Verwaltungsrecht

Keine einstweilige Anordnung auf Herausgabe eines sichergestellten Führerscheins oder auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins

Aktenzeichen  W 5 E 16.437

Datum:
22.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Ist der bei einer Fahrzeugkontrolle sichergestellte Führerschein bereits an die ausstellende Behörde weitergeleitet, besteht kein Herausgabeanspruch gegenüber der sicherstellende Behörde. (redaktioneller Leitsatz)
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann ein Anspruch auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins nicht durchgesetzt werden (Unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1. Am 20. April 2016 beantragte der Antragsteller sinngemäß bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, den Antragsgegner zu verpflichten, den Führerschein des Antragstellers herauszugeben und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, der Antrag werde aufgrund des Hinweises des Verwaltungsgerichts Gera vom 18. April 2016 gestellt. Der Antragsteller sei ohne festen Wohnsitz und brauche dringend seine Fahrerlaubnis.
2. Das Polizeipräsidium Unterfranken beantragte für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei der Überprüfung des Antragstellers am 28. Januar 2016 auf der Bundesautobahn A 3 sei durch die Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Würzburg-Biebelried festgestellt worden, dass gegen den Antragsteller eine sofort vollziehbare Entziehung der allgemeinen Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde der Stadt Erfurt vorliege. Der Führerschein des Antragstellers sei daraufhin ebenso wie der Fahrzeugschlüssel sichergestellt worden. Der zuständige Beamte habe am 1. Februar 2016 telefonisch Kontakt mit der Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Erfurt gehabt, die einen Abdruck des Entzugsbescheids vom 28. Dezember 2015 und eine Kopie der Postzustellungsurkunde übersandt habe, nach der der Bescheid dem Antragsteller am 6. Januar 2016 zugegangen sei. Der Führerschein sei seitens der VPI Würzburg-Biebelried bereits an die ausstellende Behörde gesandt worden. Die VPI Würzburg-Biebelried könne daher den Führerschein nicht mehr herausgeben. Aufgrund des Bescheides vom 28. Dezember 2015 sei die Weiterleitung rechtmäßig erfolgt. Auch die übrigen Maßnahmen im Rahmen der Kontrolle seien rechtmäßig. Sofern der Antragsteller gegen den Bescheid der Stadt Erfurt vorgehen wolle, sei der Antragsgegner nicht passivlegitimiert.
3. Mit Schreiben vom 21. April 2016, per Fax am selben Tag übersandt, teilte das Verwaltungsgericht Würzburg dem Antragsteller mit, dass der Führerschein nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Unterfranken bereits an die ausstellende Behörde versandt worden sei und deshalb nicht herausgegeben werden könne, und gab anheim, bis zum Montag, 25. April 2016, 16.00 Uhr, eine prozessbeendende Erklärung abzugeben.
Unter dem 22. April 2016 teilte der Antragsteller mit, eine Erledigung liege erst nach Rückgabe der Fahrerlaubnis vor und sei daher nicht eingetreten. Er beantragte weiterhin sinngemäß, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller entsprechenden Ersatz für den Führerschein zu verschaffen und das Ermittlungsverfahren unter Hinzunahme der Anamnese der Klinik Kitzinger Land „aufzunehmen”.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Polizei sei nicht berechtigt gewesen, die Fahrerlaubnis einzuziehen und weiterzuleiten, weil kein rechtmäßiger Verwaltungsakt vorgelegen habe. Der Polizei hätten bei einer Person ohne festen Wohnsitz bereits Zweifel an der Zuständigkeit einer Thüringer Behörde kommen müssen. Der Antragsteller habe keine Kenntnis vom Entzugsbescheid, weshalb die Einstellung der Ermittlungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bei der Staatsanwaltschaft Würzburg beantragt werde. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache wäre unzumutbar.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag des Antragstellers nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes sind hier nicht erfüllt.
Soweit der Antrag noch auf Herausgabe des Führerscheins des Antragstellers durch die VPI Würzburg-Biebelried gerichtet sein sollte, kann er allein deshalb keinen Erfolg haben, weil der Führerschein sich nicht mehr im Einwirkungsbereich der VPI bzw. des Antragsgegners befindet. Die Gelegenheit, nach Bekanntwerden dieser unbestrittenen Tatsache das vorliegende Verfahren zu beenden, hat der Antragsteller nicht ergriffen, so dass der Antrag insoweit abzulehnen war.
Soweit der Antragsteller nunmehr beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller entsprechenden Ersatz für den Führerschein zu verschaffen, steht einer einstweiligen Anordnung bereits das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung entgegen, so dass es auf Fragen der Zuständigkeit des Gerichts bzw. des Antragsgegners nicht mehr ankommt. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen (Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 13), so dass der zuletzt gestellte Antrag ebenfalls keinen Erfolg haben kann.
Der Antrag, das Ermittlungsverfahren unter Hinzunahme der Anamnese der Klinik Kitzinger Land „aufzunehmen”, ist – auch vor dem Hintergrund des sonstigen Vorbringens des Antragstellers – nicht verständlich und bedarf daher keiner näheren Erörterung. Davon abgesehen ist der Verwaltungsrechtsweg insoweit nicht eröffnet, da für Fragen des Ermittlungsverfahrens die Strafverfolgungsbehörden zuständig sind.
Nach alledem war der Antrag insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
2. Zugleich war der mit dem Sofortantrag gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ff. ZPO).
3.
Die Streitwertentscheidung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG.


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