Verwaltungsrecht

Keine Asylanerkennung mangels asylbegründenden stimmigen Sachverhaltsvortrags

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30389

Datum:
28.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Nach der Rechtsprechung des BVerwG muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG BeckRS 1977, 00821). Vage und widersprüchliche Angaben genügen nicht. (redaktioneller Leitsatz)
Im Irak besteht die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 1. April 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Die in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheides erfolgte Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a GG durch Ziffer 2) des Bescheides vom 1. April 2016 ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Denn gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 28. September 2016 gestellten Klageantrag ist dieser allein auf die Aufhebung der Ziffer 1) sowie der Ziffern 3) bis 6) des ablehnenden Bescheids vom 1. April 2016 und auf die – insoweit – positive Verbescheidung gerichtet.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 28. September 2016, noch ausgeführt:
1.
Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung
oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Der Kläger stützt seinen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf eine angebliche Bedrohung durch Milizen, welche im Juli und August 2015 Hausdurchsuchungen mit dem Ziel, junge Menschen aufzufinden und mitzunehmen, durchgeführt hätten.
Dieses Vorbringen ist jedoch – auch nach Würdigung des klägerischen Vortrages in der mündlichen Verhandlung – nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG zu erfüllen und die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.
Bei der Glaubhaftmachung im behördlichen Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i. V. m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
So bleiben die Schilderungen des Klägers auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vage und widersprüchlich. Während er gegenüber dem Bundesamt noch angegeben hatte, beide Hausdurchsuchungen hätten im August 2015 stattgefunden, erklärte er nunmehr, die erste Durchsuchung habe sich im Juli 2015 zugetragen, die zweite kurze Zeit danach. Dass die Milizen dabei die Jugendlichen aus dem ganzen Stadtviertel mitgenommen hätten, ist – zumal in dieser Pauschalität – wenig überzeugend. Der Vortrag ist bei Weitem nicht hinreichend substantiiert, wie es die Rechtsprechung nach den oben dargestellten Maßstäben verlangt.
So lässt der Kläger einerseits offen, um welche Milizen es sich gehandelt haben soll. Andererseits macht er keine Angaben zu den Folgen, die derartige – aufsehenerregende – Entführungen gehabt haben müssten. Wenn tatsächlich sämtliche aufzufindenden Jugendlichen – gleichgültig welcher Volks- und Religionszugehörigkeit – im Rahmen einer auf ein Stadtviertel konzentrierten Aktion mitgenommen worden wären, wären davon mehrere hundert Familien betroffen gewesen. Dass dies derart geräuschlos und ohne Gegenwehr bzw. Reaktion der Betroffenen und deren Familien erfolgt sein soll, wie dies die Schilderung des Klägers nahelegt, ist wenig wahrscheinlich.
Hinzu kommt, dass dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts eine zumutbare Fluchtalternative innerhalb des Iraks zur Verfügung stand und steht. So trägt der Kläger selbst vor, dass seine Ehefrau nach den angeblichen Vorfällen, die ihn zur Ausreise gezwungen hätten, im Irak geblieben und zu ihren Eltern in das überwiegend von Kurden besiedelte Kerkuk gegangen sei. Der Kläger hat zwar auch in der mündlichen Verhandlung nochmals betont, dass ihm diese Fluchtalternative nicht zur Verfügung stehe, weil er Araber sei und als solcher von den Kurden abgelehnt werde und weil er die kurdische Sprache nicht beherrsche. Die Familie seiner Frau lebe schon seit langem in Kerkuk Für neu hinzuziehende Araber sei es jedoch sehr schwierig in einem mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebiet zu leben. Diese Einlassungen sind allerdings nicht überzeugend.
Das Gericht verweist insoweit zum einen auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom
18. Februar 2016, der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung (Bl. 23 f. der Gerichtsakte) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist. Nach den dort beschriebenen Erkenntnissen ist eine innerirakische Migration in die Region Kurdistan-Irak durchaus möglich (II.3, S. 15). Zum anderen ist im Falle des Klägers zu berücksichtigen, dass er bei einer Übersiedlung nach Kerkuk an gefestigte familiäre Strukturen anknüpfen könnte. Denn sowohl seine Ehefrau als auch deren Familie leben dort, obwohl sie selbst ebenfalls keine kurdischen Volkszugehörigen sind. Weswegen der Umstand, der kurdischen Sprache nicht mächtig zu sein, ein Argument gegen ein Ausweichen in ein überwiegend von Kurden besiedeltes Gebiet sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Denn ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland würde für den Kläger ebenfalls bedeuten, sich eine neue Sprache aneignen zu müssen.
Nach alledem führt der Vortrag des Klägers – auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen – nicht zu einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
2.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
3.
Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
4.
Die in Ziffer 5) des Bescheids vom 1. April 2016 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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