Verwaltungsrecht

Keine Berufungszulassung mangels Divergenz

Aktenzeichen  20 ZB 17.31344

Datum:
28.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1671
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 35, § 36 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Wesentlich zur Geltendmachung des Berufungszulassungsgrundes der Divergenz gem. § 78 Abs. 3 S. 2 AsylG ist, dass die Entscheidung des übergeordneten Gerichts tragend auf dem Rechtssatz oder dem Tatsachensatz beruht, der die Divergenz begründet. (Rn. 3 – 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 17.32897 2017-09-14 GeB VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
III. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rudolph, Bamberg, gewährt.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 14. September 2017 die Ziffer 3 des Bescheids der Beklagten vom 17. August 2017 insoweit aufgehoben, als dem Kläger darin eine Ausreisefrist von 30 Tagen gesetzt wurde. Im Übrigen, also soweit die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt hat (Ziffer 1), festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2) und den Kläger zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung angedroht hat (Ziffer 3), hat es die Klage abgewiesen. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Beklagte die Zulassung der Berufung nur insoweit, als der Klage stattgegeben wurde.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Denn die geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) liegt tatsächlich nicht vor.
§ 78 Abs. 3 Satz 2 AsylG verlangt, dass das Urteil oder der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung eines in dieser Bestimmung genannten Obergerichts abweicht. Entscheidungen in diesem Sinn können Urteile und Beschlüsse sein. Wesentlich ist nur, dass die Entscheidung des übergeordneten Gerichts tragend auf dem Rechtssatz oder dem Tatsachensatz beruht, der die Divergenz begründet. Maßgeblich sind die schriftlichen Entscheidungsgründe (vgl. zum Ganzen Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 42 m.w.N.).
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2017 (1 C 10.17 – juris Rn. 15) beruht nicht tragend auf dem im Zulassungsantrag genannten Rechtssatz, dass eine objektive Rechtswidrigkeit einer bloßen Abschiebungsandrohung den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletze (a.a.O. Rn. 15). Denn der Absatz des Urteils, in dem dieser Satz sich findet, beginnt mit „Nicht zu entscheiden ist“ und befasst sich mit der Frage, was wäre, wenn in dem dort entschiedenen Fall rechtswidriger Weise nur eine Abschiebungsandrohung statt einer Abschiebungsanordnung ergangen wäre. In diesem Zusammenhang fällt auch der beklagtenseits als Rechtssatz zitierte Satz. Dabei und bei den anderen Ausführungen in dem genannten Absatz des Urteils handelt es sich nach dem Gesamtzusammenhang nicht um tragende Rechtssätze, sondern um obiter dicta, die lediglich klarstellen sollen, was alles in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entschieden werden musste. Denn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts befasste sich im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die einem Bescheid, der einen Asylantrag wegen zuvor in einem anderen Mitgliedsstaat gewährter Flüchtlingsanerkennung als unzulässig ablehnte, beigefügte Abschiebungsandrohung mit der Frage, ob diese (objektiv) rechtswidrig ist, wenn eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG bei einer Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG fehlt. Diese Frage wurde vom Bundesverwaltungsgericht verneint (vgl. hierzu den vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Leitsatz). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Berufungsgerichts insoweit daher wegen der fehlenden (objektiven) Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück verwiesen. Die Frage, ob eine objektiv rechtswidrige Abschiebungsandrohung den Kläger auch in seinen Rechten verletzt, war damit für das Bundesverwaltungsgericht schon nicht entscheidungserheblich, weshalb hierzu auch kein tragender Rechtssatz aufgestellt wurde.
Darüber hinaus lässt sich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch bei sachgerechter Auslegung (vgl. Happ a.a.O., Rn. 43), der behauptete Rechtssatz, die objektive Rechtswidrigkeit einer bloßen Abschiebungsandrohung könne den Adressaten in seinen Rechten verletzen, nicht entnehmen. Mit der Formulierung „bloße Abschiebungsandrohung“ nimmt die Begründung des Zulassungsantrags offenbar die Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf, wo ebenfalls von einer „bloßen Abschiebungsandrohung“ die Rede ist. Im Zusammenhang der Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung soll damit aber offensichtlich ausgedrückt werden, dass von der Konstellation die Rede ist, dass das Bundesamt keine Abschiebungsanordnung, sondern „bloß“ eine Abschiebungsandrohung erlässt. Um diese Konstellation handelt es sich hier aber gar nicht. Das Verwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung (S. 4) dagegen aus, dass durch die rechtswidrige Ausreisefrist der Kläger nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt sei. Eine Divergenz liegt damit nicht vor.
Dass die vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Verletzung in eigenen Rechten gegebene Begründung durchaus problematisch ist (vgl. hierzu VG Göttingen, U.v. 15.10.2018 – 3 A 745/17 – juris, Rn. 40 ff) ist insoweit ohne Bedeutung, da der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Asylrechtsstreit nicht eröffnet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Dem bedürftigen Kläger war auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu gewähren, § 166 VwGO, § 114 ff ZPO.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung angefochten wurde, rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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