Verwaltungsrecht

Kein Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung bei Beförderungsrunde

Aktenzeichen  6 ZB 17.2287

Datum:
26.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15266
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
BGB § 254, § 839 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ein Beamter kann nicht nach § 839 Abs. 3 BGB im Wege des Schadensersatzes geltend machen, beamtenrechtlich, besoldungsrechtlich und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als sei er zu einem bestimmten Stichtag befördert worden, wenn er es versäumt hat, gegen seine Nichtberücksichtigung in der entsprechenden Beförderungsrunde Rechtsmittel zu ergreifen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte auf der Grundlage einer Beurlaubung bei einem Tochterunternehmen der Telekom beschäftigt war, sein Ruhestand nahte, die fraglichen Beförderungsämter nicht ausgeschrieben worden waren und er keine Mitteilung über seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren erhalten hatte. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 15.4222 2017-10-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2017 – M 21 K 15.4222 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 21.795,96 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe‚ auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist‚ liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger, der als Fernmeldebetriebsinspektor im Dienst der Beklagten stand, zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei einem Tochterunternehmen der D. T. AG beurlaubt war und der sich seit dem 1. Juli 2014 im Ruhestand befindet, erstrebt mit seiner Klage, im Wege des Schadensersatzes beamtenrechtlich, besoldungsrechtlich und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als sei er zum 1. Juni 2011 bzw. spätestens zum 1. Juni 2012 nach A 9 m.Z. befördert worden. Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, diesem stehe der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB entgegen, weil der Kläger es versäumt habe, gegen seine Nichtberücksichtigung in der Beförderungsrunde 2011 Rechtsmittel zu ergreifen; auch wenn eine Konkurrentenmitteilung nicht erfolgt sei, habe der Kläger auf den Gebrauch eines Rechtsmittels nicht verzichten dürfen. Diese Erwägungen begegnen keinen Zweifeln, die der Überprüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete Verhalten abzuwenden. Der Begriff des Rechtsmittels ist nicht im technischen Sinn zu verstehen. Gemeint sind vielmehr alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen (vgl. Reinert in BeckOK BGB, § 839 Rn. 108 m.w.N.). § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht gilt. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen und dem Betroffenen dadurch die missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen hoheitlichen Akt mit den ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber diesen zu dulden und dafür zu liquidieren. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und in zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (BayVGH, B.v. 12.9.2017 – 6 ZB 17.587 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 3.11.2014 – 2 B 24.14 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen scheitert der vom Kläger verfolgte Schadensersatzanspruch daran, dass er überhaupt kein Rechtsmittel ergriffen hat, um seinen Bewerbungsverfahrensanspruch mit dem Ziel der Beförderung in ein höherwertiges Amt gerichtlich durchzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass die fraglichen Beförderungsämter nicht ausgeschrieben worden sind und der Kläger keine Mitteilung über seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren erhalten hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Juni 2018 – 2 C 23.17 – das vom Kläger im Klageverfahren für seine gegenteilige Auffassung angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2016 – 1 A 2309/14 – aufgehoben und ausgeführt, dass die D. T. AG im fraglichen Zeitraum im für die Beschäftigten zugänglichen Intranet Hinweise über die wesentlichen Grundzüge veröffentlicht hat, nach denen sie regelmäßig Beförderungsverfahren für Beamte durchführte. Diese Hinweise waren zwar allgemein und unvollständig. Doch gaben sie den interessierten Beamten hinreichend Anlass, sich bei der Telekom über die Einzelheiten des Beförderungsverfahrens zu erkundigen. Hätten sie das getan und Auskünfte erhalten, wären sie in der Lage gewesen, ihre Rechte weiter zu verfolgen und damit den Schaden abzuwenden. Ein Beamter, der an seinem beruflichen Fortkommen interessiert und sich über das „Ob“ und „Wann“ von Beförderungsverfahren im Unklaren ist, hat die Obliegenheit, sich bei seinem Dienstherrn darüber näher zu erkundigen und für den Fall von als unzureichend angesehenen Auskünften diese zu rügen und gegen drohende Ernennungen mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen (vgl. BVerwG, Pressemitteilung Nr. 40/2018 v. 15.6.2018). Das gilt auch für den Kläger unabhängig davon, dass er auf der Grundlage einer Beurlaubung bei einem Tochterunternehmen der Telekom beschäftigt war und sein Ruhestand nahte.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt.
Um eine Grundsatzrüge zu begründen, muss der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zweitens ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, drittens erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und viertens darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Hieran fehlt es. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Beamte trotz unterbliebener Konkurrentenmitteilung „verpflichtet (ist), die Ernennung der ausgewählten Konkurrenten auch dann anzufechten, wenn er tatsächlich objektiv … oder individuell … außer Stande war, die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO … einzuhalten“, stellt sich nicht entscheidungserheblich und ließe sich im Übrigen aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung in dem vom Verwaltungsgericht entschiedenen Sinn beantworten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 bis 3 GKG (vgl. Nr. 10.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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