Verwaltungsrecht

Keine Berufung gegen Urteil zur Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung als Eingliederungshilfeleistung

Aktenzeichen  12 ZB 16.1967

Datum:
25.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15368
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 10, § 22, § 24, § 35a, § 36a Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 78a, § 90
SGB I § 14, § 16
VwGO § 124, § 124a

 

Leitsatz

1 Begehrt ein juristischer Laie die Übernahme von Kinderbetreuungskosten, sind sowohl die Anspruchsgrundlagen der Maßnahme der Eingliederungshilfe als auch die nach § 90 Abs. 3 SGB VII analog zu prüfen. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Jugendhilfeträger hat den Antrag entsprechend aller rechtlichen Möglichkeiten auszulegen und zu prüfen sowie gegebenenfalls beim Antragsteller nachzufragen. Nur so wird der sozialrechtliche Meistbegünstigungsgrundsatz erfüllt. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine einseitige Antragsauslegung stellt eine Pflichtverletzung dar, die den Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eröffnet. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4 Entscheidet der Jugendhilfeträger durch einseitige Auslegung eines Antrages über die Bewilligung von Eingliederungshilfemaßnahmen nicht bei gleichzeitiger “Kanalisierung” des Antrags auf Übernahme der Kosten für die Nachmittagsbetreuung nach § 90 Abs. 3 SGB VII, ist die Selbstbeschaffung ab diesem Zeitpunkt zulässig. (Rn. 30 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 6 K 15.763 2016-07-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Kostentragung der Nachmittagsbetreuung für A. D. an der privaten R.-S.-Schule in N. im Schuljahr 2014/2015.
I.
1. Der am 16. März 2006 geborene Kläger A. D. leidet an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens bei schwierigen psycho-sozialen Umgebungsbedingungen (ICD 10: F 90.1) mit Impulsivität, geringer Frustrationstoleranz, Steuerungsmängeln, motorischer Unruhe und exzessivem Rededrang sowie einer Enkopresis (F 98.1).
Nachdem er zunächst von der Einschulung zurückgestellt worden war, stellte im Rahmen eines Antrags seiner sorgeberechtigen Mutter vom 6. Juni 2013 auf Gewährung von Jugendhilfe die Kinder- und Jugendärztin Dr. G.-W. unter dem Datum 17. April 2013 fest, dass bei ihm eine seelische Behinderung bereits vorhanden sei, eine weitere seelische Behinderung drohe und die seelische Behinderung krankheitsbedingte Ursachen habe. Als therapeutische Maßnahme werden die Beschulung des Klägers an der R.-S.-Schule zur Erziehungshilfe mit Elterntraining und heilpädagogischer Nachmittagsbetreuung ab 9. September 2013 bis auf weiteres empfohlen.
Am 7. Juni 2013 fand im Jugendamt der Beklagten ein Termin mit dem Kläger und seiner Mutter statt. Beide leben seit 2009 im „Haus für Mutter und Kind“ in der L.-Straße. Bis zu seinem dritten Lebensjahr hätte der Kläger noch Kontakt zu seinem alkoholkranken Vater und seiner depressiven Großmutter unterhalten. Seine Mutter verfüge über keine Berufsausbildung und beziehe derzeit Arbeitslosengeld II; der Vater arbeite als Maurer bei einer Zeitarbeitsfirma. Aufgrund des Gesprächs stellte das Jugendamt fest, dass angesichts der begrenzten Ressourcen der Mutter und dem schwierigen Verhalten des Klägers auch vom Jugendamt die Teilnahme an der Nachmittagsbetreuung befürwortet werde, damit dem Kläger in Bezug auf die Erledigung seiner Hausaufgaben ein strukturierter Einstieg in den Schulalltag ermöglicht werde. In der Nachmittagsbetreuung könne er außerdem Kontakte zu Mitschülern pflegen und Freunde gewinnen.
In einer internen Email vom 23. Oktober 2013 stimmte das Referat J/B4-4 der Beklagten der „Gewährung einer Hilfe nach § 35a SGB VIII in Form von ‚Nachmittagsbetreuung‘“ zu. Der daraufhin unter dem Betreff „Übernahme der Kosten für die Nachmittagsbetreuung“ ergangene Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2013 bewilligt dem Kläger – ohne die Art der Leistung zu bezeichnen oder eine Rechtsgrundlage zu nennen – „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab 01.09.2013 befristet auf das Schuljahr 2013/14 Nachmittagsbetreuung an der Privatschule R. S.“
2. Die R.-S.-Schule hatte mit Beginn des Schuljahres 2013/2014 im Rahmen eines Konzepts zur „Individualisierung der Nachmittagsangebote“ die bislang angebotene Hausaufgabenbetreuung und (heilpädagogische) Nachmittagsbetreuung um die sog. „offene Ganztagesschule“ erweitert. In der Folge entstanden zwischen ihr und dem Beklagten Differenzen, welche Kosten der angebotenen Leistungen als Eingliederungshilfemaßnahmen nach § 35a SGB VIII im Rahmen der Jugendhilfe übernommen würden. Aus einer Gesprächsnotiz vom 2. Oktober 2013 („Neubewertung der nachmittäglichen Betreuungsformen der RSS; noch ausstehende Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte nach §§ 78a ff. SGB VIII“) ergibt sich, dass die Beklagte das ab dem Schuljahr 2013/2014 eingeführte „offene Ganztagsangebot“ entsprechend der hierzu ergangenen Bekanntmachung des bayerischen Kultusministeriums als schulische Veranstaltung bewertet wissen wollte, mit der Folge, dass es sich dann nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII um eine gegenüber Leistungen nach § 35a SGB VIII vorrangig schulische Leistung handeln würde. Für das offene Ganztagsangebot käme daher bei Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen lediglich eine Übernahme von Teilnahmebeiträgen nach § 90 SGB VIII in Betracht. Für die fortbestehende Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung sollten – da bislang keine Lösung für das „§§ 78a ff. SGB VIII-Problem“ vorliege – Verlängerungsbescheide mit dem Tenor „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ befristet auf das Schuljahr 2013/2014 erlassen werden.
Mit Schreiben vom 2. April 2014 teilte die Beklagte der R.-S.-Schule daher mit, dass sie die Hausaufgabenbetreuung und die Nachmittagsbetreuung im Schuljahr 2013/2014 letztmalig als Angebot der Jugendhilfe freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unterstütze, für das Schuljahr 2014/2015 jedoch keine Möglichkeit der Kostenübernahme für Kinder sehe, die erstmals im Schuljahr 2013/2014 gefördert worden seien. Ältere Förderfälle würden demgegenüber Bestandsschutz genießen.
3. Im Entwicklungsbericht über den Kläger vom 10. Juli 2014 wurde seitens der Lehrkräfte der R.-S.-Schule ausgeführt, dass bei ihm weiterhin der sonderpädagogische Förderbedarf im sozialen und emotionalen Bereich so groß sei, dass er ein Förderzentrum für emotionale und soziale Entwicklung besuchen müsse. Am 22. Juli 2014 bestätigte die R.-S.-Schule der Mutter des Klägers dessen Anmeldung für die Nachmittagsbetreuung im Schuljahr 2014/2015.
Aus der Akte des Referats KITA J/B4-5/2 des Jugendamts der Beklagten lässt sich, ohne dass hierüber ein eigener Vermerk gefertigt worden wäre, entnehmen, dass die Mutter des Kläger dort am 23. September 2014 betreffend „Übernahme/Erlass von Kinderbetreuungskosten“ vorgesprochen hatte. Der genannten Stelle legte die Mutter des Klägers am 9. Oktober 2014 ein Formular „Bestätigung zum Besuch einer Kindertagesstätte bzw. Mittagsbetreuung (MB)“ vor, mit dem die R.-S.-Schule den Besuch des Klägers in der „Nachmittagsbetreuung Kl. 1+2“ bescheinigte.
4. Mit einem an die Mutter des Klägers adressierten Bescheid vom 4. November 2014 (des Referats KITA J/B4-5/2 A-M des Jugendamts) lehnte die Beklagte die „Übernahme von Kosten für den Besuch einer Kindertagesstätte“ ab. Das Jugendamt der Beklagten gewähre für die Mittagsbetreuung einen freiwilligen Zuschuss zum Elternbeitrag, wenn die Vorschriften des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) erfüllt würden und die Mittagsbetreuung als solche förderfähig sei. Nach § 90 Abs. 3 SGB VIII sollten die Kosten bzw. der Teilnahmebeitrag vom Jugendamt übernommen werden, wenn die Belastung den Eltern nicht zuzumuten sei. Weitere Voraussetzung für eine Kostenübernahme sei, dass die Förderung des Kindes in einer Mittagsbetreuung erfolge, für deren Ausgestaltung und Angebot eine Genehmigung der Regierung von Mittelfranken vorliege. Für die Mittagsbetreuung der Klassen 1 bis 4 der R.-S.-Schule sei dies im Schuljahr 2014/2015 nicht der Fall. Demzufolge müsse der Antrag abgelehnt werden.
5. Gegen diesen Bescheid legte die Mutter des Klägers am 25. November 2014 Widerspruch ein, den die Bevollmächtigte des Klägers unter dem Betreff „Nachmittagsbetreuung in der R.-S.-Schule von A. D.“ für den Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 begründete. Bei der von der R.-S.-Schule angebotenen Nachmittagsbetreuung handele es sich zunächst nicht um eine teilstationäre Einrichtung i.S.v. § 78b SGB VIII. Darüber hinaus bedürfe die Nachmittagsbetreuung auch keiner Genehmigung der Regierung von Mittelfranken. Soweit der Ablehnungsbescheid auf § 90 Abs. 3 SGB VIII verweise, sei festzustellen, dass die Nachmittagsbetreuung als schulisches Angebot § 90 Abs. 1 SGB VIII nicht unterfalle. Der Widerspruchsführer benötige aufgrund seiner seelischen Behinderung auch am Nachmittag eine besondere pädagogische Betreuung, um ihm eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Mit weiterem Schreiben vom 7. Januar 2015 wies die Bevollmächtigte des Klägers ergänzend darauf hin, dass vorliegend keine Maßnahme aus dem Katalog des § 90 SGB VIII in Rede stehe, sondern es sich vielmehr bei der Nachmittagsbetreuung um eine Maßnahme nach § 35a SGB VIII handele.
Den Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken mit Bescheid vom 27. März 2015 als unbegründet zurück. Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 22, 24 SGB VIII könnten für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in einer Tageseinrichtung Kostenbeiträge erhoben werden. Dies gelte in analoger Anwendung auch für die Nachmittagsbetreuung, da das schulpflichtige Kind hier in einer Tageseinrichtung gefördert werden solle. Die Voraussetzungen für eine Übernahme des Kostenbeitrags auf Antrag regele § 90 Abs. 3 SGB VIII. Da es sich vorliegend bei der Übernahme der Kosten für die „(Nach-)Mittagsbetreuung“ einer privaten Schule um eine freiwillige Leistung der Beklagten handele, habe diese als zusätzliche Voraussetzung festgelegt, dass nur solche Maßnahmen bezuschusst würden, für deren Ausgestaltung und Angebot die Genehmigung der Regierung von Mittelfranken erteilt worden sei. Diese Bedingung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, sodass eine Übernahme des Teilnahmebeitrags von 200,00 € monatlich für A. D. nicht möglich sei.
6. Daraufhin ließ der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. Mai 2015 Klage erheben und zunächst beantragen, den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Mittelfranken vom 27. März 2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Nachmittagsbetreuung seit 1. September 2013 i.H.v. monatlich 200,00 € zu tragen mit Ausnahme des Monats August. Sie wies darauf hin, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII erfülle. Die streitgegenständliche Nachmittagsbetreuung werde von der R.-S.-Schule seit Jahrzehnten angeboten; die Beklagte habe die dafür anfallenden Kosten bis in das Jahr 2013 getragen. Nun werde die Kostentragung mit der Begründung abgelehnt, bei der Nachmittagsbetreuung handele es sich nicht um ein von der Regierung von Mittelfranken genehmigtes Angebot. Einer derartigen Genehmigung bedürfe es jedoch nicht.
Dem entgegnete die Beklagte, dass im vorliegenden Fall weder die Voraussetzungen einer freiwilligen Leistung der Beklagten noch die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII vorlägen. Für eine Leistung nach § 35a SGB VIII fehle es sowohl an einem Antrag der sorgeberechtigten Mutter des Klägers wie auch an der Vorlage eines hinreichend aktuellen, dem Standard eines 6-Achsen-Gutachtens entsprechenden Gutachtens. Derzeit liege lediglich das Gutachten vom 17. April 2013 vor. Der Antrag vom 23. September 2014 ziele nicht auf Eingliederungshilfeleistungen, sondern auf die Übernahme der Kinderbetreuungskosten. Die Kosten der Nachmittagsbetreuung seien bisher einmalig im Schuljahr 2013/2014 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und nicht als Eingliederungshilfebescheid deklariert übernommen worden. Da die Nachmittagsbetreuung auch kein Angebot zur Förderung in einer Tageseinrichtung darstelle und daher die Anwendung von § 90 Abs. 3, Abs. 4 SGB VIII gesetzlich nicht vorgesehen sei, habe die Beklagte gleichwohl die Kostenübernahme als freiwillige Leistung vorgesehen, vorausgesetzt, dass die Regierung von Mittelfranken das Angebot schulaufsichtlich genehmige. Dies sei indes nicht der Fall.
In der mündlichen Verhandlung nahm die Bevollmächtigte des Klägers ihren ersten Klageantrag zurück und beantragte nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Nachmittagsbetreuung für das Schuljahr 2014/2015 i.H.v. monatlich 200,00 € mit Ausnahme des Monats August zu tragen.
Mit Urteil vom 21. Juli 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte, die Aufwendungen für die Nachmittagsbetreuung für das Schuljahr 2014/2015 i.H.v. 200,00 € ab dem 1. November 2014 mit Ausnahme des Monats August zu übernehmen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Die Mutter des Klägers habe entgegen der Auffassung der Beklagten bei ihrer Vorsprache am 23. September 2014 einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt, jedenfalls aber die Beklagte vom bekannten Hilfebedarf des Klägers erneut i.S.v. § 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt. Die Kammer gehe davon aus, dass die vom Kläger begehrte Nachmittagsbetreuung monatlich in Anspruch genommen werden könne, sodass in der Anmeldung des Klägers durch seine Mutter am 22. Juli 2014 für das gesamte Schuljahr 2014/2015 keine unzulässige Selbstbeschaffung zu sehen sei, sondern nur für die Monate zwischen der Antragstellung und einer möglichen Entscheidung durch die Beklagte. Ferner sei davon auszugehen, dass – selbst bei bekanntem Hilfebedarf – für die Leistungsgewährung nach § 35a SGB VIII ein Antrag erforderlich sei. Ein derartiger Antrag könne auch in Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden. Indem die Mutter des Klägers am 23. September 2014 beim Jugendamt mit dem Ziel vorgesprochen habe, dass die bisher im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommenen Kosten der Nachmittagsbetreuung für A. D. weiterhin übernommen werden, habe sie einen schlüssigen Antrag auf Fortführung der in der 1. Klasse gewährten Eingliederungshilfe gestellt. Es bestünden auch keine Zweifel daran, dass die Nachmittagsbetreuung an der R.-S.-Schule für den Kläger eine Maßnahme der Eingliederungshilfe darstelle. Nachdem die Beklagte jedoch die Nachmittagsbetreuung mit Bescheid vom 29. Oktober 2013 lediglich befristet für das Schuljahr 2013/2014 bewilligte hatte, habe sich die Mutter des Klägers veranlasst sehen müssen, den der Beklagten bekannten Hilfebedarf zu aktualisieren und den Wunsch nach Fortführung der Nachmittagsbetreuung des Klägers auch für das Schuljahr 2014/2015 zum Ausdruck zu bringen.
Bei der Vorsprache der Mutter des Klägers am 23. September 2014 hätte die Beklagte die Mutter in Kenntnis des Hilfebedarfs des Klägers nach § 14 SGB I daher dahingehend beraten müssen, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, Nachmittagsbetreuung auch weiterhin als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Anspruch zu nehmen. Dass das Begehren der Mutter des Klägers auf Kostenübernahme für die Nachmittagsbetreuung durch die Beklagte dahingehend „kanalisiert“ wurde, dass nur ein Antrag nach § 90 Abs. 3 SGB VIII gestellt worden sei, habe die Mutter des Klägers nicht erkennen können. Gemessen am Empfängerhorizont der Mutter habe es sich bei der Vorsprache beim Jugendamt wohl eher um den Wunsch gehandelt, die bisher geleistete Eingliederungshilfe weiter zu erhalten. Mithin habe der Beklagten jedenfalls am 23. September 2014 ein Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfemaßnahmen in Form der Fortführung der für das 1. Schuljahr bewilligten Nachmittagsbetreuung vorgelegen, sodass sie nicht nur über die Möglichkeit einer Kostenübernahme nach § 90 Abs. 3 SGB VIII hätte entscheiden müssen, sondern auch über die Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Die Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 und Abs. 1a SGB VIII seien durch die vorliegenden ärztlichen Unterlagen geklärt, insbesondere das Gutachten der Kinder- und Jugendärztin Dr. G.-W. vom 17. April 2013. Anhaltspunkte, dass seither die Notwendigkeit der Nachmittagsbetreuung des Klägers entfallen sein könnte, bestünden nicht. Da der Beklagten jedoch nach Antragstellung ein gewisser Entscheidungszeitraum zugebilligt werden müsse, wäre es der Beklagten angesichts der eindeutigen Aktenlage frühestens zum 1. November 2014 möglich gewesen, über den Antrag zu entscheiden. Entsprechend sei der Leistungsanspruch zu begrenzen.
Dass der Kläger die Eingliederungshilfeleistungen ohne Bewilligung der Beklagten in Anspruch genommen habe, schließe den geltend gemachten Klageanspruch nicht aus. Insoweit lägen die Voraussetzungen einer zulässigen Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 Ziffern 1 bis 3 SGB VIII vor. Demzufolge sei der Klage für den Zeitraum ab dem 1. November 2014 stattzugeben, im Übrigen abzuweisen gewesen.
7. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung, mit dem sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend macht. Dem tritt die Bevollmächtigte der Klägerin entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die vorgetragenen Zulassungsgründe entweder nicht vorliegen oder nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt sind.
1. Hinsichtlich des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Juli 2016 liegen unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens keine ernstlichen Richtigkeitszweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor, die die Zulassung der Berufung gebieten würden.
1.1 Dies gilt zunächst, soweit die Beklagte unter beharrlicher Wiederholung ihrer bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretenen Position sinngemäß (im Rahmen der Geltendmachung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vorträgt, die Mutter des Klägers habe anlässlich ihrer – im Übrigen in den vorgelegten Jugendamtsakten nicht dokumentierten – Vorsprache am 23. September 2014 ausschließlich einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung nach § 90 Abs. 3 SGB VIII anlog gestellt, nicht hingegen einen Antrag auf Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Diese Auffassung erweist sich als unzutreffend.
Denn soweit die Mutter des Klägers bei der Beklagten die Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung des Klägers an der R.-S.-Schule erreichen wollte, standen für diese Leistung prinzipiell zwei Anspruchsgrundlagen zur Verfügung: Die Kostenübernahme durch den Jugendhilfeträger hätte danach sowohl als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII wie auch in Form der Übernahme der „Kostenbeiträge“ der Nachmittagsbetreuung nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII – im vorliegenden Fall in analoger Anwendung auf eine freiwillige Leistung der Beklagten – erbracht werden können. Dem im Jugendhilferecht unbewanderten Laien, wozu die Mutter des Klägers zweifelsohne rechnet, wird dieser Unterschied regelmäßig nicht deutlich. Die Zielsetzung der Antragstellung lag daher ungeachtet der Rechtsgrundlage allein auf der Fortführung der Kostenübernahme durch den zuständigen Jugendhilfeträger.
In einer derartigen Situation gebietet § 16 Abs. 3 SGB I dem zuständigen Jugendhilfeträger, einen ihm unterbreiteten Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Das Jugendamt hat in diesem Kontext folglich alle aufgrund des Sachverhalts dem Begehren des Antragstellers entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen seiner Zuständigkeit zu erwägen und ggf. auf eine Klärung des Verfahrensgegenstands durch den Antragsteller hinzuwirken. Insoweit gilt zu seinen Gunsten der sozialrechtliche „Meistbegünstigungsgrundsatz“ (vgl. BSG, U.v. 4.4.2006 – B 1 KR 5/05 R – BSGE 96, 161 = BeckRS 2006, 41976 Rn. 5; ferner Merten in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.3.2019, § 16 SGB I, Rn. 22 f; Öndül in jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 16 Rn. 24; Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2019, § 16 SGB I, Rn. 54 m.w.N. aus der Rspr.).
Ungeachtet, bei welchem konkreten Sachbearbeiter bzw. welcher Abteilung des Jugendamts die Mutter des Klägers vorgesprochen bzw. welches Formular sie verwendet hat, hätte das Jugendamt der Beklagten – zu dessen sachlicher Zuständigkeit sowohl die Bewilligung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII wie auch die Kostenübernahme nach § 90 Abs. 3 SGB VIII rechnet – das Begehren nach Fortführung der Kostenübernahme für die Nachmittagsbetreuung im Schuljahr 2014/2015 daher unter allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten und damit auch als Eingliederungshilfeleistung nach § 35a SGB VIII prüfen müssen. Bei etwaigen Unklarheiten in der Antragstellung wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, diese durch Nachfrage bei der Mutter des Klägers aufzuklären. Dass eine entsprechende Nachfrage erfolgt wäre, lässt sich den – insoweit mangelhaft geführten – Jugendhilfeakten indes nicht entnehmen.
Soweit die Beklagte darauf verweist, verschiedene Abteilungen ihres Jugendamts – im vorliegenden Fall die Abteilung J/B4-4 und J/B4-5 – müssten sich die Kenntnis der jeweils anderen Abteilung „nicht zurechnen lassen“, geht ihre Auffassung fehl. Denn ausgehend vom sozialrechtlichen Meistbegünstigungsgrundsatz obliegt es der Beklagten, durch die Organisation des Jugendamts, das im Bereich der Jugendhilfeleistungen als einheitlicher Leistungsträger auftritt, sicherzustellen, dass dem Hilfebedarf des betroffenen jungen Menschen unter allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten Genüge getan wird. Besteht für den Hilfebedarf die Zuständigkeit eines anderen Trägers, obliegt es dem Jugendamt zusätzlich, den entsprechenden Antrag nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den zuständigen Träger weiterzuleiten. Angesichts dessen erweist sich die Postulierung von „Informationsbarrieren“ innerhalb des Jugendamts, die dazu führen, dass einem Hilfebedarf nicht entsprochen wird, als verfehlt. Inwieweit die auf die Kenntnis eines Jugendamts von der Leistungserbringung im Rahmen eines Erstattungsverfahrens nach § 105 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergangene Entscheidung des OVG Münster (U.v. 5.10.2015 – 12 A 1450/144 – BeckRS 2015, 53379), auf die sich die Beklagte in der Zulassungsbegründung bezieht, auf die vorliegende Fallkonstellation aus dem Leistungsbereich übertragen werden soll, erschließt sich dem Senat nicht. Auch die Kenntnis einer „unzuständigen Abteilung“ des Jugendamts von einem bestehenden Hilfebedarf löst eine Handlungspflicht zur Bedarfsdeckung aus.
Hat die Beklagte den Antrag der Mutter des Klägers demnach einseitig ausgelegt und dahingehend „kanalisiert“, dass die Prüfung einer Antragstellung nach § 35a SGB VIII unterblieben ist, liegt darin eine Verletzung der Pflicht aus § 16 Abs. 3 SGB I i.V.m. der Beratungspflicht des § 14 Satz 1 SGB I. Diese Pflichtverletzung der Beklagten eröffnet den Anwendungsbereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. Merten in BeckOK Sozialrecht, § 16 SGB I Rn. 24 f.; Reinhardt in Kramer/Trenck-Hinterberger, Sozialgesetzbuch I, 3. Aufl. 2014, § 16 Rn. 18; Öndül in jurisPK-SGB I, § 16 Rn. 49; Knecht in Hauck/Noftz, SGB I, Stand November 2015, § 16 Rn. 19 ff.). Steht dem Kläger ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung zu, führt die „einseitige Auslegung“ des Antrags seiner Mutter im Hinblick auf § 90 Abs. 3 SGB VIII und die Nichtbearbeitung des Antrags nach § 35a SGB VIII gleichwohl zur Verpflichtung der Beklagten auf der Grundlage dieses Rechtsinstituts. Dies bedarf indes im vorliegenden Kontext keiner weiteren Klärung, da sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, die Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung infolge einer zulässigen Selbstbeschaffung auch aus § 36a Abs. 3 SGB VIII ergibt.
1.2 Auch die von der Beklagten im Hinblick auf die Bejahung der Voraussetzungen einer zulässigen Selbstbeschaffung nach § 36a Abs. 3 SGB VIII behaupteten Richtigkeitszweifel greifen nicht durch.
Insoweit geht die Beklagte zu Unrecht vom Vorliegen einer insgesamt unzulässigen Selbstbeschaffung durch den Kläger aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es im vorliegenden Fall nicht an der Voraussetzung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, wonach der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt haben muss. Zwar trifft es zu, dass die Mutter des Klägers bereits am 22. Juli 2014 mit der R.-S.-Schule den Vertrag über die Nachmittagsbetreuung für das Schuljahr 2014/2015 verlängert hat, der nach dem Vertragstext nur mit einer dreimonatigen Frist zum Schuljahresende gekündigt werden konnte. Dieser Zeitpunkt lag vor der Vorsprache beim Jugendamt der Beklagten am 23. September 2014. Gleichwohl führt dies nicht zur Annahme einer unzulässigen Selbstbeschaffung durch den Kläger nach dem 1. November 2014.
§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII sichert die Steuerungsverantwortung des Jugendamts für Jugendhilfemaßnahmen. Das Erfordernis, den Jugendhilfeträger vor einer Selbstbeschaffung vom Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, ermöglicht es ihm, die Leistungsvoraussetzungen sowie mögliche Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen und entsprechende Leistungen zu bewilligen. Seine Aufgabe liegt damit gerade nicht darin, als Zahlstelle für vom Leistungsberechtigten selbst beschaffte Maßnahmen zu fungieren. Beschafft sich daher ein Leistungsberechtigter eine Leistung, bevor der Jugendhilfeträger überhaupt Kenntnis vom Hilfebedarf erlangt hat, liegt regelmäßig eine unzulässige Selbstbeschaffung vor.
Wird indes eine bestimmte Hilfeleistung zeitabschnittweise erbracht und hat der Leistungsberechtigte den Jugendhilfeträger erst nach Beginn der Maßnahme vom Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, kommt eine Kostenübernahme nach § 36a Abs. 3 SGB VIII gleichwohl dann in Betracht, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist (OVG Münster, U.v. 16.11.2015 – 12 A 1639/14 – BeckRS 2015, 56316 Rn. 58 f.; VG Aachen, U.v. 18.11.2014 – 2 K 2798/12 – BeckRS 2015, 42044 Rn.; U.v. 28.7.2014 – 2 K 1679/12 – BeckRS 2014, 55318; VG Cottbus, U.v. 27.5.2016 – 1 K 1700/14 – BeckRS 2016, 48048; vgl. ferner Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand Dezember 2014, § 36a Rn. 27; von Koppenfels-Spies in jurisPK-SGB VIII, Stand 15.7.2018, § 36a Rn. 47 ff.). In diesem Fall kann sich der Jugendhilfeträger für nachfolgende Zeitabschnitte nicht auf die Unzulässigkeit der Selbstbeschaffung berufen.
Diese Fallkonstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn die begehrte Hilfeleistung – Tragung der Kosten für die Nachmittagsbetreuung des Klägers i.H.v. 200,00 € – wird zeitabschnittweise, nämlich monatlich, erbracht, beginnend ab September 2014. Da die Mutter des Klägers die Beklagte, der der Hilfebedarf aus der Vergangenheit bekannt war, am 23. September 2014 vom fortbestehenden Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hatte, wäre es der Beklagten bei Zubilligung eines angemessenen Prüfungs- und Entscheidungszeitraums möglich gewesen, spätestens – wie das Verwaltungsgericht zutreffend annimmt – zum 1. November 2014 eine Entscheidung hierüber zu treffen. Mit dem Ausbleiben der Entscheidung über die Bewilligung von Eingliederungshilfemaßnahmen bei gleichzeitiger „Kanalisierung“ des Antrags hin auf eine Kostenübernahme nach § 90 Abs. 3 SGB VIII ist die Selbstbeschaffung daher ab diesem Zeitpunkt zulässig geworden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es im vorliegenden Zusammenhang auf die zivilrechtlichen Kündigungsmöglichkeiten des Klägers nicht an. Denn der Umstand, dass erst mit einer Dreimonatsfrist zum Schuljahresende die Nachmittagsbetreuung gekündigt werden kann, führt nicht dazu, dass damit zwangsläufig die Selbstbeschaffung der gesamten „Leistung“ vor Kenntniserlangung des Jugendhilfeträgers vom Hilfebedarf erfolgt wäre. Die Kündigungsregelung tangiert vielmehr die zeitabschnittweise Leistungserbringung nicht. Sie führt lediglich dazu, dass der Selbstbeschaffer im Falle einer rechtmäßigen Ablehnung der beantragten Hilfeleistung vertraglich weiter gebunden bleibt und daher die anfallenden Kosten selbst zu tragen hat. Das Systemversagen auf Seiten des Jugendamts, das hier darin liegt, dass über den Antrag auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht entschieden wurde, hebt die eingeschränkte Kündigungsmöglichkeit nicht auf.
1.3 Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist vorliegend auch nicht deswegen zweifelhaft, weil – wie die Beklagte meint – die Voraussetzungen für die Leistung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Nachmittagsbetreuung bei der R.-S.-Schule nicht vorgelegen hätten, da diese als „Einrichtungsträgerin“ keine Leistungsvereinbarung nach §§ 78a ff SGB VIII mit der Beklagten abgeschlossen habe. Wegen der „fehlenden Voraussetzungen der §§ 78a ff. SGB VIII“ sei keine Eingliederungshilfeleistung möglich. Hätte sich herausgestellt, dass bei der Klägerin ein Eingliederungshilfebedarf bestünde, hätte man seitens der Beklagten daher nach einer anderen Einrichtung suchen müssen.
Die Beklagte übersieht insoweit, dass im Falle der zulässigen Selbstbeschaffung einer Eingliederungshilfemaßnahme der Leistungsberechtigte gerade nicht verpflichtet ist, einen Leistungserbringer auszuwählen, mit dem eine Leistungsvereinbarung nach § 78b SGB VIII abgeschlossen worden ist (so Schmid-Oberkirchner in Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 36a Rn. 54; Winkler in BeckOK Sozialrecht Stand 1.3.2019, § 36a SGB VIII Rn. 22; von Koppenfels-Spies in jurisPK-SGB VIII, Stand 4.4.2019, § 36a Rn. 63;). Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist vielmehr vorwerfbar seiner Steuerungsverantwortung nicht nachgekommen. Eine Bindung an bestimmte „zugelassene“ Leistungserbringer ist damit nicht mehr gegeben.
2. Die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Die von der Beklagten für grundsätzlich bedeutsam angesehen Frage, „ob der zunächst bei der richtigen Stelle gestellte Antrag auf Beitragsübernahme/-erlass nach dessen negativer Prüfung hätte umgedeutet werden müssen in einen weitergehenden Antrag nach § 35a SGB VIII, der von der dafür unzuständigen Stelle im Jugendamt hätte weitergeleitet werden müssen (entsprechend § 16 SGB I)“ rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.
Diese Frage stellt sich schon nicht entscheidungserheblich, weil der (unterstellte) Ausgangspunkt, nämlich dass die Mutter des Klägers zunächst lediglich einen Antrag auf „Beitragsübernahme/-erlass bei der richtigen Stelle“ gestellt hat, unzutreffend ist. Die Mutter des Klägers hat vielmehr beim Jugendamt der Beklagten einen nicht auf eine bestimmte Rechtsgrundlage beschränkten Antrag auf Übernahme der Kosten der Nachmittagsbetreuung gestellt, der vom Jugendamt der Beklagten nach § 16 Abs. 3 SGB I auf der Grundlage des sozialrechtlichen Meistbegünstigungsgrundsatzes zu behandeln gewesen wäre. Hierzu wäre auch keine wie auch immer geartete „Umdeutung“ des Antrags erforderlich gewesen. Im Übrigen ergeben sich die Anforderungen an die Behandlung von auf die Gewährung von Sozialleistungen gerichteten Anträgen aus § 16 SGB I sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung; eine diesbezügliche Zweifelsfrage, die der Klärung in einem Berufungsverfahren zugänglich wäre, zeigt die Beklagte nicht auf.
3. Soweit die Beklagte schließlich die Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erstrebt und zur Begründung lediglich auf eine Kommentardefinition der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten verweist, ohne vorzutragen, weshalb diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sein sollen, genügt sie dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Demzufolge kommt dem Antrag auf Zulassung der Berufung insgesamt kein Erfolg zu.
4. Die Beklagte trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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