Verwaltungsrecht

Kein Anspruch eines nigerianischen Staatsangehörigen auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU sowie eines Passersatzes

Aktenzeichen  M 12 K 14.4513

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48913
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 9, § 9a, § 26 Abs. 4
AufenthV § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Besitzt ein Ausländer lediglich eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG, genügt er dem Erfordernis des Besitzes eines Aufenthaltstitels nach § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, da in der Fiktion keine Aufenthaltserlaubnis liegt, sodass die Voraussetzung des nahtlosen Übergangs von einer Aufenthaltserlaubnis zur Niederlassungserlaubnis nicht gegeben ist. Nicht anrechenbar sind insoweit Zeiten, in denen der Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis besessen hat, ungeachtet dessen, ob er einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte (vgl. BVerwG BeckRS 2010, 48459). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bricht ein Ausländer anlässlich einer Vorspreche bei der Ausländerbehörde das Verfahren zur Verlängerung eines elektronischen Aufenthaltstitels durch die Weigerung, seine Fingerabdrücke abzugeben, ab, nimmt er damit den Verlängerungsantrag konkludent zurück.  (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Hat ein Ausländer in der Bundesrepublik mehrere Asylverfahren betrieben, sind nach  § 26 Abs. 4 S. 3 AufenthG nur Zeiten des der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens anrechenbar (VGH Mannheim InfAuslR 1996, 205). Die Anrechnung der Zeit des Asylverfahrens setzt ihrerseits nicht voraus, dass in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung des Asylverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Soweit die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG voraussetzt, dass sich der Ausländer “seit fünf Jahren mit Aufenthaltstitel” im Bundesgebiet aufhält, erfordert dies den Besitz eines Aufenthaltstitels oder zumindest eines fiktiven Aufenthaltsrechts unmittelbar vor Beantragung der Daueraufenthaltserlaubnis-EU.  (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passersatzes an fremde Staatsangehörige regelmäßig verbundenen Eingriff in die Hoheitsbefugnisse eines anderen Staates ist es  grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde einen Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Möglichkeit der Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (vgl. VGH München BeckRS 2014, 51259). Der Ausländer muss dabei alle Möglichkeiten wahrnehmen, an der Erlangung eines Passes mitzuwirken, die ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können, entweder weil die Ausländerbehörde sie zulässigerweise von ihm verlangt hat oder weil sie ihm sonst bekannt sein können oder bekannt sind. (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

10 C 15.1129 2015-12-07 Bes VGHMUENCHEN VGH München

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2014, mit dem der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, einer Daueraufenthalterlaubnis-EU und eines Reiseausweises abgelehnt wurde.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Bezüglich des beantragten Reiseausweises (Klageantrag Nr. 2) ist die Klage als Untätigkeitsklage zulässig, da über den Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises vom 5. August 2014 (Bl. 986 d.BA) seit mehr als drei Monaten nicht entschieden wurde.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gem. § 9 AufenthG. Danach ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn der Kläger u. a. seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt, sein Lebensunterhalt gesichert ist, er mindestens 60 Monatsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 AufenthG in der Fassung der Gültigkeit ab dem 1. August 2015 (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S.1386)). Danach kann einem Ausländer, der seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5. (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.
Der Kläger erfüllt schon nicht die Voraussetzung der erforderlichen Aufenthaltszeit. Erforderlich ist ein ununterbrochener Besitz des Aufenthaltstitels während des gesamten Zeitraums. Vorausgesetzt wird damit nicht nur der durchgehende Titelbesitz seit fünf Jahren, sondern ein nahtloser Übergang zwischen der humanitären Aufenthaltserlaubnis, ihr gleichgestellten Zeiten und der Niederlassungserlaubnis. Der Kläger hat seit seiner Einreise im Juni 2002 lediglich einmal eine Aufenthaltserlaubnis gehabt und zwar vom 30. Juni 2011 bis 29. Juni 2012 (Bl. 619 d. BA). Am … Juni 2012 beantragte er die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, woraufhin ihm eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde, die laufend verlängert wurde (Bl. 794 und 761 ff. d. BA). Zum Zeitpunkt der Beantragung der Niederlassungserlaubnis (… Februar 2014) war der Kläger daher nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, sondern nur einer Fiktionsbescheinigung gem. § 81 Abs. 4 AufenthG. Die Fiktion stellt keine Aufenthaltserlaubnis dar, so dass schon die Voraussetzung des nahtlosen Übergangs von einer Aufenthaltserlaubnis zur Niederlassungserlaubnis nicht gegeben ist. Denn nicht anrechenbar sind Zeiten, in denen der Ausländer keine Aufenthaltserlaubnis besessen hat, ungeachtet dessen, ob er einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte (BVerwG v. 9. 4. 2010 – 1 B 26/09; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 26 Rn.18).
Darüber hinaus sind auch die vorausgesetzten fünf Jahre nicht verstrichen. Zur Berechnung der Fünf-Jahres-Frist ist auf den Zeitpunkt des Ablaufs der letzten Aufenthaltserlaubnis abzustellen (VGH BW v. 29. 5. 2007, 11 S 2093.06; Hailbronner, a. a. O., § 26 Rn.17a). Es reicht für die Fünf-Jahres-Frist nicht aus, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung die befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt, wenn kein Anspruch auf Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis besteht (BVerwG v.30. 3. 2010, 1 C 6/09, Rn.21; Hailbronner, a. a. O., § 26 Rn.17). Andernfalls würde der Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG dem besitzstandswahrenden Zweck der Regelung zuwider eine rechtsbegründende Wirkung beigemessen werden.
Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, weil er den Antrag durch seine Weigerung, an der Ausstellung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis mitzuwirken, durch konkludentes Verhalten zurückgenommen hat.
Ein solches konkludentes Verhalten liegt nicht darin, dass der Kläger am … April 2014 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gestellt hat. Denn es besteht die Möglichkeit, dass der rechtzeitig gestellte Verlängerungsantrag noch hilfsweise für den Fall einer Ablehnung der Erteilung der Niederlassungserlaubnis aufrechterhalten werden sollte.
Der Kläger hat aber dadurch seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis konkludent zurückgenommen, dass er bei der Vorsprache bei der Beklagten am 13. Februar 2014 das bereits begonnene elektronische Verfahren zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr weiter betreiben wollte und die dafür benötigten Fingerabdrücke nicht mehr abgab (Bl. 894 BA). Denn mit diesem Verhalten hat der Kläger eindeutig zu erkennen gegeben, dass er an dem gestellten Verlängerungsantrag für eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis kein Interesse mehr hat und (offenbar) nur die Erteilung der Niederlassungserlaubnis verfolgen will. Die konkludente Rücknahme des Verlängerungsantrags führt dazu, dass ab dem Tag der Rücknahme (13.2.2014) die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG erloschen ist und die sich daran anschließenden Zeiten der Fiktion nicht mehr bei den Zeiten gem. § 26 Abs. 4 AufenthG zu berücksichtigen sind. Dass dem Kläger von der Beklagten in der Folgezeit Fiktionsbescheinigungen gem. § 81 Abs. 5 AufenthG ausgestellt wurden, ist unerheblich. Aus den Fiktionsbescheinigungen können keine rechtlichen Wirkungen abgeleitet werden. Ist die Fiktionsbescheinigung unrichtig – wie hier – kann jederzeit auf die wahre, durch das Gesetz vermittelte Rechtslage zurückgegriffen werden (BVerwG v. 3.6.1997 – InfAuslR 1997, 391; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 81 Rn. 42). Die Fiktionsbescheinigung hat daher nur deklaratorische Wirkung für den Zeitraum der Entscheidung der Ausländerbehörde. Da ihr keine rechtliche Wirkung zukommt, kann durch die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung auch nicht verhindert werden, dass die Rücknahme des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis das fiktive Aufenthaltsrecht beendet.
Gem. § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG sind Zeiten des der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens anrechenbar. Nach ihrem Wortlaut erlaubt die Vorschrift nur die Anrechnung des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorausgegangenen Asylverfahrens (Hailbronner, a. a. O., § 26 Rn. 19). Sind mehrere Asylverfahren betrieben worden, so ist nur die Dauer des letzten Asylverfahrens vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis anrechenbar (so VGH BW v. 13. 10. 1995, InfAuslR 1996, 205; Hailbronner, a. a. O., § 26 Rn. 19). Die Anrechnung der Zeit des Asylverfahrens setzt nicht voraus, dass in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung des Asylverfahrens eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Nicht anrechenbar sind die Zeiten einer Duldung vom 10. Februar 2004 bis 1. Januar 2005, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes. Die Übergangsvorschrift in § 102 Abs. 2 AufenthG bestimmt zwar, dass auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG auch die Zeiten des Besitzes einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 anzurechnen sind. Die Übergangsregelung findet jedoch nur dann Anwendung, wenn sich an die bis zum 1. Januar 2005 andauernden Duldungszeiten nahtlos die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angeschlossen hat oder sie jedenfalls nach nur einer „unbedeutenden Unterbrechung von weniger als einem Jahr“ erteilt wurde (BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 10 C 15.1129 -juris; HessVGH, B.v. 17.5.2010 – 3 D 433/10 – juris). Denn mit der Übergangsregelung sollte nur sichergestellt werden, dass diejenigen Ausländer, die durch die Neuregelungen des Aufenthaltsgesetzes erstmals einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis erlangten, während sie zuvor nach den Regeln des Ausländergesetzes lediglich geduldet werden durften, diesen einheitlich zu beurteilenden und zusammenhängenden Zeitraum bei der Berechnung der Sieben-Jahres-Frist angerechnet erhalten (Funke/Kaiser, GK-AufenthG, Stand Oktober 2015, § 102 Rn. 18 m. w. N.). In dieser Situation befand sich der Kläger jedoch nicht, der erstmals 2011 und damit mehr als sechs Jahre nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhielt.
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Kläger nicht fünf Jahre lang eine Aufenthaltserlaubnis besessen. Der Kläger hatte nur einmal eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr (30.6.2011 bis 29.6.2012). Der Aufenthaltserlaubnis ist ein Asylfolgeverfahren vorausgegangen, das am 12. Mai 2010 beim Bundesamt beantragt wurde und mit der rechtskräftigen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2011 über die Gewährung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beendet war. Die Rechtskraft lag auf jeden Fall am 24. März 2011 vor (Bl. 524 BA; Dauer: 10 Monate, 12 Tage). Insgesamt ergeben sich daher Zeiten von 1 Jahr (Aufenthaltserlaubnis) zuzüglich 10 Monaten und 12 Tagen (Asylfolgeverfahren) d. h. insgesamt von 1 Jahr, 10 Monaten und 12 Tagen, so dass die Aufenthaltszeit von fünf Jahren bei Weitem nicht erreicht ist. Selbst wenn man die Zeiten der Fiktion gem. § 81 Abs. 4 AufenthG ab dem 19. Juni 2012 (Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis) bis zur konkludenten Rücknahme des Verlängerungsantrags am 13. Februar 2014 dazu zählen würde (was sich nicht aufdrängt, weil der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG hat -„soll“-), würde sich die vorgenannte Zeit um 1 Jahr und 7 Monate auf 3 Jahre 5 Monate und 12 Tage erhöhen, so dass auch in diesem Falle die fünf Jahre bei Weitem nicht erreicht wären. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Zeiten des ersten Asylverfahrens (15. 9. 2003 bis 13. 7. 2005) nicht anrechenbar, weil bei mehreren Asylverfahren nur die Dauer des letzten Asylverfahrens vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis anrechenbar ist (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage, § 26 Rn. 35; Hailbronner, a. a. O., § 26 Rn. 19).
Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG nicht vor, § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Danach setzt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis insbesondere voraus, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, er an einem Integrationskurs teilgenommen hat, sein Lebensunterhalt gesichert ist und die erforderlichen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wurden, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3, 7 und 8 AufenthG.
Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 23. Februar 2016 aufgefordert, die Nachweise über die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 bis 9 AufenthG vorzulegen, insb. den Nationalpass, sonstige Identitätsnachweise, Einkommensnachweise, Nachweise über 60 Monate Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung, Sprachstandsnachweis, Nachweis über den abgeschlossenen Orientierungskurs und einen Mietvertrag (Bl. 184 d. GA). Auch das Gericht hat den Kläger unter Fristsetzung und Hinweis auf § 87b Abs. 2 VwGO gebeten, alle Nachweise für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis vorzulegen (Bl. 278 d. GA).
Der Kläger hat lediglich nachgewiesen, dass er im Jahr 2013 einen fünftägigen berufsbezogenen Sprachkurs B1 für Dienstleistungsberufe (Bl. 222 d. GA), im Jahr 2004 einen Deutschkurs für Anfänger I (Bl. 223 d. GA), im Jahr 2009 eine dreimonatige Qualifizierung zum Kfz-Helfer (Bl. 224 d. GA), im Jahr 2013 eine einmonatige Qualifizierung zum Kfz-Mechaniker (Bl.225 d. GA) und im Jahr 2004 zwei Computerkurse (Bl. 226 ff. GA) absolviert hat.
Nachweise über die Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wurden nicht vorgelegt. Für die Definition des Begriffs der „Lebensunterhaltssicherung“ kann auf § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zurückgegriffen werden. Danach ist maßgeblich, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine Familienangehörigen einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Ausländer voraussichtlich, ohne dass unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft eintreten, den Lebensunterhalt dauerhaft aus eigenen oder ausdrücklich als unschädlich bezeichneten öffentlichen Mitteln bestreiten kann (BayVGH v. 19.3.2008 – 19 ZB 08.159 – juris).
Der Kläger kann seinen Lebensunterhalt nicht sichern, da er (seit dem Jahr 2011 und nach wie vor) SGB-II -Leistungen des Jobcenter in Anspruch nimmt (siehe Schreiben des Jobcenter v. 8.3.2016, Bl. 203 d. GA und die Anlagen zum Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 30.3.2016, Bl. 231 ff. d. GA). Von der Erteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts ist auch – entgegen der klägerischen Ansicht – nicht abzusehen, § 26 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste bestätigen zwar, dass beim Kläger psychiatrische Erkrankungen vorliegen, sie lassen aber nicht erkennen, dass der Kläger auf Dauer erwerbsunfähig wäre und deshalb seinen Lebensunterhalt nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sichern könnte.
Das zuletzt vorgelegte nervenärztliche Attest der Fachärztin für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. W., …, vom 2. März 2016 besagt lediglich, dass beim Kläger von einer depressiven Störung vor dem Hintergrund einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen ist und befasst sich im Übrigen mit der Reisefähigkeit des Klägers und dessen Besuch in der nigerianischen Botschaft. Über die Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers ergibt sich aus dem Attest nichts. Dasselbe gilt für die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste. Es ergeben sich daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dauerhaft erwerbsunfähig ist. Liegen aber keine Tatsachen vor, die auf eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Klägers hindeuten könnten, ist das Verwaltungsgericht auch nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vielmehr liegt es am Kläger, seiner Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachzukommen und für ihn günstige Umstände unter Angabe nachprüfbarer Umstände geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise beizubringen. Weder die Ausländerbehörde noch das Verwaltungsgericht sind verpflichtet, vagen Angaben und pauschalen Aussagen, auch von behandelnden Ärzten, weiter nachzugehen, wenn nicht Anhaltspunkte für das Vorliegen einer für die behauptete Erwerbsunfähigkeit ursächlichen Krankheit oder Behinderung ersichtlich sind. Solche Anhaltspunkte lassen sich den ärztlichen Attesten über den Kläger aber nicht hinreichend konkret entnehmen (BayVGH, B.v. 15.7.2015 – 10 C 14.796 – juris).
Erfüllt ist auch nicht die Voraussetzung des § 26 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Danach muss der Kläger mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Diese Voraussetzung hat der Kläger offensichtlich nicht erfüllt, insbesondere ersetzen die Mitteilungen des Jobcenter München an die gesetzliche Rentenversicherung über die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Bl. 23 ff. der Anlagen zum Schreiben des Klägers an die Beklagte vom …3.2016; Bl. 231 ff. d. GA) nicht dieses Erfordernis. Von dem Erfordernis ist auch nicht gem. § 26 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG abzusehen, da die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste nichts über dessen dauernde Erwerbsunfähigkeit aussagen (vgl. obige Ausführungen).
Nicht erfüllt ist auch die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG. Voraussetzung für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Damit soll dem Erfordernis der Sprachkenntnisse als wesentliche Integrationsvoraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben größere Bedeutung verschafft werden (Gesetzesbegründung vom 7.2.2003, BT-Drs. 15/420, S.72). Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Ausländer im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung zurechtzufinden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Ausländer einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann (§ 3 IntV; Gesetzesbegründung vom 7.2.2003, a. a. O.). Die Definition des zu fordernden Sprachniveaus orientiert sich an dem gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und wird auf der Stufe B 1 der selbstständigen Sprachanwendung festgelegt, § 2 Abs. 11 AufenthG. Den Nachweis dafür erbringt der Ausländer im Regelfall, indem er einen Integrationskurs erfolgreich abschließt, § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG oder einen standardisierten Sprachtest (Deutschtest für Zuwanderer, Kompetenzstufe B1) ablegt. Einen solchen Nachweis hat der Kläger – trotz mehrfacher Aufforderung und der Mitwirkungspflicht in § 82 Abs. 1 AufenthG – nicht erbracht. Die von ihm vorgelegten Teilnahmebestätigungen an einem berufsbezogenen Sprachkurs (Bl. 222 d. GA) und an einem Deutschkurs für Anfänger (Bl. 223 d. GA) genügen den Anforderungen an einen Nachweis eines standardisierten Deutschtests nicht.
Von der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG war auch nicht nach § 9 Abs. 2 Satz 3 und 4 AufenthG abzusehen. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass er wegen Erkrankung auf Dauer erwerbsunfähig ist (vgl. obige Ausführungen), § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Eine Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG kann grundsätzlich dann vorliegen, wenn ein Ausländer trotz verstärkter Bemühungen die Anforderungen nicht erfüllen kann, weil es sich z. B. um einen bildungsfernen Menschen handelt, der in einer anderen Sprache sozialisiert worden ist, er bei der Einreise über 50 Jahre alt war oder wenn wegen Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Besuch eines Integrationskurses auf Dauer unmöglich ist (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 9 Rn.49; BayVGH, U.v. 3.6.2014 – 10 B 13.2426 – juris). Vergleichbare Gründe für die dauerhafte Nichtteilnahme am Integrationskurs hat der Kläger nicht geltend gemacht. Insbesondere war der im Jahr 1957 geborene Kläger bei der Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2002 erst 45 Jahre alt, so dass ihm das Erlernen der deutschen Sprache durchaus möglich gewesen wäre.
Vom Erfordernis der ausreichenden deutschen Sprache für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist beim Kläger auch nicht nach § 104 Abs.2 Satz 1 AufenthG abzusehen. Nach dieser Regelung ist bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, hinsichtlich der Sprachkenntnisse nur erforderlich, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen können. § 104 Abs. 2 AufenthG soll den Eintritt von Rechtsnachteilen aus der Geltung strengerer Integrationsanforderungen für die Ausländer, die am 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis waren und nach altem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen einen verfestigten Aufenthaltstitel erlangen konnten, vermeiden. Voraussetzung für diese Begünstigung ist allerdings der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Stichtag (BayVGH, U.v. 3.6.2014, a. a. O.). Der Kläger besaß jedoch vor dem 1. Januar 2005 keine Aufenthaltserlaubnis. Ihm wurde erst am 30. Juni 2011 eine für ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Zudem hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse verfügt, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Die Vorschrift des § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die von diesem Erfordernis befreit, findet auf den Kläger keine Anwendung, weil er am 1. Januar 2005 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war. Ebenso wenig kann er sich auf die Ausnahmevorschriften des § 9 Abs. 2 Satz 3 und 4 AufenthG berufen (siehe oben).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Daueraufenthalt-EG gem. § 9a AufenthG. Danach ist die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ein unbefristeter Aufenthaltstitel, § 9a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG gilt entsprechend, § 9a Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Einem Ausländer ist unter den Voraussetzungen des § 9a Abs. 2 AufenthG eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu erteilen. Voraussetzung ist u. a., dass sich der Ausländer seit 5 Jahren mit Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält (Nr.1) und dass sein Lebensunterhalt gesichert ist (Nr. 2). Die Formulierung „mit Aufenthaltstitel“ soll die in Art. 4 der Daueraufenthaltsrichtlinie niedergelegte Voraussetzung, dass sich der Ausländer „fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet“ aufgehalten hat, umsetzen (BT-Drucksache 16/5065, S.278). Aus der Formulierung „seit fünf Jahren“ folgt, dass der rechtmäßige ununterbrochene Aufenthalt unmittelbar vor der Stellung des Antrags auf Erteilung der Daueraufenthaltserlaubnis/EG nachgewiesen werden muss. Der Ausländer muss im Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz eines Aufenthaltstitels oder zumindest eines fiktiven Aufenthaltsrechts nach § 81 Abs. 4 AufenthG sein (Hailbronner, a. a. O., § 9a Rn. 9).
Der Kläger erfüllt schon diese Voraussetzung nicht. Er hatte nur einmal in der Zeit vom 30. 6. 2011 bis 29. 6. 2012 eine Aufenthaltserlaubnis, danach nur eine Fiktion, davor nur Duldungen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, erfüllt der Kläger die Voraussetzung des fünfjährigen Aufenthalts mit Aufenthaltstitel nicht.
Darüber hinaus ist § 9a Abs. 2 AufenthG nicht anzuwenden, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel nach Anschnitt 5 besitzt, der nicht aufgrund des § 23 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde oder wenn er in einem anderen Mitgliedstaat als international Schutzberechtigter anerkannt wurde, § 9a Abs. 3 Nr.1 AufenthG. Vorliegend kann dem Kläger wegen des festgestellten Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG allenfalls eine Aufenthaltserlaubnis nach Abschnitt 5 gem. § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt werden. Den Antrag auf Ausstellung eines solchen Aufenthaltstitels hat der Kläger durch konkludentes Verhalten zurückgenommen (Bl. 973 der Behördenakte). Er hat weder einen Aufenthaltstitel gem. § 23 Abs. 2 AufenthG noch ist er als International Schutzberechtigter anerkannt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises.
Die Ausstellung eines Reiseausweises kann gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 AufenthV erfolgen, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis und nachweislich keinen Pass besitzt und diesen nicht auf zumutbare Weise erlangen kann. Zwar besitzt der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV, weil er an deren Erteilung nicht mitgewirkt und den Antrag auf Ausstellung durch konkludentes Verhalten zurückgenommen hat. Allerdings hat die Behörde dem Kläger zugesichert, ihm auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu erteilen.
Der Kläger hat kein Rechtsschutzinteresse an einer erneuten Entscheidung der Behörde. Der Kläger hat am … Juni 2012 einen Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises gestellt (Bl. 688 d.BA), der mit Bescheid vom 28. April 2014 bestandskräftig abgelehnt wurde (Bl. 751 bis 759 d. BA).
Gem. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG hat die Behörde über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Dies wurde weder vorgetragen noch ergeben sich Anhaltspunkte für eine Änderung der Sachlage aus der Behördenakte. Auch liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des bestandskräftigen Bescheides gem. Art. 48 oder 49 BayVwVfG nicht vor.
Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises. Zum einen liegt die Ausstellung eines Reiseausweises gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 AufenthV im Ermessen der Behörde, so dass der Kläger schon deshalb keinen Rechtsanspruch geltend machen kann. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Pass in zumutbarer Weise nicht erlangen könnte.
Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Dementsprechend gilt es nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV als im Sinne von § 5 Abs. 1 AufenthV zumutbar, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insb. den §§ 6 und 15 PassG, entsprechenden Weise an der Ausstellung eines Passes mitzuwirken und die Behandlung eines Antrags durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dessen Recht zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist es danach insbesondere, in § 6 Abs. 2 PassG entsprechender Weise in einem Passantrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Identität des Passbewerbers und seiner Eigenschaft als Staatsangehöriger seines Herkunftsstaates notwendig sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 PassG) und die entsprechenden Nachweise zu erbringen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 PassG).
Darüber hinaus beurteilt sich die Frage, ob ein Ausländer in zumutbarer Weise einen Pass erlangen kann, nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. BayVGH, B. v. 14.10.2011 -19 C 11.1664 – juris; OVG Hamburg, B. v. 28. 2. 2012 – 4 Bf 207/11.2 -juris). Dabei ist im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passersatzes an fremde Staatsangehörige regelmäßig verbundenen Eingriff in die Hoheitsbefugnisse eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde einen Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Möglichkeit der Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (BayVGH, B. v. 14.4.2014 – 10 C 12.498 – juris). Der Ausländer muss dabei alle Möglichkeiten wahrnehmen, an der Erlangung eines Passes mitzuwirken, die ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können, entweder weil die Ausländerbehörde sie zulässigerweise von ihm verlangt hat oder weil sie ihm sonst bekannt sein können oder bekannt sind (BayVGH, B. v. 14.10.2011, a. a. O.). Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (BayVGH, B. v. 14.4.2014, a. a. O.). Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen (OVG Lüneburg, B.v. 7. 6. 2012 – 8 PA 65/12 – juris).
Nach diesen Maßstäben kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger einen Pass nicht in zumutbarer Weise erlangen könnte.
Der Kläger hat keinerlei Bemühungen nachgewiesen, sich einen Nationalpass zu besorgen. Seit dem Jahr 2004 ist der Kläger von der Beklagten wiederholt darauf hingewiesen worden, sich einen Nationalpass zu beschaffen (Bl. 141, 272, 353, 380 und 618 d.BA).
Dem Kläger ist auch die Besorgung eines Nationalpasses aus den vom Bevollmächtigten am … August 2014 vorgebrachten Gründen nicht unzumutbar. Die Fluchtgeschichte des Klägers wurde im Asylverfahren als nicht glaubhaft angesehen, so dass ihm weder Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylVfG noch subsidiärer Schutz gem. § 4 AsylVfG zuerkannt wurde. Insofern kann sich der Kläger auf diese Fluchtgeschichte im Passbeschaffungsverfahren nicht berufen. Die fehlenden wirtschaftlichen Mittel sind kein Grund für eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung. Es ist dem Kläger zuzumuten, wegen der fehlenden Mittel die Ausländerbehörde zu kontaktieren und nach Abhilfe zu suchen.
Auch die Ausführungen des Klägers, er könne die nigerianische Botschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen (Atteste v. 5. Juli 2010, 27. Mai 2014, 18. Februar 2015 und 2. März 2016), führen nicht zur Unzumutbarkeit der Passbeschaffung.
Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste genügen nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer PTBS nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (BVerwG v. 17. 8. 2011, 10B 13/11 – juris). Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder der fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Erlebnisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen ärztlichen Untersuchung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allein mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (BayVGH v.15. 12. 2010, 9 ZB 10.30376 – juris).
Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund dieser Eigenart des Krankheitsbildes bestehen entsprechende Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder für Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 11. 9. 2007 – 10 C 17/07 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 31) regelmäßig die Vorlage eines, gewissen Mindestanforderungen genügenden, fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen der PTBS auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG v.11. 9. 2007, a. a. O.). Vorgelegte Gutachten müssen im Besonderen nachvollziehbar sein und den genannten Mindestanforderungen entsprechen (VG Düsseldorf v. 20. 2. 2003 – juris).
Die Atteste der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. W. entsprechen den vorgenannten Vorgaben nicht. Die Atteste übernehmen ungeprüft die vom Kläger behaupteten „traumatisierenden Erlebnisse“ im Heimatland, obwohl der Kläger im Asylerstverfahren keine traumatisierenden Ereignisse vorgetragen hat und rechtskräftig sowohl der Asylantrag als auch der Antrag auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurden (Bl. 23 ff. und 149 ff. d. BA). Als Asylgrund hat der Kläger im Asylerstverfahren nur vorgetragen, er habe in Deutschland Autos gekauft und habe hier seine zukünftige Frau kennengelernt. Verfolgungsgründe hat er nicht geltend gemacht (Urteil des VG München v. 5. 7. 2005 -M 21 K 03.51811; Bl. 149 ff. d. BA). Die Asylfolgeverfahren begründete der Kläger damit, dass er sich den Zorn hochrangiger nigerianischer Justizbeamter zugezogen habe (Bl. 16 d. BA), er führte keine Begründung an (Bl. 223 d. BA) oder begründete den Asylfolgeantrag mit gesundheitlichen Einschränkungen (Bl. 516 d. BA). Von irgendwelchen traumatisierenden Ereignissen im Heimatland ist in diesen Asylfolgeverfahren nicht die Rede. Darüber hinaus ergibt sich aus den Attesten nicht, welche Fortschritte die offenbar seit 2009 stattfindende Behandlung (also seit 6 Jahren!) gebracht hat und welche konkrete Behandlung noch bevorsteht. Der Hinweis darauf, dass eine „fortlaufende Behandlung“ notwendig sei, genügt nicht den Anforderungen eines Attestes an die Substantiierung einer posttraumatischen Belastungsstörung. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar dargelegt, warum ein Besuch des Klägers bei der nigerianischen Botschaft – evtl. in Begleitung – nicht möglich sein sollte. Es ist nicht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass ein solcher Besuch zu „Retraumatisierung“ und „Dekompensation“ führen könnte. Im Übrigen könnte der Kläger auch einen Bevollmächtigten mit der Passbeschaffung beauftragen.
Darüber hinaus ist dem Kläger auch möglich, einen Pass online zu beantragen, wovon sowohl die Beklagte (Bl. 891, 892 d. BA) als auch der (vormalige) Bevollmächtigte des Klägers ausgeht (Bl. 987 d. BA). Unter www.nigeria-consulate-frankfurt.de/Deutsch/Konsularservice/Passfragen ist ein Verfahren zur schriftlichen Beantragung eines abgelaufenen Reisepasses beschrieben. Sollte der Kläger trotzdem noch zur nigerianischen Botschaft gehen müssen (vgl. das von ihm vorgelegte Schreiben des nigerianischen Generalkonsulats vom 28. Mai 2015, Bl. 230 d. GA), ist ihm das Aufsuchen der Botschaft evtl. mit einem Bevollmächtigten ohne weiteres zumutbar.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben