Verwaltungsrecht

Keine Bedenken gegen Rückkehr gesundheitlich nicht eingeschränkter, alleinstehender junger Männer nach Griechenland

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50625

Datum:
25.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34367
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Es bestehen keine Bedenken gegen die Rückkehr von gesundheitlich nicht eingeschränkten und auch sonst nicht vulnerablen alleinstehenden Männern nach Griechenland. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsandrohung nach Griechenland, wo er bereits internationalen Schutz genießt.
Der 1975 im Iran geborene und die iranische Staatsbürgerschaft innehabende Antragsteller reiste seinen Angaben nach am 24. Februar 2016 über die Türkei nach Griechenland ein und stellte dort am 23. August 2016 einen Asylantrag. Es liegt ein EURODAC-Treffer für den Antragsteller vor, der eine Gewährung internationalen Schutzes durch Griechenland am 2. Dezember 2016 ausweist. Am 5. Juni 2018 reiste er per Flugzeug über Belgien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am 26. Juni 2018 einen Asylantrag.
In der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Vorbereitung der Anhörung nach § 25 AsylG am 26. Juni 2018 und in der Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am selben Tag gab der Antragsteller unter anderem an, dass er keine berufliche Ausbildung habe und zuletzt als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei. Die Mittelschule habe er mit der sechsten Klasse abgeschlossen. In Deutschland lebten keine weiteren seiner Verwandten. Während seines gut zweijährigen Aufenthalts in Griechenland habe er im Camp „Elyunes“ [phonetisch] gelebt. In seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages nach § 25 AsylG am 12. Juli 2018 durch das Bundesamt gab der Antragsteller weiter an, dass er in Griechenland ein paar Mal geschlagen worden sei und Rassisten ihn vor etwa eineinhalb Jahren am Auge verletzt und ihm die Nase gebrochen hätten. Dazu legt der Antragsteller Röntgenbilder und Atteste in griechischer Sprache vor. Er leide an Rückenschmerzen und sei vergesslich, deswegen aber nicht in ärztlicher Behandlung. In Deutschland bekomme er Trimiparin 100mg (1/4 Tablette), um besser schlafen zu können. Ab und an nehme er Schmerztabletten. Weiter äußerte der Antragsteller, in Griechenland nicht gearbeitet zu haben und bei einer Rückkehr dorthin keine Sicherheit, keine Arbeit und keine Zukunft zu haben.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2018, zugestellt am 2. August 2018, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziffer 2), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Frist von einer Woche ab Bescheidsbekanntgabe zu verlassen und droht ihm widrigenfalls die Abschiebung nach Griechenland an; in den Iran dürfe er jedoch nicht abgeschoben werden (Ziffer 3). Außerdem befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, da dem Antragsteller bereits in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Im Übrigen läge keine Art. 3 EMRK verletzende Situation für nach Griechenland zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte vor. Zwar seien die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Griechenland sehr schwierig, allerdings herrschten keine derart handgreiflichen eklatanten Missstände vor, die den Schluss zuließen, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden. Insbesondere seien anerkannt Schutzberechtigte hinsichtlich Sozialleistungen, Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Zugang zum Arbeitsmarkt und Bildungssektor der griechischen Bevölkerung gleichgestellt und haben dieselben, wenn auch für alle limitierten Rechte. Hinsichtlich der tätlichen Angriffe sei der Antragsteller auf den Schutz durch den griechischen Staat zu verweisen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigen am 9. August 2018 Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung führte er aus, dass dem Antragsteller eine Rückkehr nach Griechenland nicht zumutbar sei. Er sei dort mehrfach Opfer tätlicher Angriffe auch durch Rassisten geworden. Überdies sei der Antragsteller in Griechenland nicht menschenwürdig untergebracht gewesen. Schließlich leide der Kläger an erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, für die in Griechenland keine adäquate Behandlungsmöglichkeit gegeben sei. Hinsichtlich der gesundheitlichen Situation werde auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene elektronische Behördenakte des Antragstellers und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 24. Juli 2018 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 24. Juli 2018 ist statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheids erhoben worden. Der Klage gegen eine asylrechtliche Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG mit korrekter Fristsetzung nach § 36 Abs. 1 AsylG kommt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1, 38 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zu, so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der grundsätzlich statthafte und zur Verhinderung der Abschiebung notwendige Rechtsbehelf ist.
2. a)
Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nicht bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung nicht standhält (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 19.19 – BeckRS 2020, 8209 Rn. 35; BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 24. Juli 2018 erscheint nach dem Vorbringen des Antragstellers beim Bundesamt und im Gerichtsverfahren und unter Berücksichtigung der aktuellen Lage für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland, von der das Gericht nach der Auswertung aktueller Erkenntnisquellen ausgeht, sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für anerkannte Schutzberechtigte (U.v. 19.3.2019 – C-163/17 „Jawo“ – NVwZ 2019, 712; U.v. 19.3.2019 – C-297/17 „Ibrahim“ u.a. – juris, U.v. 19.11.2019 – C-540/17 und C-541/17 – „Hamed“ und „Omar“ – NVwZ 2020, 137) bei summarischer Prüfung im Ergebnis als rechtmäßig. Nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 17.51171 – juris, B.v. 31.8.2020 – AN 17 S 18.40859 – juris) bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Rückkehr von gesundheitlich nicht eingeschränkten und auch sonst nicht vulnerablen alleinstehenden Männern nach Griechenland.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union anerkannten Schutzberechtigten grundsätzlich unzulässig und in der Folge gemäß § 35 AsylG eine Abschiebungsandrohung dorthin veranlasst. Nur ausnahmsweise, nämlich nur bei Erreichen der hohen Hürde einer drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh führt eine schwierigere Lage für anerkannte Schutzberechtigte in anderen Mitgliedsstaaten im Vergleich zur Lage in der Bundesrepublik Deutschland zum Klageerfolg. Dies ist erst der Fall, wenn – plakativ formuliert – der Anerkannte trotz zumutbarer Eigeninitiative in dem zuständigen Staat nicht in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5; EuGH, a.a.O.; siehe auch EGMR, U.v. 4.11.2014 „Tarakhel“ – NWvZ 2015, 127 ff.) und ihm deshalb ernsthaft eine Verelendung droht. Hiervon geht das erkennende Gericht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht aus. Es wird dabei die nachfolgend dargelegte Sachlage zugrunde gelegt:
b) Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Anerkannte Schutzberechtigte haben sich sodann beim zuständigen Bürgerservice-Center zu melden. Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Staatliche Integrationsmaßnahmen gibt es kaum. Es existiert kein funktionierendes Konzept für die Integration von Flüchtlingen bzw. es fehlt an nennenswerten staatlichen Ressourcen zu einer Implementierung (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, Ziffer 6. Schutzberechtigte, S. 27 f.). Diesbezügliche Ansätze der Regierung wie die „Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen“ sind nur teilweise umgesetzt (Pro Asyl, a.a.O.; BFA a.a.O.) oder haben wie im Falle der nationalen Integrationsstrategie aus Juli 2018 keine rechtlich bindende Wirkung (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7). Zwar berichten einige Erkenntnismittel etwa von 53 Integrationsräten auf lokaler Ebene, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten (BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand Mai 2017, S. 5). Diese Beschreibung deutet jedoch auf ein eher politisches Gremium hin, welches sich um Änderungen bemüht, selbst aber keine Integrationsleistungen anbietet. Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild uneinheitlich (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Zudem wird die hohe Abhängigkeit etwaiger Integrationsprogramme von einer Finanzierung durch die EU betont, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; UNHCR, Fact Sheets Greece von Februar, Mai und August 2020; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum, Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigten werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannte Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren und über die Anerkennung hinaus dort verblieben sind und zudem nur für einen mehrmonatigen Übergangszeitraum (BFA a.a.O., S. 26; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.). Von einer Unterbringung kann nur ausgegangen werden, soweit eine explizite Zusage im Einzelfall zur Betreuung des Rückkehrers seitens der griechischen Behörden vorliegt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, a.a.O.).
Auch haben die zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Über das ESTIA-Programm stehen derzeit ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020). Dieses steht jedoch nur Asylsuchenden und begrenzt zwischenzeitlich auch für international Anerkannte zur Verfügung, die bereits dort gelebt haben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2; Pro Asyl, Returned recognized refugees face a dead-end in Greece – a case study, Stand 4.1.2019, S. 3). Durch das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. November 2019 in Kraft trat, wurden die Bedingungen für die anerkannt Schutzberechtigten überdies verschärft; sie sollen nunmehr unmittelbar ab dem Zeitpunkt der Anerkennung die ESTIA-Unterkünfte verlassen, wobei es eine einmalige Übergangsfrist von zwei Monaten Anfang 2020 geben sollte (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Das Helios-2-Programm, ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von Nichtregierungsorganisationen und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm kommt nach derzeitigem Erkenntnisstand aber nicht den anerkannten Flüchtlingen zugute, die nach Griechenland zurückkehren, sondern gilt für ab dem 1. Januar 2018, vorzugsweise ab dem 1. Januar 2019 Anerkannte nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten im ESTIA-Programm (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 3: derzeit keine Kenntnisse des AA hierüber).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA a.a.O., S. 30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Im Ergebnis bleiben viele anerkannte Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das – Anmieten privaten Wohnraums verfügen, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (für alles Vorstehende: Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht aus der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr).
Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannten Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden im Allgemeinen und im Speziellen bei der Beantragung der „Social Security Number (AMKA)“. Bezüglich letzterer wird vereinzelt berichtet, dass deren Beantragung seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsangehörige nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26; zwar von Schwierigkeiten berichtend, aber keine Unmöglichkeit annehmend Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 166, 219 f.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und dem Gesundheitssystem ist für anerkannte Schutzberechtigte einschränkungslos gegeben, unterliegt allerdings im Übrigen denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.).
c) Unter Beachtung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes (II. 2. a)) und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte (II. 2. b)) ergeben sich unter Zugrundelegung des Vortrags des Antragstellers im hier zu betrachtenden Einzelfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Die Antragsgegnerin hat den Asylantrag des Antragstellers aller Voraussicht nach zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt, denn dem Antragsteller droht im Falle einer Rückkehr nach Griechenland keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verelendung.
Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters, der sich der Kammerrechtsprechung anschließt (etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 18.50449), nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh dar. Zwar haben international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der Zugang zu Sozialleistungen, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland allerdings durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt.
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte nach Überzeugung des Einzelrichters grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19 – BeckRS 2020, 2228 Rn. 15). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23, 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 bis 54). Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Einzelrichters zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannten Flüchtlings, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Der Antragsteller ist mit 45 Jahren in einem mittleren Alter und als arbeitswillig und -fähig einzustufen, wenn er auch eigenen Angaben nach zuletzt als Hilfsarbeiter tätig war und keine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Gleichwohl kommen jedenfalls Aushilfstätigkeiten etwa in der Bau- oder Landwirtschaft in Frage. Die vorgetragenen dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Rückenschmerzen und Vergesslichkeit, sind nicht in einer Intensität geschildert, dass sie die Arbeitsfähigkeit ernstlich beeinträchtigen würden und überdies nicht durch qualifizierte und aktuelle ärztliche Atteste belegt. Gleiches gilt für die behauptete Einnahme des Medikamentes „Trimiparin“ (1/4 Tablette), im Übrigen ist der Antragsteller auf das ihm grundsätzlich offenstehende griechische Gesundheitssystem zu verweisen. Soweit der Antragsteller vor dem Bundesamt unter Vorlage griechischsprachiger ärztlicher Atteste von tätlichen Angriffen von Nazis auf ihn vor mehr als drei Jahren (Stand heute) berichtet, die ihm die Nase gebrochen und ihn am Auge verletzt hätten, ist nicht ersichtlich und vorgetragen, inwieweit daraus eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung resultieren soll, die den Antragsteller an der eigenverantwortlichen Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts hindert. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt – die zeitlich nach den fremdenfeindlichen Angriffen in Griechenland liegt – gab er nämlich an, derzeit nicht in ärztlicher Behandlung zu sein und außer dem bereits genannten „Trimiparin“ nur ab und an Schmerztabletten einzunehmen. Daher war auch keine Übersetzung der griechischsprachigen Atteste angezeigt. Angesichts seines gut zweijährigen Voraufenthalts in Griechenland dürften dem Antragsteller zudem die grundlegenden Hilfestrukturen insbesondere durch die NGOs und die Anlaufstellen des griechischen Staates geläufig sein. Er ist nach Überzeugung des Einzelrichters damit grundsätzlich befähigt, eigenverantwortlich Sorge für seine Person auch in einer Übergangsphase zu tragen und sich zunächst an die im Raum Athen vorhandenen NGOs für eine erste Hilfe vor Ort zu wenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, ist gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) zudem deutlich höher. An diesem Ergebnis vermag auch der vorgetragene fremdenfeindliche Angriff auf den Antragsteller nichts zu ändern, da er diesbezüglich auf Schutz durch die griechische Polizei zu verweisen ist. Dass diese im Allgemeinen nicht schutzwillig und -fähig ist, geht aus den zu Griechenland vorliegenden Erkenntnismitteln nicht hervor.
d) Unter Zugrundelegung der geschilderten Lage für nach Griechenland zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte und der individuellen Lebensumstände des Klägers kommt auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Betracht, da sich diesbezüglich dieselben Fragen wie bei der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und der darauf basierenden Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG im Lichte der Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh stellen, die bereits unter II. 2. a) bis c) dahingehend beantwortet wurden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Griechenland keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für eine dem Antragsteller im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohende erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bei einer Rückkehr nach Griechenland ersichtlich. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung ausgedrückt, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden muss, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.). Dafür spricht hier allerdings nichts. Auch sind keine lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG), ersichtlich.
Schließlich rechtfertigt das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 keine andere Beurteilung mit Blick auf § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Nach aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität (Stand 24.11.2020) gibt es in Griechenland bislang insgesamt 93.006 Infektionsfälle, davon sind 23.074 wieder genesen. Die Zahl der Todesfälle beträgt 1714. Daraus lässt sich bei einer Einwohnerzahl von etwa 11 Millionen keine gesteigerte Gefahr ableiten, die über die allgemeine, auch in Deutschland bestehende Ansteckungsgefahr hinausgeht.
e) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG lassen sich auch nicht mit der in Ziffer 3 des Bescheids vom 24. Juli 2018 gesetzten freiwilligen Ausreisefrist von einer Woche, beginnend ab Bekanntgabe des Bescheids begründen. Zunächst entspricht diese Fristsetzung den Vorgaben der § 35, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dies könnte zwar mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen, allerdings sprechen nach Ansicht des Einzelrichters keine erheblichen Gründe für deren Übertragbarkeit auf Drittstaatenbescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn die RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202). Eine Differenzierung zwischen Bescheiden, die einen Asylantrag inhaltlich ablehnen und bloßen Unzulässigkeitsentscheidungen erscheint auch nicht unbillig, da die Eingriffstiefe bei einer angedrohten Abschiebung in den Herkunftsstaat nach inhaltlicher Ablehnung des Asylantrages eine andere ist als bei der bloßen Rückführung gleichsam der Zuständigkeit halber in einen EU-Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller bereits internationalen Schutz genießt (zur Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung wohl anders Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 25. Edition Stand 1.3.2020, § 36 AsylG Rn. 3 ff.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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