Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung

Aktenzeichen  M 12 E 19.892

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6730
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a
GG Art. 6

 

Leitsatz

1 Zweifel am Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses können bestehen, wenn ein bereits seit mehr als einem Monat mandatierter Bevollmächtigter die Antragsschrift an das Gericht erst eine gute halbe Stunde vor der geplanten Abschiebung übermittelt.  (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Schutz von Ehe und Familie gebietet es regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn ein solches Zusammenleben auch im Heimatland des Ausländers oder eines Familienangehörigen zumutbar möglich ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger, der am heutigen Tag um 15.30 Uhr nach Nigeria abgeschoben werden soll.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. Februar 2019, bei Gericht am selben Tag vollständig um 14.50 Uhr eingegangen, hat der Antragsteller gem. § 123 VwGO beantragt,
die Ausländerbehörde zu verpflichten, der die Abschiebung durchführenden Bundespolizei mitzuteilen, dass die Abschiebung abzubrechen ist.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die geplante Abschiebung sei aus gesundheitlichen und familiären Gründen unverzüglich auszusetzen. Der Antragsteller lebe mit seiner Ehefrau S. und seinen zwei minderjährigen Kindern im Alter von zwölf und sechs Jahren in familiärer Lebensgemeinschaft zusammen. Er übe die elterliche Sorge für beide Kinder gemeinsam mit der Mutter aus. Mutter und Kinder verfügten über ein Daueraufenthaltsrecht/EU in Italien. Sie seien zur Ausreise aufgefordert und werden am 7. März 2019 nach Italien ausreisen. Die Abschiebung des Antragstellers würde zu einer dauerhaften Trennung der Familie führen. Dieser verfüge in Italien über kein Aufenthaltsrecht. Auch und besonders unter Kindeswohlgesichtspunkten sei die dauerhafte Trennung der minderjährigen Kinder, insbesondere des sechsjährigen E., von seinem Vater nicht zumutbar. Für diesen sei der Antragsteller zentrale Bezugsperson. Eine Trennung wäre nicht nur unverständlich, sondern kindeswohlgefährdend und könnte erhebliche Entwicklungsstörungen hervorrufen. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen sei maßgeblich auch auf die Sicht und das Wohl des Kindes abzustellen und die im Einzelfall bestehende persönliche Verbundenheit mit dem betroffenen Elternteil, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Es sei davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienten. Je kleiner das Kind sei, desto entscheidender sei die Nähe und der kontinuierliche Umgang des Kindes zu seinem Vater für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Die Mutter und die Kinder würden in Italien keine Sozialleistungen, geschweige denn eine Unterkunft, erhalten. Der Kindsmutter werde es auf absehbare Zeit nicht gelingen, den Lebensunterhalt für sich und die Kinder zu sichern. Abgesehen von fehlenden Arbeitsplätzen stünden erforderliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten einer Familie von Drittstaatsangehörigen, die sich vier Jahre in Deutschland aufgehalten habe, in Italien nicht zur Verfügung. Auf die Rechtsprechung zur Aufnahme von Familien mit kleinen Kindern in Italien werde hingewiesen. Danach könnten Familien mit kleinen Kindern nicht mehr ohne ausdrückliche individuelle und konkrete Zusage der adäquaten Unterbringung und Versorgung durch die dortigen Behörden nicht mehr nach Italien rücküberstellt werden. Die Familien seien in Italien ansonsten durch die bestehenden Verhältnisse einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK ausgesetzt. Aufgrund dieser Verhältnisse habe die Mutter mit ihren Kindern 2014 Italien verlassen müssen. Dennoch bestehe der Antragsgegner auf der Ausreise der Kindsmutter mit den Kindern. Aufgrund der zu erwartenden Lebensumstände der Familie in Italien sei es aus realistischer Sicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller im Wege des Visumverfahrens zu seiner Familie nach Italien kommen könne. Aufgrund des hohen Schutzguts des Kindeswohls und der Familieneinheit wäre eine Abschiebung nur aufgrund der Tatsache, dass die Vaterschaft des Antragstellers nicht beurkundet sei, rechtswidrig, da sie die verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers und des Kindes verletze. Zudem leide der Antragsteller seit mehr als zwei Monaten unter aggravierenden schweren Kopfschmerzen, weswegen er sich vergangene Woche akut in neurologische Behandlung habe begeben müssen. Da die Kopfschmerzen auf einen erlittenen Unfall zurückzuführen seien bzw. auf einen Tumor hinweisen könnten, sei ein MRT angeordnet worden. Eine Flugreise könne unabsehbare schwere, möglicherweise irreversible Gesundheitsbeeinträchtigungen nach sich ziehen.
Der Tenor der Entscheidung wurde der Bevollmächtigten bereits zuvor gefaxt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht als Vorsitzendenentscheidung (§ 123 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 80 Abs. 8 VwGO). Die Dringlichkeit liegt vor.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Ob der Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unter dem Gesichtspunkt der verzögerten Antragstellung bereits unzulässig ist, kann offen bleiben. Anhaltspunkte hierfür sind, dass die Bevollmächtigte des Antragstellers mindestens bereits seit 29. Januar 2019 mit dessen Vertretung mandatiert war und die nunmehr geltend gemachten familiären Gründe bereits zu dieser Zeit vorlagen. Auch die geltend gemachten gesundheitlichen Gründe sind ausweislich der vorgelegten Unterlagen bereits seit 22. Februar 2019 bekannt. Vor diesem Hintergrund deutet die Übermittlung der Antragsschrift, die vollständig erst eine gute halbe Stunde vor der geplanten Abschiebung bei Gericht eingegangen ist, zumindest darauf hin, dass mit der Übermittlung der Antragsschrift möglicherweise zugewartet wurde, um dadurch eine sachliche Prüfung zeitbedingt zu verhindern und deswegen die Aussetzung der Abschiebung zu erreichen.
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn andere Gründe vorliegen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO.
Der Antragsteller hat den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus den vorgebrachten Gründen nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung besteht.
Der Antragsteller hat nichts dahingehend vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach § 58 Abs. 1 AufenthG nicht vorlägen, sondern hat lediglich einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus gesundheitlichen und familiären Gründen geltend gemacht.
Einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Derartige Gründe sind nicht glaubhaft gemacht worden.
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Will der Ausländer diese gesetzliche Vermutung widerlegen, muss er nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).
Eine derartige qualifizierte ärztliche Bescheinigung wurde nicht vorgelegt. Der vorgelegte Überweisungsschein stellt keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG. Er enthält weder Angaben zum Schweregrad der Erkrankung noch zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).
Der Antragsteller hat auch kein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG glaubhaft gemacht. Er macht insoweit die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau sowie die familiäre Beziehung zu deren Kindern, deren Vater er sei, geltend.
Im Hinblick auf die familiäre Beziehung zu den im Antragsschriftsatz genannten Kindern ist aber bereits nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Antragsteller tatsächlich deren Vater ist. Vater eines Kindes ist nach § 1592 BGB der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist. Nichts davon trifft auf den Antragsteller zu. Ausweislich der vorgelegten Heiratsurkunde hat der Antragsteller die Mutter der sechs- bzw. zwölfjährigen Kinder erst am 25. November 2017, d.h. lange nach deren Geburt, geheiratet. Eine Urkunde über eine Vaterschaftsanerkennung wurde ebenso wenig vorgelegt wie ein Nachweis über eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft. Die gesetzliche Bestimmung der Vaterschaft ist konstitutiv für die Möglichkeit, als Elternteil überhaupt für ein Kind tatsächlich umfassend Sorge zu tragen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 20.3.2018 – 1 Bs 25/18 – juris Rn. 11 m.w.N. zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Sie eröffnet den Zugang zur Elternverantwortung und ist Voraussetzung für die Wahrnehmung der grundrechtlich geschützten Elternposition. Dass nach nigerianischem Recht anderes gelten würde (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Selbst wenn man von einer Vaterschaft des Antragstellers ausginge, hätte er einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zwar verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hat oder ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (BVerfG, B.v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 – juris). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 -juris). Bei der Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften ist auch angemessen zu berücksichtigen, dass durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern sowohl hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts als auch hinsichtlich des Umgangsrechts gestärkt worden sind. Seither ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris; BVerwG, U.v. 20.2.2003 – 1 C 13/02 – juris).
Im vorliegenden Fall ist bereits nicht glaubhaft gemacht worden, dass sich die Ehefrau und deren Kinder berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten. Zwar sind diese im Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis zum Daueraufenthalt/EU. Diese berechtigt jedoch zunächst nur zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für Besuchsaufenthalte von bis zu drei Monaten. Für einen darüber hinausgehenden Aufenthalt bedarf es einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 38a AufenthG. Nach eigenen Angaben im Antragsschriftsatz befinden sich die Ehefrau und die Kinder bereits seit 2014 im Bundesgebiet. Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis wurde nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr wurde für die Ehefrau des Antragstellers eine Grenzübertrittsbescheinigung vorgelegt.
Abgesehen davon ist auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem Antragsteller, seiner Ehefrau und den Kindern nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden könnte. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG gebieten es regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn ein solches Zusammenleben auch im Heimatland des Ausländers oder eines Familienangehörigen zumutbar möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 2 BvR 1226/83 – juris; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.4.2007 – 11 S 1035/06 – juris Rn. 53 jeweils m.w.N.; OVG Lüneburg, 2.2.2011 – 8 ME 305/10 – juris). Bei der Ehefrau und den Kindern handelt es sich wie auch beim Antragsteller um nigerianische Staatsangehörige. Der Antragsteller kann die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft daher ohne weiteres in Nigeria führen. Dass der Ehefrau und den Kindern eine Rückkehr nach Nigeria nicht zumutbar wäre, etwa weil diesen internationaler Schutz zuerkannt worden wäre, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Vielmehr ergibt sich aus der Heiratsurkunde, dass die Ehe am 25. November 2017 in Nigeria geschlossen wurde, zumal unter Angabe einer nigerianischen Wohnanschrift, so dass sogar davon auszugehen ist, dass sie sich vor nicht allzu langer Zeit in Nigeria aufgehalten haben. Auch aus der italienischen Erlaubnis zum Daueraufenthalt/EU der Ehefrau und der Kinder ergibt sich keine Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Nigeria, da diese von dem Aufenthaltsrecht keinen Gebrauch machen müssen. Die Trennung des Antragstellers von seiner Ehefrau und den Kindern beruht somit auf der autonomen Entscheidung der Eheleute bzw. der Ehefrau des Antragstellers, nicht mit diesem nach Nigeria zurückkehren, sondern laut Angaben im Antragsschriftsatz am 7. März 2019 nach Italien auszureisen.
Darüber hinaus könnte die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft auch in Italien geführt werden. Die Ehefrau des Antragstellers und die Kinder sind im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt/EU. Grundsätzlich besteht europarechtlich ein Recht auf Familienzusammenführung (vgl. Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht zur Familienzusammenführung). Es liegt in der Verantwortung des Antragstellers und seiner Ehefrau, die hierfür nach den italienischen gesetzlichen Bestimmungen zulässigerweise geforderten Erteilungsvoraussetzungen, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts, zu erfüllen. Dass dies dem erwerbsfähigen Antragsteller und seiner Ehefrau durch Aufnahme einer Arbeit nicht möglich sein sollte, ist reine Spekulation und wurde in keiner Weise glaubhaft gemacht. Insbesondere sind die Kinder bereits im schulpflichtigen Alter, so dass der Ehefrau des Antragstellers unabhängig von einem Betreuungsplatz zumindest eine Teilzeitbeschäftigung möglich ist.
Ein Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG ergibt sich schließlich auch nicht aus der mit der Abschiebung des Antragstellers verbundenen vorübergehenden Trennung des Antragstellers von den Kindern. Zwar kann eine Trennung von noch sehr kleinen Kindern im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG unzumutbar sein kann, wenn diese den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung nicht begreifen und die Trennung rasch als endgültigen Verlust erfahren (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 – a.a.O.). Bei sechs- bzw. zwölfjährigen Kindern kann jedoch erwartet werden, dass sie den vorübergehenden Charakter der Trennung begreifen, so dass auch eine längerfristige, vorübergehende Trennung zumutbar ist.
Nach alledem war der Antrag mit der Rechtsfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


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