Verwaltungsrecht

kein Präsenzunterricht in Grundschule, da Coronatest verweigert, Antrag auf gleichwertigen Präsenzunterricht zu Distanzunterricht in sämtlichen Unterrichtsfächern

Aktenzeichen  M 3 E 21.3962

Datum:
7.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29653
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 128
BV Art. 129
BaySchO § 19 Abs. 4
BayIfSMV § 13 Abs. 2 14.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einen dem Präsenzunterricht gleichwertigen Distanzunterricht in sämtlichen Unterrichtsfächern.
Die Antragstellerin besuchte im Schuljahr 2020/2021 die dritte Klasse der H … Schule Burghausen (im folgenden: Schule).
Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragt der Bevollmächtigte der Antragstellerin,
den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin einen dem Präsenzunterricht gleichwertigen Distanzunterricht in sämtlichen Unterrichtsfächern anzubieten, solange die Teilnahme am Präsenzunterricht an die regelmäßige Durchführung von Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gebunden ist.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, die Antragstellerin sei, da sie die als Bedingung für die Teilnahme am Präsenzunterricht festgelegte regelmäßige Testung auf das Coronavirus ablehne – u.a. wegen der im Testmaterial enthaltenen Giftstoffe wie Natriumazid – auf das Angebot der Schule zum Distanzunterricht angewiesen. Ein solches Angebot sei jedoch kaum vorhanden. In den meisten Fächern erhalte die Antragstellerin überhaupt keinen Unterricht. Lediglich in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht (HSU) erhalte sie durch einen einzelnen, engagierten Lehrer regelmäßig Arbeitsblätter und Aufgabenstellungen per E-Mail zugeschickt. Ob es sich dabei um sämtliche Materialien handele, die der Lehrer im Präsenzunterricht der Klasse durchnehme und ob die Antragstellerin alle Aufgaben bekomme, die ihren Klassenkameraden gestellt würden, sei ihr nicht bekannt. Außerdem sei die Antragstellerin vollständig von der Erbringung verbindlicher schulischer Leistungsnachweise ausgeschlossen, da diese ausschließlich im Klassenraum abgelegt werden dürften und folglich nur nach durchgeführter Testung möglich seien. Die Antragstellerin sei damit weitgehend von der jahrgangsgemäßen schulischen Wissensvermittlung ausgeschlossen. Diese Problematik sei dem Landrat des Landkreises als disziplinarischem Vorgesetzten der Schulamtsleiterin auf der Kreistagssitzung vom 28. Juni 2021 vorgetragen worden. Die Entscheidung für oder gegen die Durchführung der Tests müsse eine freiwillige sein, d.h. sie dürfe nicht in der einen oder anderen Richtung sanktioniert sein. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf vollständige Vermittlung des im Präsenzunterricht behandelten Unterrichtsstoffs im Wege des Distanzunterrichts. Jede Begrenzung des ihr zur Verfügung gestellten Unterrichtsstoffs gegenüber dem in der Präsenz vermittelten beeinträchtige die Freiwilligkeit ihrer Entscheidung über die Testung, sei nicht durch die Gesetze zum Infektionsschutz gerechtfertigt und verletzte damit ihr Recht auf Bildung. Zugleich liege darin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber ihren im Klassenraum unterrichteten Mitschülern und damit eine Verletzung von Art. 3 GG. Der Antragsgegner habe im Übrigen selbst in einem von seinem Kultusministerium ausgearbeiteten Rahmenkonzept zum Distanzunterricht klargestellt, dass der Distanzunterricht so weit wie möglich dem Präsenzunterricht angeglichen werden solle (Distanzunterricht in Bayern – aktualisiertes Rahmenkonzept, Stand: 30.12.2020). Die Rechtsaufsicht über die von der Antragstellerin besuchte Grundschule liege beim staatlichen Schulamt, deren Leiterin somit verpflichtet sei, für die Sicherstellung eines vollständigen und gleichwertigen Bildungsangebots an die Antragstellerin Sorge zu tragen. Da eine direkte Aufforderung zum Tätigwerden folgenlos geblieben sei, sei der Rechtsweg geboten. Mit Schriftsatz vom 2. September 2021 nimmt der Bevollmächtigte der Antragstellerin ergänzend Stellung.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 11. August 2021, eingegangen bei Gericht am 13. August 2021,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird unter anderem vorgetragen, ab dem 11. Januar 2021 habe der Unterricht an der Grundschule, die die Antragstellerin besucht, abhängig von der 7-Tages-Inzidenz im Landkreis gemäß den jeweils geltenden Regelungen der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Distanzunterricht oder Präsenzunterricht stattgefunden. Seit dem 13. Mai 2021 sei unter der Voraussetzung einer regelmäßigen Testung der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 wieder Präsenzunterricht möglich gewesen. Da die Antragstellerin es ablehne, sich regelmäßig einer Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu unterziehen, könne die Antragstellerin derzeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen. Seither erfülle die Antragstellerin ihre Schulbesuchspflicht durch die Wahrnehmung von Angeboten im Distanzunterricht bzw. Distanzlernen. Im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten erfolge seitens der Schule dabei stets ein ausreichendes und didaktisch wertvolles Lernangebot an die Antragstellerin. Der Klassenlehrer habe (unterrichts-)täglich per E-Mail Kontakt mit der Antragstellerin, um für diese den Anschluss an das aktuelle Unterrichtsgeschehen zu gewährleisten. Dabei seien der Antragstellerin Arbeitsblätter übermittelt und Arbeitsaufträge erteilt worden. Die Aufgaben habe die Antragstellerin zuhause erledigt, bei Fragen habe sie jederzeit Kontakt zu Klassenlehrer aufnehmen können. Die bearbeiteten Unterlagen hätten regelmäßig freitags in der Schule abgegeben werden können und am darauffolgenden Montag korrigiert abgeholt werden können. Teilweise seien für die zu bearbeitenden Arbeitsblätter auch Musterlösungen oder Fotografien von im Unterricht vorgenommenen Hefteinträgen übermittelt worden. Ferner seien auch Links zu Unterrichtsfilmen an die Antragstellerin gesendet worden. Bezüglich der Lernangebote habe der Klassenlehrer den Fokus wohl überlegt auf die Hauptfächer bzw. Vorrückungsfächer Mathematik, Deutsch und Heimat- und Sachkunde gelegt. Es sei auch stets davon ausgegangen worden, dass diese Schwerpunktsetzung dem Willen der Antragstellerin und ihrer Erziehungsberechtigen entsprochen habe. Dem Antrag fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da sich die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt mit ihrem Anliegen, ihr einen dem Präsenzunterricht gleichwertigen Distanzunterricht in sämtlichen Unterrichtsfächern anzubieten, an den Antragsgegner gewandt habe. Der Antrag sei auch unbegründet. Nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV sei die Teilnahme am Präsenzunterricht an den Nachweis eines schriftlichen oder elektronischen negativen Testergebnisses in Bezug auf eine SARS-CoV-2 Infektion geknüpft. Diese Regelung werde in § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV inhaltlich fortgeführt. Bezüglich der Erbringung von schriftlichen Leistungsnachweisen gelte, dass Schüler und Schülerinnen, die den Präsenzunterricht aufgrund der Ablehnung von Corona-Tests bzw. der Weigerung ein negatives Corona-Testergebnis nachzuweisen nicht besuchen, die Gelegenheit haben, an etwaigen schriftlichen Leistungsnachweisen in der Schule teilzunehmen. Eine Pflicht zur Teilnahme bestehe jedoch nicht. Voraussetzung für die Teilnahme an den schriftlichen Leistungsnachweisen sei auch hier der Nachweis eines negativen Corona-Testes (Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 10. Juni 2021). In der Begründung zur Testobliegenheit nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV, die auch für § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV gültig sei, erfüllten Schülerinnen und Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnähmen, ihre Schulbesuchspflicht durch Wahrnehmung der Angebote im Distanzunterricht bzw. Distanzlernen; ein Anspruch auf bestimmte Angebote bestehe nicht. Klargestellt werde dies auch nochmals unter Punkt 3 lit. A des Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. April 2021. Insofern gehe der Verweis der Antragstellerin auf das Rahmenkonzept zum Distanzunterricht vom 30. Dezember 2020 fehl. Wie im Rahmenkonzept ausdrücklich klargestellt, besitze dieses nur Gültigkeit im Wechselbetrieb zwischen Distanz- und Präsenzunterricht, sowie bei einer vollständigen Umstellung von Präsenzauf Distanzunterricht. Es umfasse gerade nicht die hier vorliegende Fallkonstellation, dass sich einzelne Schülerinnen und Schüler, die kein negatives Testergebnis vorweisen könnten, im Distanzunterricht bzw. im Distanzlernen befänden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen fehlt dann, wenn die begehrte Handlung oder der begehrte Verwaltungsakt nicht zuvor bei der Behörde beantragt wurde. Auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme des Gerichts das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es grundsätzlich dann, wenn der Bürger vor der Antragstellung bei Gericht der zuständigen Behörde sein Begehren nicht vorgetragen hat (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 70 m.w.N.). Da die Gerichte nicht überflüssig bemüht werden sollen, ist der Bürger vor einer Befassung der Gerichte grundsätzlich gehalten, alles zu tun, um sein Rechtsschutzziel zunächst auf einfacherem, schnellerem oder effizienterem Wege durchzusetzen (vgl. insgesamt BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 7 CE 21.437 – juris Rn. 6). Die Antragspartei hätte zunächst mit dem Antrag, einen dem Präsenzunterricht gleichwertigen Distanzunterricht in sämtlichen Unterrichtsfächern zu erhalten, an die Schule als sachnächste Behörde herantreten müssen. Nach dem Vortrag beider Seiten hat die Antragspartei ihren Antrag vor Antragstellung bei Gericht nicht bei der Schule geltend gemacht. Auch das Schulamt wurde nicht mit dem Sachverhalt befasst. Das von der Antragspartei vorgetragene Ansprechen des Landrates des Landkreises bei einer Kreistagssitzung mit der Problematik wird nicht substantiiert von der Antragspartei ausgeführt. Es kann dem Vortrag der Antragstellerseite bereits nicht entnommen werden, ob der konkrete Sachverhalt und Antrag an den Landrat des Landkreises erfolgt ist. Auch liegen hierzu keinerlei Unterlagen vor, die den Vortrag glaubhaft machen. Eine vorherige Antragstellung wäre nur dann entbehrlich, wenn die Ablehnung offensichtlich und daher reiner Formalismus wäre. Dies ist hier nicht der Fall, da eine solche Situation ebenfalls nicht glaubhaft gemacht wurde.
2. Davon abgesehen ist der Antrag auch unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragspartei muss demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).
Zwar wäre das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu bejahen, da auch im Schuljahr 2021/2022 nach der Regelung des § 13 Abs. 2 14. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) (Fassung vom 1.9.2021) Schülerinnen und Schülern eine Teilnahme am Präsenzunterricht nur erlaubt ist, wenn ein Testnachweis vorliegt oder in der Schule unter Aufsicht ein Selbsttest mit negativem Ergebnis hinsichtlich der Erkrankung mit Covid-19 vorliegt. Hinzu kam in der 14. BayIfSMV nur die Möglichkeit für die Grundschulstufe auch PCR-Pooltestungen durchführen zu können. Ohne negativen Testnachweis werden Schülerinnen und Schüler im Distanzunterricht beschult (siehe Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, KMS vom 9.4.2021, Seite 7).
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
a) Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Regensburg (VG Regensburg, B.v.25.1.2021 – RN 3 E 21.34) an. Das VG Regensburg hat im zitierten Beschluss einen Anspruch der Antragstellerpartei auf Beschulung im Umfang des jeweiligen Stundenplans mittels Videounterrichts während der Covid-19 bedingten „Schulschließungen“ abgelehnt. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wurde durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v.2.3.2021 – 7 CE 21.437 – juris) in der Sache zurückgewiesen.
Das VG Regensburg (VG Regensburg, B.v.25.1.2021 – RN 3 E 21.34) führt unter anderem aus:
„Die Einführung von Distanzunterricht und deren Ausgestaltung im Zuge der Corona-Pandemie lässt die Zugehörigkeit der Schüler zur jeweiligen Schule und die Einstufung in eine bestimmte Klasse unverändert und ist damit nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Es handelt sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine rein schulorganisatorische Maßnahme.
§ 19 Abs. 4 der Schulordnung für schulartübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern (Bayerische Schulordnung – BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241; BayRS 2230-1-1-1-K), zuletzt geändert durch § 1 der Verordnung vom 13. August 2020 (GVBl. S. 535) sieht Regelungen für den Distanzunterricht vor. Sonach ist nach § 19 Abs. 4 Satz 1 BaySchO Distanzunterricht Unterricht, der in räumlicher Trennung von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern stattfindet. Dieser wird nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BaySchO grundsätzlich durch elekt-ronische Datenkommunikation unterstützt. Nach § 19 Abs. 4 Satz 5 BaySchO legt die Schule im Rahmen des Distanzunterrichts die eingesetzten elektronischen Verfahren fest, die nach Zweck, Umfang und Art den in Anl. 2 Abschnitt 4 und 7 geregelten Vorgaben entsprechen müssen. Durch die Einführung von § 19 Abs. 4 BaySchO hat der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch die Form des Distanzunterrichts eine Form des Schulbesuchs ist, durch den die Schulpflicht erfüllt wird.
Dass die Verfassungsbestimmung von Art. 128 Abs. 1 BV dieser besonderen Form des Unterrichts, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, entgegenstünde, kann jedenfalls im Rahmen summarischer Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden.
Art. 56 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) ver-weist in Abs. 1 Satz 2 darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler gemäß Art. 128 der Verfassung ein Recht darauf haben, eine ihren erkennbaren Fähigkeiten und ihrer inneren Berufung entsprechende schulische Bildung und Förderung zu erhalten. Dass sich aus dieser sehr all-gemein formulierten Vorschrift ein bestimmter Anspruch ergibt, wie der Unterricht im Rahmen einer schulorganisatorischen Maßnahme konkret auszugestalten ist, kann nicht festgestellt werden.
Art. 128 Abs. 1 BV ist nach der Rechtsprechung lediglich eine Staatszielbestimmung, die der weiteren Ausgestaltung durch die Rechtsordnung bedarf. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 19 Abs. 4, insbesondere Satz 3 BaySchO. Diese Vorschrift richtet sich ausschließlich an die Schule bzw. deren Leiter. Wäre beabsichtigt gewesen, einen Anspruch auf bestimmte Ausgestaltung des Distanzunterrichts für den einzelnen Schüler zu schaffen, wäre zu erwarten gewesen, dass eine entsprechende Vorschrift in das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen bzw. in die Bayerische Schulordnung eingefügt worden wäre, was nicht der Fall ist.
Nach der Rechtsprechung beinhaltet Art. 128 BV kein subjektiv öffentliches Recht, sondern einen objektiven Programmsatz bzw. eine objektive Pflicht zur Gewährung chancengleicher derivativer Teilhabe und zwar lediglich im Rahmen des Möglichen und damit eine Staatszielbestimmung (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2020 – 20 NE 20.1443 – juris – mit Verweis auf BayVerfGH E.v. 21.5.2014 – Vf.7-VII-13 – juris, Rn. 53; E.v. 28.5.2009 – Vf.4-VII-07 – juris, Rn. 123; E.v. 16.4.1964 Vf.82-VII-62 – juris, 1. Leisatz; vgl. auch Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl., 2017, Art. 128 Rn. 5). Somit wird gegenüber dem Staat eine Aufgabe formuliert, dafür zu sorgen, dass nach Möglichkeit jeder eine adäquate Ausbildung erhält. Jedoch besteht keine Verpflichtung dazu, im Rahmen einer schulorganisatorischen Maßnahme dem jeweiligen Wunsch des Schülers oder der Eltern konkret und speziell gerecht zu werden (vgl. BayVerfGH v. 15.1.1971, VerfGHE 24, 1/25 f; v. 9.6.1975, VerfGHE 28, 99/102; ferner BayVerfGH v. 21.5.2014 – Vf.7-VII-13 – juris). Art. 128 Abs. 1 BV statuiert eine objektive Pflicht zur Gewährung chancengleicher derivativer Teilhabe.
Nach Art. 129 Abs. 1 BV sind alle Kinder zum Besuch der Volksschule und Berufsschule ver-pflichtet. Die Schulpflicht wird auch im Wege des Distanzunterrichts nicht ausgesetzt. Zudem
gibt Art. 129 BV keinen Anspruch auf eine bestimmte Qualität der Durchführung des Unterrichts.
Die Frage, wie der Distanzunterricht durchgeführt wird, insbesondere mit welcher Kommunikationstechnik i.S.d. § 19 Abs. 4 Satz 2 BaySchO, und wie die konkrete Ausgestaltung erfolgt, ist eine schulinterne Organisationsmaßnahme, die den Unterrichtsbetrieb betrifft. Schulorganisatorische Maßnahmen greifen nicht in den eigenen Rechtskreis des Schülers oder des Erziehungsberechtigten ein.
Aufgrund des staatlichen Bildungsauftrags aus Art. 7 Abs. 1 GG verbleibt dem Staat und damit dem Antragsgegner bei der Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich didaktischen Ausgestaltung des öffentlichen Schulwesens sowie des dort erteilten Unterrichts eine umfassende Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.2016 – 6 C 11/13, beck-online, Rn. 13). Ein Recht zur Mitentscheidung über die Organisation des Schulwesens besteht gerade nicht (vgl. BVerfG, B.v. 19.8.2015 – 1 BvR 2388/11, Rn. 18).
Im Bereich der Schulorganisation werden die Grundrechte der Schüler aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 und 128 Abs. 1 BV und der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 126 Abs. 1 BV durch die staatliche Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 130 BV) begrenzt. Schüler und Eltern haben dementsprechend grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Staat hinsichtlich schulorganisa-torischer Maßnahmen, solange ihre Rechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wer-den. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der subjektiven Rechte der Schüler oder der Eltern ist nur dann gegeben, wenn eine organisatorische Maßnahme unzumutbare Nachteile für die Schüler oder für die Eltern zur Folge hätte oder aber eindeutig rechtswidrig und sachlich nicht gerechtfertigt oder willkürlich wäre.
Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sind bei schulorganisatorischen Maßnahmen Grenzen gesetzt. Die Fragen der Unterrichtsgestaltung in Zeiten einer Pandemie sind zudem komplex und hängen nicht nur von pädagogischen und organisatorischen Erwägungen im Einzelfall ab, sondern auch von landesweit anzuwendenden und zu beachtenden Überlegungen mit be-trächtlichen personalwirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen. Zudem bestehen z.B. im Hinblick auf die Lehrkräfte begrenzte personelle Ressourcen, die kaum spontan ausgeweitet werden können. Bei Planungsentscheidungen ist auch nicht auf das individuelle Interesse ein-zelner Schüler abzustellen, sondern auf die Gesamtsituation des Schulwesens.“
b) Die von der Schule im vorliegenden Verfahren getroffene organisatorische Maßnahme der Ausgestaltung des Distanzunterrichts für die Antragstellerin führt zu keinerlei unzumutbaren Beeinträchtigung der subjektiven Rechte der Schülerin oder der Eltern. Der Klassenlehrer stellte der Antragstellerin regelmäßig Arbeitsmaterial für die Hauptfächer Mathematik, Deutsch und Heimat- und Sachunterricht zusammen. Diese wurden der Antragstellerin mittels E-Mail zugesandt. Der Antragsgegner führt aus, dass die ausgefüllten Arbeitsblätter bzw. erledigten Arbeitsaufträge bei der Schule eingereicht werden konnten und vom Klassenlehrer korrigiert zurückgegeben wurden. Dies wird von der Antragspartei nicht bestritten. Die schulorganisatorische Entscheidung, nicht für jedes Fach Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen, sondern sich auf die Hauptfächer zu konzentrieren, ist eine Entscheidung, die weder sachlich nicht gerechtfertigt noch willkürlich ist. Einen Anspruch auf weitergehende Betreuung der Antragstellerin im Distanzunterricht durch die Schule, wie beispielsweise das geforderte Zurverfügungstellen aller Materialien, die der Lehrer im Präsenzunterricht der Klasse durchnimmt oder eine Wissensvermittlung in didaktischer Anleitung durch den Lehrer, hat die Antragspartei nicht (vgl. hierzu VG Regensburg). Bei ihren Maßnahmen zum Distanzunterricht neben dem Präsenzunterricht hat die Schule auch nicht zu übersehen, dass der Klassenlehrer neben Schülern, die im Distanzunterricht zu beschulen sind, auch Präsenzunterricht für die Klasse leisten muss. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin oder ihrer Eltern durch die organisatorischen Maßnahmen der Schule kann daher vom Gericht nicht gesehen werden.
c) Ein Anspruch auf andere Ausgestaltung des Distanzunterrichts ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragspartei vorgelegten vom Kultusministerium ausgearbeiteten Rahmenkonzept zum Distanzunterricht in Bayern, Stand 30. Dezember 2020. Zunächst ist festzuhalten, dass das Konzept (Seite 1 unter (1)) Gültigkeit besitzt im Wechselbetrieb zwischen Distanz- und Präsenzunterricht sowie bei einer vollständigen Umstellung von Präsenzauf Distanzunterricht. Der vorliegende Sachverhalt eines Distanzunterrichts neben Präsenzunterricht, da Schüler ohne Testung auf Covid-19 eine Befreiung vom Präsenzunterricht erhalten, erfasst das Konzept nicht. Im Übrigen wird im Konzept ausgeführt, dass die Schulen vor dem Hintergrund des vorliegenden Rahmenkonzeptes entscheiden, welche organisatorischen, pädagogischen und methodisch-didaktischen Wege am besten geeignet sind, um den bestmöglichen Unterrichtserfolg auch im Distanzunterricht zu erzielen (Distanzunterricht in Bayern – aktualisiertes Rahmenkonzept, Stand 30.12.2020, S.2).
d) Soweit sich die Antragspartei auf das Recht auf Bildung sowie ihr Persönlichkeitsrecht beruft, schließt sich das Gericht auch hierzu den Ausführungen des VG Regensburg (B.v.25.1.2021 – RN 3 E 21.34) an:
„Auch soweit man die Existenz eines aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitenden Rechts auf Bildung bejaht (offen gelassen in BVerfGE 45, 400 und BVerfG, B. der 1. Kammer des 1. Senats v. 6.8.1996 – 1 BvR 1609/96 – juris, Rn. 10 ff.; bejahend: BVerwGE 47, 201 und BVerwGE 56, 155 ), käme den Landesgesetzgebern zudem eine weitgehend eigenständige Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Organisation, den Erziehungsprinzipien und der Festlegung der Unterrichtsgegenstände zu. (vgl. BVerfG, 1. Senat, 1. Kammer, E.v. 27.11.2017 – 1 BvR 1555/14 – juris). Nichts anderes kann hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung eines Distanzunterrichts als Teil der Schulorganisation gelten.“ (VG Regensburg, B.v.25.1.2021 – RN 3 E 21.34)
e) Ein Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gebot der Chancengleichheit, Art. 3 Abs. 1 GG. Die Antragspartei macht hier geltend, dass eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber ihren im Klassenraum unterrichteten Mitschülern vorliege. Eine solche liegt jedoch nicht vor.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; B.v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. insgesamt BayVGH München, B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1621, BeckOnline Rn. 53).
Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ist die aus Infektionsschutzgründen eingeführte Testpflicht von Schülerinnen und Schülern bei einer entsprechenden Gefährdungslage durch den Covid-19 Erreger. Es liegen zahlreiche Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vor, die eine Testpflicht als Obliegenheit für die Teilnahme am Präsenzunterricht als rechtmäßig ansehen. So wird beispielsweise im Beschluss vom 22. Juni 2021 (25 NE 21.1621, BeckOnline Rn. 60) ausgeführt, dass an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 28b Abs. 3 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) aus Sicht des Senats keine schwerwiegenden Zweifel bestehen. Insbesondere hält der Senat die Koppelung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test nicht für unverhältnismäßig und sieht auch keinen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Insoweit wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV Bezug genommen (BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris Rn. 14; BayVerfGH, B.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris; vgl. zu einer entsprechenden „indirekten Testpflicht“ auch VGH BW, B.v. 1.6.2021 – 1 S 1596/21 – juris Rn. 36 m.w.N.) (vgl. insgesamt BayVGH München, B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1621, BeckOnline Rn. 60). Auch in einer Entscheidung vom 12. Juli 2021 (BayVGH, B.v. 12. Juli 2021 – 25 NE 21.1755 – BeckOnline) hält der Senat daran fest, dass durch die streitgegenständliche Regelung des § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV keine Testpflicht im Rechtssinne statuiert wird, weil nach dem Wortlaut die Erfüllung der Testung nicht vom Antragsgegner erzwungen werden kann; Gegenstand sei lediglich das Verbot, ohne einen hinreichenden Testnachweis oder eine in der Schule durchgeführte Selbsttestung am Präsenzunterricht, an Präsenzphasen des Wechselunterrichts oder an der Mittags- und Notbetreuung teilzunehmen (vgl. VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 20 NE 21.1036 – juris Rn. 14, 19 ff.; B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris Rn. 18 ff.). Daher treffe Schülerinnen und Schüler lediglich eine Obliegenheit zur Testung. Dies gehe auch aus der insofern weiterhin maßgeblichen Begründung der 12. BayIfSMV hervor. Die Regelung des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV werde in § 20 Abs. 2 13. BayIfSMV inhaltlich fortgeführt, ohne dass der Normgeber dies abweichend begründet hätte (vgl. Begründung zur 13. BayIfSMV, BayMBl 2021, Nr. 385). Nichts Anderes ergäbe sich aus den einschlägigen Hinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Erfüllten Schülerinnen und Schüler die Testobliegenheit daher nicht, fände für sie Distanzunterricht und Distanzlernen statt (vgl. insgesamt BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 25 NE 21.1755 – BeckOnline m.w.N.). Der BayVGH führt im Weiteren aus, dass, selbst wenn dem nicht gefolgt würde und ein Eingriff in den Schutzbereich der genannten Grundrechte (mangels Freiwilligkeit) vorläge, die Regelung angemessen wäre. Ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, läge im unteren Bereich der Eingriffsintensität. Der bei den verwendeten Tests erforderliche Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum dürfte zwar als Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zu werten sein. Diese wäre indes nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität (VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 m.w.N.). Gleiches gelte für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit. Angesichts des verfolgten Ziels, in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus entgegenzuwirken (vgl. VerfGH, E.v. 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 24), seien die Eingriffe zumutbar (vgl. insgesamt BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 25 NE 21.1755 – BeckOnline Rn. 68). Im Übrigen geht der Senat des BayVGH weiterhin von der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Testung sowie davon aus, dass nur verkehrsfähige Antigen-Tests für die Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) zum Nachweis von SARS-CoV-2 zur Anwendung kommen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – juris Rn. 39), etwa aufgrund von Sonderzulassungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 11 Abs. 1 Medizinproduktegesetz, die jeweils auch die Altersgruppen der jeweiligen Anwender und die Selbstanwendung abdecken (BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 25 NE 21.1755 – BeckOnline Rn. 70).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben