kläger meint, der gewährte Rechtsschutz reiche bei lebensnaher Betrachtung nicht aus, um sein Klagebegehren zu sichern. Er habe im Vorfeld alles getan, um rechtzeitig das Bestehen eines Anspruchs auf das weitere Hinausschieben des Ruhestandseintritts zu klären und seine Versetzung in den Ruhestand zu vermeiden. Eine rechtskräftige gerichtliche Klärung sei zeitlich nicht realistisch möglich gewesen. Letztlich habe er nur zum Zwecke der Schadensminderung seine Ruhestandsversetzung beantragt, nachdem ihm ein weiteres Zuwarten aufgrund der Einmaligkeit des Angebots der University of E… nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Dabei verkennt der Kläger jedoch nicht nur, dass sein Antrag auf Versetzung in den Ruhestand auf seinem freien Willensentschluss beruhte, sondern auch, dass er seine ihm zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in Gestalt eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO nicht wahrgenommen hat. Das Verwaltungsgericht führt insoweit zutreffend aus (UA Rn. 33), dass es dem Kläger ungeachtet seiner Bemühungen zumutbar war, die (seit Ablehnung seines Antrags auf Gewährung von Sonderurlaub) verbleibende Dienstzeit von 19 Monaten auszuschöpfen, den Antrag auf ein weiteres Hinausschieben rechtlich weiter zu verfolgen und hinsichtlich seiner weiteren wissenschaftlichen Tätigkeit Vorsorge dafür zu treffen, dass ihm diese – unter Umständen auch außerhalb eines aktiven Beamtenverhältnisses mit dem Beklagten – über den 31. März 2021 hinaus möglich ist. Seine Behauptung, ein Antrag nach § 123 VwGO wäre „vermutlich“ nicht rechtzeitig oder „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ abschlägig beschieden worden wäre, bleibt ohne Substanz (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2010 – 3 CE 10.928 – juris, in dem über einen vergleichbaren Antrag nach § 123 VwGO entschieden wurde). Über den Antrag auf weiteres Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand hat der Beklagte zügig entschieden (vgl. a. Zulassungsbegründung v. 16.9.2020 S. 12). Dies gilt auch hinsichtlich der innerhalb von acht Wochen erfolgten Ablehnung (Schr. v. 6.8.2019) des Antrags auf Gewährung von Sonderurlaubs (Schr. v. 14.6.2019). Dass der Zeitraum zwischen der Ablehnung und dem Antritt der Professur an der University of E… mit nur wenigen Tagen knapp bemessen gewesen sei und der Kläger innerhalb dieser Zeit „andere Dinge zu tun hatte“ (Zulassungsbegründung v. 29.10.2020 S. 4), stellt die Zumutbarkeit der versäumten einstweiligen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht in Frage. Denn zwischen Erlass des ablehnenden Bescheides über den Antrag auf ein weiteres Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand vom 13. Mai 2019 und seiner Ruhestandsversetzung (31.3.2021) hätte ausreichend Zeit bestanden. Soweit er seinen sodann erfolgten Antrag auf Ruhestandsversetzung „für angemessener“ gehalten hat, kann dies dem Dienstherrn nicht als Maßnahme einer Rechtsschutzvereitelung zugerechnet werden.
d. Auch aus dem Rufabwendungsangebot vom 16. Februar 2012 folgt keine Zusicherung, den Ruhestandseintritt über die gesetzlich vorgesehene maximal dreimalige Verlängerung hinauszuschieben. Denn die Formulierung bezieht sich unmissverständlich auf die gesetzliche Regelung, an welche die Universitätsverwaltung gebunden ist (vgl. dazu auch Schreiben des Klägers v. 12.3.2018, 26.1.2019 – Personalakte S. 231, 243 „… Ihr Angebot … meinen Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre … hinauszuschieben …“).
1.2 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen auch nicht hinsichtlich der Hilfsanträge. Das Verwaltungsgericht hat unstreitig über den Antrag zu II. nicht entschieden (UA Rn. 36), da die Bedingung – Obsiegen mit Antrag zu I. – nicht eingetreten ist. Zutreffend wies es auch die unter III. hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung, dass der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2019 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO analog) als unzulässig zurück. Nachdem die ursprüngliche, gegen den Bescheid vom 13. Mai 2019 auf ein weiteres Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand gerichtete Versagungsgegenklage von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt worden war, besteht kein Raum mehr für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, da eine übereinstimmende Erledigungserklärung auf eine Beendigung des Rechtsstreits ohne Sachentscheidung abzielt (BVerwG, B.v. 27.4.1982 – 8 B 223.81 – BeckRS 1982, 31267410; U.v. 9.12.1981 – 8 C 39.80 – juris Rn. 13; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 93).
Soweit der Kläger unter Darstellung der Entstehung der Erledigungserklärung meint, durch die Versetzung in den Ruhestand sei die Regelungswirkung des Ablehnungsbescheides nicht entfallen, da er die Feststellung enthalte, der Kläger habe keinen materiellen Anspruch auf Hinausschieben des Eintritts des Ruhestands über drei Jahre hinaus, widerspricht er seiner eigenen Erledigungserklärung. Der Kläger hatte es selbst in der Hand eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Mit seiner Erledigungserklärung und entsprechenden Zustimmung des Beklagten wurde der Rechtsstreit jedoch beendet.
Auch (vermeintlich) irreführende Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung zum Streitwert führen nicht zu der Annahme, die ursprünglichen Klageanträge zu I. und V. beträfen nicht denselben Streitgegenstand. Die Fortsetzungsfeststellungklage stellt letztlich nur eine „transformierte Anfechtungsklage“ dar. Die Umstellung von der Anfechtungszur Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung im Sinn des § 91 VwGO, weil hierdurch lediglich das bisherige Klagebegehren – die Aufhebung des Verwaltungsakts – eingeschränkt und nicht durch ein anderes ersetzt wird. Rechtsschutzziel und Prozessstoff bleiben unverändert (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 88).
Soweit die klägerische Erledigungserklärung in der Zulassungsbegründung angefochten bzw. widerrufen wird, greift dies nicht durch. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Erledigungserklärung ebenso wie die Klage- oder Rechtsmittelrücknahme oder sonstige Handlungen, die unmittelbar die Einleitung, Führung oder Beendigung des Prozesses betreffen, nicht der Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB unterliegt (BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 3). Der von dem Kläger erklärte Widerruf seiner Erledigungserklärung ist unwirksam. Weder liegt ein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO i.V.m. § 153 VwGO vor noch verbietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, den Kläger an seiner Erledigungserklärung festzuhalten. Letzteres kann ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn diese durch Drohung, sittenwidrige Täuschung, unzulässigen Druck oder unzutreffende richterliche Belehrung bzw. Empfehlung und ähnliches herbeigeführt wurde (BVerwG, B.v. 9.1.1985 – 6 B 222.84 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 21.3.2019 – 13 A 18.2365 – juris Rn. 19). Dies ist hier nicht der Fall. Der behauptete Umstand, dass sich die Klägerseite aufgrund der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts subjektiv falsche Vorstellungen zur Frage der Streitgegenstandsidentität der ursprünglichen Klageanträge zu I. und zu V. gemacht habe, genügt für die Annahme einer zum Widerruf berechtigenden unzutreffenden Belehrung jedenfalls nicht. Zumal der Gegenstandsbegriff in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG schon nicht dem des Streitgegenstands im Sinne des Prozessrechts entspricht (BGH, B.v. 6.6.2013 – I ZR 190/11 – juris Rn. 11; B.v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03 – juris Rn. 8 m.w.N.; Kurpat in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 45 GKG Rn. 15). Ferner liegt auch nicht deshalb ein (ausnahmsweise) zulässiger Widerruf vor, weil die Erledigungserklärung offensichtlich irrtümlich oder versehentlich abgegeben wurde (allgemein dazu BVerwG, U.v. 6.12.1996 – 8 C 33.95 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 7.12.2017 – 13 A 17.439 – juris Rn. 22; U.v. 26.3.2015 – 13 A 14.1240, 13 A 14.1241 – juris Rn. 30). Denn der geltend gemachte Irrtum war im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung beim Verwaltungsgericht weder für das Gericht noch für den Beklagten erkennbar.
Nach alledem bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob es der Fortsetzungsfeststellungsklage darüber hinaus am Feststellungsinteresse fehlt.
2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Dies ergibt sich zunächst bereits aus den vorstehenden Ausführungen (1.) zum – nicht gegebenen – Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Der Vortrag in der Zulassungsbegründung, der Kläger sei wegen der zeitlichen Enge zu Handlungen gezwungen worden (Antrag auf Ruhestandsversetzung), die seinem eigentlichen Klagebegehren widersprächen, weshalb die Frage entstehe, inwieweit die Verwaltung verpflichtet sei, bei verbindlicher Feststellung eines Anspruchs den Zustand wiederherzustellen, der bestanden hätte, wenn sie es gleich erkannt hätte, ist nicht zum Beleg dafür geeignet, dass die Rechtssache besonders komplex und abstrakt „fehleranfällig“ ist. Denn er geht bereits von falschen Voraussetzungen aus, da der Kläger weder zu seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gezwungen war noch ein Anspruch (auf ein weiteres Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand) verbindlich festgestellt wurde.
Soweit der Kläger die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten darin sieht, dass die Frage nach einem angemessenen Rechtsschutz in dieser Konstellation selten vorkomme, aus dem Normtext heraus nicht zu beantworten sei und die bisher einzige Entscheidung zu diesem Komplex (VGH BW, B.v. 26.2.2018 – 4 S 484/18 – juris) die Ansicht des Klägers eher stütze, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Denn wie dargestellt (vgl. oben 1.) lassen sich die aufgeworfenen, entscheidungserheblichen Rechtsfragen ohne weiteres lösen. Allein die Seltenheit einer Fallkonstellation führt nicht zu rechtlichen Schwierigkeiten, die das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreiten würden. Denn maßgeblich ist die Qualität, nicht die Quantität der sich stellenden Rechtsfragen.
Der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt auch in Bezug auf die Fortsetzungsfeststellungsklage nicht vor, weil die von dem Kläger als „rechtlich tatsächlich“ schwierig bezeichnete Frage, welchen Zweck die in Art. 63 Abs. 2 BayBG normierte Begrenzung auf eine dreimalige Verlängerung besitzen kann, schon deshalb nicht entscheidungserheblich ist, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig abgewiesen wurde. Dies gilt auch für die Frage, ob die Begrenzung des individuellen Hinausschiebens auf eine dreimalige Begrenzung unionsrechtskonform ist. Im Übrigen bedarf eine entsprechende Klärung nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens (vgl. oben 1.).
3. Der Rechtssache fehlt auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechts- oder Tatsachenfrage ist dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7f.).
Der Kläger hält folgende Frage für klärungsbedürftig: „Hat ein Beamter einen Anspruch auf Wiederernennung, wenn sein Antrag auf Entlassung bzw. Versetzung in den Ruhestand auf einer rechtswidrigen Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung seines aktiven Dienstes beruht?“. Diese Frage bedarf keiner Entscheidung im Berufungszulassungsverfahren, weil sie von der rechtlich unzutreffenden Voraussetzung ausgeht, die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung seines aktiven Dienstes sei rechtswidrig gewesen (dazu oben unter 1.).
Die im Hinblick auf die Fortsetzungsfeststellungsklage für klärungsbedürftig gehaltene Frage, „ob die Begrenzung des Hinausschiebens des Ruhestandes auf maximal drei Jahre mit dem nationalen und unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot vereinbar sei“, ist bereits wegen der Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen bedarf es – wie unter 1. ersichtlich – zur Klärung ebenfalls nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus auf § 154 Abs. 2 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 6 Satz 4 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch (III.) wird mit dem Hauptanspruch (I.) zusammengerechnet, weil eine Entscheidung über ihn ergeht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ebenso zu bewerten wie eine auf das vergleichbare Ziel gerichtete Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage (Nr.1.3 des Streitwertkatalogs).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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