Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf zusätzlichen Herstellungsbeitrag für eine Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  B 4 K 14.174

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1
BGS-EWS 1976 § 3 Nr. 2, § 4

 

Leitsatz

Nicht beitragspflichtig für einen zusätzlichen Herstellungsbeitrag für eine Entwässerungsanlage ist, wer das Grundstückseigentum erst erworben hat, nachdem die Beitragsschuld durch Geschossflächenvergrößerung infolge eines nachträglichen Dachgeschossausbaus bereits entstanden war. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 aufzuheben, weil er rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist.
Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) aufgrund einer besonderen Abgabesatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmen muss, Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Beitragspflichtig ist gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter ist.
Die Klägerin ist nicht beitragspflichtig, weil sie das Grundstückseigentum erst erworben hat, nachdem die Beitragsschuld für die streitgegenständliche Dachgeschossfläche bereits entstanden war.
Da die Beklagte gemäß § 1 Abs. 1 der Entwässerungssatzung (EWS) vom 20.09.1976 schon damals eine Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung betrieb, ist der Geschossflächenbeitrag für das Dachgeschoss aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 20.09.1976 (BGS-EWS 1976) entstanden, deren § 4 in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG zum Beitragsschuldner bestimmte, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter war.
Nach § 5 Nr. 2 Satz 3 BGS-EWS 1976 wurden Dachgeschosse zu 2/3 der Geschossfläche herangezogen, sobald sie wohnlich oder gewerblich genutzt werden konnten. Im Falle der Geschossflächenvergrößerung durch einen nachträglichen Dachgeschossausbau entstand gemäß § 5 Nr. 5 BGS-EWS 1976 eine Beitragspflicht für die zusätzlich geschaffenen Geschossflächen, wenn für diese Flächen noch keine Beiträge geleistet wurden. Zeitpunkt des Entstehens der zusätzlichen Beitragspflicht war gemäß § 3 Nr. 2 BGS-EWS 1976 in der Fassung des Art. I Abs. 1 der 2. Satzung zur Änderung der BGS-EWS 1976 vom 29.04.1986, in Kraft getreten am 01.04.1986, der Abschluss der Maßnahme.
Der Ausbauzustand des streitgegenständlichen Dachgeschosses ermöglicht eine wohnliche oder gewerbliche Nutzung im Sinne des § 5 Nr. 2 Satz 3 BGS-EWS 1976. Dieser Ausbauzustand lag im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs auf die Klägerin am 17.01.1994 bereits vor.
Nach den Angaben der Klägerseite ist das Dachgeschoss über eine normale Treppe erreichbar und verfügt über zwei normale Fenster und zwei Dachflächenfenster, zwei Heizkörper, eine vollständige Elektroinstallation und ein kleines Handwaschbecken. Wände, Dachschrägen und Decken sind mit Holz verschalt, der Holzfußboden ist im größeren Raum mit Teppichboden belegt. Die Stehhöhe von 1,95 m wird auf einer Breite von 2,8 m im größeren und 1,7 m im kleineren Raum erreicht. Diese Größe und Ausstattung der beiden Räume ermöglichen zweifelsfrei eine wohnliche oder gewerbliche Nutzung.
Nach Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16.03.2016 wies das Dachgeschoss den beschriebenen Ausbauzustand bereits auf, als sie das Grundstück im Jahr 1993 kaufte. Das Gericht sieht keine Veranlassung, an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage zu zweifeln, da die Beklagte zu ihrer Annahme, erst die Klägerin habe das Dachgeschoss ausgebaut, keine überzeugenden Gründe vorgebracht hat.
Der Umstand, dass der Voreigentümer in seinem genehmigten Bauplan aus dem Jahr 1971 die beiden Räume im Dachgeschoss als „Dachboden“ bezeichnete, im Jahr 1976 gegenüber der Beklagten erklärte, das Dachgeschoss sei nicht ausgebaut, und zu keiner Zeit eine Nutzungsänderung beantragte oder anzeigte, rechtfertigt keine Schlussfolgerungen zulasten der Klägerin. Vielmehr kommt es immer wieder vor, dass ein Dachgeschoss „schwarz“ ausgebaut und zu Wohnzwecken bzw. gewerblichen Zwecken genutzt wird. Es ist nicht nachvollziehbar, warum gerade die Klägerin sich so verhalten haben soll, nicht hingegen bereits der Voreigentümer.
Zweifel an der Aussage der Klägerin begründet auch nicht der in der Akte der Beklagten befindliche undatierte „Erhebungsbogen“, der offensichtlich in Zusammenhang mit der Festsetzung von Vorauszahlungen auf den Verbesserungsbeitrag im Jahr 1997 steht. Zwar wurde darin – offenbar nachträglich – vermerkt „DG nicht ausgebaut“ und die ursprünglich ermittelte Geschossfläche nach unten korrigiert. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser Vermerk auf einer Besichtigung des Dachgeschosses beruht. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Richtigkeit der Grundstücks- und Geschossfläche nicht, wie im Erhebungsbogen vorgesehen, von der Klägerin als Grundstückseigentümerin und der Person, die „aufgemessen“ hat, durch Unterschrift bestätigt wurde, für die Annahme, dass der Erhebungsbogen ohne aktuelles Aufmaß und ohne Mitwirkung der Klägerin unter Rückgriff auf die Angaben des Voreigentümers zum Ausbauzustand des Dachgeschosses ausgefüllt wurde. Die inhaltliche Richtigkeit des Vermerks „DG nicht ausgebaut“ ist damit nicht belegt.
Der in der mündlichen Verhandlung am 16.03.2016 vernommene Zeuge konnte zum Ausbauzustand des Dachgeschosses nichts beitragen, da er sich nicht erinnern konnte, das Dachgeschoss überhaupt betreten zu haben.
Bestätigt wird die Aussage der Klägerin durch die von der Witwe des Voreigentümers unterzeichnete Erklärung vom 19.03.2016, dass der Raum mit dem Waschbecken bei Bedarf als Gästezimmer und der andere Raum als Büro genutzt worden seien. Allein der von der Beklagtenseite geltend gemachte Umstand, dass die Unterzeichnerin die maschinenschriftliche Erklärung möglicherweise nicht persönlich verfasst hat, begründet angesichts der von ihr geleisteten Unterschrift keine Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Dachgeschoss schon vor dem Eigentumsübergang auf die Klägerin wohnlich oder gewerblich genutzt werden konnte mit der Folge, dass auch die Beitragsschuld schon vor diesem Zeitpunkt entstanden und die Klägerin nicht beitragspflichtig ist.
2. Über den Antrag auf Erstattung etwaig bezahlter Säumniszuschläge und Zwangsvollstreckungskosten ist zu entscheiden, weil seine Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung ohne die Einwilligung der Beklagten, die versagt wurde, nicht wirksam ist (§ 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Insoweit ist die Klage abzuweisen, weil die Klägerin unstreitig weder Säumniszuschläge noch Zwangsvollstreckungskosten gezahlt hat.
3. Da die Klägerin mit ihrem ins Leere gehenden Leistungsantrag nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, können gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten ganz der Beklagten auferlegt werden.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4, 5 VwGO sowie in den §§ 3 und 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 808,05 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG und entspricht dem Betrag der streitigen Abgabe zuzüglich des festgesetzten Säumniszuschlags.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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