Verwaltungsrecht

Kein Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung in asylrechtlichen Streitigkeiten

Aktenzeichen  5 ZB 17.31771

Datum:
30.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136984
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG BeckRS 9998, 111365; BVerwG BeckRS 2014, 52986). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist in asylrechtlichen Streitigkeiten nicht gegeben (vgl. § 78 Abs. 3 AsylG). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (BVerwG BeckRS 2016, 50334; BeckRS 2011, 53783). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 13 K 16.30736 2017-08-01 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO wegen eines Verfahrensmangels – hier wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 138 Nr. 3 VwGO – zuzulassen.
Das rechtliche Gehör als „prozessuales Urrecht“ des Menschen sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Das rechtliche Gehör gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich geboten Mindeststandards, dass der Kläger die Möglichkeit hat, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Ein Gehörsverstoß liegt deshalb nur vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 29.10.2015 – 2 BvR 1493/11 – NVwZ 2016, 238/241). Mit Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273 = NJW 1967, 1955; BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Hieran gemessen liegt der geltend gemachte Gehörsverstoß nicht vor. Die Klägerseite trägt vor, das Verwaltungsgericht gehe auf einen in der mündlichen Verhandlung geschilderten Sachvortrag der Kläger nicht ein, sondern unterstelle, dass bei den Vorfällen kein politischer Hintergrund ersichtlich sei. Der Kläger zu 1 habe in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschildert, dass er im September 2013 in die Goran-Partei gewechselt sei. Er sei von drei alten Weggefährten der PUK unabhängig voneinander aufgesucht und zu überzeugen versucht worden, wieder in die alte Partei einzutreten. Der Kläger zu 1 habe weiterhin geschildert, dass er auch Einfluss auf andere Personen, die die Partei gewechselt hätten, habe und er als ehemaliger Oberleutnant und PUK-Mitglied ein respektierter Mann gewesen sei, dessen Rückkehr in die Partei avisiert worden sei.
Das Verwaltungsgericht hat im Tatbestand seines Urteils ausführlich das klägerische Vorbringen in der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 15. Februar 2016 sowie das Klagevorbringen geschildert und im Übrigen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 20. Juli 2017 Bezug genommen. Aus dieser 15-seitigen Niederschrift ergibt sich, dass die Kläger zu 1 und 2 ausführlich Gelegenheit hatten, alles aus ihrer Sicht Maßgebliche vorzutragen. Das Verwaltungsgericht hat im Urteil (UA S. 5 ff.) ausführlich dargelegt, dass sich aus den Ausführungen der Kläger bei ihrer Anhörung beim Bundesamt sowie bei der Befragung in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts keine ihnen gegenüber vorgenommene individualisierte Verfolgungshandlung ergebe. Die behaupteten Ereignisse im Hinblick auf eine Bedrohung seien bereits nicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei vorgetragen. Ein politischer Hintergrund der behaupteten Bedrohung erscheine nicht plausibel. Erst der Anwalt des Klägers zu 1 habe auf einen möglichen politischen Hintergrund der Geschehnisse hingewiesen. Es mache keinen Sinn, den Kläger zu 1 auch nach seiner Ausreise zu bedrohen, um ihn davon abzuhalten, sich weiter für die Goran-Bewegung zu engagieren. Auch habe die Klägerin zu 2 erklärt, dass sie über politische Aktivitäten ihres Mannes nichts gewusst habe und ihr diese erst vom Anwalt erläutert worden seien. Damit hat das Verwaltungsgericht die behaupteten Bedrohungen der Kläger schon nicht für glaubhaft gehalten, sodass der in der Zulassungsbegründung behauptete politische Hintergrund der angeblichen Bedrohungen schon nicht entscheidungserheblich war. Im Übrigen hat das Gericht dargelegt, dass sich aus dem klägerischen Vortrag insgesamt ein politischer Hintergrund der angeblichen Bedrohungen nicht ergebe. Mit diesen Ausführungen hat das Verwaltungsgericht das klägerische Vorbringen umfassend gewürdigt. Es ist nicht verpflichtet, auf jedweden Sachvortrag der Kläger in seiner Urteilsbegründung einzugehen.
In Wahrheit machen die Kläger im Gewand einer Gehörsrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend, wenn sie ausführen, das Gericht gehe auf einen wesentlichen Teil des Tatsachenvortrags des Klägers zu 1 in den Entscheidungsgründen falsch ein. Dieser Zulassungsgrund ist jedoch in asylrechtlichen Streitigkeiten nicht gegeben (vgl. § 78 Abs. 3 AsylG).
Soweit die Kläger einen gerichtlichen Hinweis zu dem klägerischen Vorbringen vermissen, um entsprechend zu den anspruchstragenden Tatsachen vortragen zu können, ergibt sich auch aus dieser Rüge kein Gehörsverstoß. Denn aus dem Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerwG, B.v. 15.7.2016 – 5 P 4.16 – juris Rn. 3 m.w.N.; B.v. 16.8.2011 – 6 B 18.11 – juris Rn. 9), und eine prozesstaktische Hilfestellung zu Gunsten eines Verfahrensbeteiligten verbietet sich ohnehin (vgl. Stuhlfauth in: Bader/ Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 86 Rn. 47; Breunig in BeckOK VwGO, § 86 Rn. 94). Insbesondere muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (BVerwG, B.v. 15.7.2016 a.a.O. Rn. 3 m.w.N.).
Welcher Vortrag den Klägern „abgeschnitten“ worden sein soll, wird in der Zulassungsbegründung auch nicht geschildert.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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