Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  20 B 19.31661

Datum:
2.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25272
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3

 

Leitsatz

1. Die illegale Ausreise und die Stellung eines Asylantrags sowie der Aufenthalt im westlichen Ausland führen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen seitens der syrischen Sicherheitskräfte. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Angehörige von Wehrdienstpflichtigen müssen wegen deren Entziehung vom Wehrdienst allein nicht mit flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen seitens der syrischen Sicherheitskräfte rechnen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 K 17.32824 2018-03-05 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. März 2018 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte über die Berufung durch den Berichterstatter entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben, §§ 87a Abs. 2 und 3, 125 Abs. 1 VwGO.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage der Klägerin ist zwar zulässig, das Verwaltungsgericht hat zu Recht Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aber zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, sodass das Urteil zu ändern war. Die Klägerin hat zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch nicht über § 26 AsylG.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer – soweit hier von Interesse – Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Davon wäre nur dann auszugehen, wenn der Klägerin bei verständiger (objektiver) Würdigung der gesamten Umstände ihres Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, sodass ihr nicht zuzumuten ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Die „verständige Würdigung aller Umstände“ hat dabei eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe zum Inhalt. Im Rahmen dieser Prognose ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es ist maßgebend, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage der Klägerin Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne begründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ Betrachtungsweise weniger als 50 v.H. Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage der Klägerin nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37 und zu Art. 16a GG U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – juris Rn. 17).
Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin weder im Zeitpunkt ihrer Ausreise vor (1.), noch ergeben sie sich aus Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem die Klägerin ihr Herkunftsland verlassen hat (2.).
1. Die Klägerin ist nicht vorverfolgt ausgereist. Umstände, aus denen sich eine bereits erlittene oder im Zeitpunkt der Ausreise unmittelbar drohende Verfolgung durch den syrischen Staat oder sonstige Akteure im Sinn des § 3c Nr. 2 und 3 AsylG ergeben, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
2. Die Klägerin kann für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nichts daraus für sich ableiten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylG die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auch auf Ereignissen beruhen kann, die eingetreten sind, nachdem sie ihr Herkunftsland verlassen hat. Ein solcher Nachfluchtgrund besteht nicht.
Die Klägerin kann sich zur Begründung der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht auf die illegale Ausreise und/oder den Aufenthalt im westlichen Ausland und eine dort erfolgte Asylantragstellung berufen (a.). Die Klägerin muss eine Verfolgung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der beachtlichen Gefahr der Reflexverfolgung aufgrund der Wehrdienstentziehung ihrer Söhne befürchten (b). Dies gilt auch, wenn man alle Umstände im Rahmen einer Gesamtwürdigung gemeinsam betrachtet (c.).
Die allgemeine Situation in Syrien stellt sich im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung wie folgt dar: Das Herrschaftssystem des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ist durch den seit dem Jahr 2011 anhaltenden militärischen Kampf gegen verschiedene feindliche Organisationen und infolge internationaler Sanktionen militärisch sowie wirtschaftlich zunehmend unter Druck geraten. Ziel der Regierung ist es, die bisherige Machtarchitektur bestehend aus dem Präsidenten Bashar al-Assad sowie den drei um ihn gruppierten Clans (Assad, Makhlouf und Shalish) ohne einschneidende Veränderungen zu erhalten und das Herrschaftsmonopol auf dem gesamten Territorium der Syrischen Arabischen Republik wiederherzustellen. Diesem Ziel ordnete die Regierung in den vergangenen Jahren alle anderen Sekundärziele unter (vgl. Gerlach, „Was in Syrien geschieht – Essay“ v. 19.2.2016). Sie geht in ihrem Einflussgebiet ohne Achtung der Menschenrechte gegen tatsächliche oder vermeintliche Regimegegner (Oppositionelle) mit größter Brutalität und Rücksichtslosigkeit vor. Dabei sind die Kriterien dafür, was als politische Opposition betrachtet wird, sehr weit: Kritik, Widerstand oder schon unzureichende Loyalität gegenüber der Regierung in jeglicher Form sollen Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen geführt haben (UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Fassung – im Folgenden UNHCR-Erwägungen 2017 – unter Verweis auf: United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2015, 13.4.2016; Amnesty International, Human Slaughterhouse: Mass Hangings and Extermination at Saydnaya Prison, Syria, 7.2.2017; UN Human Rights Council, Out of Sight, out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Republic, 3.2.2016). Seit dem Ausbruch des Krieges im März 2011 sind zahlreiche Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, „Verschwindenlassen“, tätlichen Angriffen, Tötung in Gewahrsam der Sicherheitskräfte und Mordanschlägen belegt. Die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung ist in den Verhörzentralen der Sicherheitsdienste, zu denen weder Anwälte noch Familienangehörige Zugang haben, als besonders hoch einzustufen. Personen, die unter dem Verdacht oppositioneller Umtriebe stehen, unterliegen ebenfalls einem hohen Folterrisiko (Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 13.11.2018). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert; das syrische Regime stellt falsche Totenscheine offenbar mit dem Ziel aus, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, 25.1.2018, S. 34 unter Verweis auf US Department of State, 2016 Country Reports on Human Rights Practices – Syria, 3.3.2017). Das Schicksal und der Aufenthaltsort zehntausender Menschen, die seit Ausbruch des Krieges von Regierungskräften inhaftiert worden waren und seitdem „verschwunden“ sind, sind nach wie vor unbekannt. Während der Haft werden Folter und andere Misshandlungen systematisch angewendet (Amnesty International, Report Syrien 2018, 22.2.2018; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, 25.1.2018, S. 34 unter Verweis auf Human Rights Watch, World Report 2017 – Syria; Einwanderungs- und Flüchtlingsbehörde von Kanada, Antworten auf Informationsanfragen SYR105361.E, 19.1.2016) (vgl. BayVGH, U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 – BeckRS 2019, 1..2018 Rn. 26; U.v. 9.4.2019 – 21 B 18.33075 – juris Rn. 21, unter Fortführung seiner Rechtsprechung aus der Entscheidung vom 20. Juni 2018 – 21 B 17.31605 – juris). Im Laufe der Jahre 2017 und 2018 hat das syrische Regime große bisher von oppositionellen Kräften gehaltene Gebiete zurückerobert. Als letztes größeres Gebiet, das von der Opposition kontrolliert wird, ist (abgesehen von den von kurdisch dominierten Milizen gehaltenen Gebieten im Nordosten Syriens) die Provinz Idlib verblieben. Innerhalb dieses Gebiets kämpfen jedoch unterschiedliche Gruppierungen auch untereinander um die Vorherrschaft (EASO, COI Meeting Report – SYRIA: COI Meeting 30 November – 1. December 2017, S. 21 ff).
a. 
Die Klägerin kann sich zur Begründung der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedenfalls nicht auf die illegale Ausreise und/oder den Aufenthalt im westlichen Ausland und eine dort erfolgte Asylantragstellung berufen.
Es entspricht gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Deutschland, dass die illegale Ausreise und die Stellung eines Asylantrags sowie der Aufenthalt im westlichen Ausland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen seitens der syrischen Sicherheitskräfte führen (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.3.2019 – A 4 S 335/19 – juris Rn. 45; VGH BW, U.v. 23.10.2018 – A 3 S 791/18 – juris Rn. 24; OVG Schleswig-Holstein, U.v. 13.9.2018 – 2 LB 38/18 – juris Rn. 34 unter Verweis auf U.v. 4.5.2018 – 2 LB 17/18 – juris Rn. 36-75; OVG NRW, U.v. 3.9.2018 – 14 A 837/18.A – juris Rn. 44 ff. mit einer Übersicht über die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Rn. 45-48; OVG Nds., U.v. 5.9.2017 – 2 LB 186/17 – Rn. 55 ff.; BayVGH, U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 – a.a.O. Rn. 27-41).
Die von der Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dagegen angeführten Auskünfte von Amnesty International vom 26. März 2019 an das VG Berlin und von ACCORD vom 9. August 2019 können diese Auffassung nicht erschüttern.
Amnesty International verweist eingangs in der genannten Auskunft auf das große Maß an Willkür, das von syrischen Regimevertretern ausgeübt werde. Diese Willkür stellt weder der Senat noch die genannte Rechtsprechung in Abrede. Aus einer willkürlichen Handhabung von Vorschriften lässt sich aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ableiten, dass jeder nach Syrien zurückkehrende wegen seiner Ausreise und der Asylantragstellung bzw. dem Aufenthalt im Ausland einer Verfolgung in Anknüpfung an eine ihm unterstellte oppositionelle Haltung ausgesetzt sein wird. Vielmehr ist kennzeichnend für Willkür gerade, dass die Art der Behandlung vollkommen von der Einstellung und auch den Launen des Amtsträgers abhängt und diese somit gerade nicht vorhersehbar ist. Vor diesem Hintergrund kann die Willkür der syrischen Sicherheitskräfte die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bei Rückkehr nicht begründen. Die übrigen Ausführungen der Auskunft gehen nicht über die in der genannten Rechtsprechung berücksichtigte Erkenntnislage hinaus und wiederholen Bekanntes aus früheren Stellungnahmen.
Die Auskunft von ACCORD vom 9. August 2019 („Informationen zur Anwendung des Gesetzes Nr. 18 von 2014 bezüglich der illegalen Ausreise“) wertet verschiedene Quellen aus. So stelle der Bericht des UNHCR vom Februar 2017 zur illegalen Ausreise aus Syrien und deren Folgen fest, dass grundsätzlich die illegale Ausreise aus Syrien zwar strafbar sei, es sei aber unklar, ob das diese Strafbarkeit begründende Gesetz Nr. 18 von 2014 auch angewandt werde und ob Personen, die zurückgekehrt seien, auf Basis dieses Gesetzes einer Strafverfolgung ausgesetzt gewesen seien. Nach dem Kurzbericht der dänischen Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service – DIS) vom Juni 2019 habe das Syrische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und im Ausland lebende Syrer im August 2018 in einem Rundschreiben angekündigt, dass Personen, die Syrien während des Krieges illegal verlassen hätten, keine Probleme mit den syrischen Behörden in Verbindung mit ihrer illegalen Ausreise zu befürchten hätten. Die Auskunft weist auf die Möglichkeit der „Wiederversöhnung“ (reconciliation) für illegal Ausgereiste hin und stellt das diesbezügliche Verfahren dar. Ein syrischer Rechtsanwalt habe angegeben, dass keine Fälle bekannt seien, in denen Rückkehrer wegen der Ausreise Probleme bekommen hätten. Gleiches habe der Leiter des Syrian Observatory for Human Rights festgestellt und angegeben, dass diejenigen, die Probleme bekommen hätten, andere sicherheitsrelevante Probleme mit der Regierung gehabt hätten. In ähnlicher Weise äußerte sich der Bericht einer gemeinsamen Fact Finding Mission des DIS und des Danish Refugee Council (DRC) nach Beirut und Damaskus im November 2018 vom Februar 2019, was die Folgen der illegalen Ausreise, des Aufenthalts im Ausland und der Asylantragstellung dort angeht. Vergleichsweise negativ äußert sich allein der in der genannten Auskunft von ACCORD zitierte Bericht des ägyptischen Nachrichtenportals Arabi 21 vom 5. September 2015. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass dieser bereits 4 Jahre alt ist. Er ist daher nicht in der Lage, die neueren Entwicklungen, insbesondere aufgrund des Rundschreibens vom August 2018 zu berücksichtigen. Darüber hinaus betrifft er inhaltlich nicht einen Rückkehrer aus dem Ausland, der illegal ausgereist war und sich dann längere Zeit im Ausland aufgehalten hat.
Der Senat schließt sich daher auch angesichts der klägerseits angeführten Auskünfte der oben genannten Auffassung der deutschen Oberverwaltungsgerichte an (vgl. auch U.v. 9.5.2019 – 20 B 19.30534, 20 B 19.30643 und 20 B 19.30793 – alle juris).
b. 
Auch unter dem Gesichtspunkt der beachtlichen Gefahr der Reflexverfolgung aufgrund der Wehrdienstentziehung ihrer Söhne droht ihr keine flüchtlingsschutzrelevante Gefahr.
Es besteht Einigkeit in der Rechtsprechung der deutschen Oberverwaltungsgerichte, dass Angehörige von Wehrdienstpflichtigen wegen deren Entziehung vom Wehrdienst allein nicht mit flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen seitens der syrischen Sicherheitskräfte rechnen müssen. Daran wird festgehalten. Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des 21. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 20.6.2018 – 21 B 17.31605 – juris Rn. 52 ff; U.v. 22.6.2018 – 21 B 18.30852 – juris Rn. 39), des erkennenden Senats (U.v. 9.5.2019 – 20 B 19.30534 – juris Rn. 63-81), des VGH Baden-Württemberg (U.v. 9.8.2017 – A 11 S 710.17 – juris Rn. 50), des Sächsischen OVG (U.v. 7.2.2018 – 5 A 1246/17.A – juris Rn. 49-50) und des Nordrhein-Westfälischen OVG (U.v. 12.12.2018 – 14 A 847/18.A – juris Rn. 37) Bezug genommen.
Im Übrigen besteht nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Folgen einer Wehrdienstentziehung für syrische Staatsangehörige (BayVGH, U.v. 12.4.2019 – 21 B 18.32459 – juris), der sich der Senat anschließt, auch für einen Wehrdienstentzieher wie die Söhne der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keine flüchtlingsschutzrelevante Gefahr mehr. Damit kann dies auch für seine Familienangehörigen nicht mehr der Fall sein.
c. 
Auch wenn man in die zu treffende Prognoseentscheidung alle vorgenannten Umstände – die illegale Ausreise, den Aufenthalt im westlichen Ausland und eine dort erfolgte Asylantragstellung sowie die Wehrdienstentziehung der Söhne der Klägerin – einbezieht, ergibt sich daraus keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine flüchtlingsrechtlich relevante (politische) Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG. Bei der Klägerin liegen keine besonderen individuellen Umstände vor, weshalb ihr vom syrischen Staat eine oppositionelle Haltung unterstellt werden könnte und ihr deshalb Verfolgungsmaßnahmen drohten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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