Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei unklaren Angaben zur Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  M 10 K 18.4854

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34671
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 117 Abs. 5
AufenthG § 10 Abs. 1, § 25 Abs. 5, § 25a

 

Leitsatz

1. Ist ein Asylfolgeverfahren eines Ausländers noch nicht abgeschlossen, kann ihm nach § 10 Abs. 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur erteilt werden, wenn die oberste Landesbehörde zustimmt und wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern. (Rn. 29 – 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 16b Abs. 1 S. 1 AufenthG setzt den Nachweis eines aktuellen Schulbesuchs voraus. (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Ein Ausländer ist dann nicht unverschuldet i.S.v. § 25 Abs. 5 S. 3, 4 AufenthG an der Ausreise gehindert, wenn er zu seiner Staatsangehörigkeit verschiedene Angaben macht, die dazu führen, dass ihm Heimreisepapiere nicht ausgestellt werden können. (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden werden. Der Kläger ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses seines Bevollmächtigten am 11. Oktober 2019 ordnungsgemäß zum Termin geladen und auf die Folgen seines Ausbleibens beim Termin hingewiesen worden.
2. Die zulässige Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) noch einen Anspruch auf eine diesbezügliche Neuverbescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 27. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht sieht zunächst von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des angefochtenen Bescheids folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat in der sehr knapp gehaltenen Klageschrift nichts vorgetragen, was eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte. In der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2019 ist der Kläger nicht erschienen.
Ergänzend sei Folgendes ausgeführt:
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht bereits die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG wegen des nicht bestandskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens entgegen.
Nach § 10 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.
Vorliegend war im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 28. November 2019 das Asylfolgeverfahren, das die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG ebenso auslöst, noch nicht bestandskräftig abgeschlossen. Das diesbezügliche Urteil vom 8. November 2019 (Az. M 10 K 19.32235) war noch nicht rechtskräftig. Da im konkreten Fall keine Anspruchsgrundlagen, die einen gesetzlichen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermitteln, im Raum stehen, könnte eine Aufenthaltserlaubnis jedenfalls nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und bei Vorliegen wichtiger Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die hier gerade nicht gegeben sind, erteilt werden.
Im Übrigen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlagen, wie im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, nicht erfüllt.
a) Der Kläger hat auch im gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen, dass er die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Heranwachsende nach § 25a AufenthG erfüllt.
Er hat bereits nicht den Nachweis geführt, dass er im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat (§ 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). In der Behördenakte befindet sich lediglich eine Bestätigung über einen Schulbesuch für das Schuljahr 2017/2018. Im Klageverfahren hat der Kläger weder einen darüber hinausgehenden Schulbesuch vorgetragen noch nachgewiesen. Eine weitere diesbezügliche Sachaufklärung war dem Gericht mangels Erscheinen des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch nicht möglich.
b) Nachdem ein aktueller Schulbesuch nicht nachgewiesen ist, liegen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 16b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Zweck des Schulbesuchs nicht vor.
c) Zwar kann in der länger dauernden Passlosigkeit eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu sehen sein. Aber der Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis stünde jedenfalls entgegen, dass der Kläger nicht unverschuldet im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 3 und Satz 4 AufenthG an der Ausreise gehindert ist. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Der Kläger hat zu seiner Staatsangehörigkeit verschiedene Angaben gemacht, die dazu führten, dass ihm Heimreisepapiere nicht ausgestellt werden konnten. Vor der senegalesischen Delegation hat er am 9. Mai 2017 behauptet, gambischer Staatsangehöriger zu sein, vor der gambischen Delegation am 16. Oktober 2018 dagegen, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein. Sein hierzu abgegebener Erklärungsversuch, es habe sich bei der Anhörung am 9. Mai 2017 um ein Missverständnis gehandelt, überzeugt das Gericht nicht, zumal in der Klageschrift wiederum behauptet wird, der Kläger sei gambischer Staatsangehöriger. Eine weitere diesbezügliche Sachaufklärung war dem Gericht auch nicht möglich, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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