Verwaltungsrecht

Kein Eilrechtsschutz gegen bestandskräftige Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  6 CE 20.185

Datum:
16.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9615
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 44 Abs. 3, Abs. 6 S. 5
WBO § 23
VwGO § 80 Abs. 5, § 147 S. 1
ZPO § 418

 

Leitsatz

1. Das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis erbringt als öffentliche Urkunde Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit eines Empfangsbekenntnisses ist nicht bereits mit der Darlegung der bloßen Möglichkeit der Unrichtigkeit erbracht. Erforderlich ist vielmehr, dass jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts kann im Beschwerdeverfahren auch dann nicht aufrecht erhalten bleiben, wenn die Beteiligten den die Bestandskraft herbeiführenden Umstand dem Verwaltungsgericht bis zu dessen Entscheidung nicht mitgeteilt haben. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E 19.142 2019-12-18 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Dezember 2019 – RO 1 E 19.142 – geändert.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde des Antragstellers gegen die Zurruhesetzungsverfügung vom 12. Oktober 2018 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25.730,33 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein ehemaliger Berufssoldat, wurde mit Verfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden Bundesamt) vom 12. Oktober 2018 wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 3 SG in den Ruhestand versetzt. Die Verfügung und die Zurruhesetzungsurkunde wurden dem Antragsteller am 26. Oktober 2019 gegen Empfangsbekenntnis übergeben. Mit Schreiben vom 25. November 2018 erhob dieser hiergegen „Beschwerde und weitere Beschwerde“, mit der er sich „insbesondere über den Gang des Verfahrens und die Versäumnisse und Maßnahmen (beschwerte), welche letztendlich in die Versetzung in den Ruhestand … führten“. Das Bundesamt teilte dem Antragsteller unter dem 21. Dezember 2018 mit, dass sich die Beschwerde inhaltlich nicht gegen die Zurruhesetzung selbst, sondern gegen Maßnahmen im Vorfeld richte und „in der vorliegenden Fassung“ als unzulässig zurückgewiesen werden müsste.
Der Antragsteller hat am 29. Januar 2019 beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, bis auf weiteres volle Bezüge und ärztliche Versorgung zu erhalten. Die Antragsgegnerin hat dem entgegengehalten, dass das Dienstverhältnis des Antragstellers (wegen § 44 Abs. 6 Satz 5 SG) am 31. Januar 2019 geendet habe. Über die Beschwerde sei bislang nicht entschieden worden, weil noch eine Antwort auf das Hinweisschreiben vom 21. Dezember 2018 abgewartet werden solle. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2019 gemäß § 23 WBO in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers gegen die Zurruhesetzungsverfügung angeordnet. Es ist davon ausgegangen, dass über die Beschwerde noch nicht entschieden ist, und hat ausgeführt, dass diese bei summarischer Prüfung Erfolg haben dürfte, weil eine Dienstunfähigkeit des Antragstellers bislang nicht ausreichend festgestellt sei.
Gegen den ihr laut Empfangsbekenntnis am 6. Januar 2020 zugegangenen Beschluss hat die Antragsgegnerin (per Telefax) am 20. Januar 2020 Beschwerde eingelegt. Unter Vorlage des entsprechenden Verwaltungsvorgangs macht sie geltend, dass die Beschwerde des Antragstellers gegen die Zurruhesetzungsverfügung bereits durch Beschwerdebescheid vom 14. März 2019 – wie im Hinweisschreiben vom 21. Dezember 2018 angekündigt – zurückgewiesen worden sei; damit sei die Zurruhesetzung bestandskräftig. Der Antragsteller hält die Beschwerde für verfristet, weil es unglaubhaft sei, dass der erstinstanzliche Beschluss bei der Antragsgegnerin erst am 6. Januar 2020 eingegangen sein soll, obwohl er ihm selbst bereits am 20. Dezember 2019 zugestellt worden sei.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
1. Sie ist entgegen der Ansicht des Antragstellers zulässig (§ 146 Abs. 1, 4 VwGO). Insbesondere ist sie durch die am 20. Januar 2020 (per Telefax) beim Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerdeschrift und die am 3. Februar 2020 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerdebegründung fristgemäß eingelegt (§ 147 Satz 1 VwGO) und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 2 VwGO) worden. Denn der Beschluss des Verwaltungsgerichts war der Antragsgegnerin erst am 6. Januar 2020 gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 174 Abs. 1 ZPO zugestellt worden.
Das auf diesen Tag datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis erbringt als öffentliche Urkunde im Sinn des § 418 ZPO Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (vgl. BVerfG, B.v. 27.3.2001 – 2 BvR 2211/97 – NJW 2001, 1563; BVerwG, B.v. 11.10.2017 – 1 WNB 3.17 – juris Rn. 6 m.w.N.). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit eines Empfangsbekenntnisses ist zwar zulässig. Er ist jedoch nicht bereits mit der Darlegung der bloßen Möglichkeit der Unrichtigkeit erbracht. Erforderlich ist vielmehr, dass jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen ist (BVerwG, B.v. 5.9.2013 – 5 B 63.13 – juris Rn. 5). Einen solchen Nachweis hat der Antragsteller nicht erbracht. Dass ihm selbst der Beschluss gegen Postzustellungsurkunde bereits am 20. Dezember 2019 zugestellt worden war, lässt nicht auf ein früheres Zustelldatum beim Bundesamt schließen. Bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis an Behörden ist die Zustellung nicht bereits mit dem Zugang des Schriftstücks in der Behörde bewirkt. Erforderlich ist vielmehr, dass der hierfür zuständige Bedienstete der Behörde von dem Zugang des Schriftstücks Kenntnis erhält und den Empfang bestätigt. Dass sich das, zumal über die Weihnachtsfeiertage und die Urlaubszeit um den Jahreswechsel herum, verzögern kann, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Die vom Antragsteller monierte Zeitdauer bis zur Datierung beim Bundesamt ist daher ungeeignet, die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses zu durchbrechen.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet. Aus den (erst) mit der Beschwerde dargelegten Gründen scheidet es bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aus, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers gegen seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
Das Bundesamt hatte ausweislich der nachgereichten Aktenteile die Beschwerde des Antragstellers nach § 23 WBO bereits mit Beschwerdebescheid vom 14. März 2019 als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Beschwerdebescheid war mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen und dem Antragsteller durch die Post mit Zustellungsurkunde am 19. März 2019 zugestellt worden. Eine (Hauptsache-)Klage hatte der Antragsteller weder zuvor wegen Untätigkeit, noch danach innerhalb der Klagefrist erhoben. Damit ist die Zurruhesetzungsverfügung seit geraumer Zeit bestandskräftig. Für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Hauptsacherechtsbehelfs war und ist seitdem kein Raum mehr. Dass die Beteiligten diesen erheblichen Umstand dem Verwaltungsgericht bis zu dessen Entscheidung am 18. Dezember 2019 nicht mitgeteilt haben, ändert an diesem Ergebnis nichts, hat freilich einen überflüssigen Arbeitsaufwand verursacht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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